MLWerke | 1842 | Marx/Engels

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 109-147.
1,5. Korrektur
Erstellt am 30.08.1999

Karl Marx

Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz

Von einen Rheinländer

[»Rheinische Zeitung« Nr. 298 vom 25. Oktober 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 300 vom 27. Oktober 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 303 vom 30. Oktober 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 305 vom 1. November 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 307 vom 3. November 1842]

Gesetzentwürfe und schriftliche Stellungnahmen finden sich in "Verhandlungen des sechsten rheinischen Provinzial-Landtags, nebst dem Allerhöchssten Landtagsabschiede" im Abschnitt "A. Adressen, die Allerhöchsten Propositionen betreffend", ab Seite 78. Das Holzdiebstahlsgesetz wurde in der 10., 11. und 12. Sitzung vom vom 15. bis zum 17. Juni 1841 des Provinzial-Landtages debattiert. Eine Wiedergabe der Wortbeiträgen dieser Debatte findet sich in den Sitzungs-Protokolle des sechsten rheinischen Provinzial-Landtages auf Seiten 21 bis 29.


[»Rheinische Zeitung« Nr. 298 vom 25. Oktober 1842]

|109|*** Wir haben bisher zwei große Haupt- und Staatsaktionen des Landtags geschildert, seine Wirren in bezug auf die Preßfreiheit und seine Unfreiheit in bezug auf die Wirren. Wir spielen jetzt auf ebener Erde. Bevor wir zu der eigentlich irdischen Frage in ihrer Lebensgröße, zu der Frage über Parzellierung des Grundbesitzes übergehen, geben wir unserm Leser einige Genrebilder, in denen der Geist und, wir möchten mehr noch sagen, das physische Naturell des Landtags sich mannigfach abspiegeln wird.

Zwar verdiente das Holzdiebstahlsgesetz wie das Gesetz über Jagd-, Forst- und Feldfrevel nicht nur in bezug auf den Landtag, sondern ebensosehr in bezug auf sich selbst besprochen zu werden. Allein der Gesetzentwurf liegt uns nicht vor. Unser Material beschränkt sich auf einige halb angedeutete Zusätze des Landtags und seines Ausschusses zu Gesetzen, die nur als Paragraphennummern figurieren. Die landständischen Verhandlungen selbst sind so durchaus kümmerlich, so zusammenhanglos und apokryphisch |In der »Rh. Ztg.« : negokryphisch| mitgeteilt, daß die Mitteilung einer Mystifikation ähnlich sieht. Dürfen wir aus dem vorhandenen Torso urteilen, so hat der Landtag mit dieser passiven Stille unserer Provinz einen ehrerbietigen Akt zustellen wollen.

Eine für die vorliegenden Debatten charakteristische Tatsache springt sofort in die Augen. Der Landtag tritt als ergänzender Gesetzgeber an die Seite des Staatsgesetzgebers. Es wird vom höchsten Interesse sein, an einem Beispiele |110|* die legislativen Qualitäten des Landtags zu entwickeln. Der Leser wird von diesem Gesichtspunkte aus verzeihen, wenn wir Geduld und Ausdauer in Anspruch nehmen, zwei Tugenden, die bei Bearbeitung unseres sterilen Gegenstandes unausgesetzt zu üben waren. Wir stellen in den Debatten des Landtags über das Diebstahlsgesetz unmittelbar die Debatten des Landtags über seinen Beruf zur Gesetzgebung dar.

Gleich im Beginn der Debatte opponiert ein Stadtdeputierter gegen die Überschrift des Gesetzes, wodurch die Kategorie »Diebstahl« auf einfache Holzfrevel ausgedehnt wird.

Ein Deputierter der Ritterschaft erwidert:

»Daß eben, weil man es nicht für einen Diebstahl halte, Holz zu entwenden, dies so häufig geschehe.«

Nach dieser Analogie müßte derselbe Gesetzgeber schließen: weil man eine Ohrfeige für keinen Totschlag hält, darum sind die Ohrfeigen so häufig. Man dekretiere also, daß eine Ohrfeige ein Totschlag ist.

Ein anderer Deputierter der Ritterschaft findet es

»noch bedenklicher, das Wort ›Diebstahl‹ nicht auszusprechen, weil die Leute, denen die Diskussion über dieses Wort bekannt würde, leicht zu dem Glauben veranlaßt werden könnten, als werde die Entwendung von Holz auch von dem Landtage nicht dafür gehalten«.

