Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 408-434.

1. Korrektur
Erstellt am 31.08.1998.

II. Die Bürstenheimer | Inhalt | IV. Techows Brief

III. Polizistisches

"Welch' Neues Unerhörtes hat der Vogt
Sich ausgesonnen!" (Schiller)

<408> "Ich spreche es unverhohlen aus", spricht Vogt und wirft sich in seine ernsthafteste Schalksnarrenpositur, "ich spreche es unverhohlen aus: Jeder, der sich mit Marx und seinen Genossen in irgendeiner Weise in politische Umtriebe einläßt, fällt früher oder später der Polizei in die Hände; diese Umtriebe sind von Anfang an der geheimen Polizei verraten, bekannt und werden von dieser ausgebrütet" (die Umtriebe, scheint es, sind Eier, und die Polizei ist die Gluckhenne, die sie ausbrütet), "sobald es Zeit scheint. Die Anstifter Marx u. Co. sitzen natürlich unerreichbar in London" (wahrend die Polizei auf den Eiern sitzt), "Um Belege dieser Behauptung hin ich nicht verlegen." (S. 166, 167 des "Hauptbuchs".)

Vogt ist nicht "verlegen", Falstaff war nie "verlegen". "Verlogen", soviel ihr wollt, aber "verlegen"? Also deine "Belege", Jack, deine "Belege".

1. Selbstgeständnis

"Marx sagt selbst in seiner 1853 veröffentlichten Broschüre 'Enthüllungen über den Kommunistenprozeß in Köln' S. 77: 'Der proletarischen Partei stand nach 1849 wie vor 1848 nur ein Weg offen - der Weg der geheimen Verbindung. Seit 1849 [entstanden] daher auf dem Kontinente eine ganze Reihe geheimer proletarischer Verbindungen, von der Polizei entdeckt, von den Gerichten verdammt, von den Gefängnissen durchbrochen, von den Verhältnissen stets wieder neu hergestellt.' Euphemistisch" (sagt Vogt) "nennt sich Marx hier ein 'Verhältnis'." (S. 167 des "Hauptbuchs".)

Marx also sagt, "die Polizei habe seit 1849 eine ganze Reihe geheimer Verbindungen entdeckt", die die Verhältnisse wiederhergestellt hätten. Vogt sagt, Marx, nicht die "Verhältnisse", habe die "geheimen Verbindungen wiederhergestellt". Also hat Vogt den Beleg geliefert, daß, sooft Badinguets Polizei die Marianne entdeckte, Marx sie im Einverständnis mit Pietri wieder zusammenwob,

<409> "Marx sagt selbst!" Ich will nun im Zusammenhang zitieren, was Marx selbst sagt:

"Seit der Niederlage der Revolution von 1848/49 verlor die proletarische Partei auf dem Kontinent, was sie während jener kurzen Epoche ausnahmsweise besaß: Presse, Redefreiheit und Assoziationsrecht, d.h. die legalen Mittel der Partei-Organisation. Die bürgerlich-liberale wie die kleinbürgerlich-demokratische Partei fanden in der sozialen Stellung der Klassen, die sie vertreten, trotz der Reaktion die Bedingungen, unter der einen oder der andern Form zusammenzuhalten und ihre Gemeininteressen mehr oder minder geltend zu machen. Der proletarischen Partei stand nach 1849 wie vor 1848 nur ein Weg offen, der Weg der geheimen Verbindung. Seit 1849 [entstanden] daher auf dem Kontinent eine ganze Reihe geheimer proletarischer Verbindungen, von der Polizei entdeckt, von den Gerichten verdammt, von den Gefängnissen durchbrochen, von den Verhältnissen stets wieder neu hergestellt. Ein Teil dieser geheimen Gesellschaften bezweckte direkt den Umsturz der bestehenden Staatsmacht. Es war dies berechtigt in Frankreich ... Ein andrer Teil der geheimen Gesellschaften bezweckte die Parteibildung des Proletariats, ohne sich um die bestehenden Regierungen zu kümmern. Es war dies notwendig in Ländern wie Deutschland ... Kein Zweifel, daß auch hier die Mitglieder der proletarischen Partei an einer Revolution gegen den Status quo sich von neuem beteiligen würden, aber es gehörte nicht zu ihrer Aufgabe, diese Revolution vorzubereiten, für sie zu agitieren, zu konspirieren, zu komplottieren ... Der 'Bund der Kommunisten' war daher keine konspiratorische Gesellschaft..." (S. 62, 63 "Enthüllungen etc.", Bostoner Ausgabe.).

Aber auch die bloße "Propaganda" stempelt der grausame Land-Vogt zum Verbrechen, natürlich mit Ausnahme der von Pietri und Laity geleiteten Propaganda. "Agitieren, Konspirieren, Komplottieren" sogar erlaubt der Land-Vogt, aber nur wenn ihr Zentralsitz im Palais Royal, bei Herzens-Heinz, Heliogabal Plon-Plon. Aber "Propaganda" unter den Proletariern! Pfui doch!

In den "Enthüllungen" fahre ich nach der oben zitierten und von Instruktionsrichter Vogt so sinnvoll verstümmelten Stelle fort wie folgt:

"Es versteht sich, daß eine solche geheime Gesellschaft" (wie der Bund der Kommunisten) " [...] wenig Reiz haben konnte für Individuen, die einerseits ihre persönliche Unbedeutendheit unter dem Theatermantel von Konspirationen aufspreizen, andrerseits ihren bornierten Ehrgeiz am Tage der nächsten Revolution befriedigen, vor allem aber augenblicklich wichtig scheinen, an der Beute der Demagogie teilnehmen und von den demo- <410> kratischen Marktschreiern bewillkommt sein wollten. Von dem Bunde der Kommunisten sonderte sich daher eine Fraktion ab oder wurde eine Fraktion abgesondert, wie man will, die, wenn auch nicht wirkliche Konspirationen, doch den Schein der Konspiration und daher direkte Allianz mit den demokratischen Tageshelden verlangte - die Fraktion Willich-Schapper. Charakteristisch für sie, daß Willich mit und neben Kinkel als entrepreneur <Unternehmer> des deutsch-amerikanischen Revolutions-Anleihe-Geschäfts figuriert." (S. 63, 64)

Und wie übersetzt Vogt diese Stelle in sein "euphemistisches" Polizei-Kauderwelsch? Man höre:

"Solange beide (Parteien) noch gemeinsam wirkten, arbeiteten sie, wie Marx ja selbst sagt, in Stiftung geheimer Gesellschaften und Kompromittierung von Gesellschaften und von einzelnen auf dem Festlande." (S. 171.)

Nur vergißt der feiste Schlingel das Blatt der "Enthüllungen" zu zitieren, wo Marx dies "ja selbst sagt". "Egli è bugiardo e padre di menzogna." <"Er sei voll Trug und aller Lügen Väter">

2. Revolutionstag von Murten

"Karl der Kühne", der "kühne Karl", vulgo Karl Vogt, liefert anjetzt die Niederlage bei Murten.

"Arbeiter und Flüchtlinge in großer Zahl wurden so weit beschwatzt und bearbeitet" - nämlich von Liebkecht -, "daß endlich [...] ein Revolutionstag nach Murten ausgeschrieben wurde. Dorthin sollten sich heimlich die Delegierten der Zweigvereine begeben, dort wollte man beraten über die letzte Organisation des Bundes und über den definitiven Zeitpunkt der Schilderhebung. Alle Vorbereitungen waren höchst geheimgehalten worden, die Zusammenrufungen nur durch Vertraute des Herrn Liebknecht und durch Korrespondenten desselben besorgt worden. Die Delegierten kamen von allen Seiten in Murten zusammen, zu Fuß, zu Schiff und zu Wagen, und wurden augenblicklich von Gensd'armen in Empfang genommen, die zum voraus wußten, was, woher und auf welche Weise. Die ganze auf diese Weise aufgehobene Gesellschaft wurde eine Zeitlang im Augustinerkloster in Freiburg eingesperrt und dann nach England und Amerika transportiert. Herr Liebknecht wurde mit ganz besondrer Rücksicht behandelt." (S. 168, "Hauptbuch".)

"Herr Liebknecht" hatte Struves Septemberputsch von 1848 mitgemacht, saß dann in badischen Gefängnissen bis nach Mitte Mai 1849, <411> kam frei infolge der badischen Militärinsurrektion, trat als Gemeiner in die badische Volks-Artillerie, wurde von Vogts Freund Brentano wieder als Rebeller in die Kasematten von Rastatt geworfen, schloß sich nach abermaliger Befreiung, während der Reichsverfassungskampagne, an die von Johann Philipp Becker kommandierte Truppendivision an und überschritt schließlich mit Struve, Cohnheim, Korn und Rosenblum die französische Grenze, von wo sie sich nach der Schweiz begaben. Mir waren "Herr Liebknecht" und seine Schweizer "Revolutionstage" damals noch unbekannter als die Kneiptage bei Wirt Benz in der Keßlerstraße zu Bern, wo die Tafelrunde der Parlamentler die von ihnen selbst in der Paulskirche gehaltenen Reden sich noch einmal mit vielem Vergnügen vorschnurrten, die künftigen Reichsposten numeriert untereinander verteilten und sich die harte Nacht des Exils verkürzen ließen durch die Lügen, Schwänke, Zoten und Aufschneidereien Karls des Kühnen, der nicht ohne Anflug von Humor und mit Anspielung auf eine altdeutsche Märe sich damals eigenhändig das Patent als "Reichs-Wein-Schwelg" ausstellte. Das "Mär" beginnt mit den Worten:

"Swaz ich trinken's hân gesëhen,
daz ist gar von kinden geschëhen:
ich hân einen swëlch gesëhen,
dem wil ich meisterschefte jëhen.

Den dûhten becher gar entwiht
ër wolde näpf noch kophe niht.
ër tranc ûz grozen kannen.
ër ist vor allen mannen
ein vorlauf allen swëlhen

von ûren und von ëlhen
wart solcher slünd nie niht getân."

<"Was ich an Trinken hab' gesehen,
ist Kinderspiel, kann nicht bestehen
vor einem Schwelger, den ich getroffen;
der hat wohl meisterlich gesoffen.

