Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 650-686.
1. Korrektur
Erstellt am 31.08.1998.
XII. Beilagen
1. Schilys Ausweisung aus der Schweiz
<650> Einen Brief Schilys über seine Ausweisung aus der Schweiz, worin die Behandlung der nicht parlamentarischen Flüchtlinge an einem Beispiele illustriert wird, kann ich wegen Raummangel leider nur auszugsweise mitteilen. Der Brief beginnt mit der Erzählung, daß zwei deutsche Flüchtlinge, B. und I. <Biscamp und Imandt>, Freunde von Schily, Genf verlassen hatten, auf ihrer Tour durch die Schweiz verhaftet, von Druey wieder in Freiheit gesetzt, nach Genf zurückkehrten.
"In ihrem Auftrag", fahrt Schily fort, "ging ich zu Fazy, um zu hören, ob auf sie gefahndet werde, erhielt von ihm die Beruhigung, daß er von Kantons wegen ihr Inkognito nicht stören werde, Bundesrequisition aber nicht zugegangen sei, ich übrigens wohltun werde, mich mit Berufung auf ihn und seine Mitteilungen an den Chef du département de justice et de police <Leiter der Justiz- und Polizeiabteilung>, M. Girard, zu wenden, was ich denn auch tat, mit ungefähr gleichem Erfolg, meine Adresse hinterlassend für den Fall etwaiger Bundesrequisitionen. Nach einigen Wochen kommt ein Polizeibeamter zu mir und verlangt die Adresse von B. und I. Ich verweigere dieselbe, laufe zu besagtem Girard, exponiere ihm, auf seine Drohung, mich ausweisen zu lassen, falls ich ihm die Adresse nicht gebe, daß ich nach unserer früheren Absprache wohl als intermédiaire <Mittelsperson>, nicht aber als dénonciateur <Denunziant> in Requisition genommen werden könne. Worauf er: 'Vous avez l'air de vouloir vous interposer comme ambassadeur entre moi et ces réfugiés, pour traiter de puissance à puissance.' <'Es hat den Anschein, als wollten Sie sich als Gesandter zwischen mir und diesen Flüchtlingen ins Mittel legen, um wie mit Ihresgleichen zu verhandeln.'> Ich: 'Je n'ai pas l'ambition d'être accrédité ambassadeur près de vous' <'Ich habe nicht den Ehrgeiz, bei Ihnen als Gesandter akkreditiert zu werden'>.
In der Tat wurde ich nunmehr ohne alles ambassadorische Zeremoniell entlassen. Auf dem Rückweg erfuhr ich, daß die beiden, B. und I., soeben gefunden, verhaftet und abgeführt worden seien, und somit konnte ich obige Androhung als erledigt betrachten. Ich hatte aber ohne den 1. April gerechnet, denn unter diesem ominösen Datum 1852 wurde ich von einem Polizeibeamten auf der Straße ersucht, ihn auf das <651> Hôtel de ville zu begleiten, wo man mich etwas fragen wolle. Hier erklärte mir Herr Staatsrat Tourte, Genfer Flüchtlingsausweisungs-Kommissar ad latus <Helfer> des damals dort anwesenden eidgenössischen dito Trog: daß ich ausgewiesen sei und er mich daher sofort nach Bern dirigieren müsse, alles zu seinem größten Bedauern, indem von Kantons wegen nichts gegen mich vorliege, der eidgenössische Kommissär aber auf meiner Ausweisung bestehe. Auf mein Verlangen, diesem vorgeführt zu werden, erwiderte er: 'Non, nous ne voulons pas que le commissaire fédéral fasse la police ici.' <'Nein, wir wollen nicht, daß der eidgenössische Kommissär hier Polizei spielt'.> Hiermit widersprach er also dem oben Gesagten und fiel überhaupt aus seiner Genfer Staatsratsrolle, die darin bestand, gegen die eidgenössischen Ausweisungszumutungen sich mit liberaler Prüderie zu sträuben, nur der Gewalt nachzugeben, aber auch wohl einer gentle pressure <einem sanften Druck> mit Lust oder Resignation zu weichen. Ein anderes Merkmal dieser Rolle bestand darin, dem Ausgewiesenen nachzusagen, er sei ein Spion, man habe ihn im Interesse der 'guten Sache' fortschaffen müssen ... So erzählte Tourte den Flüchtlingen hinterher, er habe mich fortschaffen müssen, weil ich mit dem eidgenössischen Kommissär unter einer Decke gesteckt und mit diesem seinen (Tourtes) flüchtlingsschützenden Maßregeln entgegengewirkt habe, also mit demselben Kommissär, der zu seinem großen Bedauern mich hatte ausweisen lassen. Quelles tartines! <Welche Dummheiten!> Welche Lügen und Widersprüche! Alles für ein bißchen aura popularis <Volksgunst>! Freilich ist Wind eben das Mittel, wodurch jener Herr seinen Ballon in der Höhe hält. Genfer Groß- und Staatsrat, Schweizer Stände- oder Nationalrat, geborner Konfusionsrat, fehlt er nur noch im Bundesrat, um der Schweiz ruhige Tage zu sichern, indem geschrieben steht: Providentia Dei et confusione hominum Helvetia salva fuit. <Die Vorsehung Gottes und die Verwirrung der Menschen haben die Schweiz gerettet.>"Eine Reklamation gegen Tourtes Verleumdung, die Schily bei seiner Ankunft in London dem Genfer "Indépendant" einsandte, der unter dem Einflusse des später zu erwähnenden Raisin stand und die Verleumdungs-Eselsfußtritte, womit "die liberalen faiseurs <Macher> die Flüchtlinge aus der Schweiz trieben", kurz vorher scharf gegeißelt hatte, wurde nicht aufgenommen.
"Vom Hôtel de ville zu Genf", fährt Schily fort, "ging's nun ins Gefängnis, andern Tags per Post unter Polizeibegleitung nach Bern, wo mich Hr. Druey 14 Tage lang im sog. alten Turm in strengem Gewahrsam hielt ..."
Druey, in seiner später zu erwähnenden Korrespondenz mit dem gefangnen Schily, schob alle Schuld auf den Kanton Genf, während Tourte seinerseits versichert hatte, die ganze Schuld liege an der eidgenössischen Behörde, von Seite des Kantons Genf liege keine Beschwerde gegen ihn vor. Eine übereinstimmende Versicherung hatte ihm kurz vorher der Genfer Instruktionsrichter Raisin gemacht. Über letztern Herrn schreibt Schily u.a.:
"Bei Gelegenheit des im Sommer 1851 zu Genf abgehaltnen eidgenössischen Schießens hatte Raisin die Redaktion des französisch und deutsch geschriebenen 'Journal du tir fédéral' übernommen und mich gegen Versprechung eines Honorars von 300 Fcs. zum Mitarbeiter engagiert, wobei ich ihm denn u.a. auch die deutschen Willkomms- und Abschiedsreden des Komiteepräsidenten Tourte flagranti delicto <auf frischer Tat> zu notieren hatte, was mir, dankend sei es Tourte nachgerühmt, dadurch sehr erleichtert ward, daß er jedesmal ungefähr dieselben begeisterten Worte mit leichten Varianten, je nachdem er den Mutz von Bern, den Stier von Uri oder sonstige Eidgenossen zu bekomplimentieren hatte, an die verschiednen Schützendeputationen richtete, so daß ich namentlich beim Refrain 'Sollte aber der Tag der Gefahr kommen, dann werden wir etc.' ruhig die Feder niederlegen und auf Raisins Frage warum, antworten konnte: c'est le refrain du danger, je le sais par coeur. <Das ist der immer wiederkehrende Reim von der Gefahr, den weiß ich schon auswendig.> Statt meines sauer verdienten Honorars von 300 Fcs. erhielt ich aber von Raisin mit Ach und Krach nur 100, jedoch mit der Anwartschaft auf weitere Kollaboration, nämlich für eine politische Revue, die er in Genf gründen wollte, um unabhängig von allen bestehenden Parteien nach allen Seiten hin Front zu machen, namentlich gegen die damalige 'liberale' Regierung Fazy-Tourte, wiewohl er selbst dazu gehörte. Er war ganz der Mann zu einem solchen Unternehmen - fähig, wie er sich zu rühmen pflegte, 'd'arracher la peau à qui que ce soit' <"einem jeden das Fell über die Ohren zu ziehen, wer es auch sei> ... Demnach erteilte er mir den Auftrag, auf einer Schweizer Reise, die ich nach meinen Tir-fédéral-Strapazen <Bundesschießen-Strapazen> antrat, Verbindungen für jenes Unternehmen anzuknüpfen, was ich denn auch tat und worüber ich ihm bei meiner Rückkehr einen schriftlichen Bericht erstattete. Mittlerweile war aber ein ganz andrer Wind eingetreten und hatte ihn mit allen Segeln von seiner Korsarenexpedition in den ruhigen Hafen der bestehenden Regierung getrieben. J'en étais donc pour mes frais et honoraires <So war ich dann um meine Auslagen und Honorare gekommen>, mit deren Forderung ich ihn vergebens importunierte und bis zur Stunde noch, obgleich er ein reicher Mann geworden, vergeblich importuniere ... Kurz vor meiner Verhaftung hatte er mir noch beteuert, daß von meiner Ausweisung nicht die Rede sei, wie sein Freund Tourte selbst ihm versichert habe, daß ich keine Präventivschritte behufs der Girardschen Drohung zu tun brauche usw. ... Auf einen Brief, den ich ihm de profundis <aus den Tiefen> meines alten Kerkerturms schrieb, ihn um eine kleine Abschlagszahlung des mir geschuldeten Geldes und um Aufklärung über den Vorfall (meiner Verhaftung usw.) bat, schwieg er hartnäckig, wiewohl er dem Überbringer die Versichrung gab, meinen Forderungen entsprechen zu wollen ...""... Daß die flüchtigen Parlamentler meine Ausweisung ins Werk gesetzt hatten, schrieb mir einige Monate später K., ein zuverlässiger, vorurteilsfreier Mann, und es ward dies mordicus <eindringlich> bestätigt in einigen von Ranickel beigelegten Zeilen. Auch wurde mir dieselbe Ansicht vielfach von Sachkennern bestätigt, mit denen ich später Gelegenheit hatte, mich mündlich über den Hergang zu erkundigen... Dennoch war ich <653> eigentlich kein Parlamentsfresser wie die Hyäne Reinach, die tagtäglich den seligen Reichsregenten Vogt aus der Reichsgruft an die Mittagstafel zu Bern, wo jener selbst gleichsam als 'gefesselter Prometheus' reinkarniert mit ansaß, herumzerrte, und entre poire et fromage <beim Nachtisch> zum allgemeinen Schrecken jedesmal, so Mumie wie Inkarnation, grausamlich hinunterwürgte. Nun war ich freilich kein Bewundrer der Parlamentstaten, im Gegenteil! Sollten aber die Herren das durch Reichsbann - die Schweiz zum Reich rechnend, weil die Reichskonstitution samt jüngstem Reichstagsabschied darin begraben liegt - an mir haben ahnden wollen?
Eher glaube ich, daß der Verdacht ihrer Verfolgung gegen mich auf der in meinem frühern Brief erwähnten Parlamentsemeute gegen das von mir, Becker und einigen Genfer Bürgern gebildete Genfer Flüchtlingskomitee beruht ... Weshalb die Herren die Verteilung der Flüchtlingsgelder usurpieren wollten, darüber waren sie selbst nicht einig. Die einen, darunter Dentzel aus dem badischen Kämmerlein, wollten, abweichend von unsrer Praxis, welche besonders brotlosen Arbeitern unter die Arme griff, vorzugsweise Duldern von Profession, Heroen der Revolution, Söhnen des Vaterlands, die beßre Tage gesehn, Tränen trocknen ... Is fecit cui prodest <Der hat es getan, dem es nützt>, heißt's im Handwerk, und da nun meine Exerzitien jenen Herren allerdings unbequem waren, griff der Verdacht um sich, daß sie ihren Einfluß in maßgebenden Kreisen zu meiner Beseitigung benutzt hätten. Wußte man doch, daß sie aurem principis <das Ohr der Obrigkeit> hatten, diesem Ohr jedenfalls nahe genug standen, um etwas von meiner Unruhigkeit hineinzublasen, daß namentlich princeps <das Oberhaupt> Tourte sie mehrmals um sich geschart hatte ..."Nachdem Schily seine Wegspedierung aus dem alten Turm von Bern nach Basel über die französische Grenze erzählt hat, bemerkt er:
"Mit Bezug auf die Flüchtlingsausweisungsspesen hege ich die Hoffnung, daß diese Kosten keineswegs aus dem eidgenossischen Ärar, sondern aus dem der Heiligen Allianz bestritten wurden. Eines Tags nämlich, geraume Zeit nach unserm Übertritt in die Schweiz, saß Prinzessin Olga in einem Berner Gasthof mit dem dortigen russischen Geschäftsträger an der Mittagstafel. Entre poire et fromage (sans comparaison <ohne Vergleich> mit dem schrecklichen Reinach), sagte Höchstdieselbe zu ihrem Tischgenossen: 'Eh bien, Monsieur le baron, avez-vous encore beaucoup de réfugiés ici?' <Nun Herr Baron, gibt es noch viele Flüchtlinge hier?> 'Pas mal, Princesse' <'Nicht wenige, Kaiserliche Hoheit'>, spricht jener, 'bien que nous en ayons déjà beaucoup renvoyé. M. Druey fait de son mieux à cet égard, et si de nouveaux fonds nous arrivent, nous en renverrons bien encore'. <'obwohl wir viele von ihnen schon zurückgeschickt haben. Herr Druey tut in dieser Hinsicht sein Bestes, und wenn wir neue Mittel erhalten, werden wir noch mehr zurückschicken'.> Solches hörte und erzählte mir der diensttuende Kellner, weiland Reichskampagne-Freischärler unter meinem hohen Kommando."
Bei Schilys Expedition verschwanden seine Reiseeffekten mysteriös und unwiederbringlich.
"Bis jetzt bleibt es rätselhaft, wie es kommen konnte, daß dieselben aus dem Chaos von Kollis eines deutschen Auswanderungszuges (dem wir in Basel durch den Auswanderungsagenten Klenk, welchem die eidgenössische Behörde uns zum Transport bis Havre in Verding gegeben hatte, einverleibt worden waren, und zwar mit völliger Vermischung der sämtlichen Flüchtlings- und Auswanderungsbagage) in Havre plötzlich verschwinden konnten anders als mit Hülfe einer Liste der Flüchtlinge und ihrer Kollis. Vielleicht weiß der eidgenössische Konsul, Kaufherr Wanner zu Havre, dem wir zum weitern Versand zugewiesen waren, Näheres. Er versprach uns volle Entschädigung. Druey bestätigte mir später dies Versprechen durch einen Brief, den ich zur Betreibung meiner Reklamation beim Bundesrat an Advokat Vogt zu Bern schickte, von ihm jedoch bis zur Stunde nicht wiedererlangen noch überhaupt auf alle meine an ihn gerichteten Briefe eine Antwort erhalten konnte. Dagegen wurde ich im Sommer 1856 vom Bundesrat mit einer Reklamation ab- und zur Ruhe gewiesen, ohne irgendwelche Motivierung dieses Bescheids ...Das alles und überhaupt alle mit noch so viel Landjägern, Handschellen usw. verbundenen Ausweisungen sind aber Kleinigkeiten gegen die in eigentümlich gemütlicher Weise unter freundnachbarlichem Einvernehmen praktizierten Heimweisungen s.g. minder Gravierter aus dem Badischen, mit eigens hierzu verfertigten Reisescheinen und der Weisung, sich bei ihrem Eintreffen in der Heimat bei den Ortsbehörden zu melden, wo sie dann, statt, wie sie meinten, ihrem Berufe nachgehn zu können, allerlei unerwartete Bußübungen zu durchlaufen hatten. Die stillen Leiden dieser also Ausgelieferten (denn Auslieferung ist das rechte Wort) erwarten noch ihren Historiker und Rächer.
