Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 5-48.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Armee

Geschrieben August bis 24. September 1857.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band II]

<5> Armee - die organisierte Einheit bewaffneter Menschen, die ein Staat zum Zwecke des offensiven oder defensiven Krieges unterhält. Das ägyptische Heer ist die erste Armee aus der Geschichte des Altertums, über die wir etwas Genaueres wissen. Ihre große Ruhmeszeit fällt mit der Herrschaft von Ramses II. (Sesostris) zusammen, und die Malereien und Inschriften, die auf den zahlreichen Denkmälern aus der Zeit seiner Herrschaft von seinen Heldentaten berichten, bilden die Hauptquelle unserer Kenntnis über ägyptische Militärangelegenheiten. Die Kriegerkaste Ägyptens war in zwei Klassen geteilt, die hermotybii und die calasirii. In ihrer Blütezeit war die erste 160.000, die andere 250.000 Mann stark. Wahrscheinlich unterschieden sich diese beiden Klassen nur durch Alter oder Dienstzeit voneinander, so daß die calasirii nach einer gewissen Anzahl von Jahren zu den hermotybii oder zur Reserve übergingen. Die gesamte Armee war in einer Art Militärkolonien angesiedelt, und jedem Mann wurde als Entschädigung für seine Dienste ein reichlicher Bodenanteil gewährt. Diese Kolonien lagen meistens im unteren Teil des Landes, wo Angriffe der benachbarten asiatischen Staaten zu erwarten waren; nur einige Kolonien wurden am oberen Nil angelegt, da die Äthiopier keine sehr gefährlichen Gegner waren. Die Stärke des Heeres lag in seiner Infanterie und besonders in den Bogenschützen. Neben diesen letzteren gab es Fußsoldaten, die verschiedenartig bewaffnet und entsprechend ihrer Bewaffnung in Bataillone aufgeteilt waren: Lanzenträger, Schwertkämpfer, Keulenträger, Schleuderer etc. Die Infanterie wurde von zahlreichen Streitwagen unterstützt, die von je zwei Mann besetzt waren, einem Wagenlenker und einem Bogenschützen. Kavallerie erscheint auf den Denkmälern nicht. Eine vereinzelte Zeichnung, die einen Mann zu Pferde darstellt, wird als der römischen Epoche angehörig betrachtet, und es scheint erwiesen, daß der Gebrauch des Pferdes zum Reiten und die Kavallerie den Ägyptern erst durch ihre asiatischen <6> Nachbarn bekannt wurde. Nach übereinstimmenden Ansichten der Althistoriker ist sicher, daß sie in einer späteren Periode eine starke Reiterei hatten, die, wie jede Kavallerie im Altertum, an den Flügeln der Infanterie kämpfte. Die Schutzausrüstung der Ägypter bestand aus Schilden, Helmen und Brustharnischen oder Panzerhemden aus verschiedenem Material. Ihre Art, eine befestigte Stellung anzugreifen, zeigt viele der Mittel und Künste, die den Griechen und Römern bekannt waren. Sie verwandten die testudo, das heißt die Schildkröte, die vinea und die Sturmleiter; daß sie jedoch auch die Anwendung beweglicher Belagerungstürme kannten und daß sie Mauern unterminierten, wie Sir G. Wilkinson behauptet, ist nur eine Vermutung. Seit der Zeit des Psammetich I. wurde ein Korps griechischer Söldner unterhalten, die auch in Unterägypten angesiedelt wurden.