Ihn dünkten Becher nicht genug,
er mochte weder Napf noch Krug,
er trank aus großen Kannen.
Er hob von allen Mannen
den größten aller Kelche.

Selbst Wisente und Elche
haben solche Schlucke nie getan.">

Doch zurück zum "Revolutionstag" von Murten. "Revolutionstag"! "Letzte Organisation des Bundes"! "Zeitpunkt der Schilderhebung"! "Höchst geheimgehaltene Vorbereitungen"! "Ganz geheime Zusammenkunft von allen Seiten zu Fuß, zu Schiff, zu Wagen." Der "kühne Karl" hat offenbar nicht umsonst die in meinen "Enthüllungen" bloßgelegte Methode Stieber studiert.

<412> Der Tatbestand ist einfach der: Liebknecht war - Anfang 1850 - Präsident des Genfer Arbeitervereins. Er schlug eine Verbindung unter den damals ganz zusammenhangslosen deutschen Arbeitervereinen in der Schweiz vor. Der Antrag ging durch. Es ward darauf beschlossen, an 24 verschiedene Arbeitervereine ein Sendschreiben zu erlassen, das sie nach Murten einlud, um dort die bezweckte Organisation und die Begründung eines gemeinschaftlichen Organs in der Presse zu besprechen. Die Debatten im Genfer Arbeiterverein, das Sendschreiben, die darauf bezüglichen Diskussionen in den 24 andern Arbeitervereinen - alles wurde öffentlich verhandelt und der Kongreß von Murten öffentlich anberaumt. Wollten die Schweizer Behörden ihn verbieten, so konnte das 4 Wochen vor seiner Abhaltung geschehen. Aber ein polizeilicher Theatercoup lag im Plane des liberalen Herrn Druey, der suchte, wen er verschlinge, zur Beschwichtigung der damals drohenden Heiligen Allianz. Liebknecht, der als Präsident des Arbeitervereins den Aufruf zum Kongreß unterschrieben hatte, genoß die Ehren eines Haupträdelsführers. Von den andern Delegierten getrennt, erhielt er freies Logis auf dem obersten Erker des Turmes von Freiburg, erfreute sich einer weiten Aussicht ins Freie und besaß sogar das Privilegium, täglich eine Stunde auf der Turmzinne zu lustwandeln. Das einzig Originelle an seiner Behandlung war die Isolierhaft. Sein wiederholtes Gesuch, mit den andern zusammengesperrt zu werden, ward wiederholt abgeschlagen. Vogt aber weiß, daß die Polizei ihre "moutons" <"Spione"> nicht isoliert, vielmehr als "angenehme Gesellschafter" unter das gros mischt.

Zwei Monate später wurde Liebknecht mit einem gewissen Gebert vom Freiburger Polizeidirektor nach Besançon spediert, wo er, wie sein Bundesgenosse, einen französischen Zwangspaß nach London erhielt mit der Warnung, wenn sie von der vorgeschriebenen Route abwichen, würde man sie nach Algier transportieren. Infolge dieser unvorhergesehenen Reise verlor Liebknecht den größten Teil seiner zu Genf befindlichen Effekten. Übrigens ist den Herren Castella, Schaller und den übrigen damaligen Freiburger Regierungsmitgliedern die Bemerkung geschuldet, daß Liebknecht nicht minder als alle Murtener Gefangenen durchaus human behandelt wurde. Jene Herren erinnerten sich, daß sie selbst noch vor wenigen Jahren gefangen oder flüchtig waren, und erklärten offen ihren Abscheu vor dem ihnen von Großkophta Druey auferlegten Schergendienst. Die gefangenen Flüchtlinge wurden nicht so behandelt, wie es die flüchtigen "Parlamentler" erwartet hatten. Ein noch in der Schweiz befindlicher <413> Bursche, ein gewisser H., ein Genosse der Parlamentler, fand sich daher gemüßigt, ein Pamphlet zu veröffentlichen, worin er die Gefangenen im allgemeinen und den gefangenen Liebknecht im besondren denunzierte wegen "revolutionärer" Ideen jenseits der Grenzen der parlamentarischen Vernunft. Und "Karl der Kühne" scheint noch immer untröstlich über die "ganz besondre Rücksicht", womit Liebknecht behandelt wurde.

Plagiarismus charakterisiert unsern "Kühnen" in seiner gesamten Buchmacherei. So hier. Die Schweizer Liberalen pflegten nämlich ihre Ausweisungsfußtritte unabänderlich durch die Nachrede der moucharderie gegen ihre Opfer zu "liberalisieren". Nachdem Fazy den Struve ausgewiesen hatte, denunzierte er ihn öffentlich als einen "russischen Spion". So Druey den Boichot als französischen mouchard. Ähnlich Tourte contra Schily, nachdem er letztern plötzlich auf der Straße in Genf hatte aufgreifen lassen, um ihn nach der Tour des Prisons <dem Gefängnisturm>zu Bern zu spedieren. "Le commissaire maire fédéral Monsieur Kern exige votre expulsion" <"Der kommissarische eidgenössische Bürgermeister Herr Kern verlangt Ihre Ausweisung">, erwiderte der großmächtige Tourte auf Schilys Frage nach der Ursache der gegen ihn verübten Brutalität. Schily: "Alors mettez-moi en présence de Monsieur Kern." <"Dann stellen Sie mich Herrn Kern gegenüber"> Tourte: "Non, nous ne voulons pas que M. le commissaire fédéral fasse la police à Genève." <"Nein, wir wollen nicht, daß der eidgenössische Kommissar in Genf Polizei spielt."> Die Logik dieser Antwort war ganz des Scharfsinns würdig, womit ebenderselbe Tourte, als Schweizer Gesandter zu Turin, zur Zeit, wo die Abtretung Savoyens und Nizzas bereits fait accompli war, seinem Bundespräsidenten schrieb, Cavour arbeite mit Hand und Fuß gegen diese Abtretung. Doch hatten vielleicht damals gewisse diplomatische Eisenbahnverhältnisse Tourtes normales Maß von Scharfsinn beabbrucht. Kaum saß Schily im härtesten secret <Einzelhaft> zu Bern, als Tourte seine Polizeibrutalität zu "liberalisieren" begann, indem er deutschen Flüchtlingen, z.B. dem Dr. Fink, ins Ohr raunte: "Schily habe mit Kern in geheimer Verbindung gestanden, ihm Flüchtlinge zu Genf denunziert etc." Der "Indépendant" von Genève zählte damals selbst unter die notorischen Sünden der Genfer Regierung "die zur Staatsmaxime erhobene systematische Verleumdung der Flüchtlinge". (Siehe Beilage 1.)

Gleich auf die ersten Reklamationen der deutschen Polizei verletzte der Schweizer Liberalismus das Asylrecht - und er hatte das Asylrecht unter der Bedingung zugesagt, daß der Rest der Revolutionsarmee keine letzte <414> Schlacht auf badischem Boden schlüge - durch Verjagung der sogenannten "Führer". Später kamen die "Verführten" an die Reihe. Tausende von badischen Soldaten erhielten unter falschen Vorspiegelungen Pässe in ihre Heimat, wo sie sofort von Gensd'armen in Empfang genommen wurden, die zum voraus wußten, "was, woher und auf welche Weise". Dann kamen die Drohungen der Heiligen Allianz, und mit ihnen die Murtener Polizeifarce. Indes wagte der "liberale" Bundesrat nicht so weit zu gehn als der "kühne Karl". Nichts von "Revolutionstag", "letzter Organisation des Bundes", "definitivem Zeitpunkt der Schilderhebung". Die Untersuchung, die man anstandshalber hatte einleiten müssen, war ins Blaue verpufft.

"Kriegsdrohungen" des Auslands und "politisch-propagandistische Tendenzen", das war alles, was der "verlegene" Bundesrat in einem offiziellen Aktenstück zu seiner Entschuldigung stotterte. (S. Beilage 2.) Die polizeilichen Großtaten des "Schweizer Liberalismus" erreichten keineswegs ihr Ende mit dem "Revolutionstag von Murten". Am 25. Januar 1851 schrieb mir mein Freund Wilhelm Wolff (der "Parlaments-Wolf", wie ihn die "Parlaments-Schafe" tauften) von Zürich:

"Der Bundesrat hat durch seine bisherigen Maßregelungen die Zahl der Flüchtlinge von 11.000 bis auf 500 herabgebracht, und er wird nicht ruhen, bis vollends alle hinausdrangseliert sind, die nicht grade ansehnliches Vermögen oder besondere Konnexionen besitzen."

Die Flüchtlinge, die für die Revolution gehandelt hatten, standen im natürlichsten Gegensatz zu den Paulskirchnern, die sie zu Tode geschwatzt hatten. Letztere nahmen keinen Anstand, ihre Gegner der Schweizer Polizei in die Hände zu spielen.

Vogts Getreuer, das Ungetüm Ranickel, schrieb selbst an Schily, nach dessen Ankunft zu London:

"Versuchen Sie doch, einige Spalten in einem belgischen Journal zu Erklärungen offen zu haben, und versäumen Sie ja nicht, den schlechten deutschen Hunden (Parlamentlern), die sich zu Werkzeugen dem kröpfigen Diplomaten (Druey) verkauft haben, den Aufenthalt in Amerika zu verbittern."

Man versteht jetzt, was "Karl der Kühne" meint mit der Phrase:

"Ich arbeitete aus allen Kräften dahin, die Revolutionsbummelei zu beschränken und den Flüchtlingen ein Unterkommen, sei es auf dem Kontinente, sei es über dem Meer zu verschaffen."

