MLWerke | 1842 | Marx/Engels

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 109-147.
1,5. Korrektur
Erstellt am 30.08.1999

Karl Marx

Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz

Von einen Rheinländer

[»Rheinische Zeitung« Nr. 298 vom 25. Oktober 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 300 vom 27. Oktober 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 303 vom 30. Oktober 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 305 vom 1. November 1842]
[»Rheinische Zeitung« Nr. 307 vom 3. November 1842]


[»Rheinische Zeitung« Nr. 305 vom 1. November 1842]

|131|*** Der gute Herr Bürgermeister soll eine Last übernehmen und eine schöne Handlung vollziehen, damit der Herr Waldeigentümer seine Pflicht gegen die Gemeinde ohne Unkosten abtragen kann. Mit demselben Rechte könnte der Waldeigentümer den Bürgermeister als Oberküchenmeister oder als Oberkellner in Anspruch nehmen. Ist es nicht eine schöne Handlung, wenn der Bürgermeister Küche und Keller seiner Administrierten instand hält? Der verurteilte Verbrecher ist kein Administrierter des Bürgermeisters, er ist ein Administrierter des Gefängnisaufsehers. Verliert der Bürgermeister nicht eben Mittel und Würde seiner Stellung, wenn man ihn aus einem Vorstand der Gemeinde zum Exekutor einzelner Gemeindeglieder, wenn man ihn aus einem Bürgermeister zu einem Zuchtmeister macht? Werden nicht die andern freien Gemeindeglieder verletzt, wenn ihre ehrliche Arbeit im Dienste des Allgemeinen zur Strafarbeit im Dienste einzelner Individuen herabsinkt?

Doch es ist überflüssig, diese Sophistereien aufzudecken. Der Herr Referent möge so gütig sein, uns selbst zu sagen, wie weltkluge Leute humane Phrasen beurteilen. Er läßt den Waldbesitzer folgendermaßen den humanisierenden Ackerbesitzer haranguieren:

»Wenn einem Gutsbesitzer die Fruchtähre abgeschnitten werde, so würde der Dieb sagen: ›ich habe kein Brot, darum nehme ich einige Ähren von dem großen Stück, was Sie besitzen‹, so wie der Holzdieb sagt: ›ich habe kein Holz zu brennen, darum stehle ich Holz‹. Den Gutsbesitzer schütze der Artikel 444 des Kriminalkodex, der eine Strafe von zwei bis fünf Jahren Gefängnis gegen das Abschneiden der Ähre ausspreche; so einen mächtigen Schutz habe der Waldeigentümer nicht.«

In diesem letzten neidisch-schielenden Ausruf des Waldeigentümers liegt ein ganzes Glaubensbekenntnis. Ackerbesitzer, warum gerierst du dich |132| so großmütig, wenn es sich um mein Interesse handelt? Weil für dein Interesse schon gesorgt ist. Also keine Illusionen! Die Großmut kostet entweder nichts, oder sie bringt etwas ein. Also Ackerbesitzer, du blendest den Waldbesitzer nicht! Also Waldbesitzer, blende den Bürgermeister nicht!

Dies eine Intermezzo würde beweisen, wie wenig Sinn »schöne Handlungen« in unserer Debatte haben können, bewiese nicht die ganze Debatte, daß sittliche und humane Gründe hier nur als Phrasen ihr Unterkommen finden. Aber das Interesse ist selbst geizig mit Phrasen. Es erfindet sie erst, wenn's nottut, wenn es von erklecklichen Folgen ist. Dann wird es beredt, das Blut rollt ihm schneller, es kommt nun sogar auf schöne Handlungen, die ihm einbringen und andern kosten, auf schmeichlerische Worte, auf zutunliche Süßigkeiten nicht an, und das alles, das alles wird nur exploitiert, um den Holzfrevel zu einer kulantern Münze des Waldeigentümers zu stempeln, um ihn zu einem ergiebigen Holzfrevler zu machen, um das Kapital, denn der Holzfrevler ist dem Waldeigentümer zu einem Kapital geworden, bequemer anlegen zu können. Es handelt sich nicht darum, den Bürgermeister zum Besten des Holzfrevlers, es handelt sich darum, ihn zum Besten des Waldeigentümers zu mißbrauchen. Welch ein merkwürdiges Geschick, welch eine überraschende Tatsache, daß die seltenen Intervallen, in denen ein problematisches Gut für den Frevler auch nur erwähnt, ein apodiktisches Gut dem Herrn Waldeigentümer versichert wird!

