Die Debatte über das Plakatgesetz | Inhalt | [Auflösung der zweiten Kammer]

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 444-445
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Lassalle

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 283 vom 27. April 1849]

<444> *Köln, 26. April. Wir haben ein Faktum zu melden, welches zeigt, daß en fait de justice <was die Justiz betrifft> nichts mehr unmöglich ist. Herr Generalprokurator Nicolovius ist so ziemlich im Begriff, die Lorbeeren noch zu übertreffen, die sich seinerzeit Herr Hecker erworben hat.

Man erinnert sich aus unsern frühern Mitteilungen, daß der stellvertretende Oberprokurator v. Ammon I. in Düsseldorf in dem Kriminalprozeß gegen Lassalle einen Brief desselben, in welchem er einen Schönsteinschen Landmann <Stangier> aufforderte, im Falle eines Kampfes einen Zuzug von einigen hundert Mann nach Düsseldorf zu bewirken, drei Wochen lang in seinem Pulte dem Instruktionsrichter vorenthalten und ihm denselben erst dann übergeben hat, als dieser ihm eröffnete, daß die Untersuchung geschlossen sei. Man erinnert sich, daß nun dieses Briefes wegen - der übrigens so wenig eine direkte Aufforderung zum Aufstand enthielt, daß weder Ratskammer noch Anklagesenat ihn unter die Belastungsgründe aufgenommen haben - die Untersuchung von neuem begonnen werden mußte und daß dies die Ursache war, weshalb der Lassallesche Prozeß nicht schon in der vorigen Assisensession erledigt wurde.

Nun, Lassalle denunzierte damals diese absichtliche Verschleppung des Herrn v. Ammon I. beim Generalprokurator.

Der Generalprokurator schickt, statt Lassalle irgendeine Antwort zu erteilen, die Denunziation Lassalles an das Düsseldorfer Parquet mit der Ordre, eine Untersuchung auf Grund des Art. 222 gegen Lassalle auf diese Dununziation einzuleiten, weil in derselben Herr v. Ammon beleidigt sei!

Pends-toi, Figaro, tu n'aurais pas inventé cela! <Häng dich auf Figaro! Du würdest das nicht ersonnen haben!>

Ein Brief an Herrn Nicolovius soll eine Beleidigung des Herrn v. Ammon im Sinne des Art. 222 bilden! Wir haben einmal bei Gelegenheit eines Preß- <445> prozesses, den wir gegen die Herren Zweiffel und Hecker zu führen das Vergnügen hatten, ausgeführt, daß der Art. 222 selbst nicht auf öffentliche Beleidigungen durch die Presse, sondern nur auf solche Beleidigungen anwendbar ist, welche in persönlicher Gegenwart der Herren Beamten ihnen ins Gesicht geworfen werden <Siehe "Der erste Preßprozeß der 'Neuen Rheinischen Zeitung'">.

Aber wäre der Art. 222 auch auf Beleidigungen durch öffentliche Schriften anwendbar - das ist sicher noch niemand eingefallen zu behaupten, daß ein Brief an eine dritte Person eine Beamtenbeleidigung darstellen könne. Nach der bisherigen Korrektionell-Praxis war immer erforderlich, daß das beleidigende Schriftstück an den Beleidigten selbst gerichtet, oder daß es öffentlich verbreitet sei. Herr Nicolovius entdeckt jetzt, daß es eine Beamtenbeleidigung sei, wenn man einem Dritten in beleidigenden Ausdrücken über einen Beamten schreibt. Man hüte sich also, in seinen Privatbriefen in unehrerbietigem Tone von Beamten zu reden!

Daß der Brief Lassalles an die dem Herrn v. Ammon vorgesetzte Behörde gerichtet und also eine Beschwerde, eine Denunziation war, das macht die Sache nur noch unmöglicher.

Denn Denunziationen von pflichtwidrigen Handlungen bei der vorgesetzten Behörde stellt das Gesetz sogar als Pflicht hin. War somit die Denunziation wahr, so war sie vollkommen in der Ordnung; war sie unwahr, so hätte der Generalprokurator eine Verfolgung auf Grund des Art. 373 einleiten müssen, - auf Grund einer verleumderischen Denunziation. Dann aber hätte Lassalle auf die leichteste Art von der Welt durch die Akten die Wahrheit der Denunziation bewiesen, während ihm dieser Beweis bei der Anklage auf Beamtenbeleidigung vor dem Korrektions-Tribunal nicht zusteht.

Die Sache kam vor die Ratskammer in Düsseldorf. Aber auch diese fand, daß eine Beleidigung entweder öffentlich oder in Gegenwart des Beleidigten vollbracht sein müsse, und schlug die Sache nieder. Das öffentliche Ministerium opponierte, und unser hiesiger schon oft erprobter und stets bewährt gefundener Kölner Anklagesenat beschloß wirklich auf Grund des Art. 222 die Verfolgung gegen Lassalle, der nun mit einer Korrektionell-Prozedur glücklich behaftet ist!

Was wird, wenn das noch eine Weile fortgeht, nicht noch alles aus dem Art. 222 werden?

Die Prozedur Lassalles kommt übrigens am 3. Mai vor die Assisen.

Geschrieben von Friedrich Engels.