Der Landtag soll entscheiden, ob er einen Holzfrevel für einen Diebstahl hält; aber wenn der Landtag einen Holzfrevel nicht für einen Diebstahl erklärte, könnten die Leute glauben, der Landtag hielte wirklich einen Holzfrevel nicht für einen Diebstahl. Es ist also am besten, diese verfängliche Kontroversfrage auf sich beruhen zu lassen. Es handelt sich von einem Euphemismus, und man muß Euphemismen vermeiden. Der Waldeigentümer läßt den Gesetzgeber nicht zu Wort kommen, denn die Wände haben Ohren.

Derselbe Deputierte geht noch weiter. Er betrachtet diese ganze Untersuchung über den Ausdruck »Diebstahl« als »eine bedenkliche Beschäftigung der Plenarversammlung mit Redaktionsverbesserungen«.

Nach diesen einleuchtenden Demonstrationen votierte der Landtag die Überschrift.

Von dem eben empfohlenen Standpunkte aus, der die Verwandlung eines Staatsbürgers in einen Dieb für pure Redaktionsnachlässigkeit versieht und alle Opposition dagegen als grammatischen Purismus zurückweist versteht es sich von selbst, daß auch das Entwenden von Raffholz oder Auflesen von trocknem Holz unter die Rubrik Diebstahl subsumiert und ebenso bestraft wird wie die Entwendung von stehendem grünen Holz.

|111| Der obenerwähnte Deputierte der Städte bemerkt zwar:

»Da sich die Strafe bis zu langem Gefängnis steigern könne, so führe eine solche Strenge Leute, die sonst noch auf gutem Wege wären, gerade auf den Weg des Verbrechens. Das geschehe auch dadurch, daß sie im Gefängnis mit Gewohnheitsdieben zusammenkamen; er halte daher dafür, daß man das Sammeln oder Entwenden von trockenem Raffholz bloß mit einer einfachen Polizeistrafe belegen solle.«

Aber ein anderer Stadtdeputierter widerlegt ihn durch die tiefsinnige Anführung,

»daß in den Waldungen seiner Gegend häufig junge Bäume zuerst bloß angehauen und, wenn sie dadurch verdorben, später als Raffholz behandelt würden«.

Man kann unmöglich auf elegantere und zugleich einfachere Weise das Recht der Menschen vor dem Recht der jungen Bäume niederfallen lassen. Auf der einen Seite nach Annahme des Paragraphen steht die Notwendigkeit, daß eine Masse Menschen ohne verbrecherische Gesinnung von dem grünen Baum der Sittlichkeit abgehauen und als Raffholz der Hölle des Verbrechens, der Infamie und des Elendes zugeschleudert worden. Auf der andern Seite nach Verwerfung des Paragraphen steht die Möglichkeit der Mißhandlung einiger junger Bäume, und es bedarf kaum der Anführung! die hölzernen Götzen siegen, und die Menschenopfer fallen!

Die hochnotpeinliche Halsgerichtsordnung subsumiert unter dem Holzdiebstahl nur das Entwenden gehauenen Holzes und das diebische Holzhauen. Ja, unser Landtag wird es nicht glauben:

»Wo aber jemandt bei tag essendt früchte nem, und damit durch wegtragen derselben nit großen geuerlichen schaden thett, der ist nach gelegenhayt der personen und der sach burgerlich« (also nicht kriminell) »zu straffen.«

Die hochnotpeinliche Halsgerichtsordnung des 16. Jahrhunderts fordert uns auf, sie vor dem Tadel übertriebener Humanität gegen einen rheinischen Landtag des 19. Jahrhunderts in Schutz zu nehmen, und wir folgen dieser Aufforderung.

Sammeln von Raffholz und der kombinierteste Holzdiebstahl! Eine Bestimmung ist beiden gemein. Das Aneignen fremden Holzes. Also ist beides Diebstahl. Darauf resümiert sich die übersichtige Logik, die soeben Gesetze gab.

Wir machen daher zunächst auf den Unterschied aufmerksam, und wenn man zugeben muß, daß der Tatbestand dem Wesen nach verschieden, so wird man kaum behaupten dürfen, daß er dem Gesetz nach derselbe sei.

Um grünes Holz sich anzueignen, muß man es gewaltsam von seinem organischen Zusammenhang trennen. Wie dies ein offenes Attentat auf den |112| Baum, so ist es durch denselben ein offenes Attentat auf den Eigentümer des Baumes.

