Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 340-367.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Infanterie

Geschrieben September bis etwa 10. Oktober 1859.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band IX]

<340> Infanterie - die Fußsoldaten einer Armee. Das Gros, wenn nicht gar die Gesamtstärke aller Armeen hat, außer bei Nomadenstämmen, immer aus Fußsoldaten bestanden. Daher bildete sogar bei den ersten asiatische Armeen, bei den Assyrern, Babyloniern und Persern, die Infanterie, wenigstens zahlenmäßig, den Hauptteil des Heeres. Bei den Griechen bestand die Armee anfangs ausschließlich aus Infanterie. Das wenige, was wir über die Zusammensetzung, Organisation und Taktik der alten asiatischen Infanterie wissen, ist schon in dem Artikel Armee dargelegt worden, auf den wir uns hinsichtlich vieler Einzelheiten, deren Wiederholung hier überflüssig wäre, beziehen. In dem vorliegenden Artikel werden wir uns nur auf die Darstellung der wichtigsten taktischen Grundzüge in der Geschichte diese Waffengattung beschränken und deshalb gleich bei den Griechen beginnen

I. Griechische Infanterie

Die Schöpfer der griechischen Taktik waren die Dorer, und von ihnen waren es die Spartaner, die die alte dorische Schlachtordnung bis zu Vollkommenheit entwickelten. Ursprünglich waren alle Klassen, aus denen sich das dorische Gemeinwesen zusammensetzte, zum Militärdienst verpflichtet, und zwar nicht nur die vollberechtigten Bürger, die die Aristokratie bildeten, sondern auch die nicht vollberechtigten Periöken und sogar die Sklaven. Sie gehörten alle der gleichen Phalanx an, nahmen jedoch darin verschiedene Positionen ein. Die Vollbürger mußten schwerbewaffnet erscheinen, mit einer Schutzausrüstung, bestehend aus Helm, Küraß, Beinschienen aus Bronze, einem großen mit Leder bezogenen hölzernen Schild, genügend hoch, um den ganzen Körper zu schützen, sowie mit einem Speer <341> und einem Schwert. Sie bildeten, entsprechend ihrer Anzahl, das erste oder das erste und zweite Glied der Phalanx. Hinter ihnen standen die nichtvollberechtigten Bürger und die Sklaven, so daß jeder spartanische Aristokrat sein persönliches Gefolge hinter sich stehen hatte; dieses war ohne die kostspielige Schutzausrüstung und vertraute auf den ihm durch die vorderen Glieder und deren Schilde gebotenen Schutz. Die Angriffswaffen der Periöken und Sklaven waren Schleudern, Wurfspeere, Messer, Dolche und Keulen.

So bildete die dorische Phalanx eine tiefe Linie, mit den Hopliten, das heißt der schweren Infanterie, in den vorderen, den gymnetae, also der leichten Infanterie, in den hinteren Gliedern. Die Hopliten mußten den Feind durch den Angriff mit ihren Speeren ins Wanken bringen; einmal in die feindlichen Reihen eingedrungen, zogen sie ihre kurzen Schwerter und rückten im Nahkampf weiter vor, während die Gymneten, die den Angriff durch das Schleudern von Steinen und Wurfspeeren über die Köpfe der vorderen Glieder hinweg vorbereitet hatten, das Vorrücken der Hopliten dadurch unterstützten, daß sie den verwundeten, noch kämpfenden Feinden den Todesstoß versetzten.

Die Taktik eines solchen Truppenkörpers war demnach sehr einfach; taktisches Manövrieren gab es kaum. Mut, Zähigkeit, körperliche Stärke sowie individuelle Behendigkeit und Geschicklichkeit der Kämpfenden, besonders der Hopliten, entschieden alles.

Diese patriarchalische Vereinigung aller Klassen des Volkes in derselben Phalanx verschwand bald nach den Perserkriegen hauptsächlich aus politischen Gründen. Die Folge war, daß sich die Phalanx jetzt nur noch aus Hopliten zusammensetzte und daß die leichte Infanterie, wo sie noch weiterhin bestand oder neu gebildet wurde, getrennt in zerstreuter Ordnung kämpfte.

In Sparta bildeten die Vollbürger zusammen mit den Periöken die schwerbewaffnete Phalanx; die Heloten folgten mit dem Troß oder als Schildträger (hypaspistae). Eine geraume Zeit genügte diese Phalanx allen in der Schlacht an sie gestellten Ansprüchen, aber im Peloponnesischen Krieg zwangen die Leichtbewaffneten der Athener die Spartaner bald dazu, ähnliche Truppen aufzustellen. Sie bildeten allerdings keine besonderen gymnetae, sondern ließen ihre jüngeren Männer in zerstreuter Ordnung kämpfen. Als sich die Anzahl der Vollbürger und sogar die der Periöken gegen Ende dieses Krieges stark verringert hatte, waren die Spartaner gezwungen, Phalangen schwerbewaffneter Sklaven zu formieren, die von Vollbürgern befehligt wurden.

<342> Nachdem die Athener die aus den ärmeren Bürgern, dem persönlichen Gefolge und den Sklaven bestehenden gymnetae aus der Phalanx ausgeschlossen hatten, schufen sie spezielle Korps leichter Infanterie, bestehend aus Gymneten oder Psilen, die zum Plänkeln bestimmt und ausschließlich für den Fernkampf bewaffnet waren, wie Schleuderer (sphendonetae), Bogenschützen (toxotae) und Speerwerfer (acontistae); die letzteren wurden nach dem kleinen Schild (pelta), den nur sie trugen, auch peltastae genannt.

Diese neue Art der leichten Infanterie, die sich ursprünglich aus den ärmeren Bürgern Athens rekrutierte, wurde sehr bald fast ausschließlich aus Söldnern und den Kontingenten der Bundesgenossen Athens gebildet. Mit dem Augenblick, da diese Leichtbewaffneten eingesetzt wurden, war die schwerfällige dorische Phalanx nicht länger fähig, allein eine Schlacht zu führen. Auch ihr Menschenmaterial hatte sich fortlaufend verschlechtert: in Sparta durch das allmähliche Absterben der Militäraristokratie, in den anderen Städten durch den Einfluß des Handels und des Wohlstandes, der mit der Zeit die für das Altertum charakteristische Verachtung des Todes untergrub. So verlor die jetzt aus einem Aufgebot nicht sehr heldenhafter Männer formierte Phalanx viel von ihrer alten Bedeutung. Sie bildete den Hintergrund, die Reserve der Schlachtlinie, vor der die Leichtbewaffneten kämpften oder hinter die sie sich, wenn bedrängt, zurückzogen; von der Phalanx wurde aber kaum erwartet, daß sie selbst mit dem Feind in den Nahkampf trete. Auch dort, wo sich die Phalanx aus Söldnern zusammensetzte, war es um sie nicht viel besser bestellt. Wegen ihrer Schwerfälligkeit war sie zum Manövrieren untauglich, besonders auf leicht hügeligem Gelände, und ihr ganzer Wert lag im passiven Widerstand. Dies führte zu zwei Reformversuchen durch Iphikrates, einem Söldnergeneral. Dieser griechische Condottiere vertauschte die alten kurzen Speere der Hopliten (8-10 Fuß lang) gegen bedeutend längere, so daß bei geschlossenen Reihen die Speere von 3 oder 4 Gliedern vorn herausragten und gegen den Feind wirksam werden konnten; dadurch wurde die Defensivkraft der Phalanx bedeutend gestärkt. Andererseits stattete Iphikrates seine Peltasten mit einer leichten Schutzausrüstung und einem guten Schwert aus und exerzierte mit ihnen die Evolutionen der Phalanx, um so eine Streitmacht zu schaffen, die fähig war, Schlachten durch geschlossene und doch schnelle Angriffe zu entscheiden Wenn der Befehl zum Angriff gegeben wurde, gingen die Peltasten mit einer Schnelligkeit vor, wie sie bei der Phalanx der Hopliten unerreichbar war überschütteten den Feind mit einem Hagel von Wurfspeeren aus 10 oder 20 Yard Entfernung und brachen dann mit dem Schwert in seine Reihen ein.

<343> Die Einfachheit der alten dorischen Phalanx hatte so einer weit komplizierteren Schlachtordnung Platz gemacht; die Handlungen des Befehlshabers waren eine wichtige Voraussetzung des Sieges geworden; taktische Manöver wurden nun möglich.

Epaminondas erkannte als erster das große taktische Prinzip, das bis zum heutigen Tag fast alle regelrechten Schlachten entscheidet: die ungleichmäßige Verteilung der Truppen auf der Frontlinie, um den Hauptangriff auf einen entscheidenden Punkt zu konzentrieren. Bisher waren die Schlachten der Griechen in paralleler Ordnung ausgetragen worden, die Stärke der Frontlinie war an allen Punkten gleich. War eine Armee der gegnerischen zahlenmäßig überlegen, so bildete sie entweder eine tiefere Schlachtordnung, oder sie überragte die andere Armee an beiden Flügeln. Epaminondas dagegen bestimmte einen seiner Flügel für den Angriff und den anderen für die Verteidigung. Der angreifende Flügel setzte sich aus seinen besten Truppen und aus dem Gros seiner Hopliten zusammen, die in einer tiefen Kolonne formiert waren und denen leichte Infanterie und Kavallerie folgten. Der andere Flügel war natürlich bedeutend schwächer und wurde zurückgehalten, während die angreifende Kolonne die Linie des Feindes durchbrach, sich dann entweder entfaltete oder einschwenkte und so den Feind mit Unterstützung der leichten und berittenen Truppen aufrollte.