Assyrien liefert uns das früheste Beispiel jener asiatischen Heere, die über tausend Jahre lang um den Besitz der Länder zwischen dem Mittelmeer und dem Indus kämpften. Auch dort, wie in Ägypten, sind die Denkmäler die Hauptquelle unserer Informationen. Die Infanterie scheint in ihrer Bewaffnung der ägyptischen ähnlich gewesen zu sein, obwohl der Bogen anscheinend weniger Bedeutung hatte und die Angriffs- und Verteidigungswaffen im allgemeinen besser und ansehnlicher waren. Außerdem gab es dort wegen der größeren Ausdehnung des Reiches mannigfaltigere Waffen. Speer, Bogen, Schwert und Dolch waren die Hauptwaffen. Assyrer aus der Armee des Xerxes werden auch mit eisenbeschlagenen Keulen dargestellt. Die Schutzausrüstung bestand aus einem Helm (oft sehr geschmackvoll gearbeitet), einem Panzerhemd aus Filz oder Leder und einem Schild. Einen wichtigen Teil des Heeres bildeten noch die Streitwagen; diese hatten zwei Mann Besatzung, wobei der Lenker den Bogenschützen mit seinem Schild decken mußte. Viele von denen, die in Streitwagen kämpfen, sind in langen Panzerhemden dargestellt. Außerdem gab es die Kavallerie, der wir hier zum ersten Male begegnen. Auf den frühesten Skulpturen sitzt der Reiter auf dem bloßen Rücken seines Pferdes, später ist eine Art Polster eingeführt, und auf einer Skulptur ist ein hoher Sattel abgebildet, der dem jetzt im Orient üblichen ähnelt. Die Kavallerie kann sich schwerlich von der der Perser und späterer Völker des Orients unterschieden haben: leichte irreguläre Reiterei, in ungeordneten Schwärmen angreifend, leicht zurückzuschlagen von einer gut bewaffneten, festgefügten Infanterie, aber furchtbar für eine ungeordnete oder geschlagene Armee. Demgemäß stand sie im Rang niedriger als die Kämpfer der Streitwagen, die anscheinend die aristokratische Waffengattung der Armee gebildet haben. In der Taktik der Infanterie scheinen einige Fortschritte in Richtung auf regelmäßige Bewegungen und <7> Formierung in Reih und Glied gemacht worden zu sein. Die Bogenschützen kämpften entweder im ersten Glied, wobei sie jeweils von einem Schildträger gedeckt wurden, oder sie bildeten das hintere Glied, während die ersten und zweiten Glieder, mit Speeren bewaffnet, sich bückten oder knieten, um ihnen das Schießen zu ermöglichen. Bei Belagerungen verstanden sie sich auf den Gebrauch beweglicher Belagerungstürme und aufs Minieren; nach einer Stelle bei Hesekiel will es fast scheinen, als errichteten sie eine Art Erdwall oder künstlichen Hügel, um die Mauern der Stadt zu beherrschen - ein primitiver Anfang des römischen agger. Ihre beweglichen und feststehenden Belagerungstürme erbauten sie ebenfalls bis zur Höhe der belagerten Mauer und darüber hinaus, um diese zu beherrschen. Auch der Sturmbock und die vinea wurden von ihnen benutzt, und ihre zahlenmäßig sehr starken Armeen leiteten ganze Flußarme um, damit sie Zugang zu einer schwachen Front des angegriffenen Ortes gewinnen oder das trockene Flußbett als Weg in die Festung benutzen konnten. - Die Babylonier scheinen Armeen gehabt zu haben, die denen der Assyrier glichen, aber genauere Einzelheiten darüber fehlen.

Das Persische Reich verdankte seine Größe seinen Begründern, den kriegerischen Nomaden aus dem heutigen Farsistan, einem Reitervolk, bei dem die Kavallerie von Anfang an vorherrschte, wie seitdem in allen orientalischen Armeen, bis vor kurzem der moderne europäische Drill übernommen wurde. Darius Hystaspes schuf ein stehendes Heer, um die eroberten Provinzen niederzuhalten und auch um die häufigen Revolten der Satrapen oder zivilen Statthalter zu verhindern. So hatte jede Provinz ihre Garnison unter einem besonderen Befehlshaber, außerdem befestigte Städte, die von besonderen Truppenabteilungen besetzt waren. Die Provinzen mußten die Kosten für den Unterhalt dieser Truppen tragen. Zu diesem stehenden Heer gehörte auch die Leibwache des Königs, 10.000 ausgewählte Fußsoldaten in goldfunkelnder Rüstung (die "Unsterblichen", Athanatoi), denen auf dem Marsch lange Wagenzüge mit ihren Harems und Dienern sowie Kamele mit Vorräten folgten, außerdem 1.000 Hellebardiere, 1.000 Mann Reiterwache und zahlreiche Streitwagen, von denen einige mit Sicheln versehen waren.