Wird ferner gefälltes Holz einem Dritten entwendet, so ist das gefällte Holz ein Produkt des Eigentümers. Gefälltes Holz ist schon formiertes Holz. An die Stelle des natürlichen Zusammenhanges mit dem Eigentum ist der künstliche Zusammenhang getreten. Wer also gefälltes Holz entwendet, entwendet Eigentum.

Beim Raffholz dagegen wird nichts vom Eigentum getrennt. Das vom Eigentum getrennte wird vom Eigentum getrennt. Der Holzdieb erläßt ein eigenmächtiges Urteil gegen das Eigentum. Der Raffholzsammler vollzieht nur ein Urteil, was die Natur des Eigentums selbst gefällt hat, denn ihr besitzt doch nur den Baum, aber der Baum besitzt jene Reiser nicht mehr.

Sammeln von Raffholz und Holzdiebstahl sind also wesentlich verschiedene Sachen. Der Gegenstand ist verschieden, die Handlung in bezug auf den Gegenstand ist nicht minder verschieden, die Gesinnung muß also auch verschieden sein, denn welches objektive Maß sollten wir an die Gesinnung legen, wenn nicht den Inhalt der Handlung und die Form der Handlung? Und diesem wesentlichen Unterschiede zum Trotz nennt ihr beides Diebstahl und bestraft beides als Diebstahl. Ja, ihr bestraft das Raffholzsammeln strenger als den Holzdiebstahl, denn ihr bestraft es schon, indem ihr es für einen Diebstahl erklärt, eine Strafe, die ihr offenbar über den Holzdiebstahl selbst nicht verhängt. Ihr hättet ihn denn Holzmord nennen und als Mord bestrafen müssen. Das Gesetz ist nicht von der allgemeinen Verpflichtung entbunden, die Wahrheit zu sagen. Es hat sie doppelt, denn es ist der allgemeine und authentische Sprecher über die rechtliche Natur der Dinge. Die rechtliche Natur der Dinge kann sich daher nicht nach dem Gesetz, sondern das Gesetz muß sich nach der rechtlichen Natur der Dinge richten. Wenn das Gesetz aber eine Handlung, die kaum ein Holzfrevel ist, einen Holzdiebstahl nennt, so lügt das Gesetz, und der Arme wird einer gesetzlichen Lüge geopfert.

»Il y a deux genres de corruption«, sagt Montesquieu, »l'un lorsque le peuple n'observe point les lois; l'autre lorsqu'il est corrompu par les lois: mal incurable parce qu'il est dans le remède même.« |»Es gibt zwei Arten von Verderbtheit«, sagt Montesquieu, »die eine, wenn das Volk die Gesetze nicht befolgt, die andere, wenn es durch die Gesetze verderbt ist; dieses Übel ist unheilbar, weil es im Heilmittel selbst steckt.«|

So wenig es euch gelingen wird, den Glauben zu erzwingen: hier ist ein Verbrechen, wo kein Verbrechen ist, so sehr wird es euch gelingen, das Verbrechen selbst in eine rechtliche Tat zu verwandeln. Ihr habt die Grenzen |113| verwischt, aber ihr irrt, wenn ihr glaubt, sie seien nur in euerm Interesse verwischt. Das Volk sieht die Strafe, aber es sieht nicht das Verbrechen, und weil es die Strafe sieht, wo kein Verbrechen ist, wird es schon darum kein Verbrechen sehen, wo die Strafe ist. Indem ihr die Kategorie des Diebstahls da anwendet, wo sie nicht angewendet werden darf, habt ihr sie auch da beschönigt, wo sie angewendet werden muß.

Und hebt sich diese brutale Ansicht, die nur eine gemeinschaftliche Bestimmung in verschiedenen Handlungen festhält und von der Verschiedenheit abstrahiert, nicht selber auf? wenn jede Verletzung des Eigentums ohne Unterschied, ohne nähere Bestimmung Diebstahl ist, wäre nicht alles Privateigentum Diebstahl? schließe ich nicht durch mein Privateigentum jeden Dritten von diesem Eigentum aus? verletze ich also nicht sein Eigentumsrecht? wenn ihr den Unterschied wesentlich verschiedener Arten desselben Verbrechens verneint, so verneint ihr das Verbrechen als einen Unterschied vom Recht, so hebt ihr das Recht selbst auf, denn jedes Verbrechen hat eine Seite mit dem Recht selbst gemein. Es ist daher ein ebenso historisches als vernünftiges Faktum, daß die unterschiedslose Härte allen Erfolg der Strafe aufhebt, denn sie hat die Strafe als einen Erfolg des Rechts aufgehoben.

