Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 9, S. 489-518
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960

Karl Marx

Der Ritter vom edelmütigen Bewußtsein

Erschienen als Broschüre Januar 1854 in New York.
Geschrieben etwa zwischen dem 21. - 28. November 1853.


<493> Der Mann des kleinen Kriegs (siehe Deckers Theorie des kleinen Kriegs) braucht kein edler Mann zu sein, aber er muß doch ein edelmütiges Bewußtsein haben. Das edelmütige Bewußtsein schlägt nach Hegel notwendig in das niederträchtige um. Diesen Umschlag werde ich erläutern an den Ergüssen des Herrn Willich - Peter der Einsiedler und Walther von Habenichts in einer Person. Ich beschränke mich auf den Cavaliere della Ventura <Abenteurer, Glücksritter>; seine hinter ihm stehenden Cavalieri del dente <Schmrotzer> überlasse ich ihrer Mission.

Um von vorne herein einzuprägen, daß das edelmütige Bewußtsein die Wahrheit im "höheren" Sinn durch die Lüge im "gewöhnlichen" Sinn auszudrücken pflegt, beginnt Herr Willich seine Antwort auf meine "Enthüllungen" mit den Worten:

"Dr. Karl Marx gab in der 'Neu-England-[Zeitung]' und 'Criminal-Zeitung' einen Bericht über den Kölner Kommunistenprozeß."

Nie habe ich der "Criminal-Zeitung" einen Bericht über den Kölner Kommunistenprozeß gegeben. Es ist bekannt, daß ich der "Neu-England-Zeitung" die "Enthüllungen" und Herr Willich der "Criminal-Zeitung" Hirschs Selbstbekenntnisse gab.

Pag. 11 der "Enthüllungen" heißt es: "Aus der Aufzählung der der Partei Willich-Schapper entwandten Dokumente und aus den Daten dieser Dokumente folgt, daß diese Partei, obgleich durch den Einbruch des Reuter gewarnt, noch fortwährend Mittel fand, sich Dokumente stehlen und sie an die preußische Polizei gelangen zu lassen." Pag. 64 wird diese Stelle rekapituliert.

"Herr Marx", antwortete Herr Willich, "weiß sehr wohl, daß diese Dokumente selbst meistens gefälscht, teilweise erfunden waren."

<494> Meistens gefälscht; also nicht ganz gefälscht. Teilweise erfunden; also nicht ganz erfunden. Herr Willich gesteht also: Nach wie vor dem Reuterschen Diebstahl fanden seiner Fraktion angehörige Dokumente ihren Weg zur Polizei. Wie ich behaupte.

Der Edelmut des Herrn Willich besteht nun darin, hinter der richtigen Tatsache ein falsches Bewußtsein auszuwittern. "Herr Marx weiß." Woher weiß Herr Willich, was Herr Marx weiß? Von einigen der fraglichen Dokumente weiß ich, daß sie echt sind. Von keinem derselben weiß ich, daß es sich während der Prozeßverhandlungen als verfälscht oder erfunden auswies. Aber ich hätte "mehr" wissen sollen, da "ein gewisser Blum der in Willichs nächster Umgebung befindliche Berichterstatter von Marx" war. Blum blühte also in der nächsten Umgebung von Willich. Desto weiter ab hielt er sich mir vom Leibe. Was ich von Blum weiß, den ich nie gesprochen, selbst nicht durch die Blume, beschränkt sich darauf, daß Blum ein Russe von Geburt und ein Schuster von Handwerk sein soll, daß er auch als Morrison <Erfinder der "Morrisonpillen", Abführmittel> figuriert, auf Willichsche Morrison-Pillen schwört und sich jetzt wahrscheinlich in Australien befindet. Über die Wirksamkeit der Willich-Kinkelschen Missionäre wurde ich von Magdeburg aus benachrichtigt, nicht in London. Das edelmütige Bewußtsein konnte sich daher die jedenfalls schmerzliche Operation ersparen, einen seiner Söhne im Glauben auf bloßen Verdacht hin öffentlich zu verunglimpfen.

Erst lügt mir das edelmütige Bewußtsein einen eingebildeten Berichterstatter an; dann lügt es mir einen wirklichen Brief ab. Es zitiert: "Seite 69 der Enthüllungen, Bemerkung A, aus dem vorgeschützten Briefe Beckers."

Herr Willich ist zu edelmütig, vorauszusetzen, daß "ein Mann von Geist und Charakter", wie Becker, den Geist und Charakter in einem Manne wie Willich verkennen darf. Er verwandelt daher Beckers Brief in einen vorgeschützten und mich in einen Falschmünzer. Aus Edelmut, versteht sich. Der vorgeschützte Brief existiert noch immer im Besitze des Advokaten Schneider II. Ich schickte ihn der Verteidigung zur Zeit des Prozesses nach Köln, weil er jede Teilnahme Beckers an den Willichschen Narrheiten widerlegt. Nicht nur ist der Brief von Becker geschrieben, Kölner und Londoner Poststempel konstatieren sein Datum der Absendung und des Empfangs.

"Vorher aber schrieb Frau Kinkel einen längeren berichtigenden Brief an mich" (Willich); "Becker in Köln übernahm die Besorgung. Er teilte ihr mit, der Brief sei besorgt -, ich habe ihn nie gesehen. Hat ihn Herr Marx, Becker oder die Post bewahrt?"

<495> Nicht die Post, demonstrierte Willich. Vielleicht Becker? Solange er in Freiheit, fragte kein Willich bei ihm an. Also "Herr Marx". Herr Willich läßt mich, in seiner stillen Weise, die Briefe, die Becker mir nicht schreibt, veröffentlichen und die Briefe, die er mir zur Besorgung anvertraut, unterschlagen. Leider war Becker so freundlich, mich niemals mit Kommission von Episteln, sei es der Frau Johann <Anspielung auf Gottfried und Johanna Kinkel>, sei es des Herrn Johann Gottfried, zu behelligen. Anfragen an Becker von so gleichgültigem Inhalt steht weder das Gefängnis im Wege noch das schwarze Kabinett. Herr Willich verlügt sich in die schmutzige Insinuation, aus der reinen Absicht zur Tugend anzufeuern und die Wahlverwandtschaft zwischen den Guten, zwischen den Kinkels und den Willichs, als siegreich über jede Scheidungskunst der Bösen darzustellen.

"Die Parteistellung innerhalb des Proletariats zwischen der Partei Marx und Willich-Schapper, nach der Bezeichnung des Herrn Marx, nicht der meinigen."

Das edelmütige Bewußtsein muß die eigene Bescheidenheit durch die fremde Überhebung beweisen. Es verwandelt daher die "Bezeichnung des Kölner Anklageakts" (siehe pag. 6 der "Enthüllungen") in "Bezeichnungen des Herrn Marx". Aus Bescheidenheit verwandelt es gleichfalls die Parteistellung innerhalb einer bestimmten geheimen deutschen Gesellschaft, von der ich spreche (siehe l.c.), in die "Parteistellung innerhalb des Proletariats".

"Als Techow im Herbst 1850 nach London kam, - ließ Marx sich von Dronke schreiben, Techow habe über mich die wegwerfendsten Äußerungen gemacht; der Brief wurde verlesen. Techow kam an, wir sprachen uns als Männer gegeneinander aus, die im Briefe gemachten Mitteilungen waren erfunden!!"

Als Techow nach London kam, ließ ich mir von Dronke schreiben, empfing den Brief, verlas ihn, und dann kam Techow. Die falsche consecutio temporum <Zeitenfolge> spiegelt die Verlegenheit des edelmütigen Bewußtseins ab, das einen falschen Kausalnexus zwischen mir, Dronkes Brief und Techows Kommen hervorzubringen sucht. In Dronkes Brief <bis heute nicht gefunden>, der übrigens an Engels und nicht an mich adressiert ist, lautet die verbrecherische Stelle wörtlich:

"Heute habe ich Techow etwas umgestimmt, obwohl ich dabei mit ihm und Schily" - Schily befindet sich in diesem Augenblicke in London - in einen heftigen Disput geriet und er wiederholt die Angriffe auf Sigel als persönlichen Ulk von Willich, dem er beilaufig auch das allergeringste militärische Talent abspricht, erklärte."

<496> Dronke spricht also nicht von den wegwerfendsten Äußerungen Techows im allgemeinen, sondern seinen wegwerfenden Äußerungen über Herrn Willichs militärisches Talent. Hat Techow daher etwas für erfunden erklärt, so waren es nicht die in Dronkes Briefe gemachten Mitteilungen, sondern die Mitteilungen des edlen Bewußtseins über Dronkes Mitteilungen. Techow hat in London seine Schweizer Auffassung von Herrn Willichs militärischem Talent nicht modifiziert, wenn auch vielleicht andere Anschauungen, die er vom falschen Asketen besaß. Mein Zusammenhang mit Dronkes Brief und Techows Kommen beschränkt sich also darauf, daß ich Dronkes Brief verlas, wie ich als Präsident der Zentralbehörde alle Briefe zu verlesen hatte. So unter andern einen Brief von Karl Bruhn <bis heute nicht gefunden>, worin auch der sich über Willichs militärisches Talent erlustigte. Herr Willich war damals überzeugt, daß ich Bruhn den Brief schreiben ließ. Da Bruhn aber noch nicht wie Techow nach Australien abgereist ist, unterdrückt Herr Willich vorsichtig "diese Probe meiner Taktik". So hatte ich einen Brief zu verlesen, worin Rothacker schreibt:

"Jeder andern Gemeinde -, aber dieser" (nämlich Willichs) "niemals - will ich angehören."