Noch ein Beispiel dieser humanen Inzidentpunkte!

Referent: »Das französische Gesetz kenne die Verwandlung der Gefängnisstrafe in Forstarbeit nicht, er halte diese für eine weise und wohltätige, denn der Aufenthalt im Gefängnis führe nicht immer zur Besserung und sehr oft zum Schlechterwerden.«

Früher, als man Unschuldige zu Verbrechern machte, als ein Deputierter in bezug auf die Sammler von Raffholz bemerkte, man bringe sie durch die Gefängnisse mit Gewohnheitsdieben zusammen, da waren die Gefängnisse gut. Plötzlich haben sich die Verbesserungsanstalten metamorphosiert in Verschlechterungsanstalten, denn in diesem Moment ist es zuträglich für das Interesse des Waldeigentümers, daß die Gefängnisse verschlechtern. Unter der Verbesserung der Verbrecher versteht man eine Verbesserung der Prozente, welche die Verbrecher dem Waldeigentümer abzuwerfen den hochherzigen Beruf haben.

Das Interesse hat kein Gedächtnis, denn es denkt nur an sich. Das eine, worauf es ihm ankommt, sich selbst, vergißt es nicht. Auf Widersprüche aber kommt es ihm nicht an, denn mit sich selbst gerät es nicht in Widersprüche. Es ist ein beständiger Improvisator, denn es hat kein System, aber es hat Auskunftsmittel.

|133| Während die humanen und rechtlichen Gründe nichts tun als

Ce qu'au bal nous autres sots humains
Nous appelons faire tapisserie ,
|Was wir einfältigen Menschen auf einem Ball Mauerblümchen spielen nennen|

sind die Auskunftsmittel die tätigsten Agenten im räsonierenden Mechanismus des Interesses. Wir bemerken unter diesen Auskunftsmitteln zwei, die beständig in dieser Debatte wiederkehren und die Hauptkategorien bilden, die »guten Motive« und die »nachteiligen Folgen«. Wir sehen bald den Referenten des Ausschusses, bald ein anderes Landtagsmitglied jede zweideutige Bestimmung mit dem Schild gewiegter, weiser und guter Motive vor den Pfeilen des Widerspruchs decken. Wir sehen jede Konsequenz rechtlicher Gesichtspunkte durch die Hinweisung auf die nachteiligen oder bedenklichen Folgen abgelehnt. Untersuchen wir einen Augenblick diese geräumigen Auskunftsmittel, diese Auskunftsmittel par excellence, diese Auskunftsmittel für alles und noch einiges andere.

Das Interesse weiß das Recht durch die Perspektive auf die nachteiligen Folgen, durch seine Wirkungen in der Außenwelt anzuschwärzen; es weiß das Unrecht durch gute Motive, also durch Zurückgehen in die Innerlichkeit seiner Gedankenwelt weißzuwaschen. Das Recht hat schlechte Folgen in der Außenwelt unter den bösen Menschen, das Unrecht hat gute Motive in der Brust des braven Mannes, der es dekretiert; beide aber, die guten Motive und die nachteiligen Folgen, teilen die Eigentümlichkeit, daß sie die Sache nicht in Beziehung auf sich selbst, daß sie das Recht nicht als einen selbständigen Gegenstand behandeln, sondern vom Recht ab entweder auf die Welt hinaus oder auf den eigenen Kopf hineinweisen, daß sie also hinter dem Rücken des Rechts manövrieren.

Was sind nachteilige Folgen? Daß man hierunter keine nachteiligen Folgen für den Staat, das Gesetz, den Angeschuldigten zu verstehen hat, das beweist unsere ganze Darstellung. Daß man ferner unter den nachteiligen Folgen keine nachteiligen Folgen für die bürgerliche Sicherheit begreift, wollen wir in wenigen Zügen zur Evidenz steigern.