Der durch Iphikrates und Epaminondas erzielte Fortschritt wurde noch weiter entwickelt, als Makedonien die Führung der Hellenen übernommen hatte und sie gegen Persien führte. Die langen Speere der Hopliten finden wir in der makedonischen sarissa noch mehr verlängert. Die peltastae des Iphikrates erscheinen in einer verbesserten Form in Alexanders hypaspistae wieder. Der rationelle Einsatz der Kräfte, den Epaminondas in der Schlachtordnung einführte, wurde schließlich von Alexander auf eine derartige Kombination verschiedener Waffengattungen ausgedehnt, wie sie Griechenland mit seiner unbedeutenden Kavallerie niemals hervorgebracht haben könnte. Alexanders Infanterie setzte sich zusammen aus der Phalanx der Hopliten, die die defensive Stärke der Schlachtordnung darstellte, und aus der leichten, in zerstreuter Ordnung kämpfenden Infanterie, die den Feind in der ganzen Front angriff und auch an der endgültigen Herbeiführung des Sieges teilhatte. Fernerhin bestand Alexanders Infanterie aus den hypaspistae, zu denen seine eigene Leibwache gehörte, die trotz leichter Ausrüstung noch immer regulärer Manöver einer Phalanx fähig waren und jene Art mittlerer <344> Infanterie bildeten, die mehr oder weniger beiden, der geschlossenen und der zerstreuten Ordnung, angepaßt war. Trotzdem haben weder Griechenland noch Makedonien eine bewegliche Infanterie geschaffen, auf die Verlaß war, wenn sie einer festen Phalanx gegenüberstand. In einem solchen Fall setzte Alexander seine Kavallerie ein. Der angreifende Flügel wurde aus dem Gros seiner schweren Kavallerie formiert, die aus makedonischen Adligen ausgewählt war; mit ihnen kämpften die hypaspistae. Ihr Einsatz folgte dem Angriff der Berittenen. Sie warfen sich in die von der Kavallerie geschlagene Bresche, festigten so den von dieser erzielten Erfolg und behaupteten sich inmitten der feindlichen Stellung.

Nach der Eroberung des Zentrums des Persischen Reiches benutzte Alexander seine Hopliten hauptsächlich als Besatzung für die eroberten Städte. Sie verschwanden bald aus der Armee, die durch ihren kühnen und schnellen Vormarsch die asiatischen Stämme bis zum Indus und Jaxartes unterwarf. Diese Armee bestand hauptsächlich aus Kavallerie, Hypaspisten und leichter Infanterie, während die solchen Märschen nicht gewachsene Phalanx auf Grund der Art des zu bezwingenden Feindes überflüssig wurde.

Unter den Nachfolgern Alexanders verschlechterte sich die Infanterie wie auch die Kavallerie und ihre Taktik absolut und sehr rasch. Die beiden Flügel der Schlachtordnung wurden ausschließlich aus Kavallerie und das Zentrum aus Infanterie gebildet; der letzteren vertraute man jedoch so wenig, daß sie durch Elefanten gedeckt wurde. In Asien gewann das vorherrschende asiatische Element bald die Oberhand und machte die Armeen der Seleukiden so gut wie wertlos. In Europa gewann die makedonische und griechische Infanterie wieder an Festigkeit, aber damit kehrte die frühere ausschließlich angewandte Phalanxtaktik zurück.

Leichte Truppen und Kavallerie gewannen nicht wieder an Bedeutung, obwohl viel Mühe und Scharfsinn an nutzlose Versuche verschwendet wurde, um der Phalanx die Beweglichkeit zu geben, die sie auf Grund ihres besonderen Charakters niemals erreichen konnte, bis schließlich die römische Legion dem ganzen System ein Ende bereitete.

Die taktische Organisation und die Manöver der Phalanx waren mehr als einfach. Im allgemeinen 16 Mann tief (unter Alexander), bildete eine Linie von 16 Reihen genau ein Quadrat, und dieses, das syntagma, stellte die evolutionäre Einheit dar; 16 Syntagmen oder 256 Reihen bildeten eine Phalangarchie von 4.096 Mann und 4 davon wieder die vollständige Phalanx. Die Phalangarchie formierte in der Schlachtordnung eine 16 Mann tiefe Linie; sie wechselte zur Marschordnung, indem sie eine Wendung rechtsum oder linksum machte oder in Syntagmen einschwenkte. In jedem Falle <345> formierte sie sich zu einer geschlossenen Kolonne in Gliedern von 16 Mann. Waren sie in Linie formiert, so konnte die Tiefe verstärkt und die Front verkürzt werden, indem die Glieder dupliert wurden, wobei sich die Reihen mit geraden Zahlen hinter die mit ungeraden stellten. Die entgegengesetzte Bewegung wurde durch Duplieren der Reihen erzielt und dadurch die Tiefe von 16 auf 8 Mann pro Reihe reduziert. Wenn der Feind plötzlich im Rücken der Phalanx erschien, wurde der Kontermarsch nach Reihen durchgeführt; die dadurch verursachte Umkehrung (jede Reihe war in ihrer eigenen Sektion oder ihrem Syntagma auf dem falschen Platz) wurde manchmal durch den Kontermarsch nach Gliedern jeder Sektion wieder richtiggestellt. Wird die Handhabung der Spieße noch hinzugerechnet, so haben wir die verschiedenen Punkte der militärischen Ausbildung der Hopliten des Altertums angeführt. Es ist selbstverständlich, daß die leichteren Truppen, obwohl eigentlich nicht zum Kampf in geschlossener Ordnung bestimmt, noch immer in den Bewegungen der Phalanx ausgebildet wurden.

II. Römische Infanterie

Das lateinische Wort legio diente ursprünglich dazu, die Gesamtheit der für den Felddienst ausgewählten Männer zu bezeichnen, und war somit gleichbedeutend mit Armee. Später, als die Ausdehnung des römischen Territoriums und die Stärke der Gegner der Republik größere Armeen erforderten, wurden diese in mehrere Legionen unterteilt, wobei jede Legion eine der ursprünglichen römischen Armee ähnliche Stärke hatte. Bis zur Zeit des Marius setzte sich jede Legion sowohl aus Infanterie als auch aus Kavallerie zusammen; die letztere hatte ungefähr ein Zehntel der Stärke der ersteren.

Ursprünglich scheint die Infanterie der römischen Legion ähnlich organisiert gewesen zu sein wie die alte dorische Phalanx, nämlich in einer tiefen Linie kämpfend, wobei die Patrizier und reicheren Bürger in schwerer Rüstung die vorderen Glieder bildeten und die ärmeren und leichter bewaffneten Plebejer hinter ihnen standen. Aber ungefähr zur Zeit der Samnitenkriege begann sich eine Änderung in der Organisation der Legion zu vollziehen, die sie bald in einen vollständigen Gegensatz zur griechischen Phalanx brachte und über die uns Polybios, nachdem sie in den Punischen Kriegen ihre volle Entwicklung erreicht hatte, einen vollständigen Bericht gibt. Die Legion - im allgemeinen wurden für jeden Feldzug vier ausgehoben - setzte sich nun aus vier Klassen von Infanterie zusammen: <346> velites, hastati, principes und triarii. Die erste war eine aus Rekruten gebildete leichte Infanterie; die triarii, aus Veteranen bestehend, waren die Reserve der Armee; die anderen beiden Klassen, der übrige Teil der Armee, bildeten die Hauptkampftruppe oder Linieninfanterie und unterschieden sich darin, daß die principes aus dem Kreis jener Männer ausgewählt wurden, die nach den triarii am längsten gedient hatten.

Die velites trugen lederne Kappen und leichte runde Schilde als Schutzausrüstung, außerdem Schwerter und eine Anzahl leichter Wurfspeere. Die übrigen drei Klassen hatten Metallhelme, einen mit Metallplatten beschlagenen Lederharnisch und Beinschienen aus Metall. Die hastati und principes trugen neben einem kurzen Schwert zwei pila, das heißt Wurfspieße, einen leichten und einen sehr schweren; der letztere war die spezielle Angriffswaffe der römischen Infanterie. Er bestand aus dickem, schwerem Holz mit einer langen Eisenspitze, wog insgesamt mindestens 10 lbs. und war mit der Spitze beinahe 7 Fuß lang. Er konnte nur aus sehr kurzer Entfernung, etwa 8-12 Yard, geworfen werden, aber auf Grund seines Gewichts war seine Wirkung auf die leichte Schutzausrüstung jener Zeit furchtbar. Die triarii trugen außer dem Schwert Speere an Stelle von pila.

Jede Legion bestand aus 1.200 hastati, die in 10 Manipel, gleichbedeutend mit Kompanien, von je 120 Mann unterteilt waren, fernerhin aus der gleichen Anzahl principes mit ähnlicher Unterteilung, aus 600 triarii in 10 Manipeln von je 60 Mann und aus 1.200 velites, von denen 40 jedem der 30 Manipel zugeteilt waren und die, wenn nicht anderweitig eingesetzt, die hinteren Glieder bildeten.

Die hastati formierten die erste Linie, wobei sich jeder Manipel, wahrscheinlich 6 Mann tief, in Linie aufstellte, mit einem Intervall zum nächsten Manipel von der Länge seiner Front. Diese war, da der für jeden Mann im Glied bestimmte Raum 6 Fuß betrug, ungefähr 120 Fuß lang und erstreckte sich in der ganzen Linie auf 2.400 Fuß. Hinter ihnen, in der zweiten Linie, nahmen die 10 Manipel der principes Aufstellung, die die Intervalle der Manipel der ersten Linie deckten, und hinter den principes die triarii, jede Linie in angemessener Entfernung zu der vor ihr stehenden. Die Veliten kämpften in aufgelöster Ordnung vor der Front und an den Flanken. Durch Duplieren der Glieder konnte die Kampfaufstellung auf die Hälfte der ursprünglichen Frontlänge, das heißt auf 1.200 Fuß, reduziert werden. Diese ganze Schlachtordnung war für den Angriff berechnet.

