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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 18, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 202-207.

1. Korrektur.
Erstellt am 04.03.1999

Karl Marx

Adresse des Britischen Föderalrats an die Sektionen, Zweige, angeschlossenen Gesellschaften und Mitglieder [der Britischen Föderation der Internationale]

Nach dem Flugblatt.
Aus dem Englischen.


|202| Bürger!

Auf unserer Sitzung vom 19. Dezember 1872 wurde unsere Aufmerksamkeit auf ein von den Vertretern der Sezessionisten in England herausgegebenes Manifest gelenkt. Wir beschlossen sofort, jeder Sektion eine Notiz zu senden, die sie aufruft, mit ihrem Urteil darüber zurückzuhalten, bis sie unsere Antwort vorliegen hätte, die wir sofort herauszubringen versprachen. Und auf einer besonderen Sitzung des Britischen Föderalrats, die am Montag abend, am 23. Dezember, stattfand, wurde einstimmig beschlossen, folgendes auf die im obengenannten Manifest gemachten Behauptungen zu erwidern:

1. Die festgefahrene Lage ist dadurch entstanden, daß ständig Hales' persönliche Angelegenheiten vorgebracht wurden; beide, er und Mottershead, legten es schon im Generalrat darauf an, durch gegenseitige Korruptionsbeschuldigungen eine ähnliche festgefahrene Lage herbeizuführen. Die festgefahrene Lage auf der Sitzung, auf die angespielt wird, hatte Mottershead verursacht, der betrunken war und die Sitzung um halb zwölf dadurch auffliegen ließ, daß er ununterbrochen den Vorsitzenden |Samuel Vickery| in der heftigsten Weise persönlich angriff, wobei kein anderer als Hales die Auflösung der Sitzung gefordert hat. Die Mitglieder werden vor längerer Zeit im "International Herald" gelesen haben, daß die Süd-Lambeth Sektion ihren Delegierten zurückgezogen hat, weil die Majorität jeder wirklichen Tätigkeit entgegenarbeitete.

2. Die wirkliche Ursache dieses Zirkulars besteht darin, daß es innerhalb der sezessionistischen Minorität des Haager Kongresses eine Verstän- |203| digung darüber gibt, alle möglichen Kongresse in allen Ländern um Weihnachten herum einzuberufen, die ihre sezessionistische Tätigkeit bestätigen sollen. So sind ähnliche Kongresse in Belgien und in Spanien für den 25. Dezember einberufen worden (gegen den in Spanien besteht eine starke Opposition, die von Tag zu Tag anwächst). Nun sollen die englischen Sektionen durch Schwindelei dazu gebracht werden, das Komplott zu unterstützen, ohne daß sie wissen, was vorgeht.

3. Das jetzt vor uns liegende Zirkular ist dem Föderalrat nicht vorgelegt worden. Nichts zeigt besser, wie seine Verfasser die Diskussion fürchteten, als die Tatsache, daß sie es hinter dem Rücken des Rats in einer heimlichen Zusammenkunft ausgeheckt haben. Hat man jemals früher erlebt, daß eine Majorität von der Minorität sezedierte, statt sie zu überstimmen? Weshalb wünscht die Majorität einen besonderen Kongreß, wenn eine einfache Abstimmung im Rat, den sie zu beherrschen vorgeben, die Frage zu ihren Gunsten entscheiden würde?

4. Die Unterzeichner dieses Zirkulars wagen noch nicht so weit zu gehen wie die Sezessionisten des Kontinents, die offen erklären, daß sie die Autorität eines jeden Kongresses verwerfen mit Ausnahme des ersten in Genf abgehaltenen. Inzwischen fangen sie damit an, die Rechtsgültigkeit des Haager Kongresses anzufechten, des Kongresses, der am meisten international und in der Tat der erste wirklich internationale Kongreß der Assoziation war, weil er der erste war, wo die Mehrheit keine nationale oder gar nur lokale war. Wenn dieser Kongreß nicht ordentlich konstituiert war, warum unterzeichnete dann Bürger Roach, der ein Mitglied der Mandatsprüfungskommission war, den Bericht dieser Kommission? Doch jetzt unterzeichnet er das Zirkular, das gegen den Kongreß protestiert.

5. Sie sagen, sie werden zu den Allgemeinen Statuten stehen, wie sie vor dem Haager Kongreß existierten. Diese Statuten besagen in Artikel 3: "Der Kongreß ... ergreift die für das erfolgreiche Wirken der Internationalen Assoziation notwendigen Maßregeln und ernennt den Generalrat der Gesellschaft." In Art. 12: "Die gegenwärtigen Statuten können durch jeden Kongreß abgeändert werden, sobald zwei Drittel der anwesenden Delegierten sich dafür erklären." Die Allgemeinen Statuten geben irgendeinem lokalen oder föderalen Kongreß keinerlei Recht, die Resolutionen irgendeines allgemeinen Kongresses zu revidieren. Daher erklären sich die Unterzeichner dieses Zirkulars in offener Revolte nicht nur gegen die Verfassung der Internationale, wie sie von dem Haager Kongreß festgelegt worden ist, |204| sondern auch gegen jene Allgemeinen Statuten, von denen sie erklären, daß sie zu ihnen ständen.

Welches sind nun die Resolutionen des Haager Kongresses, die den Unterzeichnern des Zirkulars so widerwärtig sind?

Die erste ist die Resolution über die politische Wirksamkeit der Arbeiterklasse, die, wie sie behaupten, beschlossen worden sei, nachdem die Majorität der Delegierten abgereist war. Das ist fern aller Wahrheit, da von den 64 Delegierten, die an dem Kongreß teilnahmen, sich 48 an der Abstimmung über diese Resolution beteiligten, und davon stimmten 35 oder mehr als zwei Drittel dafür, unter ihnen Bürger Mottershead, der nichtsdestoweniger das fragliche Zirkular unterzeichnet hat. Überdies hatten die meisten der abgereisten Delegierten bei dem Vorsitzenden eine schriftliche Erklärung hinterlassen, daß sie für die Resolution wären.

Die Resolution selbst ist nichts als ein Extrakt aus der Resolution Nr. IX der Londoner Konferenz vom September 1871, die samt den anderen Resolutionen vom Generalrat am 17. Oktober 1871 veröffentlicht wurde und unter der die Namen der Bürger Bradnick, Mayo, Mottershead, Jung, Roach und Hales stehen, letzterer als Generalsekretär. Diese Resolution der Konferenz führt die Allgemeinen Statuten, die Inauguraladresse und eine Resolution des Lausanner Kongresses an sowie die gesamte Tätigkeit des Generalrats seit Beginn, um zu beweisen, daß das, was sie aussagt, nur eine Erläuterung dessen ist, was im selben Sinne immer die offiziell befolgte Politik der Assoziation gewesen ist. Vor dem Haager Kongreß beschloß der Generalrat einmütig, diesem Kongreß vorzuschlagen, eben diese Resolution in die Allgemeinen Statuten einzufügen; Bürger Jung hatte an diesem Abend das Amt des Sekretärs, da Hales suspendiert worden war. Und sogar der Kongreß zu Nottingham, auf dessen Resolutionen sich das Zirkular als Präzedens bezieht, nahm eine dem Wesen nach gleiche Resolution an.

Was die angebliche Verstoßung der Trade-Unions durch diese Resolution betrifft, so ist ganz im Gegenteil der Kongreß zugunsten der Trade-Unions weiter gegangen als die Allgemeinen Statuten oder irgendein früherer Kongreß. Er beauftragte den neuen Generalrat, einen internationalen Bund zwischen den Trade-Unions zu schaffen, in ihn sogar Trade-Unions aufzunehmen, die nicht zur Internationale gehören, jede Trade-Union aufzufordern, selbst die Bedingungen zu nennen, unter denen sie einem solchen Bund beitreten würde, und einen allgemeinen Plan auszuarbeiten, der allen zugehörigen Trade-Unions zur vorläufigen Annahme unterbreitet werden sollte vor seiner endgültigen Bestätigung durch den nächsten Kongreß.

|205| Die nächste Beschwerde betrifft die Verlegung des Generalrats nach New York. Das läuft einfach auf die Behauptung hinaus, daß kein Generalrat, in dem nicht die Herren Hales, Mottershead, Jung, Bradnick, Mayo und Roach ihren Sitz haben, beanspruchen könnte, die Internationale zu vertreten.

Eine andere Beschwerde ist die, daß die Vollmachten dieses Generalrats erweitert worden sind. Nun, die erste in dieser Hinsicht in Den Haag gefaßte Resolution war folgende: " Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen und darauf zu achten, daß die Grundsätze, Statuten und Verwaltungsverordnungen der Internationale in jedem Lande strikt eingehalten werden." Diese Resolution wurde dem Kongreß auf Grund einer einmütigen Abstimmung des alten Generalrats vorgeschlagen. Wie könnte sie in die Tat umgesetzt werden, wenn der Generalrat nicht die Vollmacht hätte, Körperschaften zu suspendieren, die innerhalb der Internationale gegen die Internationale wirken? Außerdem haben die Haager Resolutionen, die sich auf das Recht der Suspension von Sektionen, Föderalräten und Föderationen beziehen, in Wirklichkeit die dem Generalrat vom Baseler Kongreß verliehene Vollmacht (siehe Verwaltungsverordnungen II, Artikel 6 und 7) eingeschränkt und in jedem Falle die Handlung des Generalrats einer Gegenkontrolle unterworfen.

Überall auf dem Kontinent unterstützen die Regierungen und die bürgerliche Presse die Versuche der Leute, die danach trachten, eine Sezession in den Reihen der Assoziation zu provozieren, während diejenigen, die der Internationale anhängen, überall verhaftet und ihre Zeitungen von der Polizei verfolgt werden. Während sich die Sezessionisten in der Behauptung sonnen, daß die Internationale dank ihrer Anstrengungen überall in Auflösung begriffen sei, und gegen die Haager Resolutionen rebellieren, ist die Assoziation in Wirklichkeit stärker denn je, und die Haager Resolutionen sind in Frankreich, Deutschland, Österreich, Ungarn, Portugal, Amerika, Dänemark, Polen und der Schweiz vollauf bestätigt, einige 150 Sezessionisten in der Schweiz ausgenommen. In Holland wurde, obwohl die Delegierten dieses Landes in Den Haag mit der Minorität gestimmt hatten, ein Kongreß abgehalten, der beschloß, dem Generalrat treu zu bleiben und keinen anderen allgemeinen Kongreß anzuerkennen als den für September 1873 angesetzten ordentlichen Kongreß, der in der Schweiz abgehalten werden soll. In Spanien, wo die Sezessionisten hofften, alles durchsetzen zu können, weil sie den Föderalrat auf ihrer Seite hatten, nimmt die |206| Opposition gegen sie täglich an Stärke zu. Selbst in Italien senden Sektionen dem neuen Generalrat fortgesetzt ihre Zustimmung, und dieser Kniff mit dem neuen englischen Kongreß ist das letzte Zufluchtsmittel, zu dem sich die Sezessionisten getrieben sehen.

In Erwiderung auf die Vorschläge des Zirkulars müssen wir folgendes unterbreiten:

1. Wir erklären jeden in England abgehaltenen Kongreß, der den Zweck hat, die vom Haager Kongreß angenommenen Resolutionen zu revidieren, für illegal, weil jede Föderation das Recht hat, auf dem nächsten allgemeinen Kongreß Einspruch zu erheben. Ferner ist der einzige legale Kongreß der Britischen Föderation der, welcher - gemäß der auf dem Kongreß zu Nottingham vom Juli 1872 angenommenen Resolution - in Manchester zu Pfingsten abgehalten werden soll.

2. Wir fordern die Sektionen auf, die den Unterzeichnern des Zirkulars gegebenen Vollmachten zurückzunehmen und neue Delegierte zu entsenden, die sie beim Föderalrat vertreten.

3. Wir fordern die Sektionen auf, ein Komitee zu ernennen, dem die Protokolle des Föderalrats unterbreitet werden sollen und das seine eigenen Schlüsse hinsichtlich der Frage ziehen wird, wer die Arbeit der Assoziation gehemmt und wer sie gefördert hat und wer im Interesse der Feinde der arbeitenden Klassen tätig war.

4. Wir fordern die Sektionen auf, eine Kommission zu ernennen, die die Organisation, die Mitgliederzahl und das Gründungsdatum der Sektionen prüft und insbesondere die Zahl der Delegierten, die sie in den Föderalrat zu entsenden pflegten.

Da die Sektionen jetzt im Besitz beider Manifeste sind, überlassen wir die Angelegenheit ihnen und bitten nur, uns ihre Entscheidung sofort mitzuteilen.

Wir bekräftigen jedoch ohne Zaudern, daß wir in Übereinstimmung mit den Statuten und der Verfassung der Assoziation und im wahren Interesse der arbeitenden Klassen handeln.

Es lebe die Internationale Arbeiterassoziation!

F. Hurry, Süd-Lambeth-Sektion, Vorsitzender
E. Hills, Westend-Sektion
F. Leßner, Nottingham-Kongreß, ehemaliges Mitglied des Generalrats, Mitbegründer der IAA
W. H. Riley, Nottingham-Kongreß
|207| Ch. Murray, Normanby-Sektion, ehemaliges Mitglied des Generalrats
G. Milner, Nationale Reform-Liga, ehemaliges Mitglied des Generalrat.
J. Mitchell, Hinkley-Sektion, Leicestershire
G. A. Weiler, Londoner deutsche Sektion
S. Vickery, Birkenhead-Sektion
Eugène Dupont, Manchester-Sektion, ehemaliges Mitglied des Generalrats, Mitbegründer der IAA

Alle Mitteilungen sind an Bürger Riley, Redakteur des "International Herald", 7, Red Lion Court, Fleet Street, London, zu richten.

London, 23. Dezember 1872


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