Für Unternehmungen größeren Ausmaßes wurde diese Kriegsmacht als ungenügend erachtet, und in allen Provinzen des Reiches fand eine allgemeine Aushebung statt. Die Masse dieser verschiedenen Kontingente bildete eine wahrhaft orientalische Armee, die aus den verschiedenartigsten Teilen zusammengesetzt war, unterschiedlich in Bewaffnung und Kampfweise und begleitet von einem endlosen Troß und zahllosem Gefolge. Die <8> Anwesenheit des letzteren erklärt uns die von den Griechen zahlenmäßig so hoch eingeschätzte Stärke der persischen Heere. Die Soldaten waren ihrer Nationalität entsprechend, mit Bogen, Wurfspießen, Speeren, Schwertern, Keulen, Dolchen, Schleudern usw. bewaffnet. Das Kontingent jede Provinz hatte seinen eigenen Befehlshaber; nach Herodot scheinen sie in Zehner-, Hunderter-, Tausendergruppen usw. mit Führern für jede dezimale Unterabteilung eingeteilt gewesen zu sein. Die Befehlsgewalt über große Heeresteile oder Heeresflügel wurde im allgemeinen Mitgliedern der königlichen Familie übertragen. In der Infanterie bildeten die Perser und die anderen arischen Nationen (Meder und Baktrer) die Elite. Sie waren mit Bogen, Speeren mittlerer Größe und einem kurzen Schwert bewaffnet; der Kopf war durch eine Art Turban geschützt und der Körper durch einen mit eisernen Schuppen bedeckten Mantel; der Schild war meist Flechtwerk. Doch diese Elite wurde ebenso wie die übrige persische Infanterie elend geschlagen, sobald sie auch nur den kleinsten Einheiten der Griechen gegenüberstand, und ihre schwerfälligen und ungeordnete Haufen scheinen zu jeglichem Widerstand, außer einem passiven gegenüber den ersten Phalangen von Sparta und Athen, völlig unfähig gewesen zu sein. Zeugnisse dafür sind Marathon, Platää, Mykale und die Thermopylen. Die Streitwagen, die in der persischen Armee das letzte Mal in der Geschichte erscheinen, mögen auf ganz ebenem Gelände nützlich gewesen sein, wenn sie gegen einen so bunten Haufen, wie ihn das persische Fußvolk selbst darstellte, gerichtet waren, aber gegen eine feste Masse von Speerträgern, wie sie die Griechen bildeten, oder gegen leichte Truppen, die sich die Unebenheit des Bodens zunutze machten, waren sie mehr als nutzlos. Das geringste Hindernis brachte sie zum Stehen. In der Schlacht scheuten die Pferde, und nunmehr ungezügelt, stampften sie die eigene Infanterie nieder.

Was die Kavallerie betrifft, so liefern uns die früheren Perioden des Reiches wenig Beweise für ihre Vortrefflichkeit. Auf der Ebene von Marathon - einem guten Kavalleriegelände - befanden sich 10.000 Berittene, dennoch konnten sie die Reihen der Athener nicht sprengen. In späteren Zeiten zeichnete sich die persische Kavallerie am Granikos aus, wo sie, in einer Linie formiert, die Spitzen der makedonischen Kolonnen überfiel, als diese aus den Furten des Flusses hervorkamen, und sie über den Haufen rannte, bevor sie sich entfalten konnten. So widersetzte sich die persisch Kavallerie erfolgreich längere Zeit der Avantgarde Alexanders unter Ptolemäus bis zum Eintreffen des Hauptkorps, an dessen Flanken die leichten Truppen manövrierten, woraufhin die persische Kavallerie, die keine zweite Linie oder Reserve hatte, sich zurückziehen mußte. Aber zu dieser Zeit <9> war das persische Heer durch das Eindringen eines griechischen Elements in Form griechischer Söldner gestärkt worden, die bald nach Xerxes vom König in Sold genommen wurden, und die Kavallerietaktik, die von Memnon am Granikos angewandt wurde, ist so ausgesprochen unasiatisch, daß wir sie in Ermangelung genauer Informationen ohne weiteres griechischem Einfluß zuschreiben können.