Er erzählt, wie er durch einfache Opposition gegen Willichs Ansichten über "die auffallenden Rüstungen Preußens" das Schicksal sich zuzog, daß einer der Trabanten Willichs seine

"sofortige Ausstoßung aus dem Bunde verlangte -, und ein anderer eine Kommission ernannt wissen wollte, zu prüfen, wie denn dieser Rothacker in den Bund gekommen wäre, das sei verdächtig".

Herr Willich war überzeugt, daß ich Rothacker den Brief schreiben ließ. Da aber Rothacker statt Gold bei Melbourne zu graben, eine Zeitung in Cincinnati herausgibt, fand Herr Willich es wieder passend, die Welt um diese andere "Probe meiner Taktik" zu prellen.

Das edelmütige Bewußtsein muß seiner Natur nach überall Freude an sich erleben und sich überall anerkannt finden. Findet es daher seine glückliche Ansicht von sich verneint, spricht Techow ihm das militärische Talent ab oder Rothacker die politische Befähigung oder erklärt Becker es geradezu für "dumm", so sind diese unnatürlichen Erfahrungen aus dem taktischen Gegensatz von Ahriman - Marx und Engels - gegen Ormuzd - Willich - pragmatisch zu erklären, und der Edelmut bestätigt sich demgemäß in der niederträchtigsten Beschäftigung, die Geheimnisse dieser eingebildeten Taktik auszuhecken, auszubrüten, auszulügen. Wir sehen, sagt Hegel, wie <497> dieses Bewußtsein, statt mit dem Höchsten, mit dem Niedrigsten, nämlich mit sich selbst, beschäftigt ist.

"Dies", ruft Herr Willich triumphierend aus, "sind einige Proben der Taktik des Herrn Marx."

"Der erste Widerspruch zwischen Marx, Engels und mir stellte sich heraus, als von den in London anwesenden Männern der Revolution, die einen größern oder geringeren Wirkungskreis gehabt haben, die Einladung zu einer Versammlung an uns gerichtet wurde. Ich wollte darauf eingehen; ich verlangte, daß unsere Parteistellung und Organisation gesichert, aber der Eklat innerer Zerwürfnisse in der Emigration nach außen hin nicht verbreitet werden sollte. Ich wurde niedergestimmt, die Einladung abgelehnt, und von dem Tage an datieren die ekelhaften Zerwürfnisse in der Londoner Emigration, deren Folgen noch heute da sind, indes jetzt wohl für die öffentliche Meinung alle Bedeutung verloren haben."

Herr Willich als "Parteigänger" im Kriege, findet es auch im Frieden seiner Mission gemäß, von einer Partei zur anderen zu gehen, und es ist völlig der Wahrheit gemäß, daß seine edelmütigen Koalitionsgelüste niedergestimmt wurden. Das Bekenntnis ist um so naiver, als Herr Willich später zu verbreiten suchte, die Emigration habe uns von ihrer Zunftorganisation ausgeschlossen. Hier gesteht er, daß wir die Emigrationszunft von uns ausschlossen. So weit die Tatsache. Nun ihre Verklärung. Das edelmütige Bewußtsein muß nachzuweisen suchen, daß es nur durch Ahriman an dem edlen Werk verhindert wurde, allem Bösen, das über die Emigration gekommen ist, vorzubeugen. Zu diesem Behufe muß es sich wieder dem Lügen ergeben mit evangelistengemäßer Verdrehung der profanen Chronologie (siehe Bruno Bauer "Synoptiker"). Ahriman - Marx, Engels erklärten ihren Austritt aus dem Arbeitervereine der Great Windmill Street und ihre Scheidung von Willich in der Sitzung der Zentralbehörde vom 15. September 1850. Seit diesem Tage zogen sie sich zurück von allen öffentlichen Organisationen, Demonstrationen und Manifestationen. Also seit dem 15. September 1850. Am 14. Juli 1851 wurden "die namhaften Männer aller Fraktionen" zu Bürger Fickler geladen, am 20. Juli 1851 wurde der "Agitationsverein" gestiftet und am 27. Juli 1851 der deutsche "Emigrations-Klub". "Von diesem Tage an", wo die geheimen Wünsche des edelmütigen Bewußtseins sich erfüllten, "datieren die ekelhaften Zerwürfnisse" der "Londoner Emigration", der auf beiden Seiten des Ozeans geführte Kampf zwischen "Emigration" und "Agitation", der große Froschmäuslerkrieg begann.

Wer gibt die Worte mir und wer die Stimme,
Das Größte groß und würdig zu berichten?
Denn stolzerer Kampf geführt mit wilderem Grimme,
<498> Ward seit der Welt Beginn gesehen mitnichten;
Die andern Schlachten, wenn auch noch so schlimme,
Sind Veilchen nur und Rosen, und mein Dichten
Versagt mir, wo Bravour und Ehrenglorie
Gleich herrlich strahlt in dieses Kampfs Historie.
(Nach Bojardo, "Orlando innam[orato]." Canto 27)

Die "Bedeutung dieser ekelhaften Zerwürfnisse" hat in der "öffentlichen Meinung" nie existiert, sondern stets nur in der eigenen Meinung der Froschmäusler. Aber "die Folgen sind noch da". Selbst Herrn Willichs Dasein in Amerika ist eine Folge. Das in der Form der Anleihe von Amerika nach Europa gewanderte Geld reiste in der Form Willich von Europa nach Amerika zurück. Eins seiner ersten Geschäfte dort war die Bildung eines geheimen Komitees in ..., um den heiligen Gral, das demokratische Gold, dem Gottfried von Bouillon zu sichern und Peter dem Einsiedler <Anspielung auf Gottfried Kinkel und August Willich> gegen Arnold Winkelried-Ruge und Melanchthon-Ronge.

Obgleich die "Edlen" sich selbst überlassen und nach dem Ausdrucke von Eduard Meyen alle vereinigt waren "bis hinauf zu Bucher", ging der Scheidungsprozeß nicht nur der Hauptheere untereinander, sondern im Innern jedes Lagers selbst so flott voran, daß der Agitationsverein bald auf ein halbvollzähliges Siebengestirn reduziert war, der Emigrationsklub aber, trotz der Bindekraft des edelmütigen Bewußtseins, auf die Dreieinigkeit Willich, Kinkel und den Gastwirt Schärttner zusammenschmolz. Selbst die dreieinige Anleihe-Regentschaft - so attraktiv war das edelmütige Bewußtsein - verfiel in etwas, was nicht einmal ein Dualismus genannt werden kann, nämlich in Kinkel-Willich. Herr Reichenbach war zu respektabel, um lange der Dritte in solchem Bunde bleiben zu können. Er hat den "persönlichen Charakter" des edelmütigen Bewußtseins praktisch kennengelernt.

Unter den Proben, die das edelmütige Bewußtsein von der "Taktik von Marx" gibt, befinden sich auch seine Erlebnisse mit Engels. Ich lege an dieser Stelle einen Brief von Engels selbst ein.

"Manchester, den 23. November 1853. In dem Roman, den Herr August Willich in der 'New-Yorker Criminal-Zeitung' (d.d. 28. Oktober und 4. November) zu seiner Rechtfertigung veröffentlicht hat, habe auch ich die Ehre zu figurieren. Ich bin genötigt, ein paar Worte über diese Angelegenheit, soweit sie mich betrifft, zu Protokoll zu geben.

Daß Freund Willich, der den reinen Müßiggang mit der reinen Tätigkeit verwechselt, und sich, daher ausschließlich mit Freund Willich beschäftigt, <499> für alles, was seine Person betrifft, ein vortreffliches Gedächtnis hatte, daß er eine Art Register führte über jede Bemerkung, die selbst im Schoppenstechen der Gesellschaft in Beziehung auf ihn fiel, das war denen längst kein Geheimnis mehr, die sich seines Umgangs erfreuten. Freund Willich wußte aber von jeher sein Gedächtnis und sein Register sehr gut zu benutzen. Eine kleine Verdrehung, einige scheinbar unbeabsichtigte Auslassungen machten ihn, wenn dergleichen Bagatellen wieder zur Sprache kamen, jedesmal zum Helden des dramatischen Ereignisses, zum Mittelpunkt einer Gruppe, eines lebenden Bildes. Im Detail wie im Ganzen des Willichschen Romans dreht sich der Kampf überall und immer um den unbeleckten und deshalb angefeindeten Willich. In jeder einzelnen Episode finden wir am Schluß den braven Willich eine Rede haltend, und die verruchten Gegner geknickt, gebrochen, zertreten, zurücksinkend in das Bewußtsein ihrer Nichtigkeit. Et cependant on vous connaît, ô chevaliers sans peur et sans reproche! <Und trotzdem kennt man euch, ihr Ritter ohne Furcht und Tadel!>

In dem Willichschen Roman ist also die Leidensepoche, während deren der Edele so viel Unbill zu erdulden hatte von Marx, Engels und den übrigen Gottlosen, zu gleicher Zeit eine Epoche des Triumphs, worin er jedesmal seine Gegner siegreich niedertritt und jeder neue Triumph alle früheren übergipfelt. Freund Willich schildert sich einerseits als leidenden Christus, der die Sünden von Marx, Engels & Comp. auf sich nahm, andererseits aber als den Christus, der da kam, zu richten die Lebendigen und die Toten. Es war Freund Willich vorbehalten, zwei so widersprechende Rollen gleichzeitig in einer Person zu vereinigen. Wer diese beiden Phasen gleichzeitig repräsentiert, dem muß man doch wahrlich glauben.