Es ist ein Lob für einen Mann, 'wenn man seine Fehler sagen darf, ohne daß er groß zu sein aufhört', sagt der Schweizer Tacitus von der Schweiz. An Stoff zu derartigem Lobe fehlt's nun nicht; es ihr zu spenden, verdirbt ihr die Taille nicht ... qui aime bien châtie bien. <Wer sein Kind liebt, züchtigt es.> Und in der Tat habe ich für meinen Teil eine unverwüstliche Zuneigung für die Schweiz im ganzen und großen. Land und Volk gefällt mir wohl. Den Schießprügel im Hausrat führend, stets bereit und geschickt zu dessen Handhabung für Wahrung historischer Überlieferungen von gutem Klang und moderner Errungenschaften von tüchtiger Hausmache, ist mir der Schweizer eine durchaus respektable Erscheinung. Er hat Anspruch auf fremde Sympathien, weil er sie selber hegt für fremdes Ringen nach bessern Zuständen. 'Da wollt' ich doch lieber, daß unserem lieben Herrgott das beste Paar Engel verreckt wär', sagte ein Schweizer Landwirt in seinem Verdruß über das Mißlingen der süddeutschen Erhebung. Ein eignes Gespann hätte derselbe vielleicht nicht dafür riskiert, eher die eigne Haut mit Schießprügelbegleitung. So ist der Schweizer im Grund seines Herzens nicht neutral, wenn auch auf Grund und zur Wahrung seines überkommenen Besitztums. Übrigens wird diese alte Kruste der Neutralität, welche seinen bessern Kern umhüllt, von all dem fremden Getrampel darauf - und das ist doch in der Tat das Wesen der Neutralität - wohl bald bersten, und dann wird's krachen, und das reinigt die Luft."
<655> So weit Schilys Brief. In der Tour des Prisons zu Bern konnte er es nicht zu einer persönlichen Zusammenkunft mit Druey bringen, wohl aber zu einer Korrespondenz mit diesem Herrn. Auf einen Brief, worin Schily ihn über die Motive seiner Verhaftung befragt und um die Erlaubnis einer Rechtskonsultation mit Advokat Wyß in Bern angeht, antwortet Druey unter dem 9. April 1852:
"... L'autorité
genèvoise a ordonné votre renvoi du Canton, vous a fait arrêter et conduire à Berne a la disposition de mon département, parce que vous vous êtes montré un des réfugiés les plus remuants et que vous avez cherché à cacher I. et B., que vous vous étiez engagé a représenter à l'autorité. Pour ce motif et parce que votre séjour ultérieur en Suisse nuirait aux relations internationales de la Confédération, le Conseil fédéral a ordonné votre renvoi du territoire suisse, etc. ... Comme votre arrestation n'a pas pour but un procès criminel ou correctionnel, mais une mesure de haute police ... il n'est pas nécessaire que vous consultiez l'avocat. D'ailleurs, avant de ... autoriser l'entrevue que vous me demandes avec M. l'avocat Wyss, je désire savoir le but de cette entrevue." <"... Die Genfer Behörden haben Ihre Ausweisung aus dem Kanton angeordnet, sie haben Sie verhaften lassen und nach Bern bringen lassen und meiner Abteilung zur Verfügung gestellt, weil Sie sich als einer der unruhigsten Flüchtlinge erwiesen und versucht haben, I. und B. zu verbergen, deren Aufenthalt Sie den Behörden mitzuteilen verpflichtet waren. Aus diesem Grunde und weil Ihr weiterer Verbleib in der Schweiz den internationalen Beziehungen der Eidgenossenschaft nachteilig sein würde, hat der Bundesrat Ihre Ausweisung aus dem Gebiet der Schweiz beschlossen usw. ... Da Ihre Verhaftung nicht den Zweck hat, einen Prozeß vor dem Kriminal- oder Zuchtpolizeigericht gegen Sie einzuleiten, sondern eine staatspolizeiliche Maßnahme darstellt ..., ist es nicht notwendig, daß Sie einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen. Im übrigen will ich, ehe ich ... die von Ihnen erbetene Besprechung mit Herrn Rechtsanwalt Wyß gestatte, erst wissen, welchen Zweck diese Besprechung haben soll.">Die Briefe, die Schily nach mehrfacher Reklamation an seine Freunde in Genf schreiben durfte, hatten alle vorher Herrn Druey zur Einsicht mitgeteilt zu werden. In einem dieser Briefe brauchte Schily den Ausdruck: "Vae Victis." Druey schreibt ihm darüber unter dem Datum 19. April 1852:
"Dans le billet que vous avez adressé
a M. J. <Jakobi>, se trouvent les mots: vae victis ... Cela veut-il dire que les autorités fédérales vous traitent en vaincu? S'il en était ainsi, ce serait une accusation mensongère, contre laquelle je devrais protester." <"In dem Schreiben, das Sie an Herrn J. gerichtet haben, finden sich die Worte: vae victis ... Soll das etwa heißen, daß die Bundesbehörden Sie als Besiegten behandeln? Wenn dem so sein sollte, so wäre das eine lügenhafte Beschuldigung, gegen die ich protestieren müßte."Schily antwortete dem gewaltigen Druey unter dem Datum 21. April 1852 u.a.:
"Je ne pense pas, M. le conseiller fédéral, que cette manière de caractériser les mesures prises à mon égard, puisse me valoir le reproche d'une accusation mensongère; du moins un pareil reproche ne serait pas de nature à me faire revenir de l'idée que je suis traité avec dureté; au contraire, adressé a un prisonnier, par celui qui le tient en prison, une telle réponse me paraîtrait une dureté de plus." <"Ich glaube nicht, Herr Bundesrat, daß die Art und Weise, wie ich die in bezug auf mich getroffenen Maßnahmen kennzeichne, mir den Vorwurf lügenhafter Beschuldigungen eintragen können; zum mindesten wäre ein solcher Vorwurf nicht geeignet, mich von dem Gedanken abzubringen, daß ich mit Härte behandelt werde; im Gegenteil, wenn ich als Gefangener von meinem Kerkermeister eine solche Antwort erhalte, so scheint mir das eine weitere Härte zu sein.">Gegen Ende März 1852, kurz vor Schilys Verhaftung und der Wegmaßreglung andrer unparlamentarischer Flüchtlinge, hatte das reaktionäre "Journal de Genève" allerlei buntes Zeug geklatscht von kommunistischen Komplotten unter den Genfer deutschen Flüchtlingen: Herr Trog sei damit beschäftigt, ein deutsches Kommunistennest mit einer Brut von 84 Kommunistendrachen auszuheben usw. Neben diesem reaktionären Genfer Blatt war ein der Parlamentsbande angehöriger Scribler in Bern - man muß annehmen, daß es Karl Vogt war, da er im "Hauptbuch" die Rettung der Schweiz vor den kommunistischen Flüchtlingen wiederholt beansprucht - im "Frankfurter Journal" unter dem Korrespondenzzeichen -ss-damit beschäftigt, ähnliche Nachrichten zu verbreiten, z.B. daß das Genfer, aus Kommunisten bestehende Komitee zur Unterstützung deutscher Flüchtlinge wegen unrechtmäßiger Verteilung der Gelder gestürzt und durch brave Männer (Parlamentler) ersetzt worden sei, die dem Unwesen dann bald ein Ende machen würden; ferner daß der Diktator von Genf den Anordnungen der eidgenössischen Kommissäre nun doch endlich sich zu fügen scheine, indem neulich zwei zur kommunistischen Fraktion gehörige deutsche Flüchtlinge gefänglich von Genf nach Bern gebracht worden seien usw. Die zu Basel erscheinende "Schweizerische National-Zeitung" brachte in ihrer Nr. 72, vom 25. März 1852, eine Antwort von Genf, worin es u.a. heißt:
"Jeder Unbefangene weiß, daß so wie die Schweiz nur mit der Befestigung und verfassungsmäßigen Entwicklung ihrer politischen Errungenschaften beschäftigt ist, so die schwachen Überreste der hiesigen deutschen Emigration sich nur auf den täglichen Broterwerb und völlig harmlose Beschäftigungen verlegen und daß die Märchen über Kommunismus nur durch die Phantasie spießbürgerlicher Gestaltenseher und durch politisch oder persönlich interessierte Denunzianten ausgeheckt werden."
Nachdem der Berner parlamentarische Korrespondent des "Frankfurter Journal" als einer dieser Denunzianten bezeichnet ist - schließt der Artikel:
"Die hiesigen Flüchtlinge meinen, daß sich unter ihnen mehrere sogenannte 'brave Männer' nach dem Muster der weiland 'Reichs-Bieder- und Bassermanner' befinden, welche, getrieben von der Sehnsucht nach den heimatlichen Fleischtöpfen, sich den Weg der Gnade bei ihren Landesvätern durch dergleichen reaktionäre Expektorationen anzubahnen suchen; man wünscht ihnen Glück zur baldigen Abreise, damit sie nicht langer die Emigration und die asylgebende Regierung kompromittieren."Schily war den flüchtigen Parlamentlern als Verfasser dieses Artikels bekannt. Letzterer erschien in der Basler "National-Zeitung" am 25. März, und am 1. April fand Schilys gänzlich unmotivierte Verhaftung statt. "Tantaene animis celestibus irae?" <"So heftiger Zorn in der Seele der Götter?">
Nach dem Murtener Skandal erließ die deutsche Flüchtlingsschaft zu Genf, mit Ausschluß der flüchtigen Parlamentler, einen Protest "An ein hohes Departement der Justiz und Polizei der Eidgenossenschaft". Ich gebe daraus nur eine Stelle:
"... Die Monarchen begnügten sich nicht mit ihren bisherigen diplomatischen Errungenschaften. Sie erhoben Kriegsgerassel um die Schweiz herum, drohten mit militärischer Okkupation zur Aufräumung der Flüchtlinge, wenigstens hat der Bundesrat in einem offiziellen Aktenstücke seine Besorgnis wegen dieser Gefahr ausgesprochen. Und siehe da, es erfolgten wieder Ausweisungen, diesmal motiviert durch die bekannte Murtener Versammlung und die Angabe, man sei infolge der darauf eingeleiteten Prozedur politisch-propagandistischen Tendenzen auf die Spur gekommen. In tatsächlicher Beziehung muß diese Angabe durchaus bestritten werden ... In rechtlicher Beziehung dürfte aber festzuhalten sein, daß überall, wo gesetzliche Zustände bestehn, nur gesetzliche Strafen für gesetzlich vorhergesehne Straffälle eintreten können, was auch von der Landesverweisung gilt, soll sie sich nicht offenbar als Polizeiwillkür charakterisieren. Oder wollte man etwa die Diplomatie auch hier gegen uns anpreisen und sagen: Man habe aus Rücksichten für die auswärtigen Mächte, man habe zur Aufrechterhaltung der internationalen Beziehungen so handeln müssen?
Nun wohlan denn, wenn dem so ist, so verhülle sich das eidgenössische Kreuz vor dem türkischen Halbmond, der, wenn der Flüchtlingshäscher an der Pforte klopft, die Hörner zeigt und nicht zu Kreuze kriecht, so gebe man uns denn unsere Pässe nach der Türkei, und nachdem man die Türe hinter uns geschlossen hat, überreiche man die Schlüssel der schweizerischen Freiheitsveste als feudum oblatum <Lehnsgut> der Heiligen Allianz, um dieselben fortan als Kammerherrn-Insignien von dieser zu Lehn zu tragen, mit der Devise: Finis Helvetiae! <Das Ende der Schweiz!>"<658> Aus Joh. Ph. Beckers Brief ersah ich, daß der vom Reichs-Vogt erwähnte "Marxsche Affiliierte" oder [die] "Affiliierten" Chervals niemand anders sein konnte als der jetzt zu London lebende Herr Stecher. Ich hatte bis dahin nicht die Ehre seiner persönlichen Bekanntschaft, obgleich viel Rühmliches über sein großes und allseitiges Künstlertalent gehört. Infolge von Beckers Brief trafen wir zusammen. Das Folgende ist ein Schreiben meines "Affiliierten" an mich .
"London, 17, Sussex Street, W. C., 14. Oktober 1860
Lieber Herr Marx! Mit Vergnügen gebe ich Ihnen einige Erklärungen über den Artikel Nugent (Cherval-Crämer) in Vogts Broschüre, wovon Sie so gefällig waren mir einen Auszug zu senden. Im März 1853 kam ich von einer Reise in Italien zu Genf an. Nugent kam ungefähr zur selben Zeit nach Genf, und ich machte seine Bekanntschaft in einer lithographischen Anstalt. Ich hatte soeben das Lithographieren angefangen, und da Nugent umfassende Kenntnisse darin besitzt und äußerst gefälliger und tätiger, ja fleißiger Natur ist, so nahm ich sein Anerbieten an, in einem Atelier mit ihm zusammen zu arbeiten. Was Vogt von dem Treiben Nugents in Genf sagt, ist ungefähr, was ich damals davon hörte, wenn man das übliche Übertreiben des Feuilletonisten oder Broschürenschreibers davon abzieht. Der Erfolg war äußerst gering. Ich kannte bloß einen der Gesellschaft, ein gutmütiger und fleißiger, sonst aber unbedachtsam leichtsinniger junger Mann: Und da dieser eine der Hauptpersonen war, so kann man leicht schließen, daß N. alles in der Gesellschaft war und die andern nur neugierige Zuhörer. Ich bin überzeugt, es war weder Stein- noch Kupferplatte graviert, ich hörte aber N. von ähnlichen Dingen sprechen. Meine Bekannten waren meist Genfer und Italiener. Ich wußte, daß ich später von Vogt und andern deutschen Flüchtlingen, die ich nicht kannte, als Spion angesehn war, ich störte mich aber nicht daran - die Wahrheit kommt immer an den Tag; ich nahm es ihnen nicht einmal übel, es war so leicht, Verdacht zu erregen, da es an Spionen nicht fehlte und es nicht immer leicht war, sie herauszufinden. Ich bin beinahe sicher, daß Nugent mit niemand in Genf korrespondierte, nachdem er von dort ausgewiesen wurde. Ich erhielt später zwei Briefe von ihm, worin er mich einlud, nach Paris zu kommen, um die Ausführung eines Werkes über mittelaltrige Architektur zu übernehmen, was ich auch tat. Ich fand Nugent zu Paris ganz außerhalb Politik und Korrespondenz. Aus Obigem ist allerdings zu erklären, daß ich als 'die Marxschen Affiliierten' gemeint sein könnte, denn ich sah und hörte von niemand anderm, den Nugent nach Paris gezogen hatte. Herr Vogt konnte natürlich nicht wissen, daß ich nie, weder mittelbar noch unmittelbar, mit Ihnen in Berührung kam und wahrscheinlich nie gekommen wäre, hätte ich meinen Wohnsitz nicht in London aufgeschlagen, wo ich durch Zufall das Vergnügen hatte, Sie und Ihre verehrte Familie kennenzulernen.