Man liest schon in No. 257 der "Neuen Rheinischen Zeitung" unter dem Datum:

<415> "Heidelberg, 23. März 1849: Unser Freund Vogt, 'Vorkämpfer' der Linken, Reichshumorist der Gegenwart, Reichsbarrot der Zukunft, der 'treue Warner' vor der Revolution, er vereinigt sich mit - einigen Gesinnungsgenossen? nicht doch! mit einigen Reaktionärs vom reinsten Wasser ... und zu welchem Zwecke? Um die 'Gestalten', welche sich in Straßburg, Besançon und sonstwo an der deutschen Grenze aufhalten, nach Amerika zu befördern, respektive zu deportieren ... Was Cavaignacs Säbelregiment als Strafe verhängt, das wollen diese Herren im Namen der christlichen Liebe ... Die Amnestie ist tot, es lebe die Deportation! Natürlich durfte dabei die pie fraus <der fromme Betrug> nicht fehlen, als hätten die Flüchtlinge selbst den Wunsch nach Auswanderung ausgesprochen usw. Nun aber wird den 'Seeblättern' aus Straßburg geschrieben, daß diese Deportationsgelüste unter allen Flüchtlingen einen wahren Sturm des Unwillens hervorriefen usw. [...] Sie hoffen sämtlich, bald nach Deutschland zurückzukehren, und wäre es auf die Gefahr hin (wie Herr Vogt so rührend bemerkt), einem 'tollkühnen Unternehmen' sich anschließen zu müssen."

Doch genug über "Karls des Kühnen" Revolutionstag von Murten.

3. Cherval

"The virtue of this jest will be the in-
comprehensible lies that this same fat
rogue will tell us."
<"Das beste an diesem Schwank wer-
den die überschwenglichen Lügen sein,
die der besagte fette Schuft uns erzählen wird.">

In meinen "Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln" handelt ein eignes Kapitel vom Komplott Cherval. Ich zeige darin nach, wie Stieber mit Cherval (Pseudonym für Crämer) als Instrument, mit Carlier, Greif und Fleury als Geburtshelfern, das sog. deutsch-französische Septemberkomplott in Paris zur Welt brachte (1), um dem vom "Kölner Anklage-Senat" gerügten Mangel an "objektivem Tatbestand" für die Anklage gegen die Kölner Verhafteten abzuhelfen.

So schlagend waren die Beweise, die ich während des Kölner Pro- <416> zesses der Verteidigung lieferte über die gänzliche Zusammenhangslosigkeit zwischen Cherval einerseits, mir und den Kölner Angeklagten andrerseits, daß derselbe Stieber, der uns noch am 18. Oktober (1852) seinen Cherval aufgeschworen hatte, ihn am 23. Oktober 1852 (p. 29 der "Enthüllungen") schon wieder abschwor. In die Enge getrieben, gab er den Versuch auf, Cherval und sein Komplott mit uns zu identifizieren. Stieber war Stieber, aber Stieber war immer noch nicht Vogt.

Ich halte es für gänzlich nutzlos, die von mir in den "Enthüllungen" gegebenen Aufschlüsse über das sogenannte Septemberkomplott hier zu wiederholen. Anfang Mai 1852 kehrte Cherval nach London zurück, von wo er im Frühsommer 1850 aus geschäftlichen Gründen nach Paris übersiedelt war. Die Pariser Polizei ließ ihn entspringen wenige Monate nach seiner Verurteilung im Februar 1852. Zu London ward er zunächst von dem deutschen Arbeiterbildungsverein, aus dem ich und meine Freunde bereits seit Mitte September 1850 ausgetreten waren, als politischer Märtyrer begrüßt. Jedoch dauerte diese Täuschung nicht lange. Seine Pariser Heldentaten klärten sich bald auf, und noch im Laufe desselben Monats Mai 1852 stieß man ihn in öffentlicher Sitzung als infam aus dem Verein aus. Die Kölner Angeklagten, eingekerkert seit Anfang Mai 1851, saßen noch immer in Untersuchungshaft. Aus einer Notiz, die der Spion Beckmann in sein Organ, die "Kölnische Zeitung", von Paris gesandt hatte, ersah ich, daß die preußische Polizei einen Zusammenhang zwischen Cherval, seinem Komplott und den Kölner Angeklagten nachträglich zu schmieden suche. Ich schaute daher nach Notizen über Cherval um. Es traf sich, daß letzterer im Juli 1852 Herrn von R. <Rémusat>, ehemaligem Minister unter Louis-Philippe und bekanntem eklektischen Philosophen, sich als Agent für die Orleanisten anbot. Die Verbindungen, die Herr v. R. mit der Polizeipräfektur in Paris unterhielt, befähigten ihn, von dort Auszüge aus dem dossier Cherval zu erhalten. In dem französischen Polizeiberichte wurde Cherval bezeichnet als Cherval nommé Frank, dont le véritable nom est Crämer <Cherval, auch genannt Frank, sein wirklicher Name ist Crämer>. Er habe längere Zeit als Agent des Fürsten Hatzfeldt, des preußischen Gesandten zu Paris, funktioniert; er sei der Verräter im complot franco-allemand <in der französisch-deutschen Verschwörung> und jetzt zugleich französischer Spion usw. Während der Kölner Prozeßverhandlungen teilte ich diese Notizen einem der Verteidiger, Herrn Advokat Schneider II, mit und ermächtigte ihn, im Notfall meine Quelle zu nennen. Als Stieber in der Sitzung vom 18. Oktober beschwor, der Irländer Cherval, <417> von dem er selbst angab, er habe in Aachen 1845 wegen Wechselfälschung gesessen, befinde sich stets noch in Haft zu Paris, unterrichtete ich Herrn Schneider II mit umgehender Post, daß der Rheinpreuße Crämer unter dem Pseudonym Cherval "stets" noch zu London tage, täglich mit dem preußischen Polizeilieutenant Greif verkehre und als verurteilter preußischer Verbrecher auf Reklamation der preußischen Regierung sofort von England ausgeliefert werden würde. Seine Transportation als Zeuge nach Köln hätte das ganze System Stieber über den Haufen geworfen.

Hart von Schneider II gedrängt, glaubte Stieber endlich am 23. Oktober gehört zu haben, daß Cherval aus Paris entflohen sei, verschwor jedoch hoch und teuer alle Kenntnis vom Aufenthaltsort des Irländers und dessen Allianz mit der preußischen Polizei. Cherval war damals in der Tat mit einem fixen wöchentlichen Gehalt an Greif zu London attachiert. Die durch meine Notizen im Assisenhof zu Köln veranlaßten Debatten über das "Mysterium Cherval" verjagten letztern von London. Ich hörte, er habe eine polizeiliche Missionsreise nach Jersey angetreten. Ich hatte ihn lange aus dem Gesicht verloren, als ich zufällig aus einer Genfer Korrespondenz der zu New York erscheinenden "Republik der Arbeiter" ersah, daß Cherval im März 1853 unter dem Namen Nugent in Genf eingesprungen und im Sommer 1854 von dort wieder entsprungen sei. Zu Genf bei Vogt traf er also ein, einige Wochen nachdem zu Basel bei Schabelitz meine ihn kompromittierenden "Enthüllungen" erschienen waren.

Kehren wir nun zur Falstaffschen Geschichtsklitterung zurück.

Vogt läßt seinen Cherval nach der Scheinflucht aus Paris sogleich in Genf ankommen, nachdem er ihn "wenige Monate" vor der Entdeckung des Septemberkomplotts durch den kommunistischen Geheimbund (p. 172, l.c.) aus London nach Paris hatte "herüberschicken" lassen. Wenn der Zwischenraum zwischen Mai 1852 und März 1853 so ganz verschwindet, schrumpft der Zwischenraum zwischen Juni 1850 und September 1851 in "wenige Monate" zusammen. Was hätte Stieber nicht für einen Vogt gegeben, der ihm vor den Assisen zu Köln geschworen, daß der "kommunistische Geheimbund aus London" den Cherval im Juni 1850 nach Paris geschickt habe, und was hätte ich nicht darum gegeben, den Vogt neben seinem Stieber auf der Zeugenbank schwitzen zu sehn! Angenehme Gesellschaft, der schwörende Stieber, mit seinem Vogel Greif, seinem Wermuth, seinem Goldheimchen und seinem - Bettelvogt. Nach Genf brachte der Vogtsche Cherval "Empfehlungen an alle Bekannte von Marx und Comp., von welchen Herr Nugent bald unzertrennlich war" (p. 173). Er schlägt "seine Wohnung bei der Familie eines Korrespondenten der 'Allgemeinen Zei- <418> tung' auf" und findet wahrscheinlich infolge der von mir erhaltenen Empfehlungen (der "Enthüllungen") Zutritt zu Vogt, der ihn als Lithograph (p. 173 [174], l.c.) beschäftigt und mit ihm gewissermaßen, wie früher mit Erzherzog Johann und später mit Plon-Plon, in "wissenschaftlichen Rappott" tritt. In dem Reichsregentschaftlichen "Kabinette" eines Tags beschäftigt, wird "Nugent" von einem "Bekannten" als Cherval erkannt und als "Agent provocateur" angedeutet. In der Tat beschäftigte sich Nugent zu Genf nicht nur mit Vogt, sondern auch mit "Stiftung einer geheimen Gesellschaft".

"Cherval-Nugent präsidierte, führte die Protokolle und die Korrespondenz mit London" (p. 175, l.c.). Er hatte "einige weniger einsichtige, sonst brave Arbeiter in das Vertrauen gezogen" (ib.), aber "unter den Mitgliedern befand sich noch ein Affiliierter der Marrschen Clique, den jedermann als einen verdächtigen Sendling deutscher Polizeien bezeichnete" (l.c.).

"Alle Bekannte" von Marx, von denen Cherval-Nugent "unzertrennlich war", verwandeln sich plötzlich in "Einen Affiliierten", welcher Eine Affiliierte seinerseits wieder in "die zurückgebliebenen Marxschen Affiliierten in Genf" auseinanderfällt (S. 176), mit denen Nugent später nicht nur "von Paris aus fortkorrespondiert", sondern sie als Magnet auch wieder nach Paris "an sich zog" (l.c.).

Also abermals der beliebte "Formwechsel" des steifleinenen "Stoffes" von Kendal-Green!

Was Cherval-Nugent mit seiner Gesellschaft bezweckte, war

"massenhafte Fabrizierung falscher Banknoten und Tresorscheine, durch deren Ausgabe der Kredit der Despoten untergraben und ihre Finanzen ruiniert werden sollten" (p. 175, l.c.).