Für uns, die wir diese selbstgefälligen Phantasien, womit ein ältlicher Hagestolz seine schlaflosen Nächte ausfüllt, längst auswendig konnten, für uns ist nur das erstaunlich, daß alle die Idiosynkrasien heute noch in derselben unveränderten Form auftauchen wie Anno 1850. Nun zu den Details.

Freund Willich, der die Herren Stieber und Konsorten in Agenten einer deutschen 'Bundespolizei' verwandelt, die seit den uralten Demagogengeschichten nicht mehr existiert hat, der eine Menge anderer ebenso wundersamer 'Fakta' erzählt, behauptet auch mit üblicher Genauigkeit, ich habe eine 'Broschüre' über die badische Kampagne von 1849 geschrieben. Freund Willich, der den Teil meiner Arbeit, worin er vorkommt, mit seltener Gründlichkeit studiert hat, weiß sehr wohl, daß ich nie eine derartige 'Broschüre' vom Stapel ließ. Was ich schrieb, war eine Reihe von Artikeln über die Reichsverfassungskampagne in der Revue 'Neue Rheinische Zeitung', Hamburg <500> und New York 1850, in deren einem ich meine Erfahrungen während der pfälzisch-badischen Kampagne veröffentlichte. In diesem Artikel figuriert natürlich auch Freund Willich, und wie er sagt, war dieser Artikel für ihn 'sehr anerkennend', brachte ihn aber sogleich in Konflikte mit seiner habituellen Bescheidenheit, indem er ihn gleichsam zum 'Konkurrenten der andern so vielen großen Staatsmänner, Diktatoren und Feldherrn' machte.

Und worin bestand die große 'Anerkennung' meinerseits, die jetzt dem edlen Herzen Willichs so wohltut? Darin, daß ich den Herrn Willich als einen unter Umständen recht brauchbaren Bataillonschef 'anerkannte', der in den zwanziger Jahren, wo er preußischer Lieutenant war, sich die dazu nötigen Kenntnisse erworben; der für den kleinen und speziell für den Parteigängerkrieg nicht ohne Anlagen war, und der endlich den Vorteil hatte, daß er als Führer eines Freikorps von 600-700 Mann sich ganz an seinem Platze befand, während die Mehrzahl der höheren Offiziere in jener Kampagne aus Subjekten bestand, die entweder gar keine oder doch eine ihrer Stellung durchaus unangemessene militärische Bildung besaßen. Zu sagen, daß Herr Willich 700 Mann besser führen konnte als der erste beste Student, Unteroffizier, Schulmeister und Schuster, ist allerdings 'sehr anerkennend' für einen preußischen Lieutenant, der 20 Jahre Zeit zur Vorbereitung hatte! Dans le royaume des aveugles le borgne est roi .<Im Reich der Blinden ist der Einäugige König> Und daß er in seiner untergeordneten Position weniger Verantwortlichkeit trug, also weniger Fehler machen konnte als 'seine Konkurrenten', die Divisionäre oder Obergenerale waren, versteht sich doch von selbst. Wer weiß, ob Sigel, der als 'Obergeneral' nicht am Platze war, als einfacher Batallionschef nicht auch etwas geleistet hätte?

Und nun die wehmütige Klage des bescheidenen Willich, der inzwischen kraft einiger amerikanischer Zeitungen auf dem Anciennitätswege zum 'General' avanciert ist, wahrscheinlich durch meine Schuld - als hätte meine 'Anerkennung' ihn in Gefahr gebracht, auch General in partibus zu werden, und nicht nur General, sondern Feldherr, Staatsmann ja - Diktator! Freund Willich muß sich sonderbare Vorstellungen von den brillanten Belohnungen gemacht haben, die die Kommunistische Partei in petto habe für einen passablen Bataillons- und Freischarenchef, der sich ihr anschließt.

In dem angeführten Artikel sprach ich von Willich nur als Militär, weil er nur als solcher das Publikum interessieren konnte, denn 'Staatsmann' ist er ja erst seitdem geworden. Hätte ich die Malice gegen ihn besessen, von der er glaubt, sie besitze mich und meine Freunde, hätte ich ein Interesse daran gehabt, ein persönliches Charakterbild von ihm zu geben, was für Geschichten <501> wären zu erzählen! Hätte ich mich selbst auf die nur heitere Seite beschränkt, wie würde ich die Geschichte mit dem Apfelbaum weggelassen haben, unter dem lieber zu sterben während Absingung eines Liedes, als den deutschen Boden nochmals zu verlassen, er und seine Besançons einen leiblichen Eid geschworen hatten. Wie hätte ich nicht die Komödie an der Grenze erzählt, wo Freund Willich tat, als sollte dies nun in Erfüllung gehen; wo einige Biedermänner zu mir kamen, um mich ganz ernsthaft zu bewegen, den braven Willich von seinem Entschluß abzubringen; wo endlich Willich dem vereinigten Korps die Frage stellt, ob sie nicht lieber auf deutschem Boden sterben als ins Exil zurückgehen wollten, wo nach langem allgemeinen Schweigen ein einziger todesverachtender Besançon ausrief: 'Hierbleiben!' und wo zum Schluß die ganze Gesellschaft mit großem Vergnügen und mit Waffen und Bagage nach der Schweiz übertrat. Welche Episode hätte nicht die spätere Geschichte der Bagage selbst gebildet, heute nicht ohne Wert, wo Willich selbst die halbe Welt auffordert, über seinen 'Charakter' sich zu erklären. Wer übrigens weitere Details über diese und andere Abenteuer wünscht, braucht sich nur an einen seiner 300 Spartaner zu wenden, die damals kein Thermopylä finden konnten. Sie waren stets bereit, hinter dem Rücken des persönlichen Charakters die größten Skandale zu erzählen. Ich habe Zeugen in Menge.

Über die Geschichte wegen meiner 'Courage' werde ich kein Wort verlieren. Ich habe zu meiner damaligen Verwunderung in Baden gefunden, daß die Courage eine der allerordinärsten Eigenschaften ist, nicht der Mühe wert, davon zu reden; daß aber die bloße rohe Courage nicht mehr wert ist als der bloße gute Wille, und es deshalb sehr häufig vorkommt, daß jeder Einzelne ein Held an Courage ist und das ganze Bataillon doch ausreißt wie Ein Mann. Ein Exempel bietet die Expedition des Willichschen Korps nach Karlsdorf, die in meiner Erzählung der Reichsverfassungskampagne des breiteren mitgeteilt ist.

Bei dieser Gelegenheit, nämlich in der Neujahrsnacht 1850, behauptet Willich, mir eine siegreiche moralische Predigt gehalten zu haben. Da ich nicht gewohnt bin, Buch darüber zu führen, wie ich aus einem Jahr in das andere komme, kann ich für das Datum nicht einstehen. Die Predigt, die Willich abdrucken läßt, hat er so nie gehalten.

Im Flüchtlingskomitee, heißt es, habe ich mit mehreren anderen mich 'unwürdig' gegen den großen Mann benommen. Shocking! <Schrecklich!> Aber wo waren die siegreichen sittlichen Argumente denn damals, wenn Willich, der <502> Zertreter der Gottlosen, sich plötzlich machtlos gegen bloßes 'unwürdiges Benehmen' fand. Man wird nicht verlangen, daß ich ernsthaft auf dergleichen Albernheiten eingehen soll.

In der Sitzung der Zentralbehörde, wo es zwischen Schramm und Willich zur Forderung kam, soll ich das Verbrechen begangen haben, mit Schramm kurz vor der Szene das 'Zimmer verlassen', also die ganze Szene vorbereitet zu haben.

Früher war es Marx, der Schramm 'gehetzt' haben sollte, jetzt, zur Abwechslung bin ich es. Ein Duell zwischen einem alten auf Pistolen eingeschossenen preußischen Lieutenant und einem Commerçant, der vielleicht nie eine Pistole in der Hand gehabt, war wahrlich eine famose Maßregel, um den Lieutenant 'aus dem Wege zu räumen'. Trotzdem erzählte Freund Willich überall, mündlich und schriftlich, wir hätten ihn erschießen lassen wollen.

Es ist wohl möglich - ich führe kein Buch darüber, wenn gewisse Bedürfnisse mich nötigen, das Zimmer zu verlassen -, daß ich mit Schramm zugleich das Zimmer verließ; aber es ist nicht wahrscheinlich, da ich aus den bei mir deponierten Sitzungsprotokollen der damaligen Zentralbehörde ersehe, daß Schramm und ich an jenem Abend abwechselnd das Protokoll führten. Schramm war einfach wütend über Willichs schamloses Auftreten, und uns allen zur größten Überraschung zwang er ihn zum Duell. Schramm selbst hatte einige Minuten vorher keine Ahnung, daß es dazu kommen werde. Nie war eine Handlung spontaner. Willich erzählt hier wieder, er habe eine Rede gehalten: 'Du, Schramm, verläßt das Zimmer!' In der Wirklichkeit appellierte Willich an die Zentralbehörde, Schramm auszuweisen. Die Zentralbehörde ignorierte sein Begehren, und Schramm entfernte sich nur auf persönliches Zureden von Marx, der weiteren Skandal vermeiden wollte. Auf meiner Seite steht das Protokollbuch, auf der des Herrn Willich sein persönlicher Charakter.