Durch die geringe Größe der taktischen Einheiten und die dadurch gewonnene große Bewegungsfreiheit konnte die Legion auf nahezu jeder Art von Gelände kämpfen und war dadurch der griechischen Phalanx, die <347> flaches Gelände benötigte und durch ihre Schwerfälligkeit sehr bald zu einer reinen Defensivformation herabgesunken war, bedeutend überlegen. Die Legion rückte vor; aus 8-12 Yard Entfernung schleuderten die hastati, die wahrscheinlich zu diesem Zweck ihre Reihen duplierten, die schweren pila in die Phalanx, deren Speere noch nicht bis zu den Römern reichten. Nachdem sie so die geschlossene Ordnung der Phalanx durcheinandergebracht hatten, warfen sie sich mit dem Schwert in der Hand auf den Feind. War ein einzelner Manipel in Unordnung geraten, so wirkte sich dies nicht auf die benachbarten aus; denn wenn sich der Kampf ohne eine sofortige Entscheidung fortsetzte, marschierten die principes in den Intervallen der hastati auf, schleuderten ihre pila und brachen ebenfalls mit dem Schwert in die feindliche Phalanx ein, wodurch sie den hastati die Möglichkeit gaben, sich vom Feind zu lösen und sich hinter den triarii neu zu formieren. In außergewöhnlichen Fällen gingen die letzteren vor, um entweder den Sieg endgültig herbeizuführen oder einen geordneten Rückzug zu sichern. Die Veliten leisteten gemeinsam mit der Kavallerie Vorpostendienste, engagierten den Feind am Anfang der Schlacht durch kleine Gefechte und verfolgten ihn beharrlich. Das leichte pilum der hastati und principes scheint hauptsächlich in der Verteidigung benutzt worden zu sein, um in den Reihen eines vorrückenden Feindes Unordnung zu stiften, ehe er für das schwere pilum nahe genug herangekommen war.

Märsche nach vorn wurden an einem der beiden Flügel begonnen, der erste Manipel der hastati an der Spitze, gefolgt von dem jeweils ersten Manipel der principes und der triarii, dann die 3 zweiten Manipel in der gleichen Ordnung und so fort. Flankenmärsche wurden in 3 Kolonnen ausgeführt, wobei jede der 3 Klassen der Infanterie eine Kolonne bildete; der Troß befand sich auf der Seite, die am weitesten vom Feind entfernt war. Falls der Feind an der Seite auftauchte, an der die triarii marschierten, machte die Armee halt und drehte sich dem Feind zu. Die principes und hastati passierten dann durch die Intervalle der Manipel der triarii und nahmen ihre richtigen Positionen ein.

Als nach dem zweiten Punischen Krieg die andauernden Kriege und ausgedehnten Eroberungen der Römer, zusammen mit wichtigen sozialen Veränderungen in Rom und Italien überhaupt, die allgemeine Militärdienstpflicht fast unmöglich machten, setzten sich die römischen Armeen allmählich aus freiwilligen Rekruten zusammen, die den ärmeren Klassen entstammten. So entstanden Berufssoldaten an Stelle der alten Miliz, in die alle Bürger einbezogen waren. Hierdurch änderte sich der Charakter der Armee völlig, und da sich die Elemente, aus der sie sich zusammensetzte, <348> verschlechterten, wurde eine Reorganisation immer notwendiger. Marius führte diese Reorganisation durch.

Die römische Reiterei hörte auf zu bestehen. Was an Kavallerie noch übrigblieb, bestand aus barbarischen Söldnern oder Kontingenten der Bundesgenossen. Die Einteilung der 4 Klassen in der Infanterie wurde abgeschafft. Die velites wurden durch Kontingente der Bundesgenossen oder durch Barbaren ersetzt, und der übrige Teil der Legion war aus ein und derselben Klasse gebildet - der Linieninfanterie, die wie die hastati oder principes bewaffnet war, nur ohne das leichte pilum.

Der Manipel wurde als taktische Einheit durch die Kohorte ersetzt, ein im Durchschnitt 360 Mann starker Truppenkörper, ursprünglich entstanden durch die Vereinigung von 3 Manipeln zu einem, so daß jetzt die Legion in 10 Kohorten eingeteilt war, die im allgemeinen in 3 Linien aufgestellt wurden (jeweils 4, 3 und 3 Kohorten). Die Kohorte war 10 Mann tief formiert, mit 3 bis 4 Fuß Front für jede Reihe, so daß sich die gesamt Front der Legion sehr stark verkürzte (auf ungefähr 1.000 Fuß). Auf dies Weise wurden nicht nur die taktischen Bewegungen sehr vereinfacht, sondern darüber hinaus wurde auch der Einfluß des Befehlshabers der Legion viel unmittelbarer und wirksamer.

Die Bewaffnung und Ausrüstung jedes Soldaten wurde leichter; aber andererseits mußte er den größeren Teil seines Gepäcks auf hölzernen Gabeln tragen, die für diesen Zweck von Marius erfunden worden waren (muli Mariani <Maultiere des Marius>); die impedimenta der Armee wurden damit bedeutend verringert. Andererseits mußte die Konzentration von 3 Manipeln zu einer Kohorte die Manövrierfähigkeit auf unebenem Gelände vermindern. Das Fehlen des leichten pilum verringerte die Defensivkraft, und die Abschaffung der Veliten, die nicht immer voll ersetzt wurden durch ausländische Hilfstruppen, Söldner oder durch antesignani (Männer, die von Cäsar aus den Reihen der Legion für den Dienst in der leichten Infanterie ausgewählt waren, die aber keine Waffen für den Fernkampf hatten), ließ weniger Möglichkeiten offen, ein Treffen aufrechtzuerhalten und doch einer Entscheidung auszuweichen. Der schnelle, entschlossene Angriff wurde für diese Legionen die einzig geeignete Gefechtsform. Die römische Infanterie bestand immer noch aus Römern oder zumindest aus Italikern, und obwohl das Reich unter den Cäsaren verfiel, behauptete sie ihren alten Ruhm so lange, wie der nationale Charakter gewahrt blieb. Aber als das römische Bürgerrecht nicht mehr eine notwendige Bedingung für den Eintritt in die Legion war, verlor <349> die Armee bald ihr Ansehen. Schon zur Zeit Trajanus' bildeten Barbaren, teils aus den römischen Provinzen, teils aus nichteroberten Ländern, das Gros der Legionen, und von diesem Zeitpunkt an hatte die römische Infanterie ihre typischen Merkmale verloren. Die schwere Rüstung wurde abgeschafft und das pilum durch den Speer ersetzt. Die in Kohorten organisierte Legion war wieder zu einer schwerfälligen Phalanx geworden. Da in dieser Periode eine allgemeine Abneigung, ins Handgemenge zu geraten, für die Infanterie typisch war, wurden der Bogen und der Wurfspeer jetzt nicht nur zum Plänkeln, sondern auch in der geschlossenen Ordnung der Linieninfanterie benutzt.

III. Die Infanterie des Mittelalters

Der Niedergang der römischen Infanterie fand im Niedergang der byzantinischen Fußsoldaten seine Fortsetzung. Eine Art Zwangsrekrutierung wurde noch beibehalten, aber nur mit dem Ergebnis, den schlimmsten Abschaum der Armee zu formieren. Barbarische Hilfstruppen und Söldner bildeten ihre besten Teile, aber auch diese waren von geringem Wert. Die hierarchische und administrative Organisation der Truppen war bis zu einem fast vollendeten Zustand des Bürokratismus entwickelt worden, jedoch mit dem gleichen Resultat, das wir jetzt in Rußland sehen: eine vollkommene Organisation der Unterschlagung und des Betrugs auf Kosten des Staats, mit Armeen, die enorme Summen verschlingen und dabei zum Teil nur auf dem Papier existieren. Die Berührung mit der irregulären Reiterei des Ostens verminderte sowohl die Bedeutung als auch die Qualität der Infanterie immer mehr. Berittene Bogenschützen wurden zur beliebtesten Waffengattung; der größere Teil, wenn nicht gar die ganze Infanterie, erhielt als Ausrüstung neben Speer und Schwert auch noch den Bogen. So wurde der Fernkampf zur Regel, und das Handgemenge wurde als nicht mehr zeitgemäß erachtet. Die Infanterie schätzte man so gering ein, daß man sie absichtlich vom Schlachtfeld fernhielt und hauptsächlich zum Garnisondienst verwandte. Die meisten Schlachten des Belisar wurden ausschließlich von der Kavallerie geschlagen, und wenn die Infanterie an ihnen beteiligt war, so lief sie bestimmt davon. Belisars Taktik basierte ausschließlich auf dem Prinzip der Vermeidung eines Handgemenges und der Ermattung des Feindes. Wenn er damit gegen die Goten, die überhaupt keine Fernwaffen hatten, erfolgreich war, indem er unebenes Gelände auswählte, auf dem ihre Phalanx nicht in Aktion treten konnte, so wurde er <350> von den Franken geschlagen, deren Infanterie etwas von der alten römischen Kampfweise besaß, und ebenso von den Persern, deren Kavallerie seiner eigenen unzweifelhaft überlegen war.

Die Germanen, die in das Römische Reich eindrangen, kämpften ursprünglich zum größten Teil als Infanterie und in einer Art dorischer Phalanx, die Stammesältesten und wohlhabenderen Männer in den vorderen Gliedern, die anderen hinter ihnen. Ihre Waffen waren das Schwert und der Speer. Die Franken trugen jedoch kurze doppelschneidige Streitäxte, die sie, wie die Römer das pilum, in die feindlichen Reihen schleuderten, bevor sie diese mit dem Schwert in der Hand angriffen. Die Franken und die Sachsen behielten für längere Zeit eine gute und respektable Infanterie bei; aber allmählich gingen die teutonischen Eroberer überall zum Kavalleriedienst über und überließen den Dienst als Fußsoldaten den besiegten Bewohnern der römischen Provinzen; so kam es, daß der Infanteriedienst als ein Dienst von Sklaven und Leibeigenen verachtet wurde und daß der Stand der Fußsoldaten zwangsläufig an Ansehen verlor.