Mit herzlichem Gruße an Sie und Ihre werten Damen
H. Cal. Stecher"
<659> Die in diesem Abschnitt (des "Herr Vogt") von mir gemachten Mitteilungen über die preußische Gesandtschaft zu London und ihren Briefwechsel mit preußischen Behörden auf dem Kontinent während der Kölner Prozeßverhandlungen beruhn auf den von A. Willich in der "New-Yorker Criminal-Zeitung" April 1853 unter dem Titel "Die Opfer der Moucharderie, Rechtfertigungsschrift von Wilhelm Hirsch" veröffentlichten Selbstbekenntnissen des jetzt zu Hamburg gefangensitzenden Hirsch, der das Hauptinstrument des Polizeileutnants Greif und seines Agenten Fleury war, auch in ihrem Auftrage und unter ihrer Leitung das während des Kommunistenprozesses von Stieber vorgelegte falsche Protokollbuch schmiedete. Ich gebe hier einige Auszüge aus Hirschs Memoiren.
"Die deutschen Vereine wurden gemeinschaftlich (während der Industrieausstellung) von einem Polizeitriumvirat, dem Polizeirat Stieber für Preußen, einem Herrn Kubesch für Ostreich und dem Polizeidirektor Huntel aus Bremen überwacht."
Hirsch beschreibt folgendermaßen die erste Szene, die er infolge seines Angebots als Mouchard mit dem preußischen Gesandtschaftssekretär Alberts zu London hatte.
"Die Rendezvous, welche die preußische Gesandtschaft in London ihren geheimen Agenten gibt, finden in einem dazu geeigneten Lokale statt. Die Gastwirtschaft 'The Cock', Fleet Street, Temple Bar, fällt so wenig in die Augen, daß, wenn nicht ein goldener Hahn, Aushängeschild, ihren Eingang zeigte, ein Nichtsuchender sie schwerlich entdecken würde. Ein schmaler Eingang führte mich in das Innere dieser altenglischen Taverne, und auf meine Frage nach Mr. Charles präsentierte sich mir unter dieser Firma eine wohlbeleibte Persönlichkeit mit einem so freundlichen Lächeln, als ob wir beide bereits alte Bekannte wären. Der Beauftragte der Gesandtschaft, denn dieser war es, schien sehr heiter gestimmt, und seine Laune stärkte sich noch dermaßen in Brandy und Wasser, daß er darüber eine ganze Weile den Zweck unserer Zusammenkunft zu vergessen schien. Mr. Charles, oder wie er sich mir gleich bei seinem richtigen Namen nannte, der Gesandtschaftsschreiber Alberts, machte mich zunächst damit bekannt, daß er eigentlich nichts mit Polizeisachen zu tun habe, aber dennoch wolle er die Vermittlung übernehmen ... Ein zweites Rendezvous fand in seiner damaligen Wohnung, Brewer Street 39, Golden Square, statt, hier lernte ich zuerst den Polizeileutnant Greif kennen; eine Figur nach echtem Polizeischnitte, mittlerer Größe mit dunklem Haar und einem gleichfarbigen par ordre zugeschnittenen Barte, so daß der Schnurr- sich mit dem Backenbart verbindet, und freiem Kinn. Seine Augen, die nichts weniger als Geist verraten, scheinen sich durch den häufigen Umgang mit Dieben und Gaunern an ein scharfes Herausglotzen gewöhnt zu haben ... Herr Greif hüllte sich, wie zu Anfang Herr Alberts, in denselben Pseudonym-Mantel und nannte sich Mr. Charles. Der <660> neue Mr. Charles war wenigstens ernster gestimmt; er glaubte zunächst mich examinieren zu müssen ... Unsere erste Zusammenkunft schloß damit, daß er mir den Auftrag erteilte, ihm genauen Bericht über alle Tätigkeit der revolutionären Emigration abzustatten ... Herr Greif stellte mir das nächste Mal 'seine rechte Hand', wie er es nannte, 'nämlich einen seiner Agenten', fügte er hinzu, vor. Der also Genannte war ein großer junger Mann in eleganter Kleidung, der sich mir wieder als ein Mr. Charles präsentierte; die gesamte politische Polizei scheint diesen Namen als Pseudonymus adoptiert zu haben, ich hatte es jetzt bereits mit drei Charles zu tun. Der Neuhinzugekommene schien indes bei weitem der berichtenswerteste. 'Er sei', wie er sagte, 'auch Revolutionär gewesen, aber es lasse sich alles machen, ich solle nur mit ihm zusammengehn.'"
Greif verließ London für einige Zeit und schied von Hirsch
"mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß der neue Mr. Charles stets in seinem Auftrage handle, ich dürfe kein Bedenken tragen, mich ihm zu vertrauen, wenn auch manches mir seltsam vorkommen sollte; ich dürfte daran keinen Anstoß nehmen; um mir dies deutlicher zu machen, fügte er hinzu: 'Das Ministerium bedarf zuweilen dieser oder jener Gegenstände; Dokumente sind die Hauptsache, kann man sie nicht schaffen, muß man sich doch zu helfen wissen!"
Hirsch erzählt weiter: Der letzte Charles sei Fleury gewesen,
"früher beschäftigt bei der Expedition der von L. Wittig redigierten 'Dresdner Zeitung'. In Baden wurde er auf Grund überbrachter Empfehlungen aus Sachsen von der provisorischen Regierung nach der Pfalz geschickt, um die Organisation des Landsturms zu betreiben usw. Als die Preußen in Karlsruhe einrückten, wurde er gefangen usw. Er erschien plötzlich wieder in London Ende 1850 oder anfangs 1851; hier trägt er von Anfang an den Namen de Fleury und befindet sich als solcher unter den Flüchtlingen in einer, wenigstens scheinbar, schlechten Lage, bezieht mit ihnen die vom Flüchtlingskomitee errichtete Flüchtlingskaserne und genießt die Unterstützung. Anfangs Sommer 1851 verbessert sich plötzlich seine Lage, er bezieht eine anständige Wohnung und verheiratet sich Ende des Jahrs mit der Tochter eines englischen Ingenieurs. Wir sehn ihn später als Polizeiagenten in Paris ... Sein wirklicher Name ist Krause, und zwar ist er der Sohn des Schuhmachers Krause, der vor etwa 15 bis 18 Jahren, wegen Ermordung der Gräfin Schönberg und deren Kammerfrau in Dresden, daselbst mit Backhof und Beseler hingerichtet wurde ... Oft hat mir Fleury-Krause gesagt, er habe schon seit seinem 14. Jahre für die Regierungen gearbeitet."
Es ist dieser Fleury-Krause, den Stieber in der öffentlichen Gerichtssitzung zu Köln als direkt unter Greif dienenden geheimen preußischen Polizeiagenten eingestand. Ich sage von Fleury in meinen "Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß": "Fleury ist zwar nicht die Fleur de Marie der Prostituierten der Polizei, aber Blume ist er und Blüten wird er treiben, wenn auch nur Fleurs-de-lys." Dies hat sich gewissermaßen erfüllt. <661> Einige Monate nach dem Kommunistenprozeß ward Fleury wegen Fälschung in England zu einigen Jahren hulks <Strafabbüßung auf abgetakelten Schiffen, die als Gefängnisse verwendet wurden> verurteilt.
"Als die rechte Hand des Polizeileutnant Greif", sagt Hirsch, "verkehrte Fleury in dessen Abwesenheit mit der preußischen Gesandtschaft direkt."
Mit Fleury stand in Verbindung Max Reuter, der bei Oswald Dietz, damals Archivar des Schapper-Willichschen Bundes, den Briefdiebstahl vollführte.
"Stieber", sagt Hirsch, "war durch den Agenten des preußischen Gesandten Hatzfeldt in Paris, jenen berüchtigten Cherval, über die Briefe, welche dieser letztere selbst nach London geschrieben, unterrichtet, und ließ sich durch Reuter nur den Aufenthaltsort desselben ermitteln, worauf Fleury in Stiebers Auftrag jenen Diebstahl mit Hülfe Reuters vollführte. Dies sind die gestohlenen Briefe, die Herr Stieber sich nicht entblödet hat, offen 'als solche' vor dem Geschworenengericht in Köln zu deponieren ... Im Herbst 1851 war Fleury gemeinsam mit Greif und Stieber in Paris gewesen, nachdem der letztere dort bereits, durch die Vermittlung des Grafen Hatzfeldt, mit jenem Cherval oder richtiger Joseph Crämer in Verbindung getreten war, mit dessen Hülfe er ein Komplott zustande zu bringen hoffte. Zu dem Ende berieten die Herren Stieber, Greif, Fleury, ferner zwei andre Polizeiagenten, Beckmann
(1) und Sommer in Paris, gemeinsam mit dem famosen französischen Spion Lucien de la Hodde (unter dem Namen Duprez) und erteilten ihre Instruktionen an Cherval, nach denen er seine Korrespondenzen zuzuschneiden hatte. Oft genug hat sich Fleury mir gegenüber über jene provozierte Attacke zwischen Stieber und Cherval amüsiert; und jener Schmidt, der sich in der von Cherval auf polizeilichen Befehl gegründeten Verbindung als Sekretär eines revolutionären Bundes von Straßburg und Köln einführte, jener Schmidt ist kein andrer als Herr de Fleury ... Fleury war in London unzweifelhaft der einzige Agent der preußischen geheimen Polizei, und alle Anerbietungen und Vorschläge, welche der Gesandtschaft gemacht wurden, gingen durch seine Hand ... seinem Urteile vertrauten sich die Herren Greif und Stieber in vielen Fällen an."Fleury eröffnet dem Hirsch:
"Herr Greif hat Ihnen gesagt, wie man handeln muß ... Die Zentralpolizei in Frankfurt ist selbst der Ansicht, daß es sich vor allem darum handelt, die Existenz der politischen Polizei sicherzustellen, durch welche Mittel wir dies tun, ist gleichgültig; ein Schritt ist getan durch das Septemberkomplott in Paris."
Greif kehrt nach London zurück, spricht seine Zufriedenheit über Hirschs Arbeiten aus, verlangt aber mehr, namentlich Berichte über "die geheimen Bundessitzungen der Partei Marx".
"A tout prix, <Um jeden Preis>, schloß der Polizeileutnant, müssen wir Berichte über die Bundessitzungen aufstellen, machen Sie es nun, wie Sie wollen, nur die Wahrscheinlichkeit müssen Sie stets nicht überschreiten, ich selbst bin zu sehr beschäftigt. Herr de Fleury wird mit Ihnen in meinem Namen zusammenarbeiten."Greifs damalige Beschäftigung bestand, wie Hirsch sagt, in einer Korrespondenz mit Maupas durch de la Hodde-Duprez über die zu veranstaltende Scheinflucht von Cherval und Gipperich aus dem Gefängnis St. Pélagie. Auf Hirschs Versicherung, daß
"Marx in London keinen neuen Bundes-Zentralverein gegründet habe ... verabredete Greif mit Fleury, daß wir unter den gegebenen Umständen vorderhand selbst Berichte über Bundessitzungen anfertigen sollten; er, Greif, wollte die Echtheit übernehmen und vertreten, und was er vorlege, werde sowieso akzeptiert".
Fleury und Hirsch setzen sich also an die Arbeit. "Der Inhalt" ihrer Berichte über die von Marx gehaltnen Geheim-Bundessitzungen "wurde damit ausgefüllt", sagt Hirsch,
"daß hin und wieder Diskussionen stattgefunden, Bundesmitglieder aufgenommen, in irgendeinem Winkel Deutschlands sich eine neue Gemeinde gegründet, irgendeine neue Organisation stattgefunden, in Köln die gefangnen Freunde von Marx Aussicht oder keine Aussicht auf Befreiung hätten, daß Briefe von dem oder dem angekommen usw. Was das letztre betraf, so nahm Fleury dabei gewöhnlich Rücksicht auf Personen in Deutschland, welche bereits durch politische Untersuchungen verdächtig waren oder irgendwie eine politische Tätigkeit entfaltet hatten; sehr häufig jedoch mußte auch die Phantasie aushelfen und kam dann auch wohl einmal ein Bundesmitglied vor, dessen Namen vielleicht gar nicht in der Welt existierte. Herr Greif meinte dennoch, die Berichte wären gut und man müsse ja einmal à tout prix welche schaffen. Teilweis übernahm Fleury allein die Abfassung, meistenteils aber mußte ich ihm dabei behülflich sein, da es ihm unmöglich war, die geringste Kleinigkeit richtig zu stilisieren. So kamen die Berichte zustande, und ohne Bedenken übernahm Herr Greif die Garantie ihrer Wahrheit."
Hirsch erzählt nun weiter, wie er und Fleury A. Ruge zu Brighton und Eduard Meyen (Tobyschen Andenkens) besuchen und ihnen Briefe und lithographierte Korrespondenzen stehlen. Nicht genug damit. Greif-Fleury mieten in der Stanburyschen Druckerei, Fetter Lane, eine lithographische Presse und machen mit Hirsch zusammen nun selbst "radikale Flugblätter", Hier gibt es etwas zu lernen für "Demokrat" F. Zabel. Er höre:
"Das erste Flugblatt, von mir" (Hirsch) "verfaßt, war nach Fleurys Angabe 'An das Landproletariat' betitelt, und es gelang, einige gute Abzüge davon zustande zu bringen. Herr Greif sandte diese Abzüge als von der Marxschen Partei ausgehend ein und fügte über die Entstehungsweise, um noch wahrscheinlicher zu werden, in den <663> auf die bezeichnete Weise fabrizierten Berichten der sogenannten Bundessitzungen einige Worte über die Versendung einer solchen Flugschrift ein. Noch einmal geschah eine ähnliche Anfertigung unter dem Namen 'An die Kinder des Volkes', und ich weiß nicht, unter welcher Firma Herr Greif diesmal dieselbe eingeliefert hat; später hörte dieses Kunststück auf, hauptsächlich, weil soviel Geld dabei zugesetzt ist."
Cherval trifft nun in London ein nach seiner Scheinflucht aus Paris, wird vorläufig mit Salär von 1 Pfd. 10 sh. wöchentlich an Greif attachiert,
"wofür er verpflichtet war, Berichte über den Verkehr zwischen der deutschen und französischen Emigration abzustatten".
Im Arbeiterverein öffentlich enthüllt und als Mouchard ausgestoßen,
"stellte Cherval aus sehr erklärlichen Gründen die deutsche Emigration und ihre Organe so unbeachtenswert als möglich dar, weil es ihm ja nach dieser Seite hin total unmöglich war, auch nur etwas zu liefern. Dafür entwarf er dem Greif einen Bericht über die nichtdeutsche revolutionäre Partei, der über Münchhausen ging."