Friedrich Engels"

Herr Willich erzählt weiter, wie er das "unwürdige Benehmen" des Flüchtlingskomitees im Arbeiterverein erzählt und einen Antrag darauf begründet hat.

"Als", berichtet das edle Bewußtsein, "als die Entrüstung gegen Marx und Clique auf das höchste stieg, stimmte ich für die Behandlung der Sache in der Zentralbehörde. Dies fand statt."

<503> Was fand statt? Willichs Stimmen oder die Behandlung in der Zentralbehörde? Welche Großmut! Seine Gebieterstimme entreißt seine Feinde der aufs höchste gestiegenen Entrüstung des Volks. Herr Willich vergißt den Umstand, daß die Zentralbehörde die geheime Behörde einer geheimen Gesellschaft, der Arbeiterverein aber eine öffentliche exoterische Gesellschaft war. Er vergißt, daß die Behandlung der Sache in der Zentralbehörde im Arbeiterverein daher nicht zum Stimmen gebracht werden und so die Samariterszene, als deren Held er figuriert, nicht vorfallen konnte. Freund Schapper wird ihm sein Gedächtnis erfrischen helfen.

Von dem öffentlichen Arbeiterverein führt uns Herr Willich in die geheime Zentralbehörde und aus der Zentralbehörde nach Antwerpen zum Duell, seinem Duelle mit Schramm:

"Schramm kam nach Ostende in Begleitung eines ehemaligen russischen Offiziers, der in der ungarischen Revolution nach seiner Aussage zu den Ungarn übergegangen war und nach dem Duell spurlos verschwand."

Dieser "ehemalige russische Offizier" ist niemand anders als Heinrich Ludwig Miskowsky.

"This is", heißt es in einem der Zeugnisse des ehemaligen russischen Offiziers, "this is to testify, that the bearer Henri Lewis Miskowsky, a Polish gentleman, has served during the late Hungarian war 1848-1849 as officer in the 46th. bataillon of the Hungarian Honveds, and that he behaved as such praiseworthy and gallantly.

London, November 12.1853. L. Kossuth, late governor of Hungary.

<Hierdurch wird bestätigt, daß der Inhaber dieses, der Pole Herr Heinrich Ludwig Miskowsky, während des letzten ungarischen Krieges von 1848/49 als Offizier im 46. Honved-Bataillon gedient und sich ausgezeichnet und tapfer verhalten hat.

London, 12. November 1853 L. Kossuth, ehemaliger Regent von Ungarn">

Verlogenes edelmütiges Bewußtsein! Aber der Zweck ist edel. Der Gegensatz des Guten und Bösen muß im stechenden Kontrast als lebendes Bild vorgeführt werden. Welch' künstlerische Gruppe! Auf der einen Seite der Edle, umgeben

"von Techow, jetzt in Australien, Vidil, französischem Husarenrittmeister, der damals im Exil, jetzt Gefangener in Algier, und Barthélemy, durch die französischen Blätter als einer der entschiedensten Revolutionäre bekannt".

Kurz, Willich in eigener Person, umgehen von den Blüten zweier Revolutionen, auf der einen Seite. Auf der andern Schramm, das Laster, verwaist [bis] auf einen "ehemaligen russischen Offizier", dessen Teilnahme an der <504> ungarischen Revolution nicht wirklich, sondern nur "nach seiner Aussage" stattfindet und der gar "nach dem Duell spurlos verschwindet", also am Ende der Teufel selber war. In malerischer Ausführung steigt die Tugend in dem "ersten Hotel" Ostendes ab, wo ein "preußischer Prinz" logiert, während das Laster mit dem russischen Offizier "in einem Privathause wohnte". Ganz scheint der russische Offizier nicht "nach dem Duelle verschwunden" zu sein, da nach Herrn Willichs fernerer Erzählung "Schramm mit dem russischen Offizier an dem Bach zurückblieb". Der russische Offizier ist auch nicht, wie der Edelmut hofft, aus der Welt verschwunden, wie nachstehende Erklärung beweist:

"London, den 24. Nov. 1853.

Unter dem 28. Okt. befindet sich ein Artikel in der 'Criminal-Zeitung' von Herrn Willich, in welchem er unter andern das mit Schramm in Antwerpen gehabte Duell 1850 beschreibt. Ich bedaure, daß die Beschreibung desselben nicht in allen Punkten wahrhaft der Öffentlichkeit übergeben worden ist. Es heißt: 'Es wurde das Duell arrangiert etc.; Schramm kam in Begleitung eines ehemaligen russischen Offiziers etc., der etc. verschwand.' Dieses ist eine Unwahrheit. Ich diente niemals Rußland, und so wie ich könnten alle anderen polnischen Offiziere in Ungarns Freiheitskampf russische genannt werden. Ich diente in Ungarn von Anfang des Kriegs von 1848, bis 1849 das Ende bei Villagos erfolgte. Ich bin auch nicht spurlos verschwunden. Nachdem Schramms Schuß fehlte, den er aus dem Lager mit 1/2 Schritt Position auf Willich abschoß, Willich auf Schramm von seinem Standpunkte aus feuerte und seine Kugel Schramms Kopf unbedeutend verletzte, blieb ich bei Schramm zurück, weil wir keinen Doktor hatten (Herr Willich hatte das Duell arrangiert), wusch ihm seine Wunde und verband dieselbe ohne Rücksicht auf sieben Menschen, die in unserer Nähe Heu machten, das Duell mit ansahen und für mich gefährlich werden konnten. Willich und seine genannten Begleiter entfernten sich eiligst vom Platze, und Schramm sowie ich blieben ruhig stehen, denselben nachsehend. Bald waren sie aus den Augen. Noch muß ich bemerken, daß Willich mit seinen Begleitern bereits auf dem Kampfplatz war, als wir daselbst ankamen, daß sie die Mensur abgesteckt hatten, in welcher Willich seine Stellung so eingenommen hatte, daß er im Dunkeln stand. Ich machte Schramm darauf aufmerksam, er sagte: Laß es gehen. Schramm war mutig, unerschrocken und ganz gleichgültig. Daß ich gezwungen in Belgien zurückblieb, ist den betreffenden Personen nicht unbekannt geblieben. Auf die weitern Umstände dieses in seiner Form so eigentümlichen Duells will ich nicht weiter eingehen.

Heinrich Ludwig Miskowsky"

Das Räderwerk des edelmütigen Bewußtseins ist aufgezogen. Eben hat es den russischen Offizier gehirnspinstet, um ihn dann spurlos verschwinden zu lassen. An seiner Stelle muß ich nun notwendig als Samiel auf dem Kampfplatze erscheinen, wenn auch in unleiblicher Gestalt.

<505> "Andern Morgens früh" (nach Herrn Willichs Eintreffen in Ostende) "zeigte er" (ein befreundeter französischer Bürger) "uns den 'Précurseur de Bruxelles', in welchem Blatte sich eine Privatkorrespondenz mit folgender Stelle fand: 'Mehrere deutsche Flüchtlinge sind in Brighton angekommen. Man schreibt uns aus dieser Stadt: Ledru-Rollin und die französischen Flüchtlinge aus London werden in diesen Tagen einen Kongreß in Ostende mit den belgischen Demokraten abhalten'. Wer kann auf die Ehre Anspruch machen, diese Idee seine eigene zu nennen? Von einem Franzosen war sie nicht, dafür war sie zu à propos <hier: passend>. Diese Ehre bleibt ungeschmälert Herrn Marx; denn wenn es auch einer seiner Freunde besorgt haben mag - der Kopf ist der Ideenfinder, nicht die Hand."

"Ein befreundeter französischer Bürger" zeigt Herrn Willich und Comp. den "Précurseur de Bruxelles". Er zeigt ihnen, was nicht existiert. Ein "Précurseur d'Anvers" existiert allerdings. Das systematische Verfälschen und Umlügen der Topographie und Chronologie bildet eine wesentliche Funktion des edelmütigen Bewußtseins. Ideale Zeit und idealer Raum sind der entsprechende Rahmen seiner idealen Erzeugnisse.

Um zu beweisen, daß diese Idee, nämlich der Artikel in dem "Précurseur de Bruxelles", "von" Marx "war", versichert Herr Willich: "von einem Franzosen war sie nicht". Diese Idee war nicht von! "Dafür war sie zu à propos." Mon dieu <Mein Gott>, eine Idee, die Herr Willich selbst nur französisch ausdrücken kann, sollte nicht von einem Franzosen sein? Aber wie kommt der Franzose überhaupt hereingeschneit, edelmütiges Bewußtsein? Was hat der Franzose zu tun mit Willich und Schramm und dem ehemaligen russischen Offizier und dem "Précurseur de Bruxelles"?

Der Gedankensprecher des edelmütigen Bewußtseins wird unzeitig laut und verrät, daß es à propos findet, ein notwendiges Zwischenglied wegzueskamotieren. Flicken wir das Glied wieder an.

Bevor Schramm Herrn Willich zum Duell provoziert hatte, hatte der Franzose Barthélemy ein Duell mit dem Franzosen Songeon verabredet, das in Belgien stattfinden sollte. Barthélemy erkor sich Willich und Vidil zu Sekundanten. Songeon war nach Belgien abgereist. Der Inzident mit Schramm kam dazwischen. Beide Duelle sollten nun an einem Tage stattfinden. Songeon stellte sich nicht. Barthélemy, bei seiner Rückkehr nach London, behauptete öffentlich: Songeon habe den Artikel im "Précurseur d'Anvers" veranlaßt.