Gegen Ende des 10. Jahrhunderts war die Kavallerie die einzige Waffengattung, die die Schlachten in ganz Europa wirklich entschied. Obwohl die Infanterie in jeder Armee viel zahlreicher war als die Kavallerie, war sie nicht mehr als ein schlecht bewaffneter Haufe, fast ohne Ansätze zur Organisation. Ein Fußsoldat wurde nicht einmal als Soldat angesehen, das Wort miles <Soldat> wurde gleichbedeutend mit Reiter. Die einzige Möglichkeit, eine respektable Infanterie zu unterhalten, bestand bei den Städten, besonders in Italien und Flandern. Sie hatten ihre eigene Miliz, die sich notwendigerweise aus Infanterie zusammensetzte und die zur Verteidigung der Städte wegen der nie endenden Fehden unter den Adligen der Umgebung ständig aufgeboten war. Daher fand man es bald angebracht, eine Söldnertruppe an Stelle einer aus Bürgern bestehenden Miliz zu haben; diese war für außergewöhnliche Anlässe vorgesehen. Dennoch finden wir nicht, daß die Kontingente der Städte eine bedeutende Überlegenheit zeigten gegenüber dem zusammengelaufenen Haufen von Fußsoldaten, die die Adligen um sich sammelten und die sie in der Schlacht stets zur Bewachung der Bagage zurückließen. Zumindest trifft dies für die klassische Periode des Rittertums zu.

In der Kavallerie jener Zeit erschien jeder Ritter cap-à-pied <von Kopf bis Fuß> bewaffnet und in voller Rüstung; er ritt ein ähnlich gepanzertes Pferd. Ihn begleiteter ein etwas leichter bewaffneter Schildknappe und verschiedene andere berittene Männer, die keine Rüstung trugen und mit Bogen bewaffnet waren. <351> In der Schlachtordnung waren diese Kräfte nach einem der alten dorischen Phalanx ähnlichen Prinzip aufgestellt: die schwerbewaffneten Ritter im ersten, die Knappen im zweiten Glied und die berittenen Bogenschützen dahinter. Die letzteren wurden bald, ihrer Bewaffnung entsprechend, abgesessen eingesetzt, eine Kampfart, die bei ihnen immer mehr zur Regel wurde, so daß ihre Pferde nicht zum Angriff, sondern hauptsächlich zur Fortbewegung dienten. Die mit dem Langbogen bewaffneten englischen Bogenschützen - die südeuropäischen trugen Armbruste - zeichneten sich besonders in dieser Kampfweise zu Fuß aus, und sehr wahrscheinlich führte dieser Umstand bald dazu, daß sich die Kampfweise zu Fuß in dieser Waffengattung immer mehr verbreitete. Ohne Zweifel wurden die Pferde der schwerbewaffneten Ritter bei ihren langen Feldzügen in Frankreich bald erschöpft und taugten nur noch als Beförderungsmittel. Es war ganz natürlich, daß die am schlechtesten berittenen gens d'armes in einer solchen Lage abstiegen und eine Phalanx aus Lanzen bildeten, die von dem besseren Teil der Fußsoldaten (besonders den Wallisern) ergänzt wurde, während diejenigen, deren Pferde noch zu einer Attacke fähig waren, jetzt die eigentliche kämpfende Kavallerie bildeten. Eine solche Anordnung schien für Verteidigungsschlachten sehr gut geeignet; darauf beruhten alle Schlachten des Schwarzen Prinzen <Eduard, Prinz von Wales>, die bekanntlich vollen Erfolg hatten. Die neue Kampfweise wurde bald von den Franzosen und anderen Nationen übernommen und kann als fast allgemeingültiges System des 14. und 15. Jahrhunderts angesehen werden. So sind wir nach 1.700 Jahren beinahe wieder zu der Taktik Alexanders zurückgekehrt, mit dem einzigen Unterschied, daß unter Alexander die Kavallerie eine neu eingeführte Waffengattung war, die eine dem Verfall ausgesetzte schwere Infanterie zu verstärken hatte, während hier die aus abgesessenen Reitern gebildete schwere Infanterie ein lebendiger Beweis für den Verfall der Kavallerie und den beginnenden Wiederaufstieg der Infanterie war.

IV. Das Wiederaufleben der Infanterie

Aus den Städten Flanderns, dem damals ersten Industriegebiet der Welt, und von den Schweizer Bergen kamen die ersten Truppen, die nach Jahrhunderten des Niedergangs wieder den Namen Infanterie verdienten. Die französische Ritterschaft unterlag den Webern und Walkern, den Gold- <352> schmieden und Gerbern der belgischen Städte genauso wie der burgundische und österreichische Adel den Bauern und Kuhhirten der Schweiz. Gute Verteidigungsstellungen und eine leichte Bewaffnung taten das ihre, im Falle der Flamen noch durch zahlreiche Feuerwaffen und bei den Schweizern durch ein Land unterstützt, das für die schwerbewaffneten Ritter dieser Zeit fast unpassierbar war.

Die Schweizer trugen hauptsächlich kurze Hellebarden, die sowohl zum Stoßen als auch zum Schlagen benutzt werden konnten und für den Nahkampf nicht zu lang waren; später hatten sie auch Piken, Armbruste und Feuerwaffen; aber in einer ihrer berühmtesten Schlachten, der von Laupen (1339), hatten sie für den Fernkampf keine anderen Waffen als Steine. Von defensiven Gefechten in ihren unzugänglichen Bergen gingen sie bald zu offensiven Schlachten in der Ebene über und damit mehr zu einer regulären Taktik. Sie kämpften in einer tiefen Phalanx; ihre Schutzausrüstung war leicht und im allgemeinen auf die vorderen Glieder und die Flankenreihen beschränkt, während das Zentrum aus Männern ohne Rüstung bestand. Die Schweizer Phalanx war jedoch immer in 3 verschiedene Haufen gegliedert, in Avantgarde, Haupttrupp und Arrieregarde, so daß größere Beweglichkeit und die Möglichkeit für mannigfaltige taktische Gruppierungen gesichert waren. Sie verstanden es bald, die Unebenheiten des Geländes geschickt auszunutzen, was sie, in Verbindung mit der Verbesserung der Feuerwaffen, vor dem Angriff der Kavallerie schützte, während sie gegen eine mit langen Spießen bewaffnete Infanterie verschiedene Mittel ersannen, um irgendwo eine Bresche in den Wald von Spießen zu schlagen; durch ihre kurzen, schweren Hellebarden waren sie dann sogar den Männern in Rüstung gewaltig überlegen. Sie lernten sehr bald, besonders bei Unterstützung durch Artillerie und kleine Feuerwaffen, Kavallerieattacken durch Aufstellung im Karree oder in Kreuzform standzuhalten. Sobald aber eine Infanterie das wieder vermochte, waren die Tage des Rittertums gezählt.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts kämpften, ebenso wie die Städte, nun auch die Herrscher der größeren sich konsolidierenden Monarchien überall gegen den Feudaladel, und zu diesem Zweck gingen sie daran, Söldnerarmeen zu bilden sowohl zur Niederhaltung des Adels als auch zur Verfolgung selbständiger außenpolitischer Ziele. Neben den Schweizern begannen die Deutschen und bald darauf die meisten anderen europäischen Nationen, große Söldnerkontingente zu unterhalten, die durch Freiwilligenwerbung aufgestellt wurden und ohne Berücksichtigung der Nationalität für den Meistbietenden Dienst leisteten. Diese Haufen formierten sich <353> taktisch nach dem gleichen Prinzip wie die Schweizer; sie waren hauptsächlich mit Piken bewaffnet und kämpften in großen quadratischen Bataillonen mit ebensoviel Mann in der Tiefe wie in der Lange. Sie mußten allerdings unter anderen Umständen kämpfen als die Schweizer, die ihre Berge verteidigten; sie mußten sowohl angreifen als auch in Verteidigungspositionen aushalten; sie mußten dem Feind in den italienischen und französischen Ebenen und in den Bergen gleichermaßen entgegentreten, und sie standen sehr bald den nun schnell verbesserten Handfeuerwaffen gegenüber. Diese Umstände verursachten einige Abweichungen von der alten Schweizer Taktik, die sich entsprechend den verschiedenen Nationalitäten unterschieden; aber das Hauptmerkmal, die Gliederung in 3 tiefen Kolonnen, die dem Namen nach, wenn auch nicht immer in Wirklichkeit, als Avantgarde, Haupttrupp und Arrieregarde oder Reserve in Erscheinung traten, blieb allen gemeinsam.

Die Schweizer behielten ihre Überlegenheit bis zur Schlacht von Pavia, nach der die deutschen Landsknechte <Landsknechte: in der "New American Cyclopædia" deutsch>, die schon seit einer geraumen Zeit den Schweizern beinahe, wenn nicht gar völlig ebenbürtig waren, als die erste Infanterie Europas betrachtet wurden. Die Franzosen, deren Infanterie bisher zu nichts taugte, bemühten sich in dieser Periode sehr, eine schlagkräftige nationale Truppe von Fußsoldaten zu bilden; aber sie hatten nur bei Bewohnern von zwei Provinzen, den Picarden und den Gascognern, Erfolg. Die italienische Infanterie dieser Periode zählte überhaupt nicht. Die Spanier jedoch, bei denen Gonsalvo de Górdova während der Kriege gegen die Mauren von Granada zuerst die Schweizer Taktik und Bewaffnung einführte, errangen bald einen bedeutenden Namen, und seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts galten sie als die beste Infanterie Europas. Während die Italiener und nach ihnen die Franzosen und Deutschen die Piken von 10 auf 18 Fuß verlängerten, behielten die Spanier kürzere und handlichere Piken, und ihre Behendigkeit machte sie im Nahkampf mit Schwert und Dolch sehr gefürchtet. Diesen Ruf hielten sie in Westeuropa - zumindest in Frankreich, Italien und den Niederlanden - bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts aufrecht.