Wir haben schon von Landtagsmitgliedern selbst gehört, wie die Bestimmung, »daß jeder nachweisen muß, woher er sein Holz hat«, rauh und verletzend in das bürgerliche Leben eingreife und jeden Bürger vexatorischen Schikanen preisgebe. Eine andere Bestimmung erklärt jeden für einen Dieb, in dessen Gewahrsam sich gestohlenes Holz findet, obgleich ein Deputierter erklärt:

|134| »dies könne manchem rechtlichen Manne gefährlich werden. In seiner Nähe sei jemandem gestohlenes Holz in den Hof geworfen und der Unschuldige zur Strafe gezogen worden.«

Der § 66 verurteilt jeden Bürger, der einen Besen kauft, welcher kein monopolisierter Besen ist, zu einer Zuchthausstrafe von vier Wochen bis zwei Jahren, wozu ein Stadtabgeordneter die Randglosse macht:

»Dieser Paragraph drohe den Bewohnern der Kreise Elberfeld, Lennep und Solingen samt und sonders Zuchthausstrafe.«

Endlich hat man die Aufsicht und Handhabung der Jagd- und Forstpolizei dem Militär sowohl zu einem Recht als zu einer Pflicht gemacht, obgleich der Artikel 9 der Kriminalordnung nur Beamte kennt, welche unter der Aufsicht der Staatsprokuratoren stehen, also unmittelbar von diesen verfolgt werden können, was bei dem Militär nicht der Fall ist. Man bedroht damit wie die Unabhängigkeit der Gerichte, so die Freiheit und Sicherheit der Bürger.

Weit entfernt also, daß von nachteiligen Folgen für die bürgerliche Sicherheit die Rede wäre, wird die bürgerliche Sicherheit selbst als ein Umstand von nachteiligen Folgen behandelt.

Was sind also nachteilige Folgen? Nachteilig ist, was dem Interesse des Waldeigentümers nachteilig ist. Wenn also die Folgen des Rechts keine Erfolge seines Interesses sind, so sind es nachteilige Folgen. Und hier ist das Interesse scharfsinnig. Sah es vorhin nicht, was die natürlichen Augen zeigen, so sieht es jetzt sogar, was sich nur dem Mikroskop entdeckt. Die ganze Welt ist ihm ein Dorn im Auge, eine Welt von Gefahren, eben weil sie nicht die Welt eines, sondern die Welt vieler Interessen ist. Das Privatinteresse betrachtet sich als den Endzweck der Welt. Realisiert also das Recht diesen Endzweck nicht, so ist es ein zweckwidriges Recht. Ein dem Privatinteresse nachteiliges Recht ist also ein Recht von nachteiligen Folgen.

Sollten die guten Motive besser sein als die nachteiligen Folgen?

Das Interesse denkt nicht, es rechnet. Die Motive sind seine Zahlen. Das Motiv ist ein Beweggrund, die Rechtsgründe aufzuheben, und wer zweifelt, daß das Privatinteresse hierzu viele Beweggründe haben wird? Die Güte des Motivs besteht in der zufälligen Geschmeidigkeit, womit es den objektiven Tatbestand zu entrücken und sich und andere in die Täuschung einzuwiegen weiß, nicht die gute Sache sei zu denken, sondern bei einer schlechten Sache genüge der gute Gedanke.

Unsern Faden wieder aufnehmend, bringen wir zunächst ein Seitenstück zu den dem Herrn Bürgermeister empfohlenen schönen Handlungen.

|135| »§ 34 wurde vom Ausschuß eine veränderte Fassung in folgender Weise vorgeschlagen: Wird das Erscheinen des protokollierenden Schutzbeamten von dem Beschuldigten veranlaßt, so hat derselbe die desfallsigen Kosten vordersamst bei dem Forstgericht zu deponieren.

Der Staat und das Gericht sollen nichts unentgeltlich im Interesse des Beschuldigten tun. Sie sollen sich vordersamst bezahlen lassen, wodurch offenbar vordersamst die Konfrontation des denunzierenden Schutzbeamten und des Angeschuldigten erschwert wird.

Eine schöne Handlung! Nur eine einzige schöne Handlung! Ein Königreich für eine schöne Handlung! Aber die einzige schöne Handlung, die in Vorschlag gebracht wird, soll der Herr Bürgermeister zum Besten des Herrn Waldeigentümers vollziehen. Der Bürgermeister ist der Repräsentant der schönen Handlungen, ihr menschgewordener Ausdruck, und man hat die Reihe der schönen Handlungen mit der Last, die man dem Bürgermeister aufzuerlegen die wehmütige Aufopferung besaß, erschöpft und für immer geschlossen.