Hirsch kehrt nun zu dem Kölner Prozeß zurück.
"Schon oftmals war Herr Greif über den Inhalt der in seinem Auftrag von Fleury verfertigten Bundesberichte, soweit sie den Kölner Prozeß betrafen, interpelliert worden ... Auch bestimmte Aufträge liefen über diesen Gegenstand ein, einmal sollte Marx mit Lassalle unter einer Adresse 'Trinkhaus' korrespondieren, und der Herr Staatsprokurator wünschte darüber Recherchen angestellt zu sehn ... Naiver erscheint ein Gesuch des Herrn Staatsprokurators, in welchem er gern genaue Aufklärung über die Geldunterstützungen die Lassalle in Düsseldorf dem gefangnen Röser in Köln zukommen lasse, zu erhalten wünschte ... das Geld sollte nämlich eigentlich aus London kommen."
Es ist bereits Abschnitt III, 4 (des "Herr Vogt") erwähnt, wie Fleury in Hinckeldeys Auftrag eine Person in London auftreiben sollte, die den verschwundenen Zeugen Haupt vor dem Kölner Geschworenengericht vorstelle usw. Nach ausführlicher Darstellung dieses Zwischenfalls fährt Hirsch fort:
"Herr Stieber hatte inzwischen an Greif das dringende Verlangen gestellt, womöglich Originalprotokolle über die von ihm eingesandten Bundessitzungen zu liefern. Fleury meinte, wenn man nur irgendwie Leute zur Verfügung hätte, würde er ein Originalprotokoll zustande bringen. Namentlich aber müsse man die Handschriften einiger Freunde von Marx haben. Diese letztere Bemerkung benutzte ich und wies meinerseits die Zumutung zurück; nur noch einmal kam Fleury auf diesen Gegenstand zu sprechen, dann aber schwieg er davon. Plötzlich trat um diese Zeit Herr Stieber in Köln mit einem Protokollbuch des in London tagenden Bundes-Zentralvereins hervor... Noch mehr erstaunte ich, als ich in den durch die Journale auszüglich mitgeteilten Protokollen fast aufs Haar die in Greifs Auftrag durch Fleury gefälschten Berichte erkannte. Herr Greif oder Herr Stieber selbst hatten also doch auf irgendeinem Wege <664> eine Abschrift bewerkstelligt, denn die Protokolle in diesem angeblichen Originale trugen Unterschriften, die von Fleury eingereichten waren nie mit solchen versehn. Von Fleury selbst erfuhr ich über diese wunderbare Erscheinung nur, 'daß Stieber alles zu machen wisse, die Geschichte werde Furore machen'!"
Sobald Fleury erfuhr, daß "Marx" die wirklichen Handschriften der angeblichen Protokollunterzeichner (Liebknecht, Rings, Ulmer etc.) vor einem Londoner Policecourt <Polizeigericht> legalisieren ließ. verfaßte er folgenden Brief:
"An das hohe Königl. Polizeipräsidium in Berlin. London d. d. In der Absicht, die Unterschriften der Unterzeichner der Bundesprotokolle als gefälscht darzustellen, beabsichtigen Marx und seine Freunde hier die Legalisation von Handschriften zu bewerkstelligen, die dann als die wirklich echten Signaturen dem Assisenhofe vorgelegt werden sollen. Jeder, der die englischen Gesetze kennt, weiß auch, daß sie sich in dieser Beziehung wenden und drehn lassen und daß derjenige, welcher die Echtheit garantiert, im Grunde genommen eigentlich keine Bürgschaft leistet. Derjenige, welcher diese Mitteilung macht, scheut sich nicht, in einer Sache, wo es sich um die Wahrheit handelt, seinen Namen zu unterzeichnen. Becker, 4, Utchfield Street." "Fleury wußte die Adresse Beckers, eines deutschen Flüchtlings, der mit Willich in demselben Hause wohnte, so daß späterhin leicht der Verdacht der Urheberschaft auf diesen, als einen Gegner von Marx, fallen konnte ... Fleury freute sich schon im voraus über den Skandal, den das dann anrichten werde. Der Brief würde dann natürlich so spät verlesen werden, meinte er, daß etwaige Zweifel über seine Echtheit erst dann erledigt werden könnten, wenn der Prozeß bereits beendigt sei ... Der Brief, unterzeichnet Becker, war an das Polizeipräsidium in Berlin gerichtet, ging aber nicht nach Berlin, sondern 'an den Polizeibeamten Goldheim, Frankfurter Hof in Köln', und ein Kuvert zu diesem Brief ging an das Polizeipräsidium zu Berlin mit der Bemerkung auf einem einliegenden Zettel: 'Herr Stieber zu Köln wird genaue Auskunft über den Zweck geben' ... Herr Stieber hat keinen Gebrauch von dem Briefe gemacht; er konnte keinen Gebrauch davon machen, weil er gezwungen war, das ganze Protokollbuch fallenzuassen."
In bezug auf letztres sagt Hirsch:
"Herr Stieber erklärt" (vor Gericht), "er habe dasselbe vierzehn Tage vorher in Händen gehabt und sich besonnen, ehe er Gebrauch davon gemacht; er erklärt weiter, es sei ihm durch einen Kurier in der Person Greifs zugekommen ... Greif hätte ihm mithin seine eigne Arbeit überbracht; - wie stimmt dies aber mit einem Schreiben des Herrn Goldheim überein? Herr Goldheim schreibt an die Gesandtschaft: 'Man habe das Protokollbuch nur deshalb so spät gebracht, um dem Erfolge etwaiger Interpellationen über seine Echtheit zu entgehn.' ..."
Freitag, den 29. Oktober, langte Herr Goldheim in London an.
"Herr Stieber hatte nämlich die Unmöglichkeit vor Augen, die Echtheit des Protokollbuchs aufrechterhalten zu können, er schickte deshalb einen Deputierten, um an Ort und Stelle mit Fleury darüber zu verhandeln; die Frage war, ob man nicht <665> auf irgendeinem Wege eine Beweisführung herbeischaffen könne. Seine Besprechungen blieben fruchtlos, und er reiste resultatlos wieder ab, indem er Fleury in einer verzweifelten Stimmung zurückließ; Stieber war nämlich entschlossen, in dem Falle, um nicht die Polizeichefs zu kompromittieren, ihn bloßzustellen. Daß dies der Grund der Unruhe Fleurys war, lehrte mich erst die bald darauf folgende Erklärung des Herrn Stieber. Bestürzt griff Herr Fleury nun zu einem letzten Mittel; er brachte mir eine Handschrift, nach welcher ich eine Erklärung kopieren und mit dem Namen Liebknecht versehn dann vor dem Lord Mayor von London, unter der Angabe, daß ich Liebknecht sei, beschwören solle ... Fleury sagte mir, die Handschrift rühre von demjenigen her, der das Protokollbuch geschrieben habe, und Herr Goldheim habe sie" (aus Köln) mitgebracht. Wie aber, wenn Herr Stieber das Protokollbuch per Kurier Greif aus London empfangen hatte, wie konnte Herr Goldheim in dem Augenblicke, als Greif bereits wieder in London war, eine Handschrift des angeblichen Protokollisten aus Köln überbringen? ... Was Fleury mir gab, waren nur einige Worte und die Signatur ..." Hirsch "kopierte die Handschrift möglichst ähnlich und erklärte in derselben, daß der Unterzeichnete, Liebknecht nämlich, die von Marx und Konsorten geschehene Legalisation seiner Unterschrift für falsch und diese, seine Signatur, für die einzig richtige erkläre. Als ich meine Arbeit vollendet und die Handschrift in Händen hatte" (nämlich die ihm zur Kopie von Fleury übergebne Handschrift), "die ich glücklicherweise noch gegenwärtig besitze, äußerte ich Fleury zu seinem nicht geringen Erstaunen mein Bedenken und schlug ihm sein Gesuch rundweg ab. Untröstlich anfangs, erklärte er mir dann, daß er selbst die Beeidigung leisten werde ... Der Sicherheit halber, meinte er, werde er die Handschrift vom preußischen Konsul kontrasignieren lassen, und er begab sich deshalb zunächst auf das Büro desselben. Ich erwartete ihn in einer Taverne; als er zurückkam, hatte er die Kontrasignatur bewerkstelligt, worauf er sich in der Absicht der Beeidigung zum Lord Mayor begab. Aber die Sache ging nicht auf dem Wege; der Lord Mayor verlangte weitere Bürgschaften, die Fleury nicht leisten konnte, und der Eidschwur unterblieb ... Spätabends sah ich noch einmal und damit zum letztenmal den Herrn de Fleury. Grade heute hatte er die üble Überraschung gehabt, in der 'Kölnischen Zeitung' die ihn betreffende Erklärung des Herrn Stieber zu lesen! 'Aber ich weiß, Stieber konnte nicht anders, er hätte sich sonst selbst kompromittieren müssen', trostphilosophierte Herr de Fleury sehr richtig ... 'In Berlin werde ein Schlag geschehn, wenn die Kölner verurteilt wären', sagte mir Herr de Fleury an einem der letzten Tage, die ich ihn sah."
Fleurys letzte Zusammenkünfte mit Hirsch fanden statt Ende Oktober 1852; Hirschs Selbstbekenntnisse sind datiert Ende November 1852; und Ende März 1853 geschah der "Schlag in Berlin" (Ladendorfsche Verschwörung).(2)
Fußnoten von Marx
(1) Dasselbe Individuum, welches im Prozeß Arnim figurierte. [Anmerkung von Marx zur Ausgabe von 1875.] Er war schon damals, und noch lange Jahre nachher Pariser Korrespondent der "Kölnischen Zeitung". [Zusatz von Engels zur Ausgabe von l885.] <=
(2) Es wird nun den Leser interessieren, zu sehn, welches Zeugnis Stieber selbst seinen beiden Spießgesellen Fleury-Krause und Hirsch ausstellt. Über ersteren heißt es im Schwarzen Buch, II, S. 69:
"Nr. 345. Krause, Carl Friedrich August, aus Dresden. Er ist der Sohn des im Jahre 1834 wegen Teilnahme an der Ermordung der Gräfin Schönberg zu Dresden hingerichteten früheren Ökonomen, dann" (nach seiner Hinrichtung?) "Getreidemäklers Friedrich August Krause und der noch lebenden Witwe desselben, Johanna Rosine geb. Göllnitz, und am 9. Januar 1824 in den Weinbergshäusern bei Coswig ohnweit Dresden geboren. Seit 1. Oktober 1832 besuchte er die Armenschule zu Dresden, wurde 1836 in das Waisenhaus zu Antonstadt-Dresden aufgenommen und 1840 konfirmiert. Dann kam er zum Kaufmann Gruhle zu Dresden in die Lehre, im folgenden Jahre aber schon wegen mehrfacher Entwendungen beim Stadtgerichte in Dresden in Untersuchung und Haft, worauf ihm der erlittene Arrest als Strafe angerechnet wurde. Nach der Entlassung hielt er sich bei seiner Mutter geschäftslos auf, kam im März 1842 wegen eines Diebstahls mit Einbruch wieder in Haft und Untersuchung und erlitt eine ihm zuerkannte vierjährige Zuchthausstrafe. Am 23. Oktober 1846 kam er aus der Strafanstalt nach Dresden zurück und verkehrte nun unter den berüchtigtsten Dieben. Darauf nahm der Verein für entlassene Sträflinge sich seiner an und brachte ihn als Zigarrenmacher unter, als welcher er bis März 1848 ohne Unterbrechung mit leidlichem Betragen gearbeitet hat. Doch nun gab er sich von neuem dem Hang zur Arbeitslosigkeit hin und besuchte die politischen Vereine" (als Regierungsspion, wie er selbst dem Hirsch in London gestand, s. oben). "Anfang 1849 wurde er Kolporteur der von dem jetzt in Amerika befindlichen republikanischen Literaten E. L. Wittig aus Dresden redigierten 'Dresdner Zeitung', beteiligte sich im Mai 1849 als Kommandant der Barrikade an der Sophienstraße am Dresdner Aufstand und floh nach Unterdrückung desselben nach Baden, wo er namentlich mit Vollmachten der provisorischen badischen Regierung vom 10. und 23. Juni 1849 behufs Ausführung des Aufgebots zum Landsturm und behufs Erpressung von Lebensmitteln für die Insurgenten auftrat, vom preußischen Militär gefangengenommen wurde, am 8. Oktober 1849 aus Rastatt entsprang." (Ganz wie später Cherval aus Paris "entsprang". Nun kommt aber das echte duftige Polizeiblümlein - man vergesse nicht, daß dies zwei Jahre nach dem Kölner Prozeß gedruckt wurde.) "Zufolge einer in Nr. 39 des 'Berliner Publizisten' vom 15. Mai 1853 enthaltnen Nachricht, welche aus dem in New York im Druck erschienenen Werk des Handlungsdieners Wilhelm Hirsch aus Hamburg 'Die Opfer der Spionage' entnommen ist" (du ahnungsvoller Engel, du Stieber!), "trat Krause Ende 1850 oder anfangs 1851 in London unter dem Namen Charles de Fleury als politischer Flüchtling auf und hat zuerst in ärmlichen Verhältnissen gelebt, ist seit 1851 aber in bessere Lage gekommen, indem er nach seiner Aufnahme in den Kommunistenbund" (die Stieber hinzulügt) "verschiedenen Regierungen als Agent gedient hat, wobei er sich aber mannigfache Schwindeleien hat zuschulden kommen lassen."
So bedankt sich Stieber bei seinem Freund Fleury, der übrigens, wie oben erwähnt, wenige Monate nach dem Kölner Prozeß in London wegen Fälschung zu verschiedenen Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
Von Ehren-Hirsch heißt es ebendaselbst, S. 58:
"Nr. 265. Hirsch, Wilhelm, Handlungsdiener aus Hamburg. Er hat sich, wie es scheint, nicht als Flüchtling" (wozu diese ganz zwecklose Lüge? Goldheim hatte ihn ja in Hamburg verhaften wollen!), "sondern freiwillig nach London gewendet, dort aber viel mit den Flüchtlingen verkehrt, namentlich hatte er sich der Kommunistenpartei angeschlossen. Er entwickelte eine doppelte Rolle. Einmal nahm er teil an den Bestrebungen der Umsturzpartei, zum andern bot er sich den Kontinentalregierungen als Spion sowohl gegen politische Verbrecher als auch gegen Falschmünzer an. Er hat in dieser letzten Beziehung aber die ärgsten Betrügereien und Schwindeleien, namentlich Fälschungen, verübt, so daß vor ihm nicht genug gewarnt werden kann. Er hat sogar im Verein mit ähnlichen Subjekten selbst falsches Papiergeld gemacht, nur um für hohe Bezahlung den Polizeibehörden angeblich Falschmünzereien zu entdecken. Er wurde allmählich von beiden Seiten" (von den polizeilichen wie von den unpolizeilichen Falschmünzern?) "erkannt und hat sich jetzt von London nach Hamburg zurückgezogen, wo er in dürftigen Umständen lebt."