Lange schwankte das edelmütige Bewußtsein, bis es die Idee von Barthélemy auf sich und von Songeon auf mich übertrug. Ursprünglich, wie Techow selbst [nach] seiner Rückkunft nach London mir und Engels erzählte, war es fest überzeugt, daß ich durch Schramms Vermittlung das Edle aus der Welt <506> zu schaffen beabsichtigte, und es schrieb diese Idee in alle Welt. Bei näherem Nachdenken fand es indes, daß ein diabolischer Taktiker unmöglich auf den Einfall kommen konnte, Herrn Willich durch ein Duell mit Schramm zu beseitigen. Also griff es nach der Idee, "die von einem Franzosen war".

These: "Diese Ehre bleibt ungeschmälert Herrn Marx." Beweis: "Denn wenn es" (die Idee ist natürlich dem Sittenreinen nicht weiblich, sondern geschlechtslos) "auch einer seiner Freunde besorgt haben mag" (eine Idee besorgen!) - "der Kopf ist der Ideenfinder, nicht die Hand." "Denn wenn!" Großes "denn wenn"! Um zu beweisen, daß Marx "es" erfunden hat, unterstellt Herr Willich, daß ein Freund von Marx "es" besorgt hat oder vielmehr "besorgt haben mag". Quod erat demonstrandum. <Was zu beweisen war.>

"Wenn", sagt das edelmütige Bewußtsein, "wenn es feststeht, daß Szemere, der Freund von Marx, die Krone Ungarns an die östreichische Regierung verraten, so würde das ein treffender Beleg etc. sein."

Es steht nun zwar das Gegenteil fest. Doch das gehört nicht zur Sache. Wenn Szemere einen Verrat begangen hätte, so würde das für Herrn Willich ein "treffender" Beleg sein, daß Marx den Artikel im "Précurseur de Bruxelles" besorgt hat. Wenn aber auch der Vordersatz nicht feststeht, so steht doch der Nachsatz fest, und es steht fest, daß, wenn Szemere die Krone des heiligen Stephan, Marx den heiligen Stephan selbst verraten hat.

Nachdem der russische Offizier spurlos verschwunden ist, taucht Herr Willich wieder auf; und zwar im "Arbeiterverein in London", wo

"die Arbeiter Herrn Marx einstimmig verurteilten" und "am Tage nach dem Austritt aus dem Verein in einer Generalversammlung des Londoner Kreises einstimmig aus dem Bund ausschlossen".

Vorher aber

"faßte Marx mit der Majorität der Zentralbehörde den Entschluß, dieselbe von London zu verlegen"

und trotz Schappers wohlgemeinten Remonstrationen einen Kreis für sich zu bilden. Nach den Statuten der geheimen Gesellschaft hatte die Majorität das Recht, die Zentralbehörde nach Köln zu verlegen und provisorisch den ganzen Willichschen Kreis auszuschließen, der ihr gegenüber beschlußunfähig war. Auffallend bleibt, daß das edelmütige Bewußtsein mit seiner Vorliebe für kleine dramatische Szenen, worin Herr Willich eine große rhetorische Rolle spielt, diesmal die Katastrophe selbst, die Scheidungsszene, <507> unbenutzt vorübergehen läßt. Die Versuchung war groß, aber leider existiert das trockene Protokoll und weist nach, daß der triumphierende Christus stundenlang den Anklagen der Bösen stumm und verlegen gegenüber saß, dann plötzlich ausriß, Freund Schapper im Stiche ließ und die Sprache erst wieder fand im "Kreise" der Gläubigen. En passant: Während Herr W. in Amerika die Herrlichkeiten des "durch Achtung und Vertrauen mit ihm verbundenen Arbeitervereins" verkündet, hat selbst Herr Schapper es für nötig erachtet, vorläufig aus dem Verein des Herrn Willich zurückzutreten.

Das edelmütige Bewußtsein erhebt sich für einen Moment aus der Sphäre des ihm eigentümlichen "taktischen" Prozesses zur Theorie. Indes nur zum Schein. In der Tat fährt es fort, "Proben von der Taktik des Herrn Marx" zu geben. Pag. 8 der "Enthüllungen" heißt es: "Die Partei Schapper-Willich" (Herr Willich zitiert Willich-Schapper) "hat nie auf die Ehre Anspruch gemacht, eigne Ideen zu besitzen. Was ihr gehört, ist das eigentümliche Mißverständnis fremder Ideen." Um dem Publikum seinen Vorrat an eignen Ideen zu beweisen, teilt Herr W. als seine neueste Entdeckung mit, und zwar als eine Widerlegung der Ansichten von Engels und mir, "welche Institutionen" <hier im Sinne von Anordnungen, Maßnahmen> das Kleinbürgertum, käme es zur Herrschaft, "treffen" würde. In einem von Engels und mir verfaßten Rundschreiben, das die sächsische Polizei bei Bürgers abfaßte, das in den gelesensten deutschen Zeitungen erschien und die Grundlage des Kölner Anklageakts bildet, befindet sich eine längere Ausführung über die frommen Wünsche des deutschen Kleinbürgertums. Dies der Text der Willichschen Predigt. Der Leser vergleiche Original und Kopie. Wie human von der Tugend, das Laster abzuschreiben, wenn auch mit dem "eigentümlichen Mißverständnis". Für den verschlechterten Stil entschädigt die verbesserte Gesinnung.

Pag. 64 der "Enthüllungen" heißt es, daß der Bund der Kommunisten in meiner Ansicht "die Bildung nicht der Regierungs-, sondern der Oppositionspartei der Zukunft bezweckt". Herr Willich ist edel, den vorderen Teil "nicht der Regierungs-" wegzuschwindeln, um sich an das Hinterteil "der Oppositionspartei der Zukunft" festzuklammern. Aus dieser sinnigen Halbierung des Satzes beweist er, daß die Partei der Stellenjäger die wahre Partei der Revolution ist.

Die sonstige "eigene" Idee, die Herr Willich produziert, besteht darin, daß der praktische Gegensatz zwischen dem edelmütigen Bewußtsein und seinen Gegnern auch theoretisch ausgedrückt werden kann als "eine Scheidung der Menschheit in zwei Gattungen", die Willichs und die Anti-Willichs, die <508> Gattung der Edlen und die Gattung der Unedlen. Von der Gattung der Edlen erfahren wir, daß ihr Hauptkennzeichen darin besteht, "daß sie sich anerkennen". Langweiligsein ist das Privilegium des edelmütigen Bewußtseins, wo es aufhört, durch Proben von der Taktik zu kurzweilen.

Wir haben gesehen, wie das edelmütige Bewußtsein Tatsachen umlügt oder zurechtlügt oder lächerlichen Hypothesen den Rang von ernsten Thesen anweist - alles um den Gegensatz gegen es selbst tatsächlich als das Unedle, das Niederträchtige zu konstatieren. Wir haben gesehen, wie daher seine ganze Tätigkeit ausschließlich in der Erfindung des Niederträchtigen besteht. Die umgekehrte Seite dieser Tätigkeit ist, daß es die tatsächlichen Verwickelungen, worin es selbst mit der Welt gerät, mögen sie noch so kompromittierend erscheinen, in tatsächliche Beweise des eignen Edelmuts verwandelt. Dem Reinen ist alles rein, und der Gegner, der den Edelmut an seinen Taten mißt, beweist eben dadurch, daß er der Unreine ist. Das edelmütige Bewußtsein hat sich daher nicht zu rechtfertigen, sondern nur seine sittliche Entrüstung und sein Erstaunen über den Gegner kundzugeben, der es zur Rechtfertigung zwingt. Die Episode daher, worin Herr Willich sich zu rechtfertigen vorgibt, hätte ebensogut ganz wegfallen können, wie jeder sich überzeugen wird, der meine "Enthüllungen", Hirschs Selbstbekenntnisse und Herrn Willichs Antwort vergleicht. Ich hebe daher nur an einigen Beispielen die Männer des edelmütigen Bewußtseins hervor.

Herr Willich war weniger kompromittiert durch meine "Enthüllungen" als durch Hirschs Selbstbekenntnisse, obgleich sie ursprünglich bestimmt waren, ihn als den Erlöser der eignen Feinde zu verherrlichen. Er vermeidet es daher sorgfältig, auf Hirschs Selbstbekenntnisse einzugehen. Er vermeidet, sie auch nur zu erwähnen. Hirsch ist das notorische Werkzeug der preußischen Polizei gegen die Partei, der ich angehöre. Der Tatsache stellt Herr Willich die Vermutung gegenüber, daß Hirsch eigentlich von mir bestimmt war, die Partei Willich zu "sprengen".

"Sehr bald intrigierten er" (Hirsch) "mit einigen Anhängern von Marx, namentlich einem gewissen Lochner, um den Verein zu sprengen. Infolgedessen wurde er beobachtet. Er wurde ertappt etc. Er wurde auf meinen Antrag ausgestoßen; Lochner trat für ihn auf und wurde ebenfalls ausgestoßen ... Hirsch intrigierte nun namentlich gegen O. Dietz ... Die Intrige wurde augenblicklich wieder aufgedeckt."