Doch worüber streiten wir? Der Landtag verwirft zwar den Unterschied zwischen Raffholzsammeln, Holzfrevel und Holzdiebstahl. Er verwirft den Unterschied der Handlung als bestimmend für die Handlung, sobald es sich um das Interesse des Forstfrevlers, aber er erkennt ihn an, sobald es sich um das Interesse des Waldeigentümers handelt.

So schlägt der Ausschuß zusätzlich vor,

»als erschwerende Umstände zu bezeichnen, wenn grünes Holz mittels Schneideinstrumenten abgehauen oder abgeschnitten und wenn statt der Axt die Säge gebraucht wird«.

Der Landtag approbiert diese Unterscheidung. Derselbe Scharfsinn, der so gewissenhaft ist, in seinem Interesse eine Axt von einer Säge, ist so gewissenlos, Raffholz von grünem Holz nicht im fremden Interesse zu unterscheiden. Der Unterschied ist bedeutsam als erschwerender, aber er ist ohne alle Bedeutung als mildernder Umstand, obgleich ein erschwerender Umstand nicht möglich ist, sobald die mildernden Umstände unmöglich sind.

Dieselbe Logik wiederholt sich noch mehrmal im Verlauf der Debatte.

Bei § 65 wünscht ein Abgeordneter der Städte,

»daß auch der Wert des entwendeten Holzes als Maßstab zur Bestimmung der Strafe angewandt werden möge«, »was vom Referenten als unpraktisch bestritten wird«. |114| Derselbe Deputierte der Städte bemerkt zu § 66:

»überhaupt werde im ganzen Gesetz eine Wertangabe, wodurch die Strafe erhöht oder ermäßigt werde, vermißt«.

Die Wichtigkeit des Werts zur Bestimmung der Strafe bei Eigentumsverletzungen ergibt sich von selbst.

Wenn der Begriff des Verbrechens die Strafe, so verlangt die Wirklichkeit des Verbrechens ein Maß der Strafe. Das wirkliche Verbrechen ist begrenzt. Die Strafe wird schon begrenzt sein müssen, um wirklich, sie wird nach einem Rechtsprinzip begrenzt sein müssen, um gerecht zu sein. Die Aufgabe besteht darin, die Strafe zur wirklichen Konsequenz des Verbrechens zu machen. Sie muß dem Verbrecher also die notwendige Wirkung seiner eigenen Tat, daher als seine eigene Tat erscheinen. Die Grenze seiner Strafe muß also die Grenze seiner Tat sein. Der bestimmte Inhalt, der verletzt ist, ist die Grenze des bestimmten Verbrechens. Das Maß dieses Inhalts ist also das Maß des Verbrechens. Dieses Maß des Eigentums ist sein Wert. Wenn die Persönlichkeit in jeder Grenze immer ganz, so ist das Eigentum immer nur in einer Grenze vorhanden, die nicht nur bestimmbar, sondern bestimmt, nicht nur meßbar, sondern gemessen ist. Der Wert ist das bürgerliche Dasein des Eigentums, das logische Wort, in welchem es erst soziale Verständlichkeit und Mitteilbarkeit erreicht. Es versteht sich, daß diese objektive, durch die Natur des Gegenstandes selbst gegebene Bestimmung ebenso eine objektive und wesentliche Bestimmung der Strafe bilden muß. Kann die Gesetzgebung hier, wo es sich um Zahlen handelt, nur äußerlich verfahren, um sich nicht in eine Endlosigkeit des Bestimmens zu verlaufen, so muß sie wenigstens regulieren. Es kommt nicht darauf an, daß die Unterschiede erschöpft, aber es kommt darauf an, daß sie gemacht werden. Dem Landtag aber kam es überhaupt nicht darauf an, seine vornehme Aufmerksamkeit solchen Kleinigkeiten zu widmen.