Cherval, wie es scheint, strebte dem berühmten Pitt nach, der bekanntlich während des Antijakobinerkriegs eine Fabrik zur Verfertigung falscher französischer Assignaten nicht weit von London angelegt hatte.

"Schon waren verschiedene Stein- und Kupferplatten von Nugent selbst zu diesem Zwecke graviert, schon waren die leichtgläubigen Mitglieder des Geheimbundes bestimmt, die mit Paketen dieser" - Stein- und Kupferplatten? - nein, "dieser falschen Banknoten" - (die Banknoten wurden natürlich verpackt, bevor sie fabriziert waren) - "nach Frankreich, der Schweiz und Deutschland gehen sollten" (p. 175),

aber schon auch stand Cicero-Vogt mit gezücktem Schwert hinter Cherval-Catilina. Es ist eignes Merkmal der Falstaffnaturen, daß sie nicht nur dick sind, sondern auch dick tun. Man sehe, wie unser Gurgelgroßlinger, der bereits die "Revolutionsbummelei" in der Schweiz beschränkt und ganzen <419> Schiffsladungen von Flüchtlingen ein Fortkommen über dem Meere verschafft hatte, wie er sich in Szene setzt, wie er sich melodramatisiert, wie er das Abenteuer von Stiebers Pariser Faustkampf (siehe "Enthüllungen"') mit Cherval verunendlicht! So lag er aus, so führt er seine Klinge!

"Der Plan dieser ganzen Verschwörung (S. 176, l.c.) war in scheußlichster Weise angelegt." "Allen Arbeitervereinen sollte nämlich Chervals Projekt in die Schuhe geschoben werden." Schon waren auch "vertrauliche Anfragen von seiten auswärtiger Gesandtschaften ergangen", schon wollte man "die Schweiz, besonders den Kanton Genf, kompromittieren".

Aber der Land-Vogt wachte. Er beging seine erste Schweizer-Rettung, ein Experiment, das er später mehrmals wiederholt hat und mit stets wachsendem Erfolg.

"Ich leugne nicht", ruft der gewichtige Mann aus, "ich leugne nicht, daß ich zur Vereitlung dieser Teufeleien mein Wesentliches beigetragen habe; ich leugne nicht, daß ich zu diesem Zwecke die Polizei der Republik Genf in Anspruch genommen habe; ich bedaure noch heute" (untröstlicher Cicero), "das der Eifer einiger Getäuschten dem schlauen Anstifter als Warnung diente, so daß er sich vor seiner Haftnahme aus dem Staube machen konnte."

Unter allen Umständen aber hatte Cicero-Vogt die catilinarische Verschwörung "vereitelt", die Schweiz gerettet und sein Wesentliches, wo er das immer tragen mag, "beigetragen". Nach wenigen Wochen, wie er erzählt, tauchte Cherval wieder in Paris auf, "wo er sich durchaus nicht verbarg, sondern öffentlich wie jeder Bürger lebte" (p. 176, l.c.). Man weiß, wie öffentlich die Pariser Bürger (citoyens) des konterfeiten empire <nachgemachten Kaiserreichs> leben.

Während sich der Cherval so "öffentlich" in Paris herumtreibt, muß poor <der arme> Vogt bei seinen Pariser Besuchen sich jedesmal verstecken, im Palais Royal, unter den Tisch von Plon Plon!

Ich bedaure nun in der Tat, auf Vogts gewaltige Zachariade den nachfolgenden Brief Johann Philipp Beckers setzen zu müssen. Joh. Philipp Beckers, des Veterans der deutschen Emigration, revolutionäre Wirksamkeit, vom Hambacher Feste bis zur Reichsverfassungskampagne, worin er als Chef der V. Armeedivision focht (eine sicher nicht parteiliche Stimme, die der Berliner "Militär-Wochenschrift", enthält ein Zeugnis über seine militärische Leistung), ist zu allgemein bekannt, als daß es meinerseits eines Wortes über den Verfasser des Briefes bedürfte. Ich bemerke daher <420> nur, daß sein Schreiben an den mir befreundeten deutschen Kaufmann R. <Rheinländer> zu London gerichtet war, daß J. P. Becker mir persönlich unbekannt ist und nie in politischer Beziehung zu mir stand, endlich, daß ich den Eingang des Briefs, der Geschäftliches enthält, weglasse, ebenso das meiste über "Schwefelbande" und "Bürstenheimer", das aus den frühern Mitteilungen schon bekannt ist. (Das Original des Briefes liegt bei meinen Prozeßakten in Berlin.)

"Paris, den 20. März 1860

... Dieser Tage kam mir die Broschüre Vogts contra Marx zu Gesicht. Diese Schrift hat mich um so mehr betrübt, da ich die Geschichte der sogenannten Schwefelbande und des berüchtigten Cherval, die ich durch meinen damaligen Aufenthalt in Genf ganz genau kenne, völlig entstellt und total ungerechterweise mit der politischen Wirksamkeit des Ökonomisten Marx in Beziehung gebracht sehe. Ich kenne diesen Herrn Marx weder persönlich, noch war ich mit ihm in irgendeiner Berührung, kenne dagegen den Herrn Vogt und seine Familie schon seit mehr als 20 Jahren und stehe daher in gemütlicher Beziehung dem letztern bei weitem näher; den Leichtsinn und die Gewissenlosigkeit, womit Vogt in diesen Kampf zieht, muß ich bitter beklagen und aufs entschiedenste verwerfen. Entstellte oder gar fingierte Tatsachen als Streitmittel aufzuführen, ist eines Mannes unwürdig. Es tut einem wirklich leid, wahrzunehmen, wie Vogt in seiner Leichtfertigkeit quasi selbstmörderisch eine schönere Wirksamkeit zugrunde richtet, Stellung und Ansehn blamiert und kompromittiert, und zwar selbst auch dann, wenn er von den Beschuldigungen, in napoleonischem Dienste zu sein, ganz freizusprechen wäre. Wie gern hätte ich ihm dagegen alle ehrlichen Mittel gegönnt, sich von so schweren Anklagen glänzend zu befreien. Im Hinblick dessen, was er bisher in dieser unerbaulichen Geschichte getan, drängt es mich förmlich, Ihnen einmal mitzuteilen, was es mit der sog, Schwefelbande und dem saubern Herrn Cherval für eine Bewandtnis hat, damit Sie selbst beurteilen können, inwieweit Marx für deren Dasein und Wirksamkeit irgendeine Verantwortlichkeit tragen kann.

Also ein Wort über das Entstehn und Vergehn der Schwefelbande, über welche kaum irgend jemand bessere Auskunft erteilen kann als ich. Bei meinem damaligen Aufenthalt in Genf hatte ich nicht nur durch meine Stellung von vornherein alle Gelegenheit, das Tun und Lassen der Emigration zu beobachten; sondern die allgemeine Sache im Auge, hatte ich auch als älterer Mann das spezielle Interesse, allen Bewegungen derselben mit Aufmerksamkeit zu folgen, um wo möglich vorkommendenfalls alberne Unternehmungen, die bei dem durch das Unglück so gereizten und oft verzweifelten Zustande der Gemüter so vezeihlich, zu verhüten und zu verhindern. Wußte ich doch aus 30jähriger Erfahrung, wie reichlich die Mitgift jeder Emigration mit Illusionen beschenkt ist."

<421> (Was hier folgt, ist wesentlich antizipiert in den Briefen von Borkheim und Schily.)

"... Spaß- und spottweise nannte man nun diese wesentliche Bummelgesellschaft: die Schwefelbande. Es war dies ein Verein zufällig zusammengewürfelter Gesellen, aus dem Stegreife, ohne Präsident und Programm, ohne Statut und Dogma. An Geheimbündelei oder überhaupt an irgendein systematisch zu verfolgendes politisches oder sonstiges Ziel war kein Gedanke, nur öffentlich und zwar in überschwenglicher Offenheit und Offenherzigkeit haschten sie nach Effekt bis zum Exzesse. Noch weniger standen sie in irgendeiner Verbindung mit Marx, der seinerseits ganz sicher von ihrer Existenz nichts wissen konnte und mit dem sie zudem damals in ihren sozial-politischen Anschauungen weit auseinandergingen. Auch zeigten in jener Zeit diese Burschen einen bis zur Selbstüberschätzung ausgesprochenen Selbständigkeitsdrang, so daß sie sich schwerlich irgendeiner Autorität weder in Theorie noch in Praxis untergeordnet haben würden; sie hätten landesväterliche Mahnungen von Vogt verlacht wie tendenzielle Anweisungen von Marx verspottet. Ich war um so genauer von allem unterrichtet, was in ihrem Kreise vorging, als mein ältester Sohn mit den Haupthähnen derselben tagtäglichen Umgang pflegte ... Überhaupt dauerte der ganze Utz der bandlosen Bande kaum über die Tage des Winters von 1849 bis 1850; die Gewalt der Umstände zerstreute unsre Helden nach allen Winden.

Wer hätte ahnen sollen, daß die längst der Vergessenheit anheimgefallene Schwefelbande nach 10jährigem Schlummer von Herrn Professor Vogt wieder angezündet werden würde, um gegen vermeintliche Angreifer einen übeln Geruch zu verbreiten, den dann wohlgefällige Zeitungsschreiber quasi als elektrisch-magnetisch-sympathetische Leiter mit Wollust weitertrugen. Hat ja selbst der par excellence liberale Herr von Vincke, bei Gelegenheit der italienischen Frage, die Schwefelbande in den Mund genommen und die bescheidene preußische Kammer damit illustriert. Und hat die, sonst doch in so gutem Geruch stehende, Bürgerschaft von Breslau in sancta simplicitas <heiliger Einfalt> zu Ehren der Schwefelbande einen Fastnachtsspuk gemacht und als Symbolon ihrer Gesinnungstüchtigkeit mit Schwefelbränden die Stadt geräuchert.