Wenn der Herr Bürgermeister im Dienst des Staates und zum sittlichen Besten des Verbrechers mehr tun soll als seine Pflicht, sollten die Herrn Waldeigentümer zu demselben Guten nicht weniger fordern, als ihr Interesse ist?

Man könnte die Antwort auf diese Frage schon in dem bisher behandelten Teil der Debatten niedergelegt glauben, aber man irrt. Wir kommen zu den Strafbestimmungen.

»Ein Deputierter der Ritterschaft hielt den Waldeigentümer immer noch nicht für hinlänglich entschädigt, wenn ihm selbst die Strafgelder (außer der Erstattung des einfachen Werts) zufielen, die häufig nicht einziehbar sein würden.«

Ein Abgeordneter der Städte bemerkt:

»Die Bestimmungen dieses Paragraphen (§ 15) könnten zu den bedenklichsten Folgen führen. Der Waldeigentümer erhalte auf diese Weise dreifache Entschädigung, nämlich den Wert, vier-, sechs- oder achtfache Strafe und noch besondern Schadenersatz, welcher oft ganz arbiträr ermittelt und mehr das. Resultat einer Fiktion als der Wirklichkeit sein werde. Jedenfalls scheine ihm angeordnet werden zu müssen, daß die fragliche besondere Entschädigung gleich am Forstgericht vorgefordert und im Forsturteil zugesprochen werden müsse. Daß der Beweis des Schadens besonders geliefert und nicht lediglich auf das Protokoll gegründet werden könne, liege in der Natur der Sache.«

Es wurde hiegegen durch den Herrn Referenten und ein anderes Mitglied erläutert, wie der hier angeführte Mehrwert sich in verschiedenen von ihnen bezeichneten Fällen ergeben könne. Der Paragraph ward angenommen.

|136| Das Verbrechen wird zu einer Lotterie, in welcher der Waldeigentümer, wenn das Glück will, sogar noch Gewinste ziehen kann. Es kann sich ein Mehrwert ergehen, aber es kann auch der Waldeigentümer, der schon den einfachen Wert erhält, durch die vier-, sechs- oder achtfache Strafe ein Geschäft machen. Erhält er aber außer dem einfachen Wert noch besondern Schadenersatz, so ist die vier-, sechs- oder achtfache Strafe jedenfalls reiner Gewinn. Glaubt ein Mitglied des Ritterstandes, die zufallenden Strafgelder seien keine hinreichenden Garantien, weil sie häufig nicht einziehbar sein würden, so werden sie dadurch doch keinenfalls einziehbar, daß außer ihnen noch Wert und Schadenersatz einzuziehen sind. Wir werden übrigens sehen, wie man dieser Nichteinziehbarkeit ihren Stachel zu rauben weiß.

Konnte der Waldeigentümer sein Holz besser assekurieren, als es hier geschehen ist, wo man das Verbrechen in eine Rente verwandelt hat? Ein geschickter Feldherr, verwandelt er den Angriff auf sich in eine unfehlbare Gelegenheit siegreichen Gewinnes, denn sogar der Mehrwert des Holzes, die ökonomische Schwärmerei, verwandelt sich durch den Diebstahl in eine Substanz. Dem Waldeigentümer muß nicht allein sein Holz, sondern auch sein Holzgeschäft garantiert werden, während die bequeme Huldigung, die er seinem Geschäftsführer, dem Staat, darbringt, darin besteht, daß er ihn nicht bezahlt. Es ist ein exemplarischer Einfall, die Strafe des Verbrechens aus einem Siege des Rechts gegen die Attentate auf das Recht in einen Sieg des Eigennutzes gegen die Attentate auf den Eigennutz zu verwandeln.

Wir machen unsere Leser aber vorzugsweise auf die Bestimmung des § 14 aufmerksam, eine Bestimmung, wobei man sich der Gewohnheit entschlagen muß, die leges barbarorum für Gesetze der Barbaren zu halten. Die Strafe nämlich als solche, die Wiederherstellung des Rechts, wohl zu unterscheiden von der Erstattung des Wertes und dem Schadenersatze, der Wiederherstellung des Privateigentums, wird aus einer öffentlichen Strafe zu einer Privatkomposition, die Strafgelder fließen nicht in die Staatskasse, sondern in die Privatkasse des Waldeigentümers.