Die Nichtachtung der Schutzausrüstung durch die Schweizer, die auf den Traditionen einer anderen Zeit beruhte, wurde von den Pikenieren des 16. Jahrhunderts nicht geteilt. Sobald eine europäische Infanterie gebildet wurde, wobei deren verschiedene Armeen sich in ihren militärischen Qualitäten immer mehr anglichen, erwies sich das System als unzureichend, die <354> Phalanx mit einer dünnen Linie von Männern zu umgeben, die mit Brustharnischen und Helmen ausgerüstet waren. Hatten die Schweizer bisher eine solche Phalanx für unüberwindlich gehalten, so traf das nicht mehr zu, wenn sich ihr eine andere vollkommen gleichwertige Phalanx entgegenstellte. Jetzt gewann eine angemessene Schutzausrüstung einige Bedeutung; solange diese nicht zu sehr die Beweglichkeit der Truppen behinderte, war sie entschieden von Vorteil. Überdies hatten die Spanier niemals die Unterschätzung der Brustharnische geteilt, und man begann allgemein, die Schutzausrüstung anzuerkennen. Dementsprechend wurden Brustharnisch, Helme, Beinschienen, Armrüstung und Panzerhandschuhe wieder zu einem Teil der regulären Ausrüstung der Pikeniere. Dazu kam noch ein Schwert, das bei den Deutschen kürzer, bei den Schweizern länger war -, und manchmal ein Dolch.

V. Die Infanterie des 16. und 17. Jahrhunderts

Der Langbogen war seit geraumer Zeit, außer in der Türkei, vom europäischen Kontinent verschwunden. Die Armbrust wurde zuletzt von den Gascognern im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts verwandt. Man ersetzte sie überall durch die Luntenschloßmuskete, die in verschiedenen Graden der Vollkommenheit, oder vielmehr Unvollkommenheit, jetzt zur zweiten Waffe der Infanterie wurde. Die Luntenschloßmusketen des 16. Jahrhunderts, unhandliche und fehlerhaft konstruierte Maschinen, waren von sehr schwerem Kaliber, um neben der Schußweite zumindest eine gewisse Präzision und die Kraft zu gewährleisten, den Brustharnisch eines Pikeniers zu durchdringen. Um 1530 wurde allgemein die von einer Gabel abgefeuerte schwere Muskete verwandt, da man ohne eine solche Stütze nicht hätte zielen können. Die Musketiere trugen einen Säbel, aber keinerlei Schutzausrüstung; sie wurden entweder zum Plänkeln oder in einer Art offener Ordnung eingesetzt, um die Verteidigungspositionen zu halten oder den Ansturm der Pikeniere beim Angriff auf solche Stellungen vorzubereiten. Die Zahl der Musketiere nahm im Verhältnis zu den Pikenieren rasch zu; während sie in den Schlachten Franz I. in Italien zahlenmäßig weit schwächer waren als die Pikeniere, waren sie 30 Jahre später zumindest gleich stark. Die wachsende Anzahl der Musketiere erforderte für ihre ständige Einbeziehung in die Schlachtordnung die Erfindung einer entsprechenden taktischen Methode. Diese fand ihren Ausdruck in einem taktischen System, das die kaiserlichen Truppen während ihrer Kriege gegen die Türken in <355> Ungarn entwickelten, genannt die Ungarische Ordonnanz. Die Musketiere, unfähig, sich im Nahkampf zu verteidigen, wurden immer so aufgestellt, daß sie sich hinter die Pikeniere zurückziehen konnten. So stellte man sie manchmal an einem der beiden Flügel, manchmal auch an den 4 Ecken der Flügel auf; sehr oft wurde das ganze Karree oder die Kolonne der Pikeniere von einer Reihe Musketiere umgeben, die unter den Piken der hinter ihnen stehenden Männer Schutz fanden.

Schließlich setzte sich in dem neuen taktischen System, das von den Niederländern in ihrem Unabhängigkeitskrieg eingeführt worden war, der Plan durch, die Musketiere an den Flanken der Pikeniere zu postieren. Dieses System wird besonders gekennzeichnet durch die Unterteilung einer jeden Armee in 3 große Phalangen, entsprechend der schweizerischen und ungarischen Taktik. Jede von ihnen bestand aus 3 Linien, von denen die mittlere wiederum in einen rechten und einen linken Flügel gegliedert war. Die Entfernung beider Flügel voneinander entsprach zumindest der Frontlänge der ersten Linie. Die ganze Armee war in Halbregimentern organisiert, die wir Bataillone nennen wollen; jedes Bataillon hatte seine Pikeniere im Zentrum und seine Musketiere an den Flanken. Die aus 3 Regimentern bestehende Avantgarde eines Heeres wäre demnach folgendermaßen formiert worden: 2 Halbregimenter in zusammenhängender Front in der ersten Linie; hinter jedem ihrer Flügel ein anderes Halbregiment; weiter zurück, die erste Linie deckend, die restlichen 2 Halbregimenter ebenfalls in zusammenhängender Front. Der Haupttrupp und die Arrieregarde wären entweder an der Flanke oder hinter der Avantgarde aufgestellt, aber nach dem gleichen Plan formiert worden. Hier haben wir in bestimmtem Maße eine Rückkehr zur alten römischen Formation in 3 Linien und bestimmten kleinen Trupps.

Die Kaiserlichen und mit ihnen die Spanier hielten es für notwendig, ihre großen Armeen in mehr als die schon erwähnten 3 Truppenkörper zu teilen; aber ihre Bataillone oder taktischen Einheiten waren viel größer als die niederländischen; sie kämpften in Kolonnen oder im Karree anstatt in Linie und hatten keine reguläre Formation für die Schlachtordnung, bis die Spanier während des niederländischen Unabhängigkeitskrieges begannen, sie in der als Spanische Brigade bekannten Ordnung aufzustellen. Vier dieser großen Bataillone - jedes meist aus mehreren Regimentern bestehend, im Quadrat formiert, von ein oder zwei Reihen Musketieren umgeben, mit Schützenflügeln an den Ecken - waren in bestimmten Zwischenräumen <356> an den 4 Ecken eines Karrees so aufgestellt, daß eine Ecke dem Feind zugewandt war. Wenn die Armee für eine Brigade zu groß war, konnten 2 gebildet werden; daraus ergaben sich 3 Linien mit 2 Bataillonen in der ersten, 4 (manchmal nur 3) in der zweiten und 2 in der dritten Linie. Hier zeigt sich ebenso wie im niederländischen System der Versuch, zu dem alten römischen System der 3 Linien zurückzukehren.

Während des 16. Jahrhunderts erfolgte noch eine andere große Veränderung. Die schwere Kavallerie der Ritter löste sich auf und wurde durch Söldnerkavallerie ersetzt, die ähnlich wie unsere modernen Kürassiere mit Küraß, Helm, Säbel und Pistolen bewaffnet war. Diese Kavallerie war ihren Vorgängern an Beweglichkeit weit überlegen und stellte somit auch für die Infanterie eine größere Bedrohung dar; jedoch hatten die damaligen Pikeniere niemals Furcht vor ihr. Durch diese Veränderung wurde die Kavallerie eine einheitliche Waffengattung und ging mit einem weit stärkeren Anteil in die Zusammensetzung der Armeen ein, besonders in der jetzt zu betrachtenden Periode, nämlich im Dreißigjährigen Krieg.

In dieser Zeit war das System des Söldnerdienstes in Europa allgemein verbreitet; es war eine Kategorie von Männern geschaffen worden, die vom Krieg und durch den Krieg lebte. Obwohl sich die Taktik dabei vielleicht verbesserte, hat der Charakter der Männer, die Zusammensetzung des Menschenmaterials der Armee wie auch ihre Moral bestimmt gelitten. Mitteleuropa war von Condottieri aller Schattierungen überlaufen, die religiöse und politische Streitigkeiten als Vorwand nahmen, das ganze Land zu plündern und zu verwüsten. Der Charakter des einzelnen Soldaten entartete immer mehr, bis die Französische Revolution dieses System des Söldnerdienstes endgültig hinwegfegte.

Die Kaiserlichen schlugen ihre Schlachten nach dem spanischen Brigadesystem, 4 oder mehr Brigaden in Linie, somit 3 Linien bildend. Die Schweden formierten sich unter Gustav Adolf in Schwedischen Brigaden, jede aus 3 Bataillonen bestehend, von denen das eine vorn und die beiden anderen etwas weiter hinten standen, jedes in Linie aufmarschiert, die Pikeniere im Zentrum und die Musketiere an den Flügeln. Sie wurden so aufgestellt (beide Waffengattungen zahlenmäßig gleich stark vertreten), daß durch Bildung einer zusammenhängenden Linie jeweils eine Waffengattung die andere decken konnte. Angenommen, es wurde ein Befehl zur Bildung einer zusammenhängenden Linie von Musketieren gegeben, so würden die beiden Flügel dieser Waffengattung im Mittel- oder Frontbataillon ihre Pikeniere decken, indem sie sich vor diese stellen, während die Flügel der anderen beiden Bataillone, jeder an der entsprechenden Flanke, vorrücken, <357> bis sie mit den ersten in gleicher Linie stehen. War ein Kavallerieangriff zu erwarten, dann zogen sich alle Musketiere hinter die Pikeniere zurück, während die beiden Flügel der Pikeniere vorrückten, um sich mit dem Zentrum in Linie auszurichten und somit eine zusammenhängende Linie von Pikenieren zu bilden. Die Schlachtordnung wurde von 2 Linien solcher Brigaden, dem Zentrum der Armee, formiert, während die zahlreiche Kavallerie an beiden Flügeln aufgestellt und durch kleine Trupps von Musketieren verstärkt war. Charakteristisch für dieses schwedische System ist, daß die Pikeniere, die im 16. Jahrhundert die große offensive Waffengattung darstellten, nun jede Angriffsfähigkeit verloren hatten. Sie waren zu einer bloßen Defensivkraft geworden, und ihre Aufgabe bestand darin, die Musketiere vor einem Angriff der Kavallerie zu decken; wieder war es die zuletzt erwähnte Waffengattung, die den Angriff in vollem Umfang durchzuführen hatte. Somit hatte die Infanterie an Bedeutung verloren, während die Kavallerie wieder an Bedeutung gewonnen hatte; dann aber setzte Gustav Adolf dem Feuern, das eine beliebte Kampfform der Kavallerie geworden war, ein Ende und befahl seiner Reiterei, stets in vollem Galopp und mit dem Säbel in der Hand zu attackieren. Von diesem Zeitpunkt an bis zur Wiederaufnahme des Kampfes in hügeligem Gelände konnte sich jede Kavallerie, die diese Taktik anwandte, großer Erfolge über die Infanterie rühmen. Es kann keine größere Verurteilung der Söldnerinfanterie des 17. und 18. Jahrhunderts geben als diese, und trotzdem stellte sie für alle Kampfzwecke die disziplinierteste Infanterie aller Zeiten dar.