So weit Stieber über seine Londoner Handlanger, deren "Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit" zu beschwören er nicht müde wird. Interessant ist dabei besonders die absolute Unmöglichkeit, in der sich dieser Musterpreuße befindet, die einfache Wahrheit zu sagen. Zwischen die aus den Akten hineingenommenen - wahren und falschen - Tatsachen kann er es nicht lassen, selbst ganz zwecklose Lügen hineinzustiebern. Und darin, daß auf die Aussagen solcher gewerbsmäßigen Lügner - sie sind heute zahlreicher als je - Hunderte von Leuten zu Gefängnis verurteilt werden, darin besteht das, was man heute Staatsrettung nennt.
<666> Nach Schluß des Kölner Kommunistenprozesses wurden Vogtartige Verleumdungen über meine "Ausbeutung" der Arbeiter lebhaft kolportiert, namentlich in der deutsch-amerikanischen Presse. Einige meiner in Amerika lebenden Freunde - die Herren J. Weydemeyer, Dr. A. Jacobi (praktischer Arzt zu New York, einer der Angeklagten im Kölner Kommunistenprozeß) und A. Cluß (Beamter bei der U.St. Navy Yard in Washington) - veröffentlichten unter dem Datum New York, 7. November 1853, eine detaillierte Widerlegung der Albernheit mit dem Bemerken, daß ich recht habe, über meine Privatangelegenheiten zu schweigen, soweit es sich um die <667> Gunst des Spießbürgers handle. "Aber gegenüber der crapule <dem Gesindel>, dem Spießbürger und dem verkommenen Bummler schadet es unserer Ansicht nach der Sache, und wir brechen das Schweigen."
In meinem früher zitierten Pamphlet "Der Ritter usw." liest man S. 5: " ... Am 20. Juli 1851 wurde der 'Agitationsverein' gestiftet und am <668> 27. Juli 1851 der deutsche 'Emigrations-Klub'. Von diesem Tage an ... datiert ... der auf beiden Seiten des Ozeans geführte Kampf zwischen 'Emigration' und 'Agitation', der große Froschmäuslerkrieg begann.
"Wer gibt die Worte mir und wer die Stimme,
Das Größte groß und würdig zu berichten?
Denn stolzerer Kampf, geführt mit wilderem Grimme,
Ward seit der Welt Beginn gesehen mitnichten;
Die andern Schlachten, wenn auch noch so schlimme,
Sind Veilchen nur und Rosen, und mein Dichten
Versagt mir, wo Bravour und Ehrenglorie
Gleich herrlich strahlt in dieses Kampfs Historie.
(Nach Bojardo, 'Orlando innam[orato]'. Canto 27)"
Es ist nun keineswegs mein Zweck, hier näher einzugehn auf "dieses Kampfs Historie", nicht einmal auf die zwischen Gottfried Kinkel, im Namen des Emigrationsvereins, mit A. Goegg, im Namen des "Revolutionsbundes beider Welten", am 13. August 1852 vereinbarten "Präliminarien eines Unionsvertrags" (verbotenus <wortgetreu> und unter dieser Firma veröffentlicht in der ganzen deutsch-amerik[anischen] Presse). Ich bemerke nur, daß die gesamte parlamentarische Flüchtlingsschaft mit wenigen Ausnahmen (Namen wie K. Vogt vermied damals jede Partei schon aus Anstandsgefühl) sich von der einen oder der andern Seite am Mummenschanz beteiligte.
Gottfried Kinkel, die Passionsblume des deutschen Philisteriums, sprach am Schlusse seiner Revolutionslustfechtreise durch die Ver[einigten] Staaten in der "Denkschrift über das deutsche Nationalanlehn zur Förderung der Revolution, d.d. Elmira im Staate New York, 22. Febr. 1852" Ansichten aus, die wenigstens das Verdienst höchster Einfachheit besitzen. Gottfried meint, es verhalte sich mit der Revolutionsmacherei wie mit der Eisenbahnmacherei. Sei einmal das Geld vorhanden, so finde sich die Bahn in dem einen Fall und die Revolution in dem andern. Während die Nation Revolutionsbedürfnisgefühle in der Brust, müßten die Revolutionsmacher Bares in der Tasche tragen, und es komme daher alles an auf eine "kleine, wohlausgerüstete Schar, mit Gelde reichlich versehen". Man sieht, in welche Ideenirrgänge der merkantile Wind von England selbst melodramatische Köpfe hineinbläst. <so in der Erstausgabe> Da hier alles durch Aktien gemacht wird, selbst "public opinion " <"öffentliche Meinung">, warum nicht eine Aktiengesellschaft "Zur Förderung der Revolution"?
<669> Bei einem öffentlichen Zusammentreffen mit Kossuth, der damals auch grade Revolutionsfechterei in den Ver[einigten] St[aaten] betrieb, äußerte Gottfried sehr ästhetisch:
"Auch aus Ihrer reinen Hand, Gouverneur, wäre geschenkte Freiheit mir ein harter Bissen Brotes, den ich netzen würde mit den Tränen meiner Scham."
Gottfried, der dem geschenkten Gaul so scharf ins Maul sah, versicherte daher den Gouverneur, daß, wenn dieser ihm die "Revolution aus dem Osten" mit seiner Rechten darreiche, er, Gottfried, mit seiner Rechten nun wiederum dem Gouverneur als Äquivalent "die Revolution aus dem Westen" einhändige. Sieben Jahre später, in dem von ihm selbst gestifteten "Hermann", versichert derselbe Gottfried, er sei ein Mann von seltner Konsequenz, und wie er vor dem Kriegsgericht zu Rastatt den Prinzregenten als Kaiser von Deutschland ausrief, habe er stets an diesem Wahlspruch festgehalten.
Graf Oskar Reichenbach, einer der ursprünglichen drei Regenten und der Kassierer der Revolutionsanleihe, veröffentlichte unter dem Datum London, 8. Oktober 1852 eine Rechenablage nebst Erklärung, worin er sich von dem Unternehmen lossagt, zugleich aber ausspricht: "Jedenfalls kann und werde ich den Bürgern Kinkel usw. das Geld nicht übergeben." Dagegen forderte er die Aktionäre auf, die provisorischen Darlehnsscheine gegen das in Kassa befindliche Geld auszulösen. Zur Niederlegung der Kassenverwaltung usw., sagt er,
"bestimmen mich politische und rechtliche Gründe ... Die Voraussetzungen, auf denen die Idee des Anleihens beruhte, sind nicht zugetroffen. Die Summe von 20.000 Dollars, nach deren Realisierung erst mit dem Anlehn vorangegangen werden sollte, ist darum nicht erreicht worden ... Der Vorschlag, eine Zeitschrift zu gründen und geistig zu agitieren, findet keinen Anklang. Nur politischer Scharlatanismus oder revolutionäre Monomanie können aber die Anleihe jetzt für ausführbar und eine allen Parteifraktionen gleich gerechte, also unpersönliche, tätig-revolutionäre Verwendung
der Gelder im Augenblicke für möglich erklären."Gottfrieds Revolutionsglaube jedoch war nicht so leicht zu erschüttern, und er verschaffte sich zu dem Behufe einen "Beschluß", der ihm erlaubte, das Geschäft unter anderer Firma fortzuführen.
Reichenbachs Rechnungsablage enthält interessante Data.
"Für Beiträge", sagte er, "die später etwa von den Komitees an andre als an mich gezahlt wurden, können die Garanten nicht verantwortlich gemacht werden, worauf ich die Komitees bei der Einziehung der Scheine und bei der Abrechnung Rücksicht zu nehmen bitte."
<670> Die Einnahme betrug nach seinem compte rendu <Rechenschaftsbericht> £ 1.587 6 s. 4 d., wozu London £ 2 5 s. und "Deutschland" £ 9 beigetragen hatten. Die Ausgabe belief sich auf £ 584 18 s. 5 d. und wird gebildet wie folgt: Reisekosten Kinkels und Hillgärtners: £ 220; andere Reisende: £ 54; lithographische Presse: £ 11; Anfertigung der provisorischen Scheine: £ 14; lithographische Korrespondenz, Portos etc.: £ 106 1 s. 6 d. Auf Anweisung von Kinkel, usw.: £ 100.
Die Revolutionsanleihe endete in £ 1.000, die Gottfried Kinkel in der Westminster Bank als Handgeld für die erste deutsche provisorische Regierung bereithält. Und trotz alledem immer noch keine provisorische Regierung? Deutschland glaubt vielleicht, daß es genug hat an 36 definitiven Regierungen.
Einzelne amerikanische Anlehnfonds, die der Londoner Zentralkasse nicht einverleibt wurden, fanden hie und da wenigstens eine patriotische Anwendung, so z.B. die £ 100, die Gottfried Kinkel Herrn Karl Blind im Frühjahr 1858 zur Verwandlung in "radikale Flugblätter" usw. übermachte.
"Council Hall, Sheffield, May 6th, 1856
Doctor,
The Sheffield Foreign Affairs Committee instruct me to convey to you an expression of their warm thanks for the great public service you have rendered by your admirable exposé of the Kars-Papers published in the 'People's Paper'. I have the honour, &c.
Wm. Cyples, Secrdary
Dr. Karl Marx" '
<"Council Hall, Sheffield, 6. Mai 1856
Herr Doktor,
Das Sheffielder Komitee für Auswärtige Angelegenheiten beauftragt mich, Ihnen seinen aufrichtigen Dank für die großen Dienste zu übermitteln, die Sie der Öffentlichkeit durch Ihr in 'People's Paper' veröffentlichtes bewundernswertes Exposé
über die auf Kars bezüglichen Dokumente geleistet haben.Ich habe die Ehre usw.
W[illia]m Cyples, Sekretär
Dr. Karl Marx">
8. Erklärung des Herrn A. Scherzer
Herr A. Scherzer, der seit den 30er Jahren einen rühmlichen Anteil an der Arbeiterbewegung genommen, schreibt mir unter dem Datum London, 22. April 1860:
"Geehrter Bürger! Ich kann es nicht unterlassen, gegen eine Stelle, die mich unter dem scheußlichen Lügengewebe und den infamen Verleumdungen der Vogtschen Broschüre persönlich betrifft, zu protestieren. Nämlich in dem abgedruckten Dokument No. 7, 'Schweizer Handels-Courier' Nr. 150 vom 2. Juni, Beilage, heißt es: 'Wir wissen, daß gegenwärtig wieder neue Anstrengungen von London aus gemacht werden. Briefe, A. Sch... unterzeichnet, werden an Vereine und Personen von dort aus gerichtet usw.' Diese 'Briefe' scheinen die Ursache zu sein, die Herrn K. Vogt veranlassen, an einer andern Stelle seines Buchs zu schreiben: 'Im Beginn dieses Jahres (1859) schien sich indes ein neuer Boden für politische Agitation herzustellen, Augenblicklich wurde diese Gelegenheit ergriffen, um womöglich einigen Einfluß wieder zu gewinnen. Die Taktik hat sich in dieser Beziehung seit Jahren nicht geändert. Ein Komitee, von dem, wie es in dem alten Liede heißt, "niemand nichts weiß", schickt durch einen übrigens auch ganz unbekannten Präsidenten oder Schriftführer Briefe umher usw. usw. Wenn auf diese Weise das Terrain sondiert ist, so schneien einige "reisende Brüder" in das Land hinein, die sich augenblicklich mit Organisierung eines Geheimbundes beschäftigen. Der Verein selbst, auf dessen Kompromittierung es abgesehn ist, erfährt nichts von diesen Umtrieben, die eine Sonderbündelei einiger Individuen bleiben; meistens sogar ist die Korrespondenz, die im Namen des Vereins geführt wird, diesem gänzlich unbekannt, aber in den Briefen heißt es dennoch stets "unser Verein" usw., und die Reklamationen der Polizei, die später unausbleiblich erfolgen und auf abgefaßte Schriftstücke sich gründen, gehn stets auf den ganzen Verein usw.'Warum hat Herr K. Vogt nicht den ganzen Brief, auf welchen er im Dokument No. 7 hindeutet, abgedruckt? Warum nicht die Quelle 'sondiert', von welcher er ausging? Es wäre ihm ein leichtes gewesen zu erfahren, daß der öffentliche Londoner Arbeiterbildungsverein in öffentlicher Sitzung ein Korrespondenzkomitee ernannte, in welches ich die Ehre hatte gewählt zu werden. Wenn Herr Vogt von unbekannten Schriftführern u.dgl. spricht, so ist es mir sehr lieb, von ihm nicht gekannt zu sein, freut mich aber sagen zu können, daß ich von Tausenden deutschen Arbeitern gekannt bin, die alle aus der Wissenschaft der Männer geschöpft haben, welche er jetzt begeifert. Die Zeiten haben sich geändert. Die Periode der geheimen Gesellschaften ist vorüber. Es ist absurd, von Geheimbund oder Sonderbündelei zu sprechen, wenn eine Sache offen in einem Arbeitervereine verhandelt ist, wo in jeder Sitzung Fremde als Besucher beiwohnen. Die von mir unterzeichneten Briefe waren in der Art abgefaßt, daß auch niemandem ein Haar hätte darum gekrümmt werden können. Es war uns deutschen Arbeitern in London nur einzig darum zu tun, die Stimmung der Arbeitervereine auf dem Kontinent kennenzulernen und eine Zeitung zu gründen, die das Interesse der arbeitenden Klasse vertrete und gegen die in fremdem Solde stehenden Federn zu Felde ziehe. Es fiel natürlich keinem deutschen Arbeiter ein, im Interesse eines Bonaparte zu handeln, wozu nur ein Vogt oder seinesgleichen fähig. Wir verabscheuen den Despotismus Östreichs sicher ernsthafter, als Herr Vogt tut, aber wir suchen seine Niederlage nicht durch den Sieg eines fremden Despoten. Jedes Volk muß sich selbst befreien. <672> Ist es nicht auffallend, daß grade Hr. Vogt für sich das Mittel beansprucht, welches er gegen sein Treiben gekehrt zu haben uns zum Verbrechen macht? Wenn Hr. Vogt angibt, daß er nicht von Bonaparte bezahlt ist, sondern nur Gelder zur Gründung einer Zeitung aus demokratischen Händen empfing, und sich dadurch reinwaschen wollte, wie kann er denn trotz seiner Gelehrsamkeit so vernagelt sein, Arbeiter, die sich um das Wohl ihres Vaterlandes bekümmern und Propaganda für die Gründung einer Zeitung machen, anzuklagen und zu verdächtigen?
Mit ergebenster Hochachtung A. Scherzer."
9. Blinds Artikel in der "Free Press" vom 27. Mai 1859
"The Grand Duke
Constantine to be King of HungaryA Correspondent, who encloses his card, writes as follows: -
Sir, - Having been present at the last meeting in the Music Hall, I heard the statement made concerning the Grand Duke Constantine. I am able to give you another fact: -
So far back as last summer, Prince Jérôme-Napoleon detailed to some of his confidants at Geneva a plan of attack against Austria, and prospective rearrangement of the map of Europe. I know the name of a Swiss senator to whom he broached the subject. Prince Jérôme, at that time, declared that, according to the plan made, Grand Duke Constantine was to become King of Hungary.