Daß Hirsch auf Antrag des Herrn Willich als Spion aus dem Arbeiterverein der Great Windmill Street ausgestoßen wurde, berichte ich selbst in den "Enthüllungen" pag. 67. Diese Ausstoßung war ohne alles Gewicht für <509> mich, da ich erfuhr, was Herr Willich jetzt selbst bestätigt, daß sie nicht auf den Grund erwiesener Tatsachen erfolgte, sondern auf den Verdacht eingebildeter Intrigen Hirschs mit mir. Von diesem Verbrechen wußte ich Hirsch frei. Was Lochner betrifft, so verlangte er Beweise für Hirschs Schuld. Herr Willich antwortete, daß Hirschs Subsistenzquellen unbekannt seien. Und die Subsistenzquellen des Herrn Willich? fragte Lochner. Wegen dieser "unwürdigen" Äußerung ward Lochner vor ein Ehrengericht zitiert, und da er die Sünde trotz allen geistlichen Zuspruchs nicht bereuen wollte, "ausgestoßen". Nachdem Hirsch ausgestoßen, nachdem Lochner ihm nachgesandt war, intrigiert Hirsch

"nun namentlich gegen O. Dietz mit einem sehr verdächtigen ehemaligen Polizeidiener, der Dietz bei uns denunzierte".

Stechan, einem hannoverschen Gefängnisse entsprungen, kam nach London, trat in den Willichschen Arbeiterverein und denunzierte den O. Dietz. Stechan war weder "verdächtig", noch "ehemaliger sächsischer Polizeidiener". Was ihn zur Denunziation des O. Dietz bestimmte, war der Umstand, daß der Instruktionsrichter ihm mehrere seiner an Dietz, den Sekretär des Willichschen Komitees, nach London gerichteten Briefe in Hannover vorzeigte. Ungefähr gleichzeitig mit Stechan hatte Lochner sich eingefunden, Eccarius II, eben aus der Gefängnishaft in Hannover entlassen, und ausgewiesen, Gimpel, wegen seiner Beteiligung an den schleswig-holsteinschen Angelegenheiten steckbrieflich verfolgt, und Hirsch, der 1848 wegen eines revolutionären Gedichts in Hamburg gesessen hatte und sich für abermals verfolgt ausgab. Sie bildeten mit Stechan zusammen eine Art Opposition und begingen die Sünde gegen den heiligen Geist, die Glaubenslehre des Herrn Willich in den öffentlichen Diskussionen des Vereins zu bekämpfen. Ihnen allen fiel auf, daß Stechans Denunziation gegen Dietz mit der Ausstoßung Hirschs durch Willich beantwortet wurde. Bald waren sie sämtlich aus dem Arbeiterverein ausgetreten und bildeten eine Zeitlang mit Stechan einen Verein für sich. Mit mir traten sie erst in Berührung nach ihrem Austritt aus dem Vereine des Herrn Willich. Das edelmütige Bewußtsein verrät seine Lüge durch die Verkehrung der Zeitverhältnisse und das Weglassen Stechans, des notwendigen, aber lästigen Mittelgliedes.

Ich sage pag. 66 der "Enthüllungen": "Nicht lange vor den Kölner Assisenverhandlungen schickten Kinkel und Willich einen Schneidergesellen <August Gebert> als Emissär nach Deutschland etc.".

<510> "Warum", ruft das edelmütige Bewußtsein entrüstet aus, "warum hebt Herr Marx den Schneidergesellen hervor?"

Ich hebe den Schneidergesellen nicht "hervor", wie z.B. der Edle bei Pieper "den Privatlehrer bei Rothschild" hervorhebt, obgleich Pieper seine Stelle bei Rothschild infolge des Kölner Kommunistenprozesses verlor und statt dessen die Mitredaktion am Organ der englischen Chartisten gewann. Ich nenne den Schneidergesellen einen Schneidergesellen. Warum? Weil ich seinen Namen verschweigen und doch Herrn Kinkel-Willich beweisen mußte, daß ich genau mit den Personalien ihres Emissärs bekannt war. Der Edelmut bezichtigt mich daher eines Hochverrats an sämtlichen Schneidergesellen und sucht ihre Stimmen durch eine pindarische Ode auf die Schneidergesellen zu sichern. Aus Schonung für den guten Ruf der Schneidergesellen verschweigt er großmütig, daß Eccarius, den er als einen der ausgestoßenen Böcke bezeichnet, ein Schneidergeselle ist, was den Eccarius bisher nicht daran verhindert hat, einer der größten Denker des deutschen Proletariats zu sein und durch seine englischen Artikel im "Red Republican", in den "Notes to the People" und in den "People's Paper" sich eine Autorität unter den Chartisten selbst zu erobern. In dieser Weise widerlegt Herr Willich meine Enthüllungen über die Tätigkeit des von ihm und Kinkel nach Deutschland gesandten Schneidergesellen.

Nun zum Kasus Hentze. Das edelmütige Bewußtsein sucht durch einen Ausfall auf mich seine eigene Position zu decken.

"Unter andern hat er" (Hentze) "Marx 300 Taler geborgt."

Im Mai 1849 setzte ich Herrn Rempel die finanziellen Schwierigkeiten der "Neuen Rheinischen Zeitung" auseinander, die mit der Zunahme der Abonnentenzahl zunahmen, da die Auslagen bar, die Einnahmen aber nur nachträglich zu erheben waren, und zudem bedeutende Ausfälle veranlaßt wurden durch die Desertion fast sämtlicher Aktionäre infolge der Artikel für die Pariser Juniinsurgenten und gegen die Frankfurter Parlamentler, die Berliner Vereinbarer und die Märzvereinler. Herr Rempel wies mich an Hentze, und Hentze schoß der "Neuen Rheinischen Zeitung", gegen meine schriftliche Obligation, 300 Taler vor. Hentze, damals selbst von der Polizei verfolgt, fand es nötig, Hamm zu verlassen und reiste mit mir nach Köln, wo mich die Nachricht von meiner Expulsion aus Preußen empfing. Die 300 mir von Hentze geborgten Taler, 1500 Taler Abonnentengelder, die ich von der preußischen Post erhielt, die mir gehörige Schnellpresse etc. wurden sämt- <511> lich zur Liquidation der Schulden der "Neuen Rheinischen Zeitung" an Setzer, Drucker, Papierhändler, Kontoristen, Korrespondenten, Redaktionspersonal etc. verwandt. Niemand weiß dies besser als Herr Hentze, da er selbst meiner Frau eine Reisetasche borgte, um ihr Silber zu verpacken, nach Frankfurt ins Pfandhaus zu bringen und so die Mittel für unsere Privatbedürfnisse zu beschaffen. Die Rechnungsbücher der "Neuen Rheinischen Zeitung" liegen zu Köln bei dem Kaufmann Stephan Naut, und ich ermächtige das edelmütige Bewußtsein, sich dort einen amtlich beglaubigten Auszug ausfertigen zu lassen.

Nach dieser Abschweifung zur Sache.

Die "Enthüllungen" finden es keineswegs unklar, daß Herr Willich Hentzes Freund war und Unterstützung von ihm empfing. Sie finden es unklar (pag. 65), daß Hentze, bei dem selbst eine Haussuchung stattfand und Papiere saisiert wurden, der überwiesen war, den Schimmelpfennig in Berlin auf einer geheimen Mission beherbergt zu haben, und der Mitwisserschaft am Bunde "geständig" war, daß dieser Hentze während der Epoche, wo der Kölner Prozeß zur Entscheidung drängte, wo die Aufmerksamkeit der preußischen Polizei aufs höchste gespannt und jeder halbverdächtige Deutsche in Deutschland und in England aufs strengste überwacht war, die obrigkeitliche Erlaubnis erhielt, nach London zu reisen und dort ungeniert mit Willich zu verkehren, dann aber in Köln eintraf, um gegen Becker "falsche Aussagen" zu machen. Die bestimmte Zeitepoche gibt dem Verhältnis des Herrn Hentze und Willich den bestimmten Charakter, und die erwähnten Umstände mußten Herrn Willich selbst befremden, obwohl er nicht wußte, daß Hentze von London aus mit der preußischen Polizei telegraphierte. Es handelte sich um die Zeitepoche. Herr Willich fühlt dies richtig heraus und erklärt daher in seiner edlen Art:

"Er" (Hentze), "kam vor dem Prozeß nach London" (dies behaupte ich auch); "nicht zu mir, sondern zur Industrieausstellung".

Das edelmütige Bewußtsein hat seine eigene Industrieausstellung wie seinen eigenen "Précurseur de Bruxelles". Die wirkliche Londoner Industrieausstellung wurde Oktober 1851 geschlossen; Herr Willich läßt den Hentze im August 1852 "zu ihr" reisen. Diesen Umstand können Schily, Heise und die übrigen Garanten der Kinkel-Willichschen Anleihe bezeugen, denen Herr Hentze einzeln seine Aufwartung machte, um ihre Stimmen für die Übersiedlung der amerikanischen Gelder von London nach Berlin zu gewinnen.

<512> Als Herr Hentze bei Herrn Willich verweilte, war er längst als Zeuge, nicht von der Verteidigung, sondern von der Anklage, zu den Kölner Gerichtsverhandlungen vorgeladen. Sobald wir erfuhren, Herr Willich habe Hentze instruiert, vor den Kölner Assisen gegen Becker, "den Mann von Geist und Charakter" auszusagen (pag. 68 der "Enthüllungen"), wurde sofort an Advokaten Schneider II, Beckers Verteidiger, die nötige Mitteilung gemacht; der Brief traf ein am Tage des Zeugenverhörs von Hentze, die Art seiner Aussage stimmte mit unsrer Vorhersage, Becker und Schneider interpellierten ihn daher öffentlich über sein Verhältnis zu Herrn Willich. Der Brief befindet sich in den Verteidigungsakten zu Köln, der Bericht über Hentzes Verhör in der "Kölnischen Zeitung".