Die Armeen Griechenlands sind die ersten, von deren detaillierter Organisation wir umfassende und genaue Kenntnis besitzen. Man kann sagen, daß mit ihnen die Geschichte der Taktik, besonders der Infanterietaktik, beginnt. Ohne bei einem Bericht über das Kriegssystem des heroischen Zeitalters von Griechenland zu verweilen, wie es bei Homer beschrieben wird, als die Reiterei unbekannt war, der Adel und die Anführer in Streitwagen kämpften oder zu einem Zweikampf mit einem ebenbürtigen Gegner aus dem Wagen stiegen, und als die Infanterie wenig besser gewesen zu sein scheint als die der Asiaten, gehen wir sogleich über zur militärischen Stärke Athens in seiner Blütezeit. In Athen war jeder frei geborene Mann zum Kriegsdienst verpflichtet. Nur die Inhaber von bestimmten öffentlichen Ämtern und in früheren Zeiten die vierte oder ärmste Klasse der Freien waren ausgenommen. Es war ein Milizsystem, das auf Sklaverei fußte. Jeder Jugendliche war bei Erreichung seines 18. Lebensjahres verpflichtet, 2 Jahre Dienst zu tun, besonders beim Schutz der Grenzen. Während dieser Zeit wurde seine militärische Ausbildung abgeschlossen. Danach blieb er bis zu seinem 60. Lebensjahr dienstpflichtig. Im Kriegsfalle setzte die Volksversammlung die Anzahl der Männer fest, die eingezogen werden sollten. Nur in äußersten Fällen griff man zu levées en masse (panstratia). Die strategi, von denen jährlich 10 vom Volke gewählt wurden, mußten diese Truppen ausheben und organisieren, so daß die Männer eines jeden Stammes (Phyle) je eine Einheit unter einem Phylarch bildeten. Die Phylarchen wurden ebenso wie die Taxiarchen oder Hauptleute der Einheiten vom Volke gewählt. Dieses ganze Aufgebot bildete die schwere Infanterie (hoplitae), bestimmt für die Phalanx oder tiefe Linienformation der Speerkämpfer, die ursprünglich die ganze bewaffnete Streitkraft bildete und später, nachdem leichte Truppen und Kavallerie hinzugekommen waren, ihre Hauptstütze blieb - das Korps, das die Schlacht entschied. Die Phalanx wurde verschieden tief formiert; wir finden Phalangen erwähnt, die 8, 12 und 25 Mann tief waren. Die Rüstung der Hopliten bestand aus einem Brustharnisch oder Corselet, Helm, ovalen Schild, Speer und kurzen Schwert. Die Stärke der athenischen Phalanx war der Angriff; ihre Attacke war wegen ihres heftigen Stoßes berühmt, besonders nachdem Miltiades <10> bei Marathon die Beschleunigung des Schrittes während des Angriffs eingeführt hatte, so daß sie im Lauf den Feind überfiel. In der Defensive war ihr die festere und geschlossenere Phalanx Spartas überlegen. Während bei Marathon die gesamte Streitmacht der Athener aus einer schwerbewaffneten Phalanx von 10.000 Hopliten bestand, hatten sie bei Platää außer 8.000 Hopliten die gleiche Anzahl leichter Truppen. Die drohende Gefahr der persischen Einfälle machte eine Erweiterung der Militärdienstpflicht erforderlich; die ärmste Klasse, die der Theten, wurde aufgeboten. Sie wurden zu leichten Truppen formiert (gymnetae, psili), die keinerlei Schutzausrüstung oder nur einen runden Schild hatten und mit einem Handspeer und Wurfspeeren bewaffnet waren. Mit der Ausdehnung der Macht Athens wurden seine leichten Truppen durch Kontingente seiner Bundesgenossen und sogar durch Söldnertruppen verstärkt. Akarnanen, Äolier und Kreter, berühmt als Bogenschützen und Schleuderer, kamen hinzu. Eine zwischen ihnen und der hoplitae liegende Art von Truppen wurde gebildet, die peltastae, die ähnlich wie die leichten Truppen bewaffnet, aber imstande war, eine Stellung zu besetzen und zu halten. Sie hatte jedoch wenig Bedeutung, bis Iphikrates sie nach dem Peloponnesischen