I know further of attempts made, in the beginning of the present year, to win over to the Russo-Napoleonic scheme some of the exiled German Democrats, as well as some influential Liberals in Germany. Large pecuniary advantages were held out to them as a bribe. f am glad to say that these offers were rejected with indignation."
"Hochgeehrtester Herr! Von Herrn Liebknecht geht mir heute die Nachricht zu, daß Sie die Güte haben wollen, uns ein gerichtliches Dokument über das Flugblatt gegen Vogt, in bezug auf seine Entstehungsgeschichte, freundlichst zur Disposition zu stellen. Ich bitte dringend, mir dasselbe zu überschicken, und zwar so schnell als irgend möglich, damit wir es produzieren können. Ich bitte, das Dokument gegen Schein abzusenden und alle etwaigen Unkosten uns zu berechnen. Übrigens, hochgeehrtester Herr, verkennt die liberale Partei zuweilen die 'Allgemeine Zeitung';
wir (die Redaktion) haben alle die Feuer- und Wasserprobe der politischen Überzeugungstreue bestanden. Betrachten Sie nur nicht das Werkstück, den einzelnen Artikel, sondern die <673> Gesamttätigkeit, dann werden Sie wohl zu der Überzeugung kommen, daß kein deutsches Blatt in solcher Weise, ohne Hast, aber auch ohne Rast, für Einheit und Freiheit, für Macht und Bildung, für geistigen und materiellen Fortschritt, für Hebung des Nationalgefühls und der Sittlichkeit im deutschen Volke strebt, daß keines mehr erreicht als wir. Sie müssen unser Tun nach unserem Wirken messen. Noch einmal auf das dringendste um freundliche Gewährung meiner Bitte nachsuchend, unterzeichne ich mit der größten Hochachtungals Ihr ganz ergebener Hermann Orges.
Augsburg, 16./10."
Der zweite Brief, vom selben Datum, war nur ein Extrakt aus dem ersten, "der größern Vorsicht halber", wie Herr Orges schreibt, "ebenfalls abgesendet" und verlangt dito "die schleunigste Übersendung des uns, wie Herr Liebknecht schreibt, gütigst zur Disposition gestellten Dokuments über den Ursprung des bekannten Flugblatts gegen Vogt".
Von meinem vom 4. Februar 1860 datierten englischen Zirkular gegen Blind gebe ich hier nur den Schluß:
"Now, before taking any further step, I want to show up the fellows who evidently have played into the hands of Vogt. I, therefore, publicly declare that the statement of Blind, Wiehe and Hollinger, according to which the anonymous pamphlet was not printed in Hollinger's office, 3, Litchfield Street, Soho, is a deliberate lie. First, Mr. Vögele, one of the compositors, formerly employed by Hollinger, will declare upon oath that the said pamphlet was printed in Hollinger's office, was written in the hand-writing of Mr. Blind, and partly composed by Hollinger himself. Secondly, it can be judicially proved that the pamphlet and the article in 'Das Volk' have been taken off the same types. Thirdly, it will be shown that Wiehe was not employed by Hollinger for eleven consecutive months, and, especially, was not employed by him at the time of the pamphlet's publication. Lastly, witnesses may be summoned in whose presence Wiehe himself confessed having been persuaded by Hollinger to sign the wilfully false declaration in the Augsburg Gazette. Consequently, I again declare the above said Charles Blind to be a deliberate liar. Karl Marx."
From the London "Times", February 3rd.
"Vienna, January 30th. - The Swiss Professor Vogt pretends to know that France will procure for Switzerland Faucigny, Chablais, and the Genevese, the neutral provinces of Savoy, if the Grand Council of the Republic will let her have the free use of the Simplon."" I declare herewith; that the German flysheet 'Zur Warnung' (A Warning) which was afterwards reprinted in No. 7 (d.d. 18th June 1859) of 'Das Volk' (a German paper which was then published in London) and which was again reprinted in the 'Allgemeine Zeitung' of Augsburg (the Augsburg Gazette) - that this flysheet was composed partly by Mr. Fidelio Hollinger of 3, Litchfield Street, Soho, London, partly by myself, who was then employed by Mr. Fidelio Hollinger, and that the flysheet was published in Mr. F. Hollinger's Printing office, 3, Litchfield Street, Soho, London; that the manuscript of the said flysheet was in the handwriting of Mr. Charles Blind; that I saw Mr. F. Hollinger give to Mr. William Liebknecht of 14, Church Street, Soho, London, the proofsheet of the flysheet 'Zur Warnung'; that Mr. F. Hollinger hesitated at first giving the proofsheet to Mr. W. Liebknecht, and, that, when Mr. W. Liebknecht had withdrawn, he, Mr. F. Hollinger, expressed to me, and to my fellow workman J. F. Wiehe, his regret for having given the proofsheet out of his hands.
Declared at the Police Court, Bow Street, in the County of Middlesex, the eleventh day of February 1860, before me. Th. Henry, one of the Police Magistrates of the Metropolis.
L. S.
A. Vögele."
<"Hiermit gebe ich folgende Erklärung ab: Das deutsche Flugblatt 'Zur Warnung', das später in Nr. 7 der in London erscheinenden deutschen Zeitung 'Das Volk' vom 18. Juni 1859 abgedruckt und nochmals in der Augsburger 'Allgemeinen Zeitung' nachgedruckt wurde, ist zum Teil von Herrn Fidelio Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho, London, und zum Teil von mir selbst in meiner damaligen Eigenschaft als Angestellter des Herrn Fidelio
Hollinger gesetzt und in der Druckerei des Herrn F. Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho, London, verlegt worden. Des Manuskript des besagten Flugblatte war in der Handschrift des Herrn Karl Blind geschrieben. Ich habe gesehen, wie Herr F. Hollinger den Korrekturbogen des Flugblatts 'Zur Warnung' Herrn Wilhelm Liebknecht, 14, Church Street, Soho, London, übergab. Herr F. Hollinger hatte anfangs Bedenken, den Korrekturbogen Herrn W. Liebknecht auszuhändigen, und als Herr Liebknecht sich entfernt hatte, brachte er mir und meinem Arbeitskollegen J. F. Wiehe gegenüber sein Bedauern darüber zum Ausdruck, daß er den Korrekturbogen aus der Hand gegeben habe.Diese Erklärung ist abgegeben vor dem Polizeigericht Bow Street in der Grafschaft Middlesex am elften Februar l860 vor mir, Th. Henry, einem der Polizeirichter der Hauptstadt.
L. S.
A. Vögele.">
"One of the first days of November last - I do not recollect the exact date - in the evening between nine and ten o'clock I was taken out of bed by Mr. F. Hollinger, in whose house I then lived, and by whom I was employed as compositor. He presented to me a paper to the effect, that, during the preceding eleven months I had been continuously employed by him, and that during all that time a certain German flysheet 'Zur Warnung' (A Warning) had not been composed and printed in Mr. Hollinger's Office, 3, Litchfield Street, Soho. In my perplexed state, and not aware of the importance of the transaction, I complied with his wish, and copied, and signed the document. Mr. Hollinger promised me money, but I never received anything. During that transaction Mr. Charles Blind, as my wife informed me at the time, was waiting in Mr. Hollinger's room. A few days later, Mrs. Hollinger called me down from dinner and led me into her husband's room, where I found Mr. Charles Blind alone. He presented me the same paper which Mr. Hollinger had presented me before, and entreated me to write, and sign a second copy, as he wanted two, the one for himself, and the other for publication in the Press. He added that he would show himself grateful to me. I copied and signed again the paper.I herewith declare the truth of the above statements and that:
1) During the 11 months mentioned in the document I was for six weeks not employed by Mr. Hollinger, but by a Mr. Ermani. 2) I did not work in Mr. Hollinger's Office just at that time when the Flysheet 'Zur Warnung' (A Warning) was published. 3) I heard at the time from Mr. Vögele, who then worked for Mr. Hollinger, that he, Vögele, had, together with Mr. Hollinger himself, composed the flysheet in question, and that the manuscript was in Mr. Blind's handwriting. 4) The types of the pamphlet were still standing when I returned to Mr. Hollinger's service. I myself broke them into columns for the reprint of the flysheet (or pamphlet) 'Zur Warnung' (A Warning) in the German paper 'Das Volk' published at London, by Mr. Fidelio Hollinger, 3, Litchfield Street, Soho. The flysheet appeared in No. 7, d.d. 18th June 1859, of 'Das Volk' (The People). 5) I saw Mr. Hollinger give to Mr. William Liebknecht of 14, Church Street, Soho, London, the proofsheet of the pamphlet 'Zur Warnung', on which proofsheet Mr. Charles Blind with his own hand had corrected four or five mistakes. Mr. Hollinger hesitated at first giving the proofsheet to Mr. Liebknecht, and when Mr. Liebknecht had withdrawn, he, F, Hollinger, expressed to me and my fellow workman Vögele his regret for having given the proofsheet out of his hands.
Declared and signed by the said Johann Friedrich Wiehe at the Police Court, Bow Street, this 8th day of February, 1860, before me Th. Henry, Magistrate of the said court.
L. S.
Johann Friedrich Wiehe."
"Gouvernement Provisoire
République Française. Liberté, Égalité, Fraternité.
Au nom du Peuple Français
Paris, 1 Mars 1848
<676> Brave et loyal Marx,
Le sol de la république française est un champ d'asyle pour tous les amis de la liberté. La tyrannie vous a banni, la France libre vous rouvre ses portes, à vous et à tous ceux qui combattent pour la cause sainte, la cause fraternelle de tous les peuples. Tout agent du gouvernement français doit interpréter sa mission dans se sens. Salut et fraternité.
Ferdinand Flocon, Membre du Gouvernement Provisoire."
<"Provisorische Regierung
Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Im Namen des französischen Volkes
Paris, 1. März 1848
<Wackerer, aufrichtiger Marx,
Der Boden der französischen Republik ist eine Freistätte für alle Freunde der Freiheit. Tyrannenmacht hat Sie verbannt, das freie Frankreich öffnet Ihnen seine Tore wieder, Ihnen und all denen, die für die heilige Sache, die brüderliche Sache aller Völker kämpfen. Alle Beamten der französischen Regierung sollen ihre Aufgabe in diesem Sinne verstehen. Mit brüderlichem Gruß!
Ferdinand Flocon, Mitglied der provisorischen Regierung">
"Bruxelles, le 19 Mai 1848
Mon cher Monsieur Marx,
J'entends avec un grand plaisir par notre ami Weerth que vous allez faire paraître a Cologne une Nouvelle Gazette Rhénane dont il m'a remis le prospectus. Il est bien nécessaire que cette feuille nous tienne au courant en Belgique des affaires de la démocratie allemande, car il est impossible d'en rien savoir de certain ici par la Gazette de Cologne, la Gazette Universelle d'Augsbourg et les autres gazettes aristocratiques de l'Allemagne que nous recevons à Bruxelles, non plus que par notre Indépendance Belge dont toutes les correspondances particulières sont con
çues au point de vue des intérêts de notre aristocratie bourgeoise, M. Weerth me dit qu'il va vous joindre à Cologne pour contribuer à l'entreprise de la Nouvelle Gazette Rhénane: et il me promet en votre nom l'envoi de cette feuille en échange du Débat social que je vous enverrai de mon côté. Je ne demande pas mieux aussi que d'entretenir avec vous une correspondance sur les affaires communes à nos deux pays. Il est indispensable que les Belges et les Allemands ne restent pas trop étrangers les uns aux autres, dans l'intérêt commun des deux pays: car il se prépare en France des événements qui ne tarderont pas à mettre en jeu des questions qui toucheront les deux pays ensemble. Je reviens de Paris où j'ai passé une <677> dizaine de jours que j'ai employés de mon mieux a me rendre compte de la situation de cette grande capitale. Je me suis trouvé, à la fin de mon séjour, juste au milieu des affaires du 15 mai. J'assistais même à la séance où s'est passé le fait de l'irruption du peuple dans l'assemblée nationale ... Tout ce que j'ai compris, a voir l'attitude du peuple parisien et à entendre parler les principaux personnages qui sont en ce moment dans les affaires de la république française, c'est qu'on s'attend à une forte réaction de l'esprit bourgeois contre les événements de février dernier; les affaires du 15 mai précipiteront sans doute cette réaction. Or, celle-ci amènera indubitablement dans peu de temps un nouveau soulèvement du peuple ... La France devra bientôt recourir à la guerre. C'est pour ce cas-là que nous aurons à aviser, ici et chez vous, sur ce que nous aurons à faire ensemble. Si la guerre se porte d'abord vers l'Italie nous aurons du répit ... Mais si elle se porte sur-le-champ vers ce pays-ci je ne sais pas trop encore ce que nous aurons à faire, et alors nous aurons besoin du conseil des Allemands ... En attendant j'annoncerai dans le Débat Social de dimanche la publication prochaine de votre nouvelle feuille ... Je compte aller à Londres vers la fin du mois de juin prochain. Si vous avec occasion d'écrire à Londres a quelques amis, veuillez les prier de m'y faire accueil. Tout à vous cordialement,L. Jottrand, Avt."
<"Brüssel, den 19. Mai 1848
Lieber Herr Marx,
Mit großem Vergnügen erfahre ich durch unseren Freund Weerth, daß Sie in Köln eine 'Neue Rheinische Zeitung' herausgeben wollen, deren Prospekt er mir zugesandt hat. Es ist höchst notwendig, daß dieses Blatt uns in Belgien über die Angelegenheiten der deutschen Demokratie auf dem laufenden hält, denn durch die 'Kölnische Zeitung', die Augsburger 'Allgemeine Zeitung' und einige andere aristokratische deutsche Zeitungen, die wir in Brüssel erhalten, ist es ebensowenig möglich, darüber etwas Sicheres zu erfahren, als durch unsere 'Indépendance Belge', deren Sonderberichte alle unter dem Gesichtspunkt der Interessen unserer bürgerlichen Aristokratie abgefaßt sind. Herr Weerth teilt mir mit, daß er nach Köln gehen wird, um sich mit Ihnen zu vereinigen zwecks Mitwirkung an der 'Neuen Rheinischen Zeitung'; er hat mir in Ihrem Namen versprochen, mir dieses Blatt im Austausch gegen den 'Débat social'
zu schicken, den ich meinerseits Ihnen zusenden werde. Es entspricht völlig meinen Wünschen, mit Ihnen über die Angelegenheiten, die unseren beiden Ländern gemeinsam sind, zu korrespondieren. Es ist im gemeinsamen Interesse der beiden Länder unbedingt notwendig, daß Belgier und Deutsche sich nicht allzu fremd bleiben, denn in Frankreich bereiten sich Ereignisse vor, die binnen kurzem auch Fragen aufrollen werden, die unsere beiden Länder zusammen berühren. Ich komme eben von Paris, wo ich zehn Tage verbracht habe, die ich nach besten Kräften dazu verwendet habe, mir über die Lage dieser Weltstadt klarzuwerden. Am Ende meines Aufenthalts geriet ich mitten in die Vorgänge vom 15. Mai hinein. Ich wohnte selbst der Sitzung der Nationalversammlung bei, in die das Volk eindrang ... Soviel ich beim Betrachten der Haltung der Pariser Bevölkerung und beim Hören der Reden der im Augenblick maßgebenden Staatsmänner der französischen Republik verstanden habe, erwartet man, eine heftige Reaktion der bürgerlichen Stimmungen auf die Ereignisse des letzten Februar; die Vorgänge vom 15. Mai werden diese Reaktion zweifellos beschleunigen. Das wird aber unzweifelhaft binnen kurzem zu einer neuen Volkserhebung führen ... Frankreich muß bald zu einem Krieg seine Zuflucht nehmen. Wir müssen deshalb hier und bei Ihnen daheim darauf bedacht sein, was wir in diesem Falle gemeinsam zu tun hätten. Wenn sich der Krieg zuerst gegen Italien richtet, werden wir einen Aufschub haben; ... wenn er sich aber sofort gegen unser Land wendet, weiß ich noch nicht, was wir tun sollen, und dann brauchen wir Rat von den Deutschen ... Mittlerweile werde ich im 'Débat social' vom Sonntag das demnächstige Erscheinen Ihres neuen Blattes ankündigen ... Ich beabsichtige, gegen Ende Juni nach London zu reisen. Sollten Sie Gelegenheit haben, einigen Freunden nach London zu schreiben, dann haben Sie die Güte, sie zu bitten, mich gut aufzunehmen.Von Herzen ganz der Ihre
L. Jottrand, Advokat">
"Bruxelles, 10 Fevr., 1860
Mon cher Marx,
<678> N'ayant pas de vos nouvelles, depuis très longtemps, j'ai reçu votre dernière avec la plus vive satisfaction. Voua vous plaignez du retard des choses, et du peu d'empressement de ma part de vous répondre à la question que vous m'aviez faite. Que faire: l'âge ralentit la plume; j'espère cependant que vous trouverez mes avis et mon sentiment toujours les mêmes. Je vois que votre dernière est tracée a la dictée par la main de votre secrétaire intime, de votre adorable moitié: or Madame Marx ne cesse de se rappeler du vieux hermite de Bruxelles. Qu'elle daigne recevoir avec bonté mes salutations respectueuses.