Arme, unschuldige Schwefelbande! Mußtest du nach deinem seligen Ende nolens volens zu einem wahren Vulkan heranwachsen, als Butzemann schüchterne Untertanen ins Bockshorn der Polizei jagen, die Schwachköpfe aller Welt vulkanisieren, jed' verbranntes Gehirn bis auf den Stumpf verkohlen - so wie sich Vogt selbst, wie mir dünkt, das Maul für immer daran verbrannt hat.

Nun also zu Crämer vulgo Cherval. Dieser politisch-soziale und gemeine Gauner kam im Jahre 1853 nach Genf, und zwar unter dem Namen Nugent als Engländer. Es war dies der Geschlechtsname seiner angeblichen Frau, die ihn begleitete und eine wirkliche Engländerin ist. Er spricht geläufig englisch wie französisch, vermied lange Zeit deutsch zu reden, da ihm alles daran gelegen zu sein schien, für einen Stockengländer gehalten zu werden. Als geschickter Litho- und Chromograph führte er, wie <422> er sich rühmte, letztere Kunst in Genf ein. Im Umgange ist er gewandt, weiß gut sich geltend zu machen und vorteilhaft vorzustellen. Für Zeichnungen naturhistorischer und antiker Gegenstände fand er bei Professoren der Akademie bald hinreichende Beschäftigung. In der ersten Zeit lebte er sehr zurückgezogen, suchte später seinen Umgang faßt ausschließlich im Kreise der französischen und italienischen Flüchtlingsschaft. Ich gründete damals ein office de renseignements <Auskunftsbüro> und ein Tagblatt: 'Le Messager du Léman', hatte als Mitarbeiter einen badischen Flüchtling namens Stecher, früher Vorsteher einer Realschule. Es hatte derselbe ein besondres Zeichentalent, und er trachtete zu besserm Fortkommen sich in der Chromographie auszubilden; er fand an dem Engländer Nugent seinen Lehrmeister. Stecher erzählte mir sehr oft die schönsten Dinge von dem geschickten, freundlichen und freigebigen Engländer und von der angenehmen graziösen Engländerin. Stecher war nun auch noch Gesanglehrer im Arbeiterbildungsverein, brachte gelegentlich seinen Lehrmeister Nugent dahin, wo ich das Vergnügen seiner ersten Bekanntschaft hatte und wo er sich herabließ, deutsch zu reden, und zwar so geläufig in niederrheinischer Mundart, daß ich zu ihm sagte: 'Sie sind aber Ihrer Lebtag kein Engländer.' Er bestand dennoch darauf, indem er erklärte, seine Eltern hätten ihn in früher Jugend nach Bonn in eine Erziehungsanstalt getan, wo er bis zum 18ten Jahre verweilt und sich die dortige Mundart angewöhnt habe. Stecher, der bis auf die letzte Zeit von dem 'netten' Mann entzückt war, half ihm noch, an den Engländer glauben zu machen. Mich machte dagegen dieser Vorgang gegen den angeblichen Sohn Albions sehr mißtrauisch, und ich mahnte im Kreise des Vereins zur Vorsicht. Später traf ich den Engländer in Gesellschaft französischer Flüchtlinge und kam grade dazu, als er sich seiner Heldentaten bei Pariser Aufständen rühmte. Es war dies das erste Mal, daß ich sah, daß er sich auch mit Politik beschäftige. Dies machte mir ihn noch mehr verdächtig, ich persiflierte seinen 'Löwenmut', mit dem er gefochten haben wollte, um ihm Gelegenheit zu geben, denselben nun auch mir gegenüber angesichts der Franzosen zu behaupten; da er aber meinen beißenden Spott nur mit Hundemut hinnahm, wurde er mir nun auch verächtlich.

Von nun an ging er mir völlig aus dem Wege, wo er konnte. Inzwischen veranstaltete er mit Hülfe Stechers Tanzabende im Schoß des deutschen Arbeitervereins, indem sie unentgeltlich noch einige musikalische Kräfte, einen Italiener, einen Schweizer und einen Franzosen hinzuzogen. Auf diesen Bällen traf ich denn den Engländer als wahren maitre de plaisir <Meister des Vergnügens> wieder und ganz vollständig in seinem Elemente; denn sich toll lustig zu machen und den Damen zu gefallen, stand ihm besser als sein Löwenmut. Im Arbeiterverein trieb er jedoch keine Politik, hier hat er nur gehüpft und gesprungen, gelacht, getrunken und gesungen. Indessen erfuhr ich aber von dem Goldarbeiter Fritz aus Württemberg, daß 'der gründlich revolutionäre Engländer' einen Bund gegründet habe, der aus ihm (Fritz), noch einem Deutschen, mehreren Italienern und Franzosen, zusammen etwa aus 7 Mitgliedern, bestehe. Ich beschwor Fritz, sich mit diesem politischen Seiltänzer doch in keine ernstlichen Dinge einzulassen und sofort auszutreten und die Mitgenossen ebenfalls dazu zu veranlassen. Einige Zeit <423> nachher sandte mir mein Buchhändler eine Broschüre von Marx über den Kommunistenprozeß in Köln, worin Cherval als Crämer scharf gezeichnet und als Gauner und Verräter hart mitgenommen wurde. Gleich schöpfte ich nun Verdacht, Nugent möchte der Cherval sein, besonders weil er nach dieser Schrift vom Rhein war, was seiner Mundart entsprach, und mit einer Engländerin lebte, was ebenfalls übereinstimmte. Ich teilte meine Vermutung sofort Stecher, Fritz und andern mit und ließ die Broschüre zu diesem Behufe zirkulieren. Das Mißtrauen gegen Nugent griff rasch um sich; die Marxsche Schrift tat ihre Wirkung. Fritz kam alsbald zu mir, erklärend, daß er aus dem 'Bündchen' getreten sei und daß die übrigen seinem Beispiel folgen würden. Er offenbarte mir auch den geheimen Zweck desselben. Der 'Engländer' habe durch Reproduktion von Staatspapieren den Kredit der Staaten vernichten und mit dem dabei zu gewinnenden Gelde eine Europäische Revolution ins Werk setzen wollen usw. Um dieselbe Zeit hielt ein Herr Laya, ein französischer Flüchtling, früher Advokat in Paris, Vorlesungen über Sozialismus. Nugent besuchte dieselben; Laya, der in seinem Prozesse in Paris sein Verteidiger war, erkannte ihn als Cherval, was er ihm auch selbst erklärte. Nugent bat inständig, man möge ihn doch nicht verraten. Ich erfuhr diesen Tatbestand von einem französischen Flüchtling, Freund Layas, und machte sofort allenthalben Mitteilung. Nugent hatte die Frechheit, nochmals in den Arbeiterverein zu kommen, wo er als deutscher Crämer und französischer Cherval entlarvt und ausgejagt wurde. Ranickel aus Bingen soll in dieser Affäre am heftigsten auf ihn losgestürmt sein. Die Genfer Polizei wollte ihm nun noch zum Überflußsse wegen des Bündchens auf den Leib rücken, allein der Staatspapierenfabrikant war spurlos verschwunden.

In Paris beschäftigt sich derselbe mit Porzellandekoration, und da ich mich hier ebenfalls mit dem Zweige befaßte, so begegneten wir uns auf dem Wege der Geschäfte. Ich fand jedoch in ihm noch den gleichen leichtfertigen, unverbesserlichen Windbeutel.

Wie es nun aber Vogt hat wagen können, diesen Strolchen in seiner Wirksamkeit in Genf mit den Bestrebungen eines Marx in Beziehung zu bringen, ihn als Genossen oder Werkzeug zu bezeichnen, ist mir wirklich unbegreiflich, um so mehr, da es noch auf einen Zeitpunkt abgemünzt ist, wo Marx diesem Kerl in besagter Schrift so entschieden zu Leibe ging. Ist es dadurch doch grade Marx, der ihn entlarvte, von Genf ausjagte, wo er nach Vogt für Marx gewirkt haben soll.

Wenn ich darüber nachdenke, wie es möglich war, daß der Naturforscher Vogt auf solche Irrwege geraten ist, so steht mir der Verstand still. Ist es nicht bedauerlich, so leichtsinnig den schönen Einfluß, den Vogt durch zufälliges Zusammenwirken von Umständen auf sich vereinigt hatte, so unfruchtbar und selbstverschwenderisch vernichtet zu sehn! Wäre es ein Wunder, wenn nach solchen Wahrnehmungen alle Welt die naturwissenschaftlichen Forschungen Vogts nur mit Mißtrauen aufnehmen und beargwöhnen würde, als möchten seine wissenschaftlichen Schlüsse mit der gleichen Leichtfertigkeit, mit demselben Mangel an Gewissenhaftigkeit, auf falsche Vorstellungen statt auf positive, gründlich erforschte Tatsachen basiert sein?

Zum Staatsmann und Gelehrten gehört mehr als Ambition, sonst konnte sogar Crämer beides sein. Leider ist Vogt durch seine Schwefelbande und seinen Cherval selbst <424> zu einer Art Cherval herabgesunken. Und wirklich haben dieselben innere Ähnlichkeit durch ein mächtig ausgeprägtes Bedürfnis nach Wohlbehaglichkeit des Lebens, nach Sicherheit des Leibes, geselliger Lustigkeit und leichtfertigem Witzeln in ernsten Sachen ... Ihren baldigen freundlichen Nachrichten entgegensehend, grüßt Sie mit herzlicher Ergebenheit

Ihr J. Ph. Becker

P. S. Soeben sah ich wieder in die Schrift von Vogt und fand zu meiner weitern Verwunderung, daß auch den 'Bürstenheimern' alle Ehre angetan ist. In Kürze sollen Sie nun auch wissen, welche Bewandtnis es mit dieser Bande hat ... Ferner sah ich auch noch in der Schrift, daß er behauptet, Nugent-Cherval-Crämer sei im Auftrage von Marx nach Genf gekommen. Ich muß deshalb noch beifügen, daß derselbe, der bis auf den letzten Augenblick seines Aufenthalts in Genf die Rolle des Engländers behauptete, nie im entferntesten merken ließ, daß er je und irgendwo mit einem deutschen Flüchtling in Berührung gestanden habe, wie es sonst ihm auch durchaus nicht in den Kram seines Inkognito gepaßt haben würde. Selbst noch jetzt hier, nach dem ihm weniger als damals dort daran gelegen sein dürfte, will er nicht dafür gelten und verleugnet alle Bekanntschaft mit Deutschen aus früherer Zeit. Bisher glaubte ich immer noch, Vogt habe sich leichtsinnig von andern nur mystifizieren lassen, nun kommt mir aber sein Auftreten immer mehr als boshafte Heimtückerei vor. Für ihn tut es mir nun auch weniger leid, und es dauert mich nur sein guter, braver, alter Vater, dem diese Geschichte sicherlich noch manche saure Stunde machen wird. Ich erlaube Ihnen nicht bloß, sondern ich bitte Sie hiermit im Interesse der Wahrheit und der guten Sache, im Kreise Ihrer Bekanntschaft von meinen Mitteilungen Gebrauch zu machen.