Krieg reorganisierte. Die leichten Truppen der Athener genossen wegen ihrer Intelligenz und ihrer Schnelligkeit sowohl im Entschluß als auch in der Ausführung einen guten Ruf. Bei mehreren Gelegenheiten, wahrscheinlich auf schwierigem Gelände, widerstanden sie sogar der Phalanx Spartas erfolgreich. Die athenische Kavallerie wurde zu einer Zeit eingeführt, als die Republik schon reich und mächtig war. Das gebirgige Gelände Attikas war für diese Waffengattung ungünstig, doch die Nachbarschaft von Thessalien und Böotien - Länder, reich an Pferden und daher die ersten, die eine Reiterei bildeten - veranlaßte bald deren Einführung in den anderen Staaten Griechenlands. Die athenische Kavallerie, die erst 300, dann 600 und sogar 1.000 Mann stark war, setzte sich aus den reichsten Bürgern zusammen und bildete sogar in Friedenszeiten ein stehendes Korps. Sie war eine sehr wirksame Truppe, äußerst wachsam, intelligent und kühn. In der Schlacht war sie ebenso wie die leichten Truppen im allgemeinen an den Flügeln der Phalanx aufgestellt. In späteren Zeiten unterhielten die Athener auch 200 Söldner berittener Bogenschützen (hippotoxotae). Der athenische Soldat erhielt bis zur Zeit des Perikles keine Löhnung. Danach wurden 2 Oboli (außerdem 2 weitere für Proviant, den der Soldat auftreiben mußte) gegeben, und manchmal bekamen selbst die Hopliten nicht mehr als 2 Drachmen. Die unteren Führer erhielten doppelte Löhnung, Reiter dreifache, Befehlshaber vierfache. Die schwere Kavallerie kostete allein <11> in Friedenszeiten 40 Talente (40 000 Dollar) pro Jahr, während des Krieges bedeutend mehr. Schlachtordnung und Kampfweise waren äußerst einfach: Die Phalanx bildete das Zentrum, wobei die Männer ihre Speere in Angriffsstellung brachten und die ganze Front mit ihren Schilden deckten. Sie griffen die feindliche Phalanx in einer parallelen Front an. Wenn der erste Ansturm nicht genügte, um die Schlachtordnung des Feindes zu durchbrechen, wurde die Schlacht im Nahkampf mit dem Schwert entschieden. Gleichzeitig griffen die leichten Truppen und die Kavallerie entweder die entsprechenden Truppen des Feindes an oder versuchten an der Flanke und im Rücken der Phalanx zu operieren und sich jede dort eintretende Unordnung zunutze zu machen. Im Falle eines Sieges nahmen sie die Verfolgung auf, im Falle einer Niederlage deckten sie den Rückzug so gut wie möglich. Die leichten Truppen und die Kavallerie wurden auch für Kundschafterdienste und für Streifzüge verwandt; sie beunruhigten unablässig den Feind auf dem Marsch, besonders wenn er durch einen Engpaß mußte, und versuchten seinen Troß und die Nachzügler gefangenzunehmen.

Die Schlachtordnung war also sehr einfach: Die Phalanx kämpfte immer als Ganzes; ihre Unterteilung in kleinere Einheiten hatte keine taktische Bedeutung, denn deren Kommandeure hatten keine andere Aufgabe, als darauf zu achten, daß die Ordnung der Phalanx nicht gestört oder zumindest schnell wiederhergestellt wurde. Worin die Stärke der athenischen Heere während der Perserkriege bestand, haben wir oben an einigen Beispielen gezeigt. Zu Beginn des Peloponnesischen Krieges betrug ihre Streitmacht 13.000 Hopliten für den Felddienst, 16.000 (die jüngsten und ältesten Soldaten) für den Garnisondienst, 1.200 Reiter und 1.600 Bogenschützen. Nach den Berechnungen von Böckh waren die Truppen, die gegen Syrakus geschickt wurden, 38.560 Mann stark, nachgesandte Verstärkungen 26.000 Mann, im ganzen fast 65.000 Mann. Nach dem vollständigen Zusammenbruch dieses militärischen Unternehmens war Athen ebenso erschöpft wie Frankreich nach dem russischen Feldzug von 1812.