Conservez-moi, cher confrère, dans vos amitiés. Salut et fraternité.
Lelewel."
<"Brüssel, 10. Februar 1860
Mein lieber Marx,
Nachdem ich von Ihnen seit sehr langer Zeit nichts gehört hatte, empfing ich Ihr letztes Schreiben mit größter Befriedigung. Sie beklagen sich über die Verzögerung der Dinge und geringen Eifer meinerseits, Ihnen die Frage zu beantworten, die Sie mir gestellt haben. Was soll man machen: Das Alter läßt die Feder langsamer werden; ich hoffe jedoch, daß Sie meine Ansichten und mein Empfinden für stets unverändert halten werden. Ich sehe, daß Ihr letztes Schreiben nach Ihrem Diktat von der Hand Ihres Geheimsekretärs, Ihrer liebenswürdigen Gemahlin, geschrieben ist; also Frau Marx erinnert sich immer wieder des alten Brüsseler Einsiedlers. Wollen Sie ihr bitte meine ergebensten Grüße übermitteln.
Bewahren Sie mir, lieber Kollege, auch ferner Ihre Freundschaft. Mit brüderlichem Gruß
Lelewel.">
"5, Cambridge Place, Kensington, London,
Feb. 11th, 1860
My dear Marx, I have read a series of infamous articles against you in the National-Zeitung and am utterly astonished at the falsehood and malignity of the writer. I really feel it duty that every one who is acquainted with you, should, however unnecessary such a testimony must be, pay a tribute to the worth, honour and disinterestedness of your character. It becomes doubly incumbent in me to do so, when I recollect how many articles you contributed to my little magazine, the 'Notes to the People', and subsequently to the <679> 'People's Paper', for a series of years, utterly gratuitously; articles which were of such high value to the people's cause, and of such great benefit to the paper. Permit me to hope that you will severely punish your dastardly and unmanly libeller.
Believe me, my dear Marx, most sincerely, yours,
Ernest Jones
Dr. Karl Marx"
<"5, Cambridge Place, Kensington, London,
11, Februar 1860
Mein lieber Marx, ich habe eine Reihe unerhört frecher Artikel gegen Sie in der 'National-Zeitung' gelesen und bin aufs tiefste betroffen von der Verlogenheit und Gehässigkeit des Verfassers. Ich habe wirklich das Empfinden, daß jeder Ihrer Bekannten verpflichtet ist, so wenig ein solches Zeugnis auch notwendig
sein sollte, Ihrem würdigen, ehrenhaften und uneigennützigen Charakter seinen Tribut zu zollen. Ich fühle mich dazu doppelt verpflichtet, wenn ich mir vergegenwärtige, wie viele Artikel für meine kleine Zeitschrift 'Notes to the People' und weiterhin für 'People's Paper' Sie während einer Reihe von Jahren vollständig unentgeltlich beigesteuert haben; Artikel, die von so hohem Wert für die Sache des Volkes und von so großem Nutzen für das Blatt waren. Gestatten Sie mir, die Hoffnung auszusprechen, daß Sie den feigen und unmännlichen Verfasser dieser Schmähartikel ohne Nachsicht züchtigen werden.Genehmigen Sie, mein lieber Marx, den Ausdruck der aufrichtigen Ergebenheit Ihres
Ernest Jones
Herrn Dr. Karl Marx">
"Tribune Office, New York, March 8th, 1860
My dear Sir,
In reply to your request I am very happy to state the facts of your connection with various publications in the United States concerning which I have had a personal knowledge. Nearly nine years ago I engaged you to write for the New York
Tribune, and the engagement has been continued ever since. You have written for us constantly, without a single weeks' interruption, that I can remember; and you are not only one of the most highly valued, but one of the best paid contributors attached to the journal. The only fault I have had to find with you has been that you have occasionally exhibited too German a tone of feeling for an American newspaper. This has been the case with reference both to Russia and France. In questions relating to both, Czarism and Bonapartism, I have sometimes thought that you manifested too much interest and too great anxiety for the unity and independence of Germany. This was more striking perhaps in connection with the late Italian war than on any other occasion. In that I agreed perfectly with you: sympathy with the Italian people. I had as little confidence as you in the sincerity of the French Emperor, and believed as little as you that Italian liberty was to be expected from him; but I did not think that Germany had any such ground for alarm as you, in common with other patriotic Germans, thought she had.I must add that in all your writings which have passed through my hands, you have always manifested the most cordial interest in the welfare and progress of the labouring classes; and that you have written much with direct reference to that end.
<680> I have also at various times within the past five or six years been the medium through which contributions of yours have been furnished to Putnam's Monthly, a literary magazine of high character; and also to the New American Cyclopædia, of which I am also an editor, and for which you have furnished some very important articles.
If any other explanations are needed I shall be happy to furnish them. Meanwhile I remain, yours very faithfully,
Charles A. Dana, Managing Editor of the N. Y. Tribune
Dr. Charles Marx"
<"Verlagsbüro der 'Tribune', New York, 8. März 1860
Sehr geehrter Herr,
In Beantwortung Ihrer Anfrage stelle ich mit großem Vergnügen fest, in welcher Verbindung Sie zu verschiedenen Veröffentlichungen in den Vereinigten Staaten standen, von denen ich persönlich Kenntnis habe. Vor fest neun Jahren verpflichtete ich Sie, für die 'New York
Tribune' zu schreiben, und diese Beschäftigung hat seither ununterbrochen fortgedauert. Soweit ich mich entsinnen kann, haben Sie ständig, ohne eine Woche Unterbrechung. für uns geschrieben. Und Sie sind nicht nur einer der höchstgeschatzten, sondern auch einer der bestbezahlten ständigen Mitarbeiter unseres Blattes. Das einzige, was ich en Ihnen aussetzen mußte, war, daß Sie gelegentlich eine für eine amerikanische Zeitung zu stark betonte Note deutschen Empfindens an den Tag gelegt haben. Das ist in bezug auf Rußland und Frankreich der Fall gewesen. In Fragen, die den Zarismus wie den Bonapartismus betreffen, war ich zuweilen der Meinung, daß Sie zu viel Interesse und zu große Besorgnis für die Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands bekundeten. Im Zusammenhang mit dem kürzlichen Krieg in Italien trat das vielleicht noch mehr in Erscheinung als bei anderen Gelegenheiten. In der Sympathie mit dem italienischen Volk war ich mit Ihnen allerdings vollständig einig. Ich hatte ebensowenig Vertrauen wie Sie in die Aufrichtigkeit des französischen Kaisers und glaubte ebensowenig wie Sie, daß von ihm die Befreiung Italiens erwartet werden dürfe; ich dachte aber nicht, daß für Deutschland derart Grund zur Beunruhigung bestehe, wie Sie, gemeinsam mit anderen deutschen Patrioten, angenommen haben.Ich muß hinzufügen, daß Sie in allen Ihren Artikeln, die durch meine Hand gegangen sind, immer das lebhafteste Interesse für das Wohlergehen und den Fortschritt der Arbeiterklasse bekundet haben und daß Sie sehr viel geschrieben haben mit direkter Beziehung auf dieses Ziel.
Im Laufe der letzten fünf oder sechs Jahre habe ich auch zu verschiedener Zeit die Lieferung von Beiträgen durch Sie für 'Putnam's Monthly', eine literarische Zeitschrift von hohem Niveau, vermittelt, ebenso für die 'New
American Cyclopædia', deren Herausgeber ich gleichfalls bin und für die Sie einige sehr wichtige Artikel geliefert haben. Wenn Sie noch weitere Erklärungen benötigen, stehe ich Ihnen gern damit zur Verfügung. Inzwischen verbleibe ich Ihr sehr ergebenerCharles A. Dana, stellvertr. Chefredakteur der 'New-York
Tribune'.Herrn Dr. Karl Marx.">
Ich habe gezeigt, daß die Dentu-Pamphlets die Quelle sind, woraus der deutsche Dâ-Dâ seine Weisheit über die Weltgeschichte im allgemeinen <681> und "Napoleons heilsame Politik" im besondren schöpft. Die "heilsame Politik Napoleons" ist eine Phrase aus einem neulichen Leitartikel des "Demokraten" F. Zabel. Was die Franzosen selbst über diese Pamphlets denken und wissen, ersehe man aus folgendem Auszug aus dem Pariser Wochenblatt "Courrier du Dimanche" Nr. 42, 14. Oktober 1860. .
"Pour ce qui regarde le moment actuel, prenez dix brochures au hasard, et vous reconnaîtrez que neuf au moins ont été
pensées, élaborées, écrites ... par qui? par des romanciers de profession, par des chansonniers, par des vaudevillistes, par des sacristains!Parle-t-on dans les gazettes de mystérieuses entrevues entre les puissances du Nord, de la Sainte-Alliance qui ressuscite? Vite voilà un faiseur agréable de couplets assez littéraires, et même (jadis) passablement libéraux, qui court chez l'inévitable M. Dentu et lui apporte sous ce titre ronflant: La coalition, une longue et fade paraphrase des articles de M. Grandguillot. L'alliance anglaise semble déplaire parfois a M. Limayrac?
Vite, un M. Châtelet, chevalier de l'ordre de Grégoire le Grand, et qui doit être sacristain quelque part, si j'en crois son style, publie ou republie un long et ridicule factum: Crimes et délits de l'Angleterre contre la France. Déjà l'auteur du Compère Guillery (Edmond About) avait jugé à propos de nous édifier sur les arcanes politiques de la monarchie prussienne, et avait donné du haut de ses chutes théâtrales, des conseils de prudence aux chambres de Berlin. On annonce que M. Clairville va prochainement élucider la question de l'isthme de Panama, si fort embrouillée par M. Belly; et sans doute quelques jours après la conférence royale du 21 Octobre, on verra paraître a toutes les vitrines de nos libraires une splendide brochure rose qui portera ce titre; Mémoire sur l'entrevue de Varsovie par le corps de ballet de l'Opéra.Cette invasion, en apparence inexplicable, des questions politiques par les dii minores de la littérature, se rattache à bien des causes. Nous en citerons ici une seule, mais qui est la plus immédiate et la plus incontestable.
Dans le marasme presque universel d'esprit et de cœur, ces messieurs, qui font le triste métier d'amuseurs publics, ne savent plus par quel moyen secouer et réveiller leurs lecteurs. Les vieilles gaîtés de leurs refrains et de leurs anecdotes leur reviennent sans cesse. Eux-mêmes se sentent aussi mornes, aussi tristes, aussi ennuyés que ceux qu'ils entreprennent de dérider. Voilà pourquoi à bout de ressources, ils se sont mis, en désespoir de cause, à écrire les uns des mémoires de courtisanes, les autres des brochures diplomatiques.
Puis, un beau matin, un aventurier de la plume, qui n'a jamais fait a la politique le sacrifice d'une heure sérieuse d'étude, qui n'a pas même au cœur le semblant d'une conviction, quelle qu'elle soit, se lève et se dit: 'J'ai besoin de frapper un grand coup! Voyons! que ferai-je pour attirer sur moi l'attention générale qui me fuit d'instinct? Écrirai-je un opuscule sur la question Léotard ou sur la question d'Orient? Révélerai-je au monde surpris le secret de boudoirs ou je n'entrai jamais, ou celui de la politique russe qui m'est plus étrange encore?
Dois-je m'attendrir en prose voltairienne sur les femmes éclaboussées ou en prose évangélique sur les malheureuses populations maronites <682> traquées, dépouillées, massacrées par le fanatisme mahométan? Lancerai-je une apologie de mademoiselle Rigolboche ou un plaidoyer en faveur du pouvoir temporel? Décidément, j'opte pour la politique. J'amuserai encore mieux mon public avec les rois et les empereurs, qu'avec les lorettes.' Cela dit, notre surnuméraire de la littérature bohème compulse le Moniteur, hante quelques jours les colonnades de la Bourse, rend visite à quelques fonctionnaires et sait enfin de quel côte souffle le vent de la curiosité à la ville, ou celui de la faveur à la cour; il choisit alors un titre que ce vent puisse enfler d'une façon suffisante et se repose content sur les lauriers. Aussi bien son œuvre est faite désormais; car aujourd'hui, en matière de brochure, il n'y a que deux choses qui comptent, le titre et les relations que l'on suppose entre l'écrivain et 'de hauts personnages'.Est-il nécessaire de dire, après cela, ce que valent les brochures qui nous inondent? Ramassez un jour tout ce que vous avez de courage, tâchez de les lire jusqu'au bout et vous serez effrayés de l'ignorance inouïe, de la légèreté intolérable, voire même de l'amoindrissement de sens moral qu'elles décèlent dans leurs auteurs. Et je ne parle pas ici des plus mauvaises ... Et chaque année nous courbe plus bas, chaque année voit apparaître un nouveau signe de décadence intellectuelle, chaque année ajoute une honte littéraire nouvelle a celles dont il nous faut déjà rougir. De telle sorte que les plus optimistes se prennent quelquefois à douter de demain, et se demandent avec angoisse: Sortirons-nous de là?"