Also herzlich Ihr

J. Philipp B." (S. Beil. 3.)

4. Der Kölner Kommunisten-Prozeß

Vom Reichsregentschaftlichen "Kabinette" zu Genf nach dem Königl. pr. Assisenhof zu Köln.

"In dem Kölner Prozesse spielte Marx eine hervorragende Rolle." Unzweifelhaft.

"In Köln wurden seine Bundesgenossen beurteilt." Eingestandenermaßen.

Die Untersuchungshaft der Kölner Angeklagten hatte 11/2 Jahre gewährt.

Preußische Polizei und Gesandtschaft, Hinckeldey mit seiner ganzen Sippe, Post und Magistratur, Ministerien des Innern und der Justiz, alle hatten während dieser 11/2 Jahre die ungeheuersten Anstrengungen gemacht, um ein Corpus delicti zu entbinden.

<425> Hier also in seiner Untersuchung über mein "Treiben" verfügt Vogt gewissermaßen über die Hilfsmittel des preuß[ischen] Staats und besaß sogar authentisches Material in meinen "Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln", Basel 1853, von denen er ein Exemplar im Genfer Arbeiterverein vorfand, entlieh und "studierte". Diesmal also wird der Knabe Karl nicht unterlassen, mir fürchterlich zu werden. Doch nein! Diesmal wird Vogt "verlegen", entläßt ein paar seiner naturwüchsigen Dampf- und Stankkugeln (2) und stottert dann rückzugseifrig:

"Der Kölner Prozeß hat für uns keine besondre Bedeutung." (S. 172 des "Hauptbuchs".)

In den "Enthüllungen" konnte ich nicht vermeiden, unter andern auch Herrn A. Willich anzugreifen. Willich, in der "New-Yorker Criminal-Zeitung" vom 28. Oktober 1853 (3), beginnt seine Selbstverteidigung damit, meine Schrift als "eine meisterhafte Kritik des grauenhaften Verfahrens der deutschen Bundes-Zentral-Polizei" zu charakterisieren. J. Schabelitz Sohn, der Verleger der Schrift, schrieb nach Empfang meines Manuskripts unter dem Datum Basel, den 11. Dezember 1852:

"Ihre Bloßlegung der Polizeiinfamien ist unübertrefflich. Sie haben dem jetzigen régime in Preußen ein bleibendes Denkmal gesetzt."

Er fügt hinzu, daß sein Urteil von Sachverständigen geteilt werde, und an der Spitze dieser "Sachverständigen" stand ein jetziger Genfer Freund des Herrn Karl Vogt.

Sieben Jahre nach ihrer Herausgabe veranlaßte dieselbe Schrift den mir gänzlich unbekannten Herrn Eichhoff zu Berlin - Eichhoff stand bekanntlich vor Gericht, der Verleumdung gegen Stieber angeklagt - während der Gerichtsverhandlungen zu folgender Erklärung:

"Er habe über den Kölner Kommunistenprozeß eingehende Studien gemacht und müsse seine ursprüngliche Behauptung, daß Stieber einen Meineid geleistet, nicht nur vollkommen aufrechterhalten, sondern dieselbe noch dahin ausdehnen, daß die ganze <426> Aussage des Stieber in jenem Prozesse falsch sei ... Die Verurteilung der Kölner Angeklagten sei nur auf Grund der Stieberschen Aussagen erfolgt ... Stiebers ganze Aussage sei ein konsequent durchgeführter Meineid." (1te Beilage der Berliner "Vossischen Zeitung" vom 9. Mai 1860.)

Vogt selbst gesteht:

"Er (Marx) gab sich alle erdenkliche Mühe, den Verteidigern der Angeklagten Material und Instruktionen zur Führung des Prozesses zu übermachen ...

Wie bekannt, wurden dort" (zu Köln) "von den Agenten", Stieber, Fleury usw., "selbstgeschmiedete falsche Schriftstücke als 'Beweismittel' vorgelegt und überhaupt ein Abgrund von Verworfenheit unter diesem Polizeigesindel aufgedeckt, der Schaudern macht." (S. 169, 170 des "Hauptbuchs".)

Wenn Vogt seinen Haß gegen den Staatsstreich durch Propaganda für den Bonapartismus beweist, warum nicht ich "mein Einverständnis" mit der geheimen Polizei durch Aufdeckung ihrer abgrundlosen Verworfenheit? Hätte die Polizei echte Beweismittel besessen, wozu falsche schmieden? Aber, doziert Professor Vogt,

"nichtsdestoweniger traf der Schlag nur die Marxschen Bundesmitglieder in Köln, nur die Partei Marx".

In der Tat, Polonius! Hatte der Schlag nicht vorher eine andre Partei zu Paris getroffen, traf er nachher nicht wieder eine andre Partei zu Berlin (Ladendorfscher Prozeß), wieder eine andere zu Bremen (Totenbund) usw. usw.?

Was die Verurteilung der Kölner Angeklagten betrifft, so will ich einen darauf bezüglichen Passus aus meinen "Enthüllungen" zitieren:

"Ursprünglich war die Wunder wirkende Intervention der Polizei nötig gewesen, um den reinen Tendenzcharakter des Prozesses zu verstecken. Die bevorstehenden Enthüllungen, so eröffnete" (der Prokurator) "Saedt die Verhandlungen - werden Ihnen, meine Herren Geschwornen, beweisen, daß der Prozeß kein Tendenzprozeß ist. Jetzt" (am Schluß der Verhandlungen) "hebt er den Tendenzcharakter hervor, um die Polizeienthüllungen vergessen zu machen. Nach der 11/2jährigen Voruntersuchung bedurften die Geschwornen eines objektiven Tatbestands, um sich vor der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen.

Nach der 5wöchentlichen Polizeikomödie bedurften sie der 'reinen Tendenz', um sich aus dem tatsächlichen Schmutz zu retten. Saedt beschränkt sich daher nicht nur auf das Material, das den Anklagesenat zu dem Urteil veranlaßte: 'Es sei kein objektiver Tatbestand vorhanden.' Er geht weiter. Er sucht nachzuweisen, daß das Gesetz gegen Komplott überhaupt keinen <427> Tatbestand verlangt, sondern reines Tendenzgesetz ist, also die Kategorie des Komplotts nur ein Vorwand ist, um politische Ketzer in Form Rechtens zu verbrennen. Sein Versuch versprach größern Erfolg durch Anwendung des nach der Verhaftung der Angeklagten promulgierten neuen [Preußischen] Strafgesetzbuchs. Unter dem Vorwand, das Gesetzbuch enthalte mildernde Bestimmungen, konnte der servile Gerichtshof dessen retroaktive Anwendung zulassen. War aber der Prozeß ein reiner Tendenzprozeß, wozu die 11/2jährige Voruntersuchung? Aus Tendenz." (S. 71, 72, l.c.)

"Mit der Enthüllung des" von der preußischen Polizei selbst geschmiedeten und untergeschobenen "Protokollbuchs war der Prozeß in ein neues Stadium getreten. Es stand den Geschwornen nicht mehr frei, die Angeklagten schuldig oder nichtschuldig, sie mußten jetzt die Angeklagten schuldig finden - oder die Regierung.

Die Angeklagten freisprechen hieß die Regierung verurteilen." (S. 70, l.c.).

Daß die damalige preuß[ische] Regierung die Situation ganz ähnlich auffaßte, bewies ein Schreiben Hinckeldeys, das er während der Kölner Verhandlungen an die preuß[ische] Gesandtschaft zu London richtete und worin es hieß, daß "von der Entscheidung dieses Prozesses die ganze Existenz der politischen Polizei abhänge". Er requirierte daher eine Person, die den flüchtig gewordenen Zeugen H. <Haupt> vor Gericht vorstellen und für die Aufführung 1.000 Tlr. Lohn erhalten sollte. Die Person war in der Tat schon gefunden, als ein neues Schreiben Hinckeldeys ankam: "Der Staatsprokurator hoffe bei der glücklichen Zusammensetzung der Geschworenen auch ohne weitre außerordentliche Maßregel das Schuldig zu erlangen, und er (Hinckeldey) ersuche deshalb, keine weitere Anstrengungen zu machen." (S. Beilage 4.)

Es war in der Tat diese glückliche Zusammensetzung der Geschwornen zu Köln, die das Regime Hinckeldey-Stieber in Preußen inaugurierte. "In Berlin werde ein Schlag geschehn, wenn die Kölner verurteilt wären", wußte das an die preußische Gesandtschaft zu London attachierte Polizeigesindel schon im Oktober 1852, obgleich die Polizeimine zu Berlin (Ladendorfsche Verschwörung) erst Ende März 1853 platzte. (S. Beilage 4.)

Das nachträgliche liberale Geheul über eine Reaktionsepoche ist stets um so lauter, je maßloser die liberale Feigheit war, die der Reaktion das Feld jahrelang unbestritten überließ. So scheiterten zur Zeit des Kölner Pro- <428> zesses alle meine Versuche, Stiebers Trugsystem in der liberalen preuß[ischen] Presse bloßzulegen. Sie hatte in breitspurigen Zügen auf ihre Fahne geschrieben: Sicherheit ist die erste Bürgerpflicht, und unter diesem Zeichen wirst du - leben.