Ich räsoniere nicht: Wenn es feststeht, daß Herr Hentze das und das getan hat, so würde das ein schlagender Beweis für die Tätigkeit des Herrn Willich sein; "denn wenn es auch" Freund Hentze "besorgt haben mag - der Kopf ist der Ideenfinder, nicht die Hand". Diese Dialektik überlasse ich dem edelmütigen Bewußtsein.

Kehren wir zum eigentlichen Gebiet des Herrn Willich zurück:

"Zur vollen Würdigung der" (von Marx befolgten) "Taktik noch einige Proben."

Zur Zeit des passiven Widerstandes in Hessen, des Landwehraufgebots in Preußen und des simulierten Konflikts zwischen Preußen und Österreich stand das edelmütige Bewußtsein grade auf dem Sprung, eine Militärinsurrektion in Deutschland zu vollbringen, und zwar durch Sendung eines "kurzen Entwurfs zur Bildung von Landwehrausschüssen an einige Personen in Preußen" und durch den Willen des Herrn Willich "selbst nach Preußen zu gehen".

"Herr Marx, benachrichtigt von einem der Seinen, war es, der meine beabsichtigte Abreise weiter wissen ließ und später sich rühmte, mich mit falschen Briefen aus Deutschland mystifiziert zu haben."

Indeed! <In der Tat!> Becker schickte mir mit drolligen Randglossen die tollen Briefe Willichs, die er in Köln öffentlich zum Besten gab. Ich war nicht so grausam, meinen Freunden den Genuß dieser Loktüre vorzuenthalten. Schramm und Pieper ergötzten sich daran, Herrn Willich mit Antworten, nicht "aus Deutschland", sondern vermittelst der Londoner Stadtpost zu mystifizieren. Der Edle wird sich hüten, die Poststempel der Briefe zu produzieren. Er behauptet, "einen Brief mit nachgemachter Handschrift erhalten und als falsch erkannt <513> zu haben". Unmöglich. Diese Briefe waren alle von derselben Hand geschrieben. Während Herr Willich sich daher "rühmt", eine nicht existierende nachgemachte Handschrift entdeckt und unter einer Anzahl von Briefen, von denen der eine in seiner Weise so echt war wie der andere, einen als falsch erkannt zu haben, war er viel zu edelmütig, die Mystifikation zu erkennen aus der in asiatischen Hyperbolen gehaltnen Verherrlichung seiner eignen Person, aus dem grobkomischen Eingehen in seine fixen Ideen und aus der romantischen Übertreibung seiner eignen Anmaßungen. Wäre Herrn Willichs Abreise auch ernst gemeint gewesen, so wurde sie vereitelt, nicht durch mein "Weiterwissenlassen an dritte Personen", sondern durch das Wissenlassen an Herrn Willich selbst. Der letzte Brief, den er erhielt, warf nämlich den ohnehin durchsichtigen Schleier weg. Seine Eitelkeit zwingt ihn bis auf diesen Augenblick, den Brief, der ihn enttäuschte, für falsch und die Briefe, die ihn narrten, für echt zu erklären. Glaubt das edelmütige Bewußtsein, weil es tugendhaft sei, solle es wohl sect and cakes, aber keinen Humor mehr in der Welt geben? Es war unedel von dem Edlen, das Publikum von dem Genuß dieser Briefe auszuschließen.

"Was die von Marx angegebene Korrespondenz mit Becker anbetrifft, so ist das darüber gesagte falsch."

Was diese falsche Korrespondenz anbetrifft und Herrn Willichs Absicht, in eigner Person nach Preußen zu reisen, und mein Weiterwissenlassen an dritte Personen, so fand ich es angemessen, eine Kopie der "Criminal-Zeitung" an den ehemaligen Lieutenant Steffen zu schicken. Steffen war Schutzzeuge Beckers, der ihm seine sämtlichen Papiere zur Aufbewahrung anvertraut hat. Durch die Polizei gezwungen, Köln zu verlassen, hält er sich jetzt in Chester als Lehrer auf, da er zur unedlen Gattung von Menschen gehört, die ihr Leben verdienen müssen, selbst im Exil. Das edelmütige Bewußtsein, seinem ätherischen Wesen gemäß, lebt nicht von dem Kapital, das es nicht besitzt; auch nicht von der Arbeit, die es nicht tut; es lebt - von dem Manna der öffentlichen Meinung, von der Achtung der anderen. Es streitet daher um sie als sein einziges Kapital.

Steffen schreibt mir:

"Chester, den 22. Nov. 1853

Willich ist sehr böse, daß Sie Bruchstücke aus einem Briefe Beckers mitteilen. Er bezeichnet den Brief und also auch die daraus zitierten Stellen als vorgeschützt. Dieser plumpen Behauptung stelle ich Tatsachen entgegen, um Beckers Ansicht über <514> Willich zu dokumentieren. Eines Abends gab mir Becker mit herzlichem Lachen zwei Briefe und bat mich, dieselben durchzulesen, wenn ich übler Laune sei; der Inhalt würde mich um so mehr erheitern, als ich durch meine früheren Verhältnisse imstande sei, denselben vom militärischen Standpunkt zu beurteilen. In der Tat, beim Durchlesen dieser Briefe, von August Willich an Becker gerichtet, fand ich höchst komische und merkwürdige Parolebefehle (um mich eines passenden königlich preußischen Ausdrucks zu bedienen), in welchen der große Feldmarschall und soziale Messias von England aus den Befehl gibt, Köln zu nehmen, das Privatvermögen zu konfiszieren, eine künstlich konstruierte militärische Diktatur zu etablieren, einen militärisch-sozialen Kodex einzuführen, alle Zeitungen bis auf eine zu verbieten, welche die Befehle über die vorschriftsmäßige Denk- und Handlungsweise täglich zu bringen habe, und eine Menge Details mehr. Willich war gütig genug zu versprechen, daß wenn in Köln und der preußischen Rheinprovinz das Stück Arbeit getan sei, er selbst kommen werde, zu sondern die Böcke von den Schafen und zu richten die Lebendigen und die Toten. Willich gibt an, daß sein 'kurzer Entwurf leicht ausführbar gewesen wäre, wenn einige Personen die Initiative ergriffen hätten' und 'daß er die bedeutendsten Folgen' (für wen?) 'gehabt haben würde'. Ich möchte zu meiner Belehrung wohl wissen, welche tiefsinnigen 'Landwehroffiziere' Herrn Willich das 'später erklärten' und ob diese Herren, die an 'die bedeutendsten Folgen des kurzen Entwurfs' zu glauben vorschützten, sich während der Zusammenziehung der preußischen Landwehr in England aufhielten oder in Preußen, wo das Kind der Welt produziert werden sollte? Es ist sehr hübsch von Willich gewesen, daß er die Geburtsanzeige und die Beschreibung des Kindes 'einigen' Personen zugeschickt hat. Keine dieser Personen scheint jedoch mehr Neigung gehabt zu haben, Gevatter bei der Taufe zu stehen, als Becker, 'der Mann von Verstand und Charakter'. Willich hat einmal einen Adjutanten hinübergeschickt, namens ... <In Marx' Pamphlet "Herr Vogt" wird an dieser Stelle Schimmelpfennig angeführt> Dieser erzeigte mir die Ehre, mich rufen zu lassen, und war sehr fest überzeugt, daß er alle Verhältnisse von vornherein besser beurteilen könne als irgend jemand, der Tag für Tag den Tatsachen ins Auge sah. Er bekam daher eine sehr geringe Meinung von mir, als ich ihm mitteilte, die Offiziere der preußischen Armee würden sich nicht glücklich schätzen, unter seinem und Willichs Banner zu fechten, wären gar nicht geneigt, die Willichsche Republik citissime zu erklären. Noch mehr erzürnte er, als kein Mensch unsinnig genug war, seine fertig mitgebrachte Aufforderung an die Offiziere, sofort offen zu 'das' sich zu erklären, was er die Demokratie nannte, vervielfältigen zu wollen. Wütend verließ er 'das von Marx geknechtete Köln' (wie er mir schrieb) und bewirkte die Vervielfältigung dieses Blödsinns in einem andern Orte, sandte ihn an eine Menge Offiziere, und so kam es, daß das keusche Geheimnis dieser schlauen Methode, die preußischen Offiziere zu Republikanern zu machen, von dem 'Zuschauer' der 'Kreuzzeitung' prostituiert wurde.

Willich erklärt seinen absoluten Unglauben, daß Personen von dem 'Charakter und Geist Beckers' über sein Projekt lachen konnten. Er erklärt das Aussprechen dieser Tatsache für eine plumpe Unwahrheit. Wenn er den Kölner Prozeß gelesen hätte, und <515> er hätte doch wahrlich Ursache dazu, so hätte er gefunden, daß Becker sowohl als ich das in dem von Ihnen veröffentlichten Brief enthaltene Urteil über seine Projekte öffentlich ausgesprochen haben. Wünschte Willich eine richtige militärische Schilderung der damaligen Verhältnisse, die er nach seiner Phantasie modelte, so kann ich damit dienen.

Ich bedaure, daß Willich nicht allein in Weydemeyer und Techow ehemalige Kameraden findet, die seiner militärischen Genialität und praktischen Auffassung der Verhältnisse die gewünschte Bewunderung versagen.