<"Was den gegenwärtigen Augenblick anbelangt, nehme man aufs Geratewohl zehn Broschüren, und man wird erkennen, daß mindestens neun davon erdacht, ausgearbeitet, niedergeschrieben sind ... von wem?
von berufsmäßigen Romanschriftstellern, von Chansonniers, von Lustspieldichtern, von Kirchendienern.Spricht man in den Zeitungen von geheimnisvollen Zusammenkünften unter den Mächten des Nordens, von der Heiligen Allianz, die wiederersteht?
Schon findet sich eiligst ein liebenswürdiger Verfertiger ziemlich literarischer und selbst (einstmals) leidlich liberaler Liedchen, der zu dem unvermeidlichen Herrn Dentu läuft und ihm unter dem hochtrabenden Titel 'Die Koalition' eine weitschweifige, fade Wiedergabe der Artikel des Herrn Grandguillot liefert. Das Bündnis mit England scheint Herrn Limayrac zuweilen zu mißfallen? Schnell publiziert oder publiziert von neuem ein Herr Châtelet, Ritter des Ordens von Gregor dem Großen, der seinem Stil nach zu schließen irgendwo Kirchendiener sein muß, eine lange, lächerliche Geschichte 'Verbrechen und Missetaten Englands gegen Frankreich'. Schon der Verfasser des 'Compère Guillery' (Edmond About) hat für gut befunden, uns mit den politischen Geheimnissen der preußischen Monarchie zu erbauen, und hat den Berliner Kammern, von der Höhe seiner Durchfälle im Theater herab, lebenskluge Ratschläge erteilt. Man kündigt an, daß Herr Clairville demnächst die Frage der Meerenge von Panama aufklären wird, die von Herrn Belly so stark verwirrt worden ist; und zweifellos wird man einige Tage nach der Fürstenzusammenkunft vom 21. Oktober in den Schaufenstern aller unserer Buchläden eine prächtige rosa Broschüre auftauchen sehen, die den Titel trägt: 'Denkschrift über die Warschauer Zusammenkunft mit dem Ballettkorps der Oper.'Dieses dem Anschein nach unerklärliche Eindringen der kleineren Gottheiten der Literatur in die Fragen der Politik hängt mit vielen Ursachen zusammen. Wir wollen hier nur eine einzige anführen, die jedoch die handgreiflichste und unbestreitbarste ist.
Bei dem fast in der ganzen Welt zu beobachtenden Verfall des Geistes und des Herzens wissen diese Herren, die das traurige Gewerbe öffentlicher Possenreißer betreiben, nicht mehr, wie sie ihre Leser ermuntern und wachrütteln sollen. Die alten Späße ihrer Kehrreime und Anekdoten geben sie immer wieder zum besten. Sie selbst sind in ebenso trübseliger, so trauriger, so gelangweilter Stimmung wie die Leute, die sie aufzuheitern suchen. Und gerade weil sie am Ende ihrer Mittel sind, haben sie sich aus lauter Verzweiflung darangemacht, die einen, die Erinnerungen von Kurtisanen, die andern, diplomatische Broschüren zu schreiben.
Dann, eines schönen Morgens, erhebt sich ein Abenteurer der Feder, der der Politik niemals auch nur eine Stunde ernsthaften Studiums gewidmet, der nie auch nur die geringste Spur irgendeiner inneren Überzeugung gehabt hat, und sagt sich: 'Ich muß zu einem großen Schlag ausholen! Sehen wir einmal zu! Was läßt sich tun, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf mich zu lenken, das instinktiv nichts von mir wissen will? Soll ich einen Artikel über den Fall Léotard oder über die orientalische Frage schreiben?
Soll ich der überraschten Welt die Geheimnisse von Frauengemächern enthüllen, zu denen ich niemals Zutritt gehabt habe, oder die Geheimnisse der russischen Politik, die mir noch fremder sind? Soll ich in Voltaireschem Stile in Rührung über gefallene Frauen zerfließen oder im Stile des Evangeliums über die unglückliche maronitische Bevölkerung, die durch mohammedanischen Fanatismus gehetzt, ausgeplündert, hingemordet wurde? Soll ich ein Loblied auf Fräulein Rigolboche singen oder ein Plädoyer zugunsten der weltlichen Macht halten? Jetzt weiß ich's, ich entscheide mich für die Politik. Ich werde meinem Publikum mit Königen und Kaisern noch mehr Spaß bereiten als mit lockeren Damen. Als er dies gesagt hat, wälzt unser Supernumerarius der Bohemeliteratur den 'Moniteur', treibt sich ein paar Tage in den Säulengängen der Börse umher, besucht einige Beamte und weiß zum Schluß, von welcher Seite der Wind weht, worauf man in der Stadt neugierig ist oder was man bei Hofe gern hört: er wählt dann eine Überschrift, in der genügend von diesem Wind eingefangen ist, und ruht zufrieden auf seinen Lorbeeren aus. Jetzt hat er schon alles Nötige geleistet; denn heutzutage zählen bei Broschüren nur zwei Dinge: der Titel und die Beziehungen, die man zwischen dem Verfasser und 'hohen Persönlichkeiten' vermutet.Muß man hiernach noch ausdrücklich sagen, was die Broschüren wert sind, mit denen der Markt überschwemmt wird? Man nehme eines Tages seinen ganzen Mut zusammen, bemühe sich, sie bis zu Ende zu lesen, und man wird entsetzt sein über die unerhörte Unwissenheit, die unerträgliche Leichtfertigkeit, ja die geradezu minderwertige Moral, die diese Autoren verraten. Und dabei spreche ich hier nicht von den schlechtesten ... Und jedes Jahr wird das Niveau niedriger, jedes Jahr enthüllt neue Anzeichen geistigen Verfalls, jedes Jahr fügt einen neuen literarischen Schandfleck denen hinzu, über die wir bereits erröten müssen, derart, daß die größten Optimisten manchmal von Zweifeln an der nächsten Zukunft befallen werden und sich angstvoll fragen: Wird es einen Ausweg hieraus geben?">
<683> Ich habe oben die Phrase "die heilsame Politik Napoleons" aus der "National-Zeitung" zitiert. Sonderbarerweise schreibt der Pariser Korrespondent des "Manchester Guardian" - in ganz England anerkannt wegen seiner meist genauen Information - folgendes Kuriosum unter:
"Paris, November 8. ... Louis-Napoleon spends his gold in vain in supporting such newspapers as the 'National-Zeitung'." (Louis-Napoleon vergeudet sein Geld umsonst in der Unterstützung solcher Zeitungen wie der "National-Zeitung".) ("Manchester Guardian" vom 12. Nov. 1860.)
<684> Indessen glaube ich, daß der sonst wohlunterrichtete Korrespondent des "Manchester Guardian" sich diesmal irrt. F. Zabel soll nämlich ins bonapartistische Lager übergelaufen sein, um zu beweisen, daß er nicht von Östreich gekauft ist. Wenigstens wurde mir so aus Berlin berichtet, und paßt das in die - Dunciade.
a) K. Vogt und "La Cimentaire"
Während des Drucks dieser letzten Bogen fiel mir das Oktoberheft (1860) der "Stimmen der Zeit" zufällig in die Hand. A. Kolatschek, früher Herausgeber des Organs der flüchtigen Parlamentler, die "Deutsche Monatsschrift", und so gewissermaßen der literarische Vorgesetzte des "flüchtigen Reichsregenten", erzählt p. 37 folgendes von seinem Freunde Karl Vogt:
"Die Genfer Aktiengesellschaft 'La Cimentaire', zu deren Direktion niemand anders gehörte als Herr Karl Vogt selbst, wurde 1857 gegründet, und 1858 hatten die Aktionäre keinen Kreuzer mehr, und der Staatsanwalt steckte sofort einen der Direktoren unter der Anklage des Betrugs ins Loch. Herr Vogt war im Augenblick der Verhaftung grade in Bern, er kam eiligst zurück, der Verhaftete wurde losgelassen, der Prozeß unterdrückt, 'um keinen Skandal zu machen', die Aktionäre aber verloren alles. Nach solchem Beispiel kann man aber wohl nicht grade behaupten, daß in Genf der Schutz des Eigentums sehr groß sei, und der Irrtum des Herrn Karl Vogt in dieser Beziehung ist um so seltsamer, als er, wie gesagt, Mitdirektor der besagten Gesellschaft war und man selbst in Frankreich bei ähnlichen Prozessen die Schuldigen selbst unter den Direktoren aufsucht, ins Zuchthaus steckt und mit ihrem Vermögen die Zivilansprüche der Aktionäre deckt."
Man vergleiche hiermit, was J. Ph. Becker in seinem Briefe (Abschnitt X) über das Bankereignis sagt, das Herrn James Fazy in die Arme des Dezember trieb. Dergleichen Details tragen viel zur Lösung des Rätsels bei, wie "Napoléon le Petit" der größte Mann seiner Zeit wurde. "Napoléon le Petit" selbst hatte bekanntlich zu wählen zwischen coup d'état und - Clichy.
Der nachfolgende Auszug aus einem Memorandum über eine Unterhaltung mit Kossuth beweist schlagend, wie genau Kossuth weiß, daß Rußland Ungarns Hauptgefahr ist. Das Memorandum rührt von einem der berühmtesten radikalen Mitglieder des jetzigen House of Commons <Unterhauses> her.
"Memorandum of a conversation with M. Kossuth on the evening of May 30th. 1854, at ...... A return to strict legality in Hungary (said he, viz. Kossuth) might renew the union of Hungary and Austria, and would prevent Russia from finding any partisan in Hungary. He (Kossuth) would not offer any opposition to a return to legality. He would advise his countrymen to accept with good faith such a restauration, if it could be obtained, and would pledge himself not in any way to be an obstacle to such an arrangement. He would not himself return to Hungary. He would not put himself forward such a course of Austria as he had no belief in Austria's return to legality, except under pressure of dire necessity. He gave me authority to say, such were his sentiments, and if appealed to, he should avow them, though he could not commit himself to any proposal, as he should not expect Austria to abandon her traditional scheme of centralisation till forced to do so ... He would have consented in 1848 to Hungarian troops being sent to resist attacks of the Piedmontese (Herr Kossuth ging 1848 viel weiter, indem er die Sendung ungarischer Truppen gegen die italienischen 'Rebellen' durch eine heftige Rede im Reichstag zu Pest durchsetzte), but would not employ them to coerce Austrian Italy, as he would not consent to foreign troops in Hungary."
<"Denkschrift über ein Gespräch mit Herrn Kossuth am 30. Mai I854 abends zu ...
... Die Rückkehr zu strikter Legalität in Ungarn (sagte er, d.h. Kossuth) könnte die Union zwischen Ungarn und Österreich wiederherstellen und würde Rußland daran hindern, in Ungarn Anhänger zu finden. Er (Kossuth) würde gegen die Rückkehr zur Legalität keine Opposition machen. Er würde seinen Landsleuten raten, eine solche Restauration, falls sie erreichbar sein sollte, vertrauensvoll hinzunehmen, und er bürge dafür, daß er einer solchen Regelung keinerlei Hindernisse bereiten würde. Er selbst werde nicht nach Ungarn zurückkehren. Er werde von sich aus auch nicht ein solches Vorgehen Österreichs fördern, denn er glaube nicht an Österreichs Rückkehr zur Legalität, es sei denn unter dem Druck der harten Notwendigkeit. Er ermächtigte mich zu erklären, daß dies seine Auffassung sei, und wenn man ihn dazu auffordere, werde er sich zu ihr bekennen, obwohl er sich zu keinem Vorschlag entschließen könne, denn er erwarte nicht, daß Österreich seine herkömmlichen Zentralisierungsabsichten aufgebe, wenn es nicht dazu gezwungen werde ... Im Jahre 1848 würde er sich mit der Entsendung ungarischer Truppen zur Abwehr des Angriffs der Piemontesen einverstanden erklärt haben (...), aber er wolle sie nicht zur Niederwerfung von Österreichisch-Italien verwendet sehen, wie er dem Erscheinen ausländischer Truppen in Ungarn nicht zustimmen würde.">
Die mythenbildende Kraft der Volksphantasie hat sich zu allen Zeiten in der Erfindung "großer Männer" bewährt. Das schlagendste Beispiel dieser Art ist unstreitig Simon Bolivar. Was Kossuth angeht, so wird er z.B. gefeiert als der Mann, der den Feudalismus in Ungarn abschaffte. Dennoch ist er an den drei großen Maßregeln - allgemeine Besteurung, Aufhebung der feudalbäuerlichen Lasten und unentgeltliche Beseitigung des Kirchenzehnten - durchaus unschuldig. Die Motion für allgemeine Besteurung (der <686> Adel war früher eximiert) wurde vom Szemere gestellt; die Motion für Aufhebung des Robots usw. durch Bonis, Szabolczer Deputierten, und die Geistlichkeit selbst durch das Organ des Deputierten und Domherrn Jekelfalussy verzichtete freiwillig auf den Zehnten.
c) Edmond Abouts "La Prusse en 1860"
Am Schluß von Abschnitt VIII spreche ich die Ansicht aus, daß E. Abouts Pamphlet "La Prusse en 1860" oder, wie es ursprünglich hieß, "Napoleon III et la Prusse" ein ins Französische rückübersetzter Auszug aus Dâ-Dâ Vogts verdeutschter Kompilation der Dentu-Pamphlets sei. Das einzige Bedenken, das sich dieser Ansicht entgegenstellte, war des durchgefallenen Komödienschreibers E. About gänzliche Unkenntnis der deutschen Sprache. Indes, warum sollte der compère <Gevatter> Guillery nicht eine commère allemande <deutsche Gevatterin> zu Paris aufgetrieben haben? Wer diese commère sei, blieb ein Gegenstand der Konjekturalkritik. "La Prusse en 1860" wurde bekanntlich als Vademecum zu Louis Bonapartes Reise nach Baden-Baden veröffentlicht, sollte sein Anliegen beim Prinzregenten bevorworten und Preußen klarmachen, daß, wie die Schlußworte des Pamphlets sagen, Preußen in dem 2. Dezember einen "allié très utile" besitze, "qui est peut-être appelé à lui (Preußen) rendre de grands services, pourvu qu'elle s'y prête un peu". <"sehr nützlichen Verbündeten" besitze, "der vielleicht dazu berufen ist, ihm (Preußen) große Dienste zu leisten, unter der Voraussetzung, daß es ein wenig entgegenkommt".> Daß das "pourvu qu'elle s'y prête un peu" zu deutsch hieß: "unter der Voraussetzung, daß Preußen die Rheinprovinz an Frankreich verkauft", hatte E. About französisch (siehe oben Abschnitt IX, Agentur) bereits im Frühling 1860 durch die "Opinion nationale" verraten. Unter diesen erschwerenden Umständen durfte ich auf bloße Vermutung hin keine Person als den deutschen Souffleur des durchgefallenen Komödienschreibers und Dentu-Pamphletisten E. About namentlich bezeichnen. Jetzt jedoch bin ich zur Erklärung berechtigt, daß des compère Guillery deutsche commère niemand anders ist als Vogts sanfte Kunigunde - Herr Ludwig Simon von Trier. Das ahnte wohl kaum der deutsche Flüchtling <S. L. Borkheim> in London, der die bekannte Antwort auf Abouts Pamphlet schrieb!