Das allgemeine Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges in bezug auf die europäische Taktik war, daß beide, die Schwedische und die Spanische Brigade, verschwanden und die Armeen nun in 2 Linien aufgestellt wurden, wobei die Kavallerie die Flügel und die Infanterie das Zentrum bildete. Die Artillerie wurde vor die Front gestellt oder in die Intervalle der anderen Waffengattungen. Manchmal wurde eine Kavalleriereserve oder eine aus Kavallerie und Infanterie bestehende Reserve zurückbehalten. Die Infanterie war in Linie, 6 Mann tief, aufgestellt. Die Musketen wurden soviel leichter, daß auf die Gabeln verzichtet werden konnte, und man führte überall Patronen sowie Patronentaschen ein.

Das Zusammenfassen von Musketieren und Pikenieren in den gleichen Infanteriebataillonen führte jetzt zu den kompliziertesten taktischen Bewegungen, die alle auf der Notwendigkeit basierten, sogenannte Defensivbataillone, oder, wie wir heute sagen würden, Karrees, gegen die Kavallerie zu bilden. Sogar in einem einfachen Karree war es keine Kleinigkeit, die 6 Reihen Pikeniere aus dein Zentrum so auseinanderzuziehen, daß sie die <358> Musketiere, die gegenüber der Kavallerie natürlich schutzlos waren, an allen Seiten völlig umgaben; aber was muß es bedeutet haben, auf ähnliche Weise das Bataillon als Kreuz, als Oktagon oder in anderen phantasievollen Formen aufzustellen! So geschah es, daß das Exerzierreglement dieser Periode das komplizierteste war, das es je gegeben hat, und niemand, außer einem Soldaten auf Lebenszeit hatte je eine Chance, darin auch nur die einfachste Fertigkeit zu erlangen. Es ist gleichzeitig klar, daß alle diese Versuche, vor dem Feind eine Truppe zu formieren, die fähig war, der Kavallerie zu widerstehen, völlig nutzlos waren; jede ordentliche Kavallerie wäre inmitten eines solchen Bataillons gewesen, ehe ein Viertel der vorgesehene Bewegungen hätte durchgeführt werden können.

Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Anzahl der Pikeniere, im Verhältnis zu den Musketieren, sehr stark herabgesetzt; denn von dem Zeitpunkt an, da die Pikeniere jegliche Angriffskraft verloren hatten, waren die Musketiere der wirklich aktive Teil der Infanterie. Überdies stellte man fest, daß die türkische Kavallerie, die gefürchtetste dieser Zeit, sehr oft in die Karrees der Pikeniere einbrach, während sie genauso oft durch das gut gezielte Feuer einer Musketierlinie zurückgeschlagen wurde. Als Folge schafften die Kaiserlichen die Piken in ihrer ungarischen Armee überhaupt ab und ersetzten sie manchmal durch chevaux de frise <spanische Reiter>, die im Felde zusammengesetzt wurden; die Musketiere trugen die Federn als Teil ihrer regulären Ausrüstung. Auch in anderen Ländern ergaben sich Fälle, in denen Armeen ohne einen einzigen Pikenier ins Feld geschickt wurden; die Musketiere vertrauten auf ihr Feuer und auf die Unterstützung ihrer eigenen Kavallerie, wenn sie durch einen Reiterangriff bedroht wurden. Dennoch waren zwei Erfindungen notwendig, um die Pike gänzlich abzuschaffen: das Bajonett, das um 1640 in Frankreich erfunden und 1699 so weit verbessert wurde, daß die jetzt gebräuchliche handliche Waffe entstand, ferner das um 1650 erfundene Steinschloßgewehr. Das Bajonett, obwohl sicherlich ein mangelhafter Ersatz für die Pike, ermöglichte es dem Musketier, sich selbst in bestimmtem Maße den Schutz zu geben, den er bisher von den Pikenieren erhalten sollte; das Steinschloßgewehr hingegen befähigte ihn, durch die Vereinfachung des Ladeprozesses und das dadurch erzielte schnelle Feuern die Unzulänglichkeiten des Bajonetts mehr als wettzumachen.

VI. Die Infanterie des 18. Jahrhunderts

<359> Mit der Abschaffung der Pike wurde auch die Schutzausrüstung der Infanterie völlig beseitigt, und diese Waffengattung setzte sich jetzt nur noch aus Soldaten zusammen, die mit dem Steinschloßgewehr und dem Bajonett bewaffnet waren. Diese Veränderung wurde in den ersten Jahren des Spanischen Erbfolgekrieges erreicht und fällt zusammen mit den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts. Zur gleichen Zeit finden wir jetzt überall stehende Heere von bedeutender Stärke, die soweit wie möglich durch Freiwilligenwerbung, verbunden mit Menschenraub, rekrutiert wurden, aber wenn notwendig auch durch Zwangsaushebung. Diese Armeen organisierte man nun regulär als taktische Einheiten in Bataillonen von 500 bis 700 Mann, zu besonderen Anlässen in Kompanien unterteilt; mehrere Bataillone bildeten ein Regiment.

Auf diese Weise begann die Organisation der Infanterie eine stabilere und ausgeglichenere Form anzunehmen. Der Umgang mit dem Steinschloßgewehr erforderte viel weniger Platz als der mit dem alten Luntenschloßgewehr. Die alte offene Ordnung wurde abgeschafft, und die Reihen wurden eng zusammengeschlossen, um soviel Schützen wie möglich auf dem gleichen Raum zu haben. Aus demselben Grunde setzte man die Intervalle zwischen den verschiedenen Bataillonen der Schlachtlinie auf ein Minimum herab, so daß die ganze Front eine starre, ununterbrochene Linie bildete, die Infanterie in 2 Linien im Zentrum, die Kavallerie an den Flügeln. Das früher übliche gliedweise Feuern, wobei sich jedes Glied nach dem Feuern nach hinten zurückzog, um neu zu laden, wurde nun durch Peloton- oder Kompaniefeuer ersetzt, und zwar schossen die 3 vorderen Glieder eines jeden Pelotons auf Kommando gleichzeitig. So konnte durch jedes Bataillon ein ununterbrochenes Feuer gegen den vor ihm stehenden Feind aufrechterhalten werden. Jedes Bataillon hatte seinen besonderen Platz in dieser langen Linie, und diese Ordnung, die jedem seinen Standort zuwies, wurde Schlachtordnung genannt.

Die große Schwierigkeit lag nun darin, die Marschordnung so zu organisieren, daß die Armee immer mit Leichtigkeit von der Marsch- zur Kampfordnung übergehen konnte und daß jeder Teil der Linie sofort und schnell an seinen richtigen Platz gelangte. In der Reichweite des Feindes diente die Anlage des Feldlagers dem gleichen Ziel. Dadurch wurden während dieser Periode in der Kunst des Marschierens und Lagerns große Fortschritte gemacht; trotzdem bedeutete die Starrheit und Schwerfälligkeit der Schlachtordnung ein Hemmnis für alle Bewegungen einer Armee. Diese Starre in <360> der Ordnung und die Unmöglichkeit, mit einer solchen Linie irgendwo anders als auf völlig ebenem Gelände zu manövrieren, beschränkte gleichzeitig die Auswahl des zum Schlachtfeld geeigneten Terrains; aber solange beide Seiten durch dieselben Ketten gefesselt waren, war dies für keine von beiden ein Nachteil. Von Malplaquet an bis zum Ausbruch der Französischen Revolution war eine Straße, ein Dorf oder ein Bauernhof von der Infanterie verpönt, sogar ein Graben oder eine Hecke wurde von denen, die sie zu verteidigen hatten, beinahe als ein Hindernis angesehen.

Die preußische Infanterie ist die klassische Infanterie des 18. Jahrhunderts. Sie wurde im wesentlichen von Fürst Leopold von Dessau gebildet. Während des Spanischen Erbfolgekrieges war die Infanterielinie von 6 auf 4 Mann Tiefe verringert worden. Leopold schaffte das vierte Glied ab und stellte die Preußen 3 Mann tief auf. Er führte auch den eisernen Ladestock ein, der es den preußischen Truppen ermöglichte, fünfmal in der Minute zu laden und zu feuern, während andere Truppen kaum dreimal schossen. Zur gleichen Zeit wurde ihnen das Feuern beim Vormarsch einexerziert, aber da sie zu diesem Zweck halten mußten und die ganze lange Linie ausgerichtet bleiben mußte, war der Schritt nur langsam - der sogenannte Stechschritt. Das Feuern begann 200 Yard vor dem Feind; die Linie ging im Stechschritt vor; je näher sie an den Feind herankam, desto kürzer schritt sie aus und desto stärker wurde ihr Feuer, bis der Feind entweder nachgab oder so stark erschüttert war, daß ein Kavallerieangriff von den Flügeln und ein Vorrücken der Infanterie mit dem Bajonett ihn aus seiner Stellung trieb. Die Armee war immer in 2 Linien aufgestellt; da jedoch kaum Intervalle in der ersten Linie vorhanden waren, wurde es für die zweite sehr schwer, der ersten im Bedarfsfalle zu Hilfe zu kommen.

So sahen Armee und Taktik aus, die Friedrich II. von Preußen bei seinem Regierungsantritt zur Verfügung standen. Es schienen nur sehr geringe Möglichkeiten für ein Genie zu bestehen, solch ein System zu verbessern, ohne es zu durchbrechen, und das konnte Friedrich in seiner Position und mit dem Menschenmaterial, das ihm zur Verfügung stand, nicht. Trotzdem brachte er es fertig, seinen Angriffsmodus und seine Armee so zu organisieren, daß er mit den Mitteln eines Königreiches, das kleiner war, als Sardinien heute ist, und mit der kärglichen finanziellen Unterstützung Englands einen Krieg gegen fast ganz Europa führen konnte. Das Geheimnis kann leicht erklärt werden.

Bisher waren die Schlachten des 18. Jahrhunderts Parallelschlachten gewesen, wobei beide Armeen frontal zueinander aufgestellt waren und in einem einfachen offenen, direkten Kampf miteinander rangen, ohne irgend- <361> welche List oder Kunstgriffe; der einzige Vorteil, der der stärkeren Partei zufiel, war, daß ihre Flügel die des Gegners überragten. Friedrich wandte bei der linearen Schlachtordnung das von Epaminondas erfundene System des schiefen Angriffs an. Er wählte einen Flügel des Feindes für den ersten Angriff aus und stellte diesem einen seiner Flügel, der den des Feindes überragte, und einen Teil seines Zentrums gegenüber, während er gleichzeitig den Rest seiner Armee zurückhielt. So hatte er nicht nur den Vorteil, den Feind zu überflügeln, sondern auch den, durch überlegene Kräfte die seinem Angriff ausgesetzten Truppen zu zerschlagen. Die anderen feindlichen Truppen konnten den Angegriffenen nicht nur deswegen nicht zu Hilfe kommen, weil sie an ihren Platz in der Linie gebunden waren, sondern auch, weil im Falle des erfolgreichen Angriffs auf den einen Flügel der andere Teil der angreifenden Armee in die Frontlinie aufrückte und das vor ihm liegende feindliche Zentrum bedrohte, während sich der ursprünglich angreifende Flügel nach Bezwingung des feindlichen Flügels in die Flanke des Gegners warf. Dies war wirklich die einzig denkbare Methode, mit der es unter Beibehaltung des Linearsystems möglich war, eine überlegene Macht gegen einen Teil der feindlichen Schlachtlinie zu konzentrieren. Dabei hing alles von der Aufstellung des angreifenden Flügels ab, und soweit es die Starrheit der Schlachtordnung zuließ, verstärkte Friedrich diesen stets. Sehr oft stellte er eine von seinen Grenadieren, den Elitetruppen, gebildete vorgeschobene Linie vor die erste Infanterielinie des angreifenden Flügels, um so von Anfang an den Erfolg so weit wie möglich zu sichern.

Das zweite Mittel, das Friedrich benutzte, um seine Armee zu verbessern, war die Reorganisation der Kavallerie. Die Lehren Gustav Adolfs waren vergessen worden; statt sich auf den Säbel und auf die ungestüme Attacke zu verlassen, benutzte die Kavallerie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zum Kampf wieder die Pistole und den Karabiner. Die Kriege zu Beginn des 18. Jahrhunderts wiesen daher nicht viele erfolgreiche Attacken der Reiterei auf; die preußische Kavallerie war besonders vernachlässigt. Friedrich aber griff auf das alte System zurück, in vollem Galopp mit dem Säbel in der Faust anzugreifen, und schuf so eine in der Geschichte unübertroffene Kavallerie; dieser verdankte er einen großen Teil seiner Erfolge.

Als seine Armee das Vorbild für Europa wurde, begann Friedrich, zur Täuschung der Militärfachleute anderer Nationen das System der taktischen Evolutionen, die alle für einen wirklichen Krieg ungeeignet waren, in einem verblüffenden Maße zu komplizieren, und beabsichtigte damit nur, die Einfachheit der Mittel zu vertuschen, die ihm zum Siege verholfen hatten. Er war darin so erfolgreich, daß niemand mehr getäuscht wurde als <362> seine eigenen Untergebenen, die tatsächlich glaubten, daß diese verwickelten Methoden der Linienaufstellung das wirkliche Wesen seiner Taktik seien. Auf diese Weise bereitete Friedrich die Armee faktisch auf die unvergleichliche Schande von Jena und Auerstedt vor und schuf außerdem die Grundlage für jene Pedanterie und strenge Zucht, die seitdem die Preußen kennzeichnete.

Neben der bis jetzt von uns beschriebenen Linieninfanterie, die immer in geschlossener Ordnung kämpfte, gab es noch eine bestimmte Art leichter Infanterie, die aber nicht in großen Schlachten in Erscheinung trat. Ihre Aufgabe war der Kleinkrieg; dafür eigneten sich vorzüglich die österreichischen Kroaten, die hingegen für andere Aufgaben unbrauchbar waren. Nach dem Vorbild dieser Halbwilden von der Militärgrenze an der Türkei formierten die anderen europäischen Staaten ihre leichte Infanterie. Aber das Plänkeln bei großen Schlachten, wie es von der leichten Infanterie des Altertums und des Mittelalters sogar bis zum 17. Jahrhundert praktiziert wurde, war völlig verschwunden. Allein die Preußen und nach ihnen die Österreicher stellten ein oder zwei Schützenbataillone auf, bestehend aus Jägern und Waldhütern, alles Scharfschützen, die während der Schlacht über die ganze Front verteilt waren und auf Offiziere schossen; aber ihrer waren so wenige, daß sie kaum mitzählten.

Die Wiederbelebung des Tiraillierens ist das Ergebnis des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Während den durch Zwang und strenge Zucht zusammengehaltenen Soldaten der europäischen Armeen nicht zugetraut werden konnte, in offener Ordnung zu kämpfen, mußten sie sich in Amerika einer Bevölkerung gegenüber behaupten, die im regulären Drill der Liniensoldaten ungeübt, aber gute Schützen waren und mit dem Gewehr ausgezeichnet umzugehen verstanden. Die Art des Geländes begünstigte sie; anstatt Manöver zu versuchen, zu denen sie vorerst unfähig waren, kamen sie zwangsläufig dazu, in zerstreuter Ordnung zu kämpfen. So kennzeichnet das Gefecht von Lexington und Concord eine neu Epoche in der Geschichte der Infanterie.

VII. Die Infanterie der Französischen Revolution und des 19. Jahrhunderts

Als die europäische Koalition das revolutionäre Frankreich überfiel, waren die Franzosen in einer ähnlichen Lage wie die Amerikaner kurz zuvor, nur daß sie nicht die gleichen Geländevorteile hatten. Um die zahl- <363> reichen Armeen, die das Land überfielen oder zu überfallen drohten, nach dem alten Linienprinzip zu bekämpfen, hätten sie gut ausgebildete Männer gebraucht, und diese gab es kaum, während unausgebildete Freiwillige in großer Anzahl vorhanden waren. Soweit es die Zeit erlaubte, wurden sie in den elementaren Evolutionen der Lineartaktik ausgebildet; die in Linie aufgestellten Bataillone lösten sich aber, sobald sie im Feuer standen, unbewußt in dichte Schützenschwärme auf, die in allen Unebenheiten des Geländes Schutz vor dem Feuer suchten, während die zweite Linie eine Art Reserve bildete, die allerdings oft genug schon bei Beginn des Gefechts in den Kampf einbezogen wurde. Überdies waren die französischen Armeen ganz anders organisiert als ihre Gegner. Sie waren nicht in einer unbeweglichen, gleichförmigen, von Bataillonen gebildeten Linie formiert, sondern in Armeedivisionen, jede aus Artillerie, Kavallerie und Infanterie bestehend.

Plötzlich wurde die große Tatsache wiederentdeckt, daß es nicht von Bedeutung ist, ob ein Bataillon auf seinem "richtigen" Platz in der Schlachtordnung steht, um auf Befehl in Linie vorgehen und gut kämpfen zu können. Da die französische Regierung ohne Mittel war, wurden die Zelte und das ungeheure Gepäck der Armeen des 18. Jahrhunderts abgeschafft; man ging zum Biwakieren über, und der Komfort der Offiziere, der in anderen Armeen einen großen Teil der Behinderung verursachte, wurde auf das reduziert, was sie auf dem Rücken tragen konnten. Anstatt aus Magazinen verpflegt zu werden, mußte sich die Armee auf Requirierungen in dem jeweiligen Lande verlassen, das sie durchzog. So erreichten die Franzosen eine ihren Feinden gänzlich unbekannte Beweglichkeit und Leichtigkeit in der Formierung der Schlachtordnung. Falls sie eine Niederlage erlitten, waren sie innerhalb weniger Stunden außerhalb der Reichweite ihrer Verfolger. Beim Vormarsch konnten sie an unerwarteten Punkten der Flanken des Feindes auftauchen, ehe dieser gewarnt war. Diese Beweglichkeit und die Mißgunst unter den Führern der Koalition gaben den Franzosen die Atempause, ihre Freiwilligen auszubilden und das sich bei ihnen entwickelnde neue taktische System auszuarbeiten.