Glaubt ihr nun aber etwa schließen zu dürfen, der Landtag habe den Wert bei Bestimmung der Strafe vollständig ausgeschlossen? Unbesonnener, unpraktischer Schluß! Der Waldeigentümer - wir werden dies später weitläufiger vornehmen - läßt sich nicht nur den einfachen allgemeinen Wert vom Dieb ersetzen; er stattet den Wert sogar mit individuellem Charakter aus und gründet auf diese poetische Individualität die Forderung besondern Schadenersatzes. Wir verstehen jetzt, was der Referent unter praktisch versteht. Der praktische Waldeigentümer räsoniert also: Diese Gesetzesbestimmung ist gut, soweit sie mir nützt, denn mein Nutzen ist das Gute. Diese Gesetzesbestimmung ist überflüssig, sie ist schädlich, sie ist unpraktisch, soweit sie aus |115| purer theoretischer Rechtsgrille auch auf den Angeklagten angewandt werden soll. Da der Angeklagte mir schädlich ist, so versteht es sich von selbst, daß mir alles schädlich ist, was ihn nicht zu größerm Schaden kommen läßt. Das ist praktische Weisheit.

Wir unpraktische Menschen aber nehmen für die arme politisch und sozial besitzlose Menge in Anspruch, was das gelehrte und gelehrige Bediententum der sogenannten Historiker als den wahren Stein der Weisen erfunden hat, um jede unlautere Anmaßung in lauteres Rechtsgold zu verwandeln. Wir vindizieren der Armut das Gewohnheitsrecht, und zwar ein Gewohnheitsrecht, welches nicht lokal, ein Gewohnheitsrecht, welches das Gewohnheitsrecht der Armut in allen Ländern ist. Wir gehen noch weiter und behaupten, daß das Gewohnheitsrecht seiner Natur nach nur das Recht dieser untersten besitzlosen und elementarischen Masse sein kann.

Unter den sogenannten Gewohnheiten der Privilegierten versteht man Gewohnheiten wider das Recht. Das Datum ihrer Geburt fällt in die Periode, worin die Geschichte der Menschheit einen Teil der Naturgeschichte bildet und, die ägyptische Sage bewahrheitend, sämtliche Götter sich in Tiergestalten verbergen. Die Menschheit erscheint in bestimmte Tierrassen zerfallen, deren Zusammenhang nicht die Gleichheit, sondern die Ungleichheit ist, eine Ungleichheit, welche die Gesetze fixieren. Der Weltzustand der Unfreiheit verlangt Rechte der Unfreiheit, denn, während das menschliche Recht das Dasein der Freiheit, ist dies tierische Recht das Dasein der Unfreiheit. Der Feudalismus im weitesten Sinne ist das geistige Tierreich, die Welt der geschiedenen Menschheit im Gegensatz zur Welt der sich unterscheidenden Menschheit, deren Ungleichheit nichts anders ist als die Farbenbrechung der Gleichheit. In den Ländern des naiven Feudalismus, in den Ländern des Kastenwesens, wo im wahren Sinne des Wortes die Menschheit verschubkastet und die edlen, frei ineinander überfließenden Glieder des großen Heiligen, des heiligen Humanus zersägt, zerkeilt, gewaltsam auseinandergerissen sind, finden wir daher auch die Anbetung des Tiers, die Tierreligion in ursprünglicher Gestalt, denn dem Menschen gilt immer für sein höchstes Wesen, was sein wahres Wesen ist. Die einzige Gleichheit, die im wirklichen Leben der Tiere hervortritt, ist die Gleichheit eines Tieres mit den andern Tieren seiner bestimmten Art, die Gleichheit der bestimmten Art mit sich selbst, aber nicht die Gleichheit der Gattung. Die Tiergattung selbst erscheint nur in dem feindseligen Verhalten der verschiedenen Tierarten, die ihre besonderen unterschiedenen Eigenschaften gegeneinander geltend machen. Im Magen des Raubtieres hat die Natur die Wahlstätte der Einigung, die Feueresse der innigsten Verschmelzung, das Organ des Zusammenhangs der verschiedenen |116|* Tierarten bereitet. Ebenso zehrt im Feudalismus die eine Rasse an der andern bis zu der Rasse herab, welche, ein Polyp, an die Erdscholle gewachsen, nur die vielen Arme besitzt, um den oberen Rassen die Früchte der Erde zu pflücken, während sie selbst Staub zehrt, denn wenn im natürlichen Tierreich die Drohnen von den Arbeitsbienen so werden im geistigen die Arbeitsbienen von den Drohnen getötet, und eben durch die Arbeit. Wenn die Privilegierten vom gesetzlichen Recht an ihre Gewohnheitsrechte appellieren, so verlangen sie statt des menschlichen Inhaltes die tierische Gestalt des Rechts, welche jetzt zur bloßen Tiermaske entwirklicht ist.


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