W. Steffen"

Nun zur Schluß-"Probe von der Taktik von Marx".

Herr Willich gibt eine phantastische Beschreibung eines im Jahre 1851 abgehaltenen Februarbanketts, das von Louis Blanc als eine Gegendemonstration gegen das Bankett von Ledru-Rollin und gegen den Einfluß von Blanqui veranstaltet war.

"Herr Marx war natürlich nicht zugezogen."

Natürlich nicht. Es konnte sich Jeder für 2 Schilling zuziehen, und Louis Blanc fragte Marx einige Tage später mit großem Nachdruck, warum er nicht erschienen sei.

"Es wurde darauf" (worauf? auf dem Bankett?) "ein nicht gehaltner Toast Blanquis mit einer das Fest schmähenden Einleitung, in welcher Schapper und Willich als Volksverführer bezeichnet wurden, als Flugschrift in Deutschland unter den Arbeitern verbreitet."

Der "nicht gehaltene Toast Blanquis" gehört wesentlich zur Geschichte des edelmütigen Bewußtseins, das im Glauben an den höhern Sinn seiner Worte mit Entschiedenheit zu äußern pflegt: "Ich lüge nie!"

Einige Tage nach dem Bankett brachte die Pariser "Patrie" einen Toast, den Blanqui auf Verlangen den Festordnern von Belle Île [aus] eingesandt hatte, worin er in seiner gewohnten prägnanten Form die gesamte provisorische Regierung von 1848 und speziell den Vater des Banketts, Herrn Louis Blanc, geißelte. Die "Patrie" stellte sich verwundert, daß dieser Toast während des Banketts unterschlagen worden sei. Sofort erklärt Louis Blanc in der Londoner "Times", Blanqui sei ein abominabler Intrigant und habe dem Festkomitee einen solchen Toast nie zugeschickt. Die Herren Louis Blanc, Landolphe, Barthélemy, Vidil, Schapper und Willich selbst erklärten im Namen des Festkomitees in der "Patrie", den fraglichen Toast nie erhalten zu haben. Die "Patrie" jedoch, bevor sie die Erklärung abdrucken ließ, erkundigte sich bei <516> Herrn Antoine, Blanquis Schwager, der ihr den Toast zur Veröffentlichung mitgeteilt hatte. Unter die Erklärung der obengenannten Herren druckte sie Antoines Antwort ab: Er habe den Toast allerdings Barthélemy zugeschickt und von ihm auch Empfangsanzeige erhalten. Herr Barthélemy erklärte "darauf", er habe den Toast zwar erhalten, ihn aber als unpassend zurückgelegt, ohne dem Komitee davon Anzeige zu machen. Aber leider hatte schon vorher der ebenfalls mitunterzeichnete Exkapitän Vidil der "Patrie" geschrieben, sein militärisches Ehrgefühl und sein Wahrheitsinstinkt drängen ihm das Geständnis ab, daß er selbst, Louis Blanc, Willich und alle die anderen in der ersten Erklärung gelogen hätten. Das Komitee habe nicht aus den genannten sechs, es habe aus 13 Mitgliedern bestanden. Ihnen allen sei der Toast Blanquis vorgelegt, von ihnen allen sei er diskutiert und nach längerer Debatte durch eine Majorität von 7 gegen 6 unterdrückt worden. Er habe sich unter den 6 befunden, die für seine Verlesung gestimmt.

Man begreift den Jubel der "Patrie", als sie, nach denn Vidilschen Brief, die Erklärung des Herrn Barthélemy erhielt. Sie ließ ihn mit folgendem "Vorwort" abdrucken:

"Wir haben uns oft gefragt, und die Frage ist schwer zu beantworten, was bei den Demagogen größer sei, ihre Ruhmredigkeit oder ihre Dummheit. Ein vierter Brief von London vermehrt noch unsre Verlegenheit. Da sind ihrer, wir wissen nicht wie viele arme Teufel, in einem solchen Grade gemartert von der Wut zu schreiben und ihren Namen in den reaktionären Blättern genannt zu sehen, daß sie selbst vor einer grenzenlosen Beschämung und Selbstherabsetzung nicht zurückschrecken. Was liegt ihnen am Gelächter und der Indignation des Publikums - das 'Journal des Débats', die 'Assemblée nationale', die 'Patrie' werden ihre Stilübungen abdrucken; um dies Glück zu erreichen, ist kein Preis der kosmopolitischen Demokratie zu hoch ... Im Namen der literarischen Commisération nehmen wir daher den folgenden Brief des Bürgers Barthélemy auf; er ist ein neuer, und wir hoffen der letzte Beweis für die Echtheit des nur zu berühmten Toastes Blanquis, den sie erst Alle geleugnet und für dessen Beteuerung sie sich jetzt untereinander in die Haare geraten."

Soweit die Geschichte des Blanqui-Toastes. Die Société des proscrits démocrates [et] socialistes <Gesellschaft der geächteten (französischen) Demokraten [und] Sozialisten (in London)> brach in Folge des "nicht gehaltnen Toastes Blanquis" ihr Kartell mit dem Vereine des Herrn Willich ab.

In der Société des proscrits démocrates [et] socialistes ging gleichzeitig mit der Spaltung im deutschen Arbeiterverein und der deutschen Kommunisten-Gesellschaft eine Scheidung vor sich. Eine Anzahl Mitglieder, der Hinneigung zur bürgerlichen Demokratie, zum Ledru-Rollinismus verdächtig, reichte ihre <517> Entlassung ein und wurde dann nachträglich ausgeschlossen. Sollte das edelmütige Bewußtsein nun dieser Gesellschaft erklären, was es jetzt den bürgerlichen Demokraten erklärt, Engels und Marx hätten es verhindert, der bürgerlichen Demokratie in die Arme zu sinken, "mit allen Revolutionsgefährten durch die Bande der Sympathie vereinigt" zu bleiben, oder sollte es ihnen sagen, daß "bei der Trennung die verschiedenen Ansichten über die revolutionäre Entwicklung keine Rolle spielten"? Das edle Bewußtsein erklärte vielmehr umgekehrt, die Scheidung sei in beiden Gesellschaften aus demselben prinzipiellen Gegensatze hervorgegangen, Engels, Marx etc., hätten das Bourgeoiselement repräsentiert in dem deutschen Verein wie Madier und Konsorten in dem französischen. Der Edle befürchtet sogar, die bloße Berührung mit diesem Bourgeoiselement möchte den "wahren Glauben" gefährden, und stellte daher in stiller Größe den Antrag, daß das Bourgeoiselement "selbst nicht als Besucher" in die Gesellschaft des proscrits zugelassen werden solle.

Erfunden! Falsch! ruft das edelmütige Bewußtsein in seinen gesinnungstüchtigen Monosyllaben. Meine "Proben der Taktik"! Voyons! <Schauen wir nach!>

"Présidence du citoyen Adam. Séance du 30 Sept. 1850.

Trois délégués de la société démocratique allemande de Windmill-Street sont introduits. Ils donnent connaissance de leur mission qui consiste dans la communication dune lettre dont il est fait lecture. (In diesem Briefe werden die Gründe der Scheidung angeblich auseinendergesetzt.) "Le citoyen Adam fait remarquer l'analogie qui existe entre les événements qui viennent de s'accomplir dans les deux sociétés de chaque côté l'élément bourgeois et le parti prolétaire ont fait scission dans les circonstances identiques etc. etc. Le citoyen Willich demande que les membres démissionnaires" (er verbessert sich dann, wie das Protokoll sagt, und sagt: "expulsés") "de la société allemande, ne puissent être reçus même comme visiteurs dans la société française." (Extraits conformes au texte original des procès verbaux.)

"L'archiviste de la société des proscrits démocrates [et] socialistes J. Clédat"

<Sitzung vom 30. Sept. 1850 Unter dem Vorsitz des Bürgers Adam.

Drei Delegierte der demokratischen deutschen Gesellschaft von Windmill Street werden vorgestellt. Sie geben ihre Mission bekannt, die darin besteht, einen Brief zu übermitteln, der verlesen wird." (In diesem Brief werden die Gründe der Scheidung angeblich auseinandergesetzt.) "Der Bürger Adam macht auf die Analogie aufmerksam, die zwischen den Ereignissen besteht, welche sich in beiden Gesellschaften abgespielt haben, bei beiden habe das Bourgeoiselement und die proletarische Partei sich unter den gleichen Umständen voneinander geschieden etc. etc. Der Bürger Willich beantragt, daß die demissionierten Mitglieder" (er verbessert sich dann, wie das Protokoll sagt, und sagt: "ausgeschlossenen") "der deutschen Gesellschaft selbst nicht als Besucher in der französischen Gesellschaft zugelassen werden sollen." (Auszüge aus dem Originaltext der Protokolle.)

Der Archivar der Gesellschaft der geächteten Demokraten [und] Sozialisten J. Clédat">

<518> Hiermit schließt die süßklingende, wunderliche, hochtrabende, unerhörte, wahrhafte und abenteuerliche Geschichte des weltbekannten Ritters vom edelmütigen Bewußtsein.

An honest mind and plain; he must speak truth,
And they will take it, so; if not, he's plain
These kind of knaves I know.
<Ein ehrlich grad Gemüt spricht nur die Wahrheit!
Geht's durch, nun gut, wenn nicht, - so ist er grade.
Ich kenne Schurken...>

Karl Marx

London, den 28. November 1853.