Vom Jahre 1795 an sehen wir, wie dieses neue System als eine Verbindung von zerstreuter Ordnung und geschlossener Kolonne feste Form annimmt. Die Linienformation wurde anschließend hinzugefügt, obwohl nicht wie bisher für eine ganze Armee, sondern nur für einzelne Bataillone, die sich in Linie aufstellten, wenn eine Situation dies zu verlangen schien. Es ist offensichtlich, daß dieses Manöver, das größere Stetigkeit in der Ausbildung erfordert, das letzte war, das durch die irregulären Truppen der Französischen Revolution übernommen werden konnte.

<354> Drei Bataillone bildeten eine Halbbrigade, 6 eine Brigade, 2 oder 3 Infanteriebrigaden eine Division, der noch 2 Batterien Artillerie und auch in geringem Umfange Kavallerie hinzugefügt wurde. Mehrere solcher Divisionen bildeten eine Armee. Wenn eine Division auf den Feind stieß, setzten sich die Schützen der Vorhut in einer Verteidigungsposition fest, wobei die Vorhut die Reserve bildete, bis die Division eintraf. Die Brigaden formierten sich dann in 2 Linien und einer Reserve, aber jedes Bataillon in Kolone und ohne festgelegte Intervalle; für den Schutz gegenüber Einbrüchen in die Schlachtordnung waren die Kavallerie und die Reserve bestimmt. Die Schlachtlinie war nicht mehr notwendigerweise gerade und ununterbrochen; sie konnte, je nach den Erfordernissen des Geländes, nach allen Richtungen gekrümmt sein, da jetzt nicht mehr das Auswählen von öden, flachen Ebenen als Schlachtfeld notwendig war; im Gegenteil, die Franzosen bevorzugten hügeliges Gelände, und ihre Schützen, die vor der ganzen Schlachtlinie eine Kette bildeten, warfen sich in jedes Dorf, jeden Bauernhof oder jedes Dickicht, deren sie sich bemächtigen konnten. Wenn sich die Bataillone der ersten Linie entfalteten, lösten sie sich im allgemeinen bald in Schützenschwärme auf; die der zweiten Linie blieben immer in Kolonne und griffen in der Regel in dieser Aufstellung mit großem Erfolg die schwachen feindlichen Linien an. So bildete die taktische Aufstellung einer französischen Feldarmee allmählich 2 Linien und jede Linie wiederum Bataillone in geschlossener Kolonne, en échiquier <schachbrettartig> aufgestellt mit Schützenschwärmen vor der Front und einer festen Reserve im Rücken.

In diesem Entwicklungsstadium fand Napoleon die Taktik der Französischen Revolution vor. Sobald es ihm sein politischer Machtantritt erlaubte, begann er dieses System noch weiter auszubauen. Er konzentrierte seine Armee im Lager von Boulogne und führte mit ihr dort einen regulären Ausbildungskursus durch. Besonders schulte er sie in der Formierung von festen Massenreserven auf kleinem Raum und im schnellen Entwickeln dieser Massen zur Aufstellung in Linie. Er faßte 2 oder 3 Divisionen zu einem Armeekorps zusammen, um so die Befehlsgewalt zu vereinfachen. Er erfand die neue Marschordnung und brachte sie zur höchsten Vollkommenheit. Diese besteht darin, die Truppen über einen derartig großen Raum zu verteilen, daß sie mit den dort vorhandenen Vorräten auskommen können und dabei doch so gut zusammenbleiben, um an jedem gegebenen Punkt vereinigt werden zu können, ehe der Feind den angegriffenen Teil vernichten <365> kann. Seit dem Feldzug von 1809 begann Napoleon neue taktische Aufstellungen zu entwickeln, wie zum Beispiel die tiefen Kolonnen ganzer Brigaden und Divisionen, die jedoch vollständig versagten und nie wieder angewandt wurden.

Nach 1813 wurde das neue französische System Allgemeingut aller Nationen des europäischen Kontinents. Das alte Linearsystem und das System der Rekrutierung von Söldnern waren aufgegeben worden. Über all wurde die allgemeine Wehrpflicht anerkannt und die neue Taktik eingeführt. In Preußen und in der Schweiz mußte schlechterdings jeder dienen. In anderen Staaten wurde die Konskription eingeführt; die jungen Männer losten aus, wer dienen sollte. Überall führte man Reservesysteme ein, wobei ein Teil der Männer nach der Dienstzeit nach Hause entlassen wurde, um so bei geringen Ausgaben in Friedenszeiten eine große Anzahl ausgebildeter Männer für den Kriegsfall zur Verfügung zu haben.

Seit jener Zeit ist die Bewaffnung und Organisation der Infanterie mehrmals verändert worden, teilweise bewirkt durch den Fortschritt bei der Herstellung von Handfeuerwaffen, teilweise durch den Zusammenstoß der französischen Infanterie mit den Arabern in Algerien. Die Deutschen, die das Gewehr schon immer schätzten, hatten ihre leichten Schützenbataillone verstärkt. Getrieben von der Notwendigkeit, in Algerien eine Waffe mit größerer Schußweite zu haben, stellten die Franzosen schließlich 1840 ein Schützenbataillon auf, das mit einem verbesserten Gewehr von großer Präzision und Schußweite ausgerüstet war. Diese Männer, dazu gedrillt, alle ihre Evolutionen und sogar lange Märsche in einer Art Trott (pas gymnastique) auszuführen, zeigten bald eine derartige Tüchtigkeit, daß neue Bataillone aufgestellt wurden. Auf diese Weise wurde eine neue leichte Infanterie geschaffen, die nicht aus Jägern und Waldhütern, sondern aus den stärksten und beweglichsten Männern bestand; Präzision des Feuers und große Schußweite verbanden sich mit Beweglichkeit und Ausdauer, und so entstand eine Streitkraft, die in ihrem Rahmen gewiß jeder anderen bestehenden Infanterie überlegen war. Gleichzeitig wurde der pas gymnastique bei der Linieninfanterie eingeführt, und das Laufen, das sogar Napoleon als die größte Dummheit angesehen hätte, wird jetzt in jeder Armee als ein wichtiger Bestandteil der Infanterieausbildung praktiziert.

Aus dem Erfolg des neuen Gewehrs der französischen Schützen (Delvigne-Poncharra) ergaben sich bald weitere Verbesserungen. Bei den Waffen mit gezogenen Läufen wurde das konische Geschoß eingeführt. Von Minié, Lorenz und Wilkinson wurden neue Vorrichtungen erfunden, damit das <366> Geschoß leicht in den Lauf hinabgleiten und sich dann doch so ausdehnen konnte, daß es die Züge mit seinem Blei ausfüllte, um dadurch den Drall und die Geschwindigkeit zu erzielen, die für die Wirkung des Gewehrs entscheidend sind. Andererseits erfand Dreyse das Zündnadelgewehr, das von hinten geladen wurde und keine gesonderte Zündmasse erforderte. Mit all diesen Gewehren vermochte man auf 1.000 Yard Entfernung zu treffen, und sie ließen sich ebenso leicht laden wie eine gewöhnliche Muskete mit glatter Bohrung. Dann kam der Gedanke auf, die ganze Infanterie mit solchen Gewehren zu bewaffnen. England verwirklichte als erstes Land diesen Gedanken; ihm folgte Preußen, das diesen Schritt schon lange vorbereitet hatte, danach Österreich und die kleineren deutschen Staaten, zuletzt Frankreich. Rußland sowie die italienischen und skandinavischen Staaten sind noch zurück.

Diese neue Bewaffnung hat den Aspekt der Kriegführung völlig verändert, aber aus einem sehr einfachen mathematischen Grunde und nicht in der von Theoretikern der Taktik erwarteten Weise. Es kann beim Darstellen der Flugbahn dieser Geschosse leicht nachgewiesen werden, daß ein Fehler von 20 oder 30 Yard bei der Einschätzung der Entfernung zum Objekt jede Chance, über 300 oder 350 Yard zu treffen, zunichte macht. Während nun auf dem Übungsplatz die Entfernungen bekannt sind, sind sie es auf dem Schlachtfeld nicht, und sie verändern sich jeden Augenblick. Eine in einer Defensivstellung aufmarschierte Infanterie, die genügend Zeit hatte, die Entfernung zu den hervorstechendsten vor der Front liegenden Objekten abzuschreiten, wird dadurch über einen angreifenden Feind bei 1.000-300 Yard Entfernung einen bedeutenden Vorteil haben. Dem kann nur durch ein Vorgehen im vollen Lauf bis auf 300 Yard, ohne zu feuern, vorgebeugt werden, von wo aus dann das Feuer der beiden Parteien gleich wirksam sein wird. Bei dieser Entfernung wird das Feuer zwischen zwei gut aufgestellten Schützenlinien so tödlich werden, und so viele Kugeln werden die Vorposten und die Reserven treffen, daß eine mutige Infanterie nichts Besseres tun kann, als die erste Möglichkeit zu ergreifen, um gegen den Feind zu stürmen und dabei aus 40 oder 50 Yard eine Salve abzugeben. Diese zuerst von dem preußischen Major Trotha theoretisch bewiesenen Regeln sind vor kurzem durch die Franzosen in ihrem Krieg gegen die Österreicher praktisch und mit Erfolg ausprobiert worden. Sie werden daher das A und 0 der modernen Infanterietaktik darstellen, besonders wenn sie gegen eine so schnelladbare Waffe wie das preußische Zündnadelgewehr eine gleich gute Wirkung aufweisen. Die Bewaffnung der gesamten Infanterie mit dem gleichen Gewehr wird zur Abschaffung der noch bestehenden <367> Unterschiede zwischen der leichten und der Linieninfanterie führen, indem eine für jeden Dienst geeignete Infanterie gebildet wird. Darin wird zweifellos die nächste Verbesserung dieser Waffengattung bestehen.