Sparta war Griechenlands Militärstaat par excellence. Wenn die allgemeine gymnastische Erziehung der Athener die Beweglichkeit ebensosehr wie die physische Stärke des Körpers entwickelte, so richteten die Spartaner ihr Augenmerk vorwiegend auf Stärke, Ausdauer und Härte. Sie schätzten Standhaftigkeit in den Reihen und militärische Ehre höher als Intelligenz. Der Athener wurde so ausgebildet, als wäre er für den Kampf bei den leichten Truppen bestimmt, im Kriege jedoch erhielt er einen festen Platz in der schweren Phalanx. Der Spartaner wurde im Gegensatz <12> dazu nur zum Dienst in der Phalanx und zu weiter nichts erzogen. Daraus ergab sich, daß, solange die Phalanx die Schlacht entschied, der Spartaner am Ende im Vorteil war. In Sparta wurde jeder freie Bürger von seinem 20. bis 60. Lebensjahr in Armeelisten geführt. Die ephori legten die Anzahl der Auszuhebenden fest, und im allgemeinen wurden Männer mittleren Alters zwischen 30 und 40 Jahren ausgewählt. Wie in Athen wurden die Männer aus gleichem Stamm oder gleicher Gegend in die gleiche Truppeneinheit eingereiht. Die Organisation des Heeres war auf Brüderschaften (enomotiae) aufgebaut, die von Lykurg eingeführt worden waren, wovon 2 eine Pentekostys bildeten; 2 Pentekostyen wurden zu einem Lochos vereinigt und 8 Pentekostyen oder 4 Lochen zu einer Mora. Das war die Organisation zu Xenophons Zeiten; in früheren Perioden scheint sie variiert zu haben. Die Stärke einer Mora wird unterschiedlich von 400 bis 900 Mann angegeben und soll zu einer bestimmten Zeit 600 Mann betragen haben. Diese verschiedenen Truppenkörper freier Spartaner bildeten die Phalanx. Sie bestand aus Hopliten, die mit einem Speer, einem kurzen Schwert und einem um den Hals befestigten Schild bewaffnet waren. Später führte Kleomenes den großen karischen Schild ein, der mittels eines Bandes am linken Arm befestigt war und beide Hände des Soldaten frei ließ. Die Spartaner betrachteten es für ihre Männer als entehrend, nach einer Niederlage ohne Schild zurückzukehren. Das Zurückbringen des Schildes bewies, daß der Rückzug in guter Ordnung und in geschlossener Phalanx erfolgt war, während einzelne Flüchtlinge, die um ihr Leben liefen, natürlich den plumpen Schild wegwerfen mußten. Die spartanische Phalanx hatte im allgemeinen eine Tiefe von 8 Mann, aber manchmal wurde die Tiefe dadurch verdoppelt, daß man einen Flügel hinter den anderen stellte. Die Männer scheinen im Schritt marschiert zu sein; auch einige elementare Evolutionen waren gebräuchlich, wie der Frontwechsel nach hinten durch Kehrtwendung eines jeden Mannes, der Vormarsch oder das Zurückziehen eines Flügels durch Schwenkung etc., doch scheinen sie erst in einer späteren Periode eingeführt worden zu sein. In ihrer Blütezeit kannte die spartanische Phalanx ebenso wie die der Athener nur den Angriff von parallelen Fronten. Die Reihen waren auf dem Marsch 6 Fuß voneinander entfernt, beim Angriff 3 Fuß und in einer Position zur Abwehr des Angriffs nur 11/2 Fuß. Die Armee wurde von einem der Könige befehligt, der mit seinem Gefolge (damosia) eine Stellung im Zentrum der Phalanx einnahm. Später, als die Anzahl der freien Spartaner beträchtlich zurückgegangen war, wurde die Stärke der Phalanx durch eine Auswahl unterworfener Periöken aufrechterhalten, Die Kavallerie betrug nie mehr <13> als ungefähr 600 Mann, die in Trupps (ulami) von 50 Mann eingeteilt waren. Sie deckte nur die Flanken. Außerdem bestand eine Einheit von 300 Berittenen, die Elite der Jugend Spartas, doch saßen sie in der Schlacht ab und bildeten um den König eine Art Leibgarde von Hopliten. Als leichte Truppen gab es die Skiