Über den Krieg - VI | Inhalt | Über den Krieg - VIII

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 40-43.

Erstellt am 13.12.1998.
1. Korrektur.

Friedrich Engels

Über den Krieg - VII


["The Pall Mall Gazette" Nr. 1716 vom 13. August 1870]

|40| Während der ganzen Woche hat man auf die Schlacht vor Metz gewartet, die ein französischer Tagesbericht als bevorstehend bezeichnete; jedoch hat keiner unserer militärischen Kritiker daran gedacht zu erklären, daß die Meldung dieser bevorstehenden Schlacht nichts war als ein Faß, das man dem widerspenstigen Walfisch, dem Volk von Paris, hinwarf, um es abzulenken. Eine Schlacht vor Metz! Warum sollten die Franzosen sie wünschen? Sie haben unter dem Schutz dieser Festung vier Korps versammelt, und sie versuchen, einige von Canroberts vier Divisionen heranzuziehen. Sie erwarten die baldige Nachricht, daß die verbleibenden drei Korps, Mac-Mahon, de Failly und Douay, die Mosel bei Nancy erreicht und hinter ihr Schutz gefunden haben. Warum sollten sie eine regelrechte Schlacht suchen, bevor ihre ganze Armee wieder vereinigt ist, wo doch die Forts von Metz sie vor einem Angriff schützen? Und warum sollten sich die Deutschen bei einem unvorbereiteten Angriff gegen diese Forts die Köpfe einrennen? Wenn die ganze französische Armee unter den Wällen von Metz vereinigt wäre, dann könnte man erwarten, daß die Franzosen östlich der Mosel hervorbrächen und eine Schlacht vor ihren Forts lieferten; aber vorher nicht, Aber das steht noch bevor, und es ist zweifelhaft, ob es überhaupt geschehen wird.

Am letzten Sonntag |7. August 1870| wurde Mac-Mahon gezwungen, Zabern zu verlassen, das noch in derselben Nacht von den Deutschen besetzt wurde. Bei ihm befanden sich die Überreste seines eigenen Korps und einer Division (Conseil-Dumesnil) von Douays Korps und außerdem eine Division von de Failly, die seinen Rückzug gedeckt hatte. Am selben Abend marschierten |41| die deutsche Erste und Zweite Armee nach Forbach und kamen bis in die Nähe von St. Avold. Beide Orte liegen Nancy näher als Zabern; sie liegen auch Pont-à-Mousson und Dieulouard - Orten an der Mosel zwischen Nancy und Metz - beträchtlich näher als Zabern. Nun, wenn die Deutschen sich so bald wie möglich einen Übergang über den Fluß sichern oder errichten, und zwar oberhalb Metz (aus verschiedenen sehr einleuchtenden Gründen), wenn sie dem Fluß näher sind als Mac-Mahon und so durch Eilmärsche seine Wiedervereinigung mit Bazaine verhindern können, wenn sie Truppen in Hülle und Fülle haben - ist es dann nicht ganz klar, daß sie dergleichen versuchen werden? Ihre Kavallerie durchstreift eben das ganze nördliche Lothringen, wie wir es vorausgesagt haben, und dürfte bereits mit Mac-Mahons rechtem Flügel in Fühlung gekommen sein. Sie hatte am Mittwoch Groß-Tänchen passiert, das nur etwa 25 Meilen von der direkten Straße zwischen Zabern und Nancy entfernt ist. Die Deutschen werden daher genau wissen, wo Mac-Mahon ist, und dementsprechend operieren; und wir werden bald erfahren, an welchem Punkt zwischen Nancy (oder richtiger Frouard) und Metz sie die Mosel erreicht haben.

Das ist der Grund, warum wir seit dem letzten Sonnabend nichts von Kämpfen gehört haben. Gegenwärtig leisten die Beine der Soldaten die ganze Arbeit. Es ist ein Wettrennen zwischen Mac-Mahon und Friedrich Karl, wer von ihnen zuerst den Fluß überqueren wird. Wenn Friedrich Karl das Rennen gewinnen sollte, so werden die Franzosen aus Metz herausgehen müssen, nicht um eine Schlacht vor seinen Wällen zu liefern, sondern um den Moselübergang zu verteidigen, was freilich durch einen Angriff entweder auf dem rechten oder dem linken Ufer geschehen müßte. Die beiden in Forbach erbeuteten Pontontrains werden sehr bald Arbeit erhalten.

Von de Failly hören wir nichts Bestimmtes. In einem Bulletin aus Metz wird gesagt, daß er sich wieder mit der Armee vereinigt habe. Aber mit welcher? Mit der Bazaine oder der Mac-Mahons? Offensichtlich mit der letzteren, wenn überhaupt etwas Wahres an dem ganzen Bericht ist; denn zwischen Bazaine und ihm waren die Spitzen der deutschen Kolonnen, seitdem er unserem Blickfeld entschwand. Douays übriggebliebene zwei Divisionen - er war noch immer am 4. August an der Schweizer Grenze in der Nähe von Basel - müssen zur Zeit durch den deutschen Vormarsch auf Straßburg von der übrigen Armee abgeschnitten sein; sie können sich erst bei Vesoul wieder mit der Armee vereinigen. Von Canroberts Truppen befindet sich plötzlich wenigstens eine Division (Martimprey) in Paris, wo sie nicht den Deutschen, sondern den Republikanern gegenübersteht. Das 25., |42| 26. und 28. Regiment, die zu dieser Division gehören, wurden am Dienstag unter den Truppen genannt, die das Corps législatif geschützt haben. Der Rest dürfte jetzt in Metz sein, so daß die dortige Armee 15 Divisionen (Infanterie) zählen wird; drei davon sind jedoch durch ihre Niederlage bei Spichern gänzlich aufgerieben.

Was Spichern anbetrifft, so ist es falsch zu sagen, daß die Franzosen in diesem Kampfe durch zahlenmäßig überlegene Kräfte geschlagen wurden. Wir haben jetzt einen ziemlich ausführlichen Bericht der Generale Steinmetz und Alvensleben, der sehr klar zeigt, welche Truppen auf der deutschen Seite eingesetzt waren. Den Angriff führte die 14. Division aus, unterstützt durch unsere alten Freunde vom 40. Regiment - zusammen 15 Bataillone. Sie allein, also nur Infanterie, kämpften sechs Stunden lang gegen die drei Divisionen oder 39 Bataillone, die Frossard nacheinander heranzog. Als sie beinahe aufgerieben waren, aber noch die Höhen von Spichern hielten, die sie am Anfang des Kampfes gestürmt hatten, kam die 5. Division des III. oder brandenburgischen Armeekorps heran, und wenigstens drei von ihren vier Regimentern nahmen an dem Kampf teil - zusammen entweder 24 oder 27 Bataillone der Deutschen. Sie vertrieben die Franzosen aus ihrer Stellung. Erst als deren Rückzug schon begonnen hatte, erreichte die Spitze der 13. Division, die den französischen rechten Flügel durch das Tal der Rossel umgangen hatte, das Schlachtfeld, fiel über Forbach her und verwandelte einen geordneten Rückzug in eine Flucht, indem sie den direkten Weg nach Metz abschnitt. Am Ende der Schlacht hatten die Deutschen eine weitere Division (die 6.) zum Einsetzen bereit und in der Tat auch zu einem kleinen Teil eingesetzt. Aber zur gleichen Zeit waren zwei französische Divisionen, Montaudon und Castagny (beide von Bazaines Korps), herangekommen, und das 69. Regiment, das einen Teil der letzteren bildete, erlitt schwere Verluste. Wenn somit die Franzosen bei Weißenburg und Wörth von überlegenen Truppenmassen geschlagen worden waren, so wurden sie in Spichern von zahlenmäßig unterlegenen Kräften besiegt. Was ihren üblichen Bericht anbelangt, daß sie an Zahl vom Feind übertroffen wurden, so ist nicht zu vergessen, daß der einzelne Soldat in einer Schlacht unmöglich die Stärke beurteilen kann und daß dies die gewöhnliche Behauptung aller geschlagenen Armeen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß man erst jetzt die gediegene Qualität der deutschen Armee anzuerkennen beginnt. Wir haben aus dem französischen Hauptquartier die offizielle Bestätigung, daß das deutsche Feuer an Ausdauer und Genauigkeit dem französischen weit überlegen ist; und Mac-Mahon hebt hervor, daß die Franzosen im Walde gegen die Deutschen keine Chancen haben, weil die |43| letzteren viel besser den Vorteil der Deckung auszunutzen verstehen. Über die Kavallerie sagt Jeannerod im "Temps" vom Donnerstag:

"Ihre Kavallerie ist der unsrigen weit überlegen. Ihre einfachen Soldaten haben bessere Pferde als viele Offiziere unserer Armee, und sie reiten besser ... Ich habe eines von ihren Kürassierregimentern gesehen, das ganz ausgezeichnet war ... Außerdem haben ihre Pferde viel weniger zu tragen als unsere. Die großen Kürassiergäule, die ich auf dem Marsch sah, trugen ein geringeres Gewicht als unsere kleinen arabischen oder südfranzösischen Pferde."

Er lobt auch die große Kenntnis, die die Offiziere vom Gelände haben, nicht nur in ihrem eigenen Lande, sondern auch in Frankreich. Aber das ist kein Wunder. Jeder Leutnant ist mit ausgezeichneten französischen Generalstabskarten versehen, während die französischen Offiziere nur eine lächerliche Karte (une carte dérisoire) des Kriegsschauplatzes besitzen. Und so weiter. Es wäre für die französische Armee gut gewesen, wenn nur ein einziger so aufrichtiger Berichterstatter vor dem Kriege nach Deutschland gesandt worden wäre.