Ein Abgeordneter der Städte meint zwar: »Dies widerstreite der Würde des Staats und den Prinzipien einer guten Strafrechtspflege«, aber ein Deputierter der Ritterschaft »appelliert an das Rechts- und Billigkeitsgefühl der Versammlung zum Schutz des Interesses des Waldeigentümers«, also an ein apartes Rechts- und Billigkeitsgefühl.

Die barbarischen Völker lassen dem Beschädigten für ein bestimmtes Verbrechen eine bestimmte Komposition (Sühnegeld) zahlen. Der Begriff der öffentlichen Strafe kam erst im Gegensatz zu dieser Ansicht auf, die im |137| Verbrechen nur eine Verletzung des Individuums erblickt, aber das Volk und die Theorie müssen noch erfunden werden, welche dem Individuum die Privat- und die Staatsstrafe zu vindizieren die Gefälligkeit besitzen.

Ein vollständiges qui pro quo muß die Landstände verführt haben. Der gesetzgebende Waldeigentümer verwechselte einen Augenblick die Personen, sich als Gesetzgeber und sich als Waldeigentümer. Das eine Mal ließ er sich als Waldeigentümer das Holz, und das andere Mal ließ er sich als Gesetzgeber die verbrecherische Gesinnung des Diebs bezahlen, wobei es sich ganz zufällig traf, daß der Waldeigentümer beide Male bezahlt wurde. Wir stehen also nicht mehr bei dem einfachen droit des seigneurs |Herrenrecht|. Wir sind durch die Epoche des öffentlichen Rechts zur Epoche des verdoppelten, des potenzierten Patrimonialrechts gelangt. Die Patrimonialeigentümer benutzen den Fortschritt der Zeit, der die Widerlegung ihrer Forderung ist, um sowohl die Privatstrafe der barbarischen Weltanschauung als auch die öffentliche Strafe der modernen Weltanschauung zu usurpieren.

Durch die Erstattung des Werts und noch gar eines besondern Schadenersatzes existiert kein Verhältnis mehr zwischen dem Holzdieb und dem Waldeigentümer, denn die Holzverletzung ist vollständig aufgehoben. Beide, Dieb und Eigentümer, sind in die Integrität ihres frühern Zustandes zurückgetreten. Der Waldeigentümer ist bei dem Holzdiebstahl nur soweit affiziert, als das Holz, aber nicht soweit, als das Recht verletzt ist. Nur die sinnliche Seite des Verbrechers trifft ihn, aber das verbrecherische Wesen der Handlung ist nicht die Attacke auf das materielle Holz, sondern die Attacke auf die Staatsader des Holzes, auf das Eigentumsrecht als solches, die Verwirklichung der unrechtlichen Gesinnung. Hat der Waldeigentümer Privatansprüche auf die rechtliche Gesinnung des Diebes, und was sollte die Vervielfachung der Strafe bei Wiederholungsfällen anders sein als eine Strafe der verbrecherischen Gesinnung? Oder kann der Waldeigentümer Privatforderungen haben, wo er keine Privatansprüche hat? War der Waldeigentümer vor dem Holzdiebstahle der Staat? Nein, aber er wird es nach dem Holzdiebstahl. Das Holz besitzt die merkwürdige Eigenschaft, sobald es gestohlen wird, seinem Besitzer Staatsqualitäten zu erwerben, die er früher nicht besaß. Der Waldeigentümer kann doch nur zurückerhalten, was ihm genommen wurde. Wird ihm der Staat zurückgegeben, und er wird ihm zurückgegeben, wenn er außer dem Privatrecht das Staatsrecht auf den Frevler erhält, so muß ihm auch der Staat geraubt werden, so muß der Staat sein Privateigentum gewesen sein. Der Holzdieb trug also, ein zweiter |138| Christophorus, in den gestohlenen Blöcken den Staat selbst auf seinem Rücken.

Die öffentliche Strafe ist die Ausgleichung des Verbrechens mit der Staatsvernunft, sie ist daher ein Recht des Staats, aber sie ist ein Recht des Staats, welches er sowenig an Privatleute zedieren, als ein Individuum dem andern sein Gewissen abtreten kann. Jedes Recht des Staats gegen den Verbrecher ist zugleich ein Staatsrecht des Verbrechers. Sein Verhältnis zum Staat kann durch kein Unterschieben von Mit[tel]gliedern in ein Verhältnis zu Privaten verwandelt werden. Wollte man dem Staat selbst das Aufgeben seiner Rechte, den Selbstmord, gestatten, so wäre doch immerhin das Aufgeben seiner Pflichten nicht nur eine Nachlässigkeit, sondern ein Verbrechen.

Der Waldeigentümer kann also ebensowenig durch den Staat ein Privatrecht auf die öffentliche Strafe erhalten, als er an und für sich irgendein denkbares Recht darauf besitzt. Wenn ich aber die verbrecherische Tat eines Dritten in Ermangelung rechtlicher Ansprüche zu einer selbständigen Erwerbsquelle mir gestalte, werde ich dadurch nicht sein Mitschuldiger? Oder bin ich weniger sein Mitschuldiger, weil ihm die Strafe und mir der Genuß des Verbrechens zufällt? Die Schuld wird nicht gemildert, wenn ein Privatmann seine Qualität als Gesetzgeber dazu mißbraucht, sich selber Staatsrechte durch das Verbrechen Dritter zu arrogieren. Der Unterschleif öffentlicher Staatsgelder ist ein Staatsverbrechen, und sind die Strafgelder keine öffentlichen Staatsgelder?

Der Holzdieb hat dem Waldeigentümer Holz entwendet, aber der Waldeigentümer hat den Holzdieb dazu benutzt, den Staat selbst zu entwenden. Wie wörtlich wahr dies ist, beweist § 19, wo man nicht dabei stehenbleibt, die Geldstrafe, sondern auch Leib und Leben des Angeklagten in Anspruch zu nehmen. Nach § 19 wird der Forstfrevler durch eine für den Waldeigentümer zu leistende Forstarbeit ganz in dessen Hände gegeben, was nach einem Deputierten der Städte

»zu großen Inkonvenienzen führen könne. Er wolle nur auf die Gefährlichkeit dieser Vollziehungsweise bei Personen des andern Geschlechts aufmerksam machen.«

Ein Deputierter der Ritterschaft gibt die ewig denkwürdige Erwiderung:

»daß es zwar ebenso notwendig als zweckmäßig sei, bei der Diskussion eines Gesetzentwurfes vorab die Prinzipien desselben zu erörtern und festzustellen, daß aber, wenn dies einmal geschehen, darauf nicht wieder bei Erörterung jedes einzelnen Paragraphen zurückgegangen werden könne«,

worauf der Paragraph ohne Widerspruch angenommen wurde.

|139| Seid so geschickt, von schlechten Prinzipien auszugehen, und ihr erhaltet einen unfehlbaren Rechtstitel auf die schlechten Konsequenzen. Ihr könntet zwar meinen, die Nichtigkeit des Prinzips offenbare sich in der Abnormität seiner Konsequenzen, aber wenn ihr Weltbildung besitzt, so werdet ihr einsehen, daß der Kluge bis auf die letzte Konsequenz ausschöpft, was er einmal durchgesetzt hat. Es wundert uns nur, daß der Waldeigentümer nicht auch seinen Ofen mit den Walddieben heizen darf. Da die Frage sich nicht um das Recht, sondern um die Prinzipien dreht, von denen der Landtag auszugehen beliebt, so stände dieser Konsequenz auch nicht ein Sandkorn im Wege.

In direktem Widerspruch mit dem eben aufgestellten Dogma belehrt uns ein kurzer Rückblick, wie nötig es gewesen wäre, bei jedem Paragraphen von neuem die Prinzipien zu diskutieren, wie man durch die Votierung scheinbar zusammenhangloser und in gehöriger Distanz voneinander gehaltener Paragraphen eine Bestimmung nach der andern erschlichen hat und nach Erschleichung der ersten in der folgenden nun auch den Schein der Bedingung fallen ließ, unter der die erste allein annehmbar war.


Pfad: »../me/me01«


MLWerke | 1842 | Marx/Engels