5. Zentralfest der deutschen Arbeiterbildungs-Vereine zu Lausanne
(26. und 27. Juni 1859)

Unser Held flüchtet mit stets erneutem Vergnügen zurück nach - Arkadien. Wir finden ihn wieder in einem "abgelegnen Winkel der Schweiz", zu Lausanne, auf dem "Zentralfest" einer Anzahl deutscher Arbeiterbildungsvereine, das Ende Juni gefeiert wurde. Hier beging Karl Vogt seine zweite Schweizerrettung. Während Catilina zu London sitzt, donnert der Cicero von der bunten Jacke zu Lausanne:

"Jam jam intelligis me acrius vigilare ad salutem, quam te ad perniciem reipublicae." <"Du wirst jetzt schon verstehen, daß ich mit größerem Eifer auf die Rettung des Staates bedacht bin, als Du auf sein Verderben.">

Zufälligerweise existiert ein authentischer Bericht über besagtes "Zentralfest" und die während desselben von der "abgerundeten Natur" angerichtete Heldentat. Der Titel des von Herrn C. Lommel unter Vogts Mitwirkung verfaßten Berichts lautet "Das Centralfest der deutschen Arbeiterbildungsvereine in der Westschweiz (Lausanne 1859)", Genf 1859, Markus Vaney, rue de la Croix d'or. Vergleichen wir den authentischen Bericht mit dem 5 Monate später erschienenen "Hauptbuch". Der Bericht enthält die von Cicero-Vogt "selbst gehaltene" Rede, in deren Eingang er das Geheimnis seiner Erscheinung bei dieser Gelegenheit enthüllt. Er erscheint unter den Arbeitern, er harangiert sie, weil

"schwere Beschuldigungen in der letzten Zeit gegen ihn erhoben worden sind, die, wenn sie wahr wären, das Vertrauen zu ihm gänzlich erschüttern und seine politische Wirksamkeit vollständig untergraben müßten". "Ich komme", fährt er fort, "ich komme deshalb her, um hier ein offnes Wort gegen (obenbesagte) heimliche Schleicherei zu reden." (S. 6-7 des Berichts.)

Er ist bonapartistischer Umtriebe bezüchtigt, seine politische Wirksamkeit hat er zu retten, und seiner Gewohnheit nach wehrt er sich seiner Haut mit seiner Zunge. Nach 11/2stündigem leerem Strohdreschen gedenkt er des <429> Demosthenes' Mahnung, daß "Aktion, Aktion und wieder Aktion die Seele der Beredsamkeit ist".

Aber was ist Aktion? In Amerika gibt es eine kleine Bestie, das Skunk genannt, welches im Augenblick der höchsten Gefahr nur eine Defensive besitzt, seinen offensiven Geruch. Wenn angegriffen, spritzt es aus gewissen Teilen seines Leibes eine Materie, deren Naß eure Kleidungsstücke unrettbar zum Feuertod verdammt und, sollte sie gar eure Haut treffen, euch für einige Zeit aus der Gesellschaft aller menschlichen Wesen verbannt. So gräßlich offensiv ist der Geruch, daß Jäger, sobald ihre Hunde zufällig ein "Skunk" aufgescheucht, sofort Reißaus nehmen in mehr ungestümer Hast und mit größerm Schrecken, als wenn Wolf oder Tiger ihnen auf der Ferse folgten. Gegen Wolf und Tiger schützt Pulver und Blei, aber gegen das a posteriori <von hinten kommende> des "Skunk" ist kein Kraut gewachsen.

Das ist Aktion, sagt sich der im "Tierstaat" naturalisierte Redner und verspritzt folgendes Skunkartige auf seine vermeinten Verfolger:

"Vor einem aber warne ich eindringlichst, das sind die Umtriebe eines kleinen Häufleins verworfener Menschen, deren ganzes Dichten und Trachten darauf hinausgeht, den Arbeiter von seinem Berufe abzuziehn, ihn in Verschwörungen und kommunistische Umtriebe zu verwickeln und schließlich, nachdem sie von seinem Schweiße gelebt, ihn kalt" (nachdem er sich nämlich ausgeschwitzt hat) "in das Verderben zu stürzen. Auch jetzt wieder sucht dieses Häuflein auf alle mögliche Weise" (nur so allgemein wie möglich) "die Arbeitervereine wieder in seine trügerischen Netze zu ziehen. Was sie auch sagen mögen" (über Vogts bonapartistische Umtriebe), "seid überzeugt, daß sie nur darauf ausgehen, den Arbeiter zu ihren selbstischen Zwecken auszubeuten und ihn schließlich seinem Schicksale zu überlassen." (S. 18 des Berichts. S. B.)

Die Schamlosigkeit des "Skunk", mich und meine Freunde, die wir stets gratis und mit Aufopferung unsrer Privatinteressen die Interessen der Arbeiterklasse vertraten, "vom Schweiße der Arbeiter leben zu lassen", ist nicht einmal originell. Nicht nur die dezembristischen mouchards haben ähnliche üble Nachrede hinter Louis Blanc, Blanqui, Raspail usw. hergeheult, sondern zu allen Zeiten und an allen Orten haben die Sykophanten der herrschenden Klasse stets in dieser infamen Weise die literarischen und politischen Vorkämpfer der unterdrückten Klassen verleumdet. (S. Beilage 5.)

Nach dieser Aktion vermag übrigens unsre "abgerundete Natur" nicht länger ihr sérieux <ihre ernste Miene> zu halten. Der Possenreißer vergleicht nun seine auf freien Füßen befindlichen "Verfolger" mit den "bei Zorndorf gefangenen <430> Russen" und sich selbst - man errate! - mit Friedrich dem Großen. Falstaff Vogt erinnerte sich, daß Friedrich der Große in der ersten Schlacht, der er beiwohnte, davonlief. Wieviel größer also nicht er, der davonlief, ohne einer Schlacht beizuwohnen.(4)

Soweit das Abenteuer auf dem Zentralfest zu Lausanne nach dem authentischen Bericht. Und "danach beseh' einer" (um mit Fischart zu reden) "den klebrigen, schmarotzig klotzigen Sudelkoch und Kuchenlumpen", welchen eulenspiegelhaft-polizistischen Brei er fünf Monate später dem deutschen Philisterium auftischt.

"Man wollte um jeden Preis eine Komplikation in der Schweiz herbeiführen, die Politik der Neutralität ... sollte durchaus einen Stoß erhalten. Ich wurde benachrichtigt, daß das Zentralfest der Arbeiterbildungsvereine benutzt werden sollte, um die Arbeiter auf Bahnen zu lenken, deren Betretung sie durchaus von sich abgewiesen hatten. Man hoffte das schöne Fest benutzen zu können, um ein geheimes Komitee zu bilden, welches mit Gleichgesinnten in Deutschland in Verbindung treten und Gott weiß" (Vogt, obgleich benachrichtigt, weiß es nicht) "was alles für Maßregeln ergreifen sollte. Es gingen dumpfe Gerüchte und geheimnisvolle Mitteilungen von tätigem Eingreifen der Arbeiter in die vaterländisch-deutsche Politik. Ich beschloß augenblicklich, mich diesen Umtrieben entgegenzusetzen, um den Arbeitern aufs neue ans Herz zu legen, daß sie keinerlei Vorschlägen dieser Art ihr Ohr leihen möchten. Ich sprach öffentlich am obengenannten Schluß meiner Rede die Warnung aus etc." (S. 180, [181] des "Hauptbuchs".)

Cicero-Vogt vergißt, daß er im Anfang seiner Rede öffentlich ausgeplaudert hat, was ihn zum Zentralfest trieb - nicht die Neutralität der Schweiz, sondern die Rettung seiner eignen Haut. Keine Silbe in seiner Rede von dem beabsichtigten Attentat auf die Schweiz, von den konspiratorischen Gelüsten auf das Zentralfest, von geheimem Komitee, von dem tätigen Eingreifen der Arbeiter in die deutsche Politik, von Vorschlägen "dieser" <431> oder irgendeiner "Art". Nichts von allen diesen Stieberiaden. Seine schließliche Warnung war bloß die Warnung des Ehrenmannes Sykes, der im Gerichtslokal von Old Bailey die Geschwornen warnte, den "verworfnen" Detectives, die seinen Diebstahl entdeckt hatten, doch ja kein Gehör zu schenken.

"Die unmittelbar folgenden Ereignisse", sagt Falstaff-Vogt (S. 181 des "Hauptbuchs"), "bestätigten meine Ahnungen." Wie, Ahnungen! Aber Falstaff vergißt wieder, daß er wenige Zeilen vorher nicht "geahnt" hatte, sondern "benachrichtigt" war, benachrichtigt von den Plänen der Verschwörer und ganz im Detail benachrichtigt! Und welches, du ahndungsvoller Engel du! waren die unmittelbar nachfolgenden Ereignisse?

"Ein Artikel der 'Allgemeinen Zeitung' schob dem Fest und dem Leben der Arbeiter Tendenzen unter, an welche diese" (nämlich das Fest und das Leben) "nicht im entferntesten dachten." (Ganz wie Vogt sie dem Murtener Kongreß und den Arbeiterverbindungen überhaupt unterschiebt.) "Auf Grund dieses Artikels und seines Abdrucks im 'Frankfurter Journal' erfolgte eine vertrauliche Anfrage des Gesandten eines süddeutschen Staats, in welcher dem Feste diejenige Bedeutung verliehen wurde" - die der Artikel der "Allgemeinen Zeitung" und der Abdruck des "Frankfurter Journals" ihm "unterschoben" - beileibe nicht - "die es nach den vereitelten Absichten der Schwefelbande hätte haben sollen."

Jawohl! Hätte haben sollen!

Obgleich der oberflächlichste Vergleich zwischen dem Hauptbuch" und dem authentischen Bericht über das Zentralfest hinreicht zur Aufdeckung des Geheimnisses von Cicero-Vogts zweiter Schweizerrettung, wünschte ich dennoch zu vergewissern, ob nicht irgendeine - wie auch immer verdrehte - Tatsache ihm den Stoff zu seiner Kraftentwicklung geliefert. Ich wandte mich daher schriftlich an den Redakteur des authentischen Berichts, Herrn G. Lommel zu Genf. Herr Lommel muß mit Vogt in freundschaftlichem Verkehr gelebt haben, da er nicht nur mit dessen Beihülfe den Bericht über das Lausanner Zentralfest abfaßte, sondern auch in einer spätern Broschüre über das Schiller- und Robert-Blum-Fest zu Genf Vogts daselbst gemachtes Fiasko verschleierte. In einem Antwortschreiben vom 13. April 1860 erklärt der mir persönlich unbekannte Herr Lommel:

"Vogts Erzählung, er habe in Lausanne eine gefährliche Verschwörung vereitelt, ist die hellste Fabel oder Lüge; er suchte in Lausanne nur ein Lokal, um reden zu können und diese Rede nachher drucken zu lassen. In dieser 1 1/2stündigen Rede verteidigte er sich gegen den Vorwurf, er sei ein besoldeter Bonapartist. Das Manuskript liegt wohlverwahrt bei mir."

<432> Ein zu Genf lebender Franzose, über dieselbe Vogtsche Verschwörung befragt, erwiderte kurz:

"Il faut connaître cet individu" (nämlich den Vogt), "surtout le faiseur, l'homme important, toujours hors de la nature et de la vérité." <"Man muß diesen Kerl kennen ..., der vor allem ein Intrigant, ein Wichtigtuer, immer ein unnatürlicher, unwahrer Mensch ist.">

Vogt sagt selbst S. 99 seiner sogenannten "Studien", daß er "sich nie prophetischer Eigenschaften gerühmt". Aber man weiß aus dem Alten Testament, daß der Esel sah, was der Prophet nicht gesehen hatte. Und so erklärt sich, wie Vogt die Verschwörung sah, von der ihm im November 1859 ahnte, er habe sie im Juni 1859 "vereitelt".

6. Buntes

"Wenn mich mein Gedächtnis nicht tauscht", sagt der Parlaments-Clown, "so war das Zirkular" (nämlich ein angebliches Londoner Zirkular an die Proletarier d.d. 1850) "allerdings von einem Parteigänger Marx', dem sogenannten Parlaments-Wolf, abgefaßt und wurde der hannoverschen Polizei in die Hände gespielt. - Auch jetzt wieder taucht dieser Kanal in der Geschichte des Zirkulars, der Vaterlandsfreunde an die Gothaer' auf." (S. 144 des . Hauptbuchs".)

Ein Kanal taucht auf! Prolapsus ani <ein Mastdarmvorfall> etwa, naturgeschichtlicher Schäker?

Was den "Parlaments-Wolf" betrifft - und wir werden später hören, warum der Parlaments-Wolf wie ein Alp auf dem Gedächtnis des Parlaments-Clowns lastet - so hat er in der Berliner "Volks-Zeitung", "Allgemeinen Zeitung" und Hamburger "Reform" folgende Erklärung veröffentlicht:

"Erklärung. Manchester, 6. Februar 1860: Aus dem Brief eines Freundes ersehe ich, daß die 'National-Zeitung' (Nr. 41 d. J.) in einem auf eine Vogtsche Broschüre basierten Leitartikel folgenden Passus vors Publikum gebracht hat:

'1850 wurde eine andre Zirkulardepesche aus London, wie Vogt sich zu erinnern glaubt, vom Parlaments-Wolf alias Kasematten-Wolf verfaßt, an die Proletarier in Deutschland versandt und gleichzeitig der hannöverschen Polizei in die Hände gespielt.' Ich habe weder die Nummer der 'National-Zeitung' noch die Vogtsche Broschüre zu Gesichte bekommen und erwidere deshalb lediglich in betreff der zitierten Stelle:

1. Im Jahre 1850 lebte ich in Zürich und nicht in London, wohin ich erst im Sommer 1851 übersiedelte.

<433> 2. Ich habe in meinem ganzen Leben nie eine Zirkulardepesche, weder an 'Proletarier' noch andre, verfaßt.

3. Was die Insinuation rücksichtlich der hannöverschen Polizei angeht, so jag' ich diese schamlos erfundene Bezüchtigung hierdurch zu ihrem Urheber mit Verachtung zurück. Ist der Rest des Vogtschen Pamphlets ebenso erstunken und erlogen wie das auf mich Bezügliche, so kann es sich den Machwerken eines Chenu, de la Hodde und Konsorten würdig zur Seite stellen. W. Wolf"

Man sieht: Wie Cuvier den ganzen Bau eines Tiers aus einem einzelnen Knochen, hatte Wolff aus einem abgerissenen Zitat das ganze Machwerk Vogt richtig herauskonstruiert. In der Tat erscheint Karl Vogt neben Chenu und de la Hodde als primus inter pares <Erster unter Gleichen>.

Der letzte "Beleg" des "nicht verlegenen" Vogt für meine entente cordiale <mein herzliches Einvernehmen> mit der geheimen Polizei im allgemeinen und "meine Beziehungen zu der Kreuzzeitungspartei im besonderen" besteht darin, daß meine Frau die Schwester des preußischen Ministers a.D. Herrn von Westphalen ist. (S.194 des "Hauptbuchs".) Wie nun parieren des feisten Falstaff feige Finte? Vielleicht verzeiht der Clown meiner Frau den kognaten preußischen Minister, wenn er erfährt, daß einer ihrer schottischen Agnaten als Rebeller im Freiheitskampf gegen Jakob II. auf dem Markte zu Edinburgh enthauptet worden ist. Vogt selbst trägt bekanntlich nur durch ein Versehen immer noch seinen eignen Kopf mit sich herum. Auf der Robert-Blum-Feier des deutschen Arbeiterbildungsvereins zu Genf (13. November 1859) berichtete er nämlich,

"wie die Linke des Frankfurter Parlaments lange unschlüssig gewesen, wen sie nach Wien schicken solle, ob Blum, ob ihn. Da habe endlich das Los, ein gezogenes Hälmchen, für oder vielmehr gegen Blum entschieden." S. 28, 29 "Die Schillerfeier zu Genf usw.", Genf 1859.)

Am 13. Oktober reiste Robert Blum von Frankfurt nach Wien. Am 23. oder 24. Oktober traf eine Deputation der äußersten Frankfurter Linken, auf der Durchreise zum Demokratenkongreß in Berlin, in Köln ein. Ich sah die Herren, worunter sich einige mit der "Neuen Rheinischen Zeitung" näher liierte Parlamentler befanden. Letztere, wovon der eine während der Reichsverfassungskampagne standrechtlich erschossen ward, der andere im Exil starb, der dritte noch lebt, raunten mir unheimlich sonderbare Geschichten ins Ohr über Vogts Umtriebe mit Bezug auf Robert Blums Wiener Mission.

<434> Jedoch

Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen,
Denn das Geheimnis ist mir Pflicht!

Die oben erwähnte Robert-Blum-Feier (November 1859) zu Genf war der "abgerundeten Natur" unhold. Als er das Festlokal betrat, seinen Patron James Fazy silenenhaft wohldienerisch umwatschelnd, rief ein Arbeiter: Da geht der Heinz und hinter ihm drein der Falstaff. Als er sich durch seine artige Anekdote als alter ego Robert Blums kundgab, gelang es nur mit Mühe, einige erhitzte Arbeiter von einem Sturm auf die Tribüne abzuwehren. Als er endlich, uneingedenk, wie er noch im Juni die Revolution vereitelt hatte, nun selbst "noch einmal auf die Barrikaden rief" (S. 29 der "Schillerfeier"), wiederholte ein neckisches Echo: "Barrikaden! - Fladen!" So richtig jedoch weiß man im Ausland Vogts Revolutionspoltereien zu würdigen, daß diesmal die sonst unvermeidliche "vertrauliche Anfrage eines süddeutschen Gesandten" unterblieb und kein Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" erschien.

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Vogts Gesamt-Stieberiade von der "Schwefelbande" bis zum "Minister a.D." verrät die Sorte Meistersänger, von der es bei Dante heißt:

Ed egli avea fatto del cul trombetta.(5)


Fußnoten von Marx

(1) Erst nach dem Druck der "Enthüllungen" erfuhr ich, daß de la Hodde (unter dem Namen Duprez) sowie die preußischen Polizeiagenten Beckmann (damals Korrespondent der "Kölnischen Zeitung") und Sommer mitgearbeitet hatten. <=

(2) "Die Dampf- oder Stankkugeln dienen vorzüglich im Minenkriege. Man arbeitet unter gewöhnlichen Leuchtkugelsatz, der aber etwas mehr Schwefel enthalten muß, so viel Federn, Horn, Haare und andern Unrat, als der Satz annehmen will, füllt ihn in Beutel und feuert die Kugel mit Zehrungssatz an." ( J. C. Plümicke, "Handbuch für die Königlich Preußischen Artillerie-Offiziere", Erster Teil, Berlin 1820.) <=

(3) Eine Replik veröffentlichte ich in dem Pamphlet "Der Ritter vom edelmüthigen Bewußtsein", New-York l854. <=

(4) Kobes I. erzählt in dem von Jacob Venedey herausgegebenen Pamphlet "Pro domo und Pro patria gegen Karl Vogt", Hannover 1860: "Er sei Zeuge gewesen, wie der Reichsregent Karl Vogt nicht mit dabei war, als wir anderen, und ebenso die vier anderen Reichsregenten, die Württemberger Regierung zwangen, dem Parlament mit Säbel und Bajonett zu einem ehrenhaften Ende zu verhelfen. Es ist eine lustige Geschichte. Als die vier andern Reichsregenten den Wagen bestiegen hatten, um verabredetermaßen vor den Sitzungssaal zu fahren und hier mit dem Rumpfparlamente [...] die Brust" (Kopf hatte das Rumpfparlament bekanntlich nicht) "zu bieten, hat Karl Vogt, den Kutschenschlag schließend, dem Kutscher zugerufen: 'Fahre nur zu, der Wagen ist doch schon voll, ich komme nach!' Karl Vogt aber kam nach [-] als [...] die mögliche Gefahr vorbei war." (l.c. S. 23, 24.) <=

(5) Und der nahm statt Trompete seinen Steiß. (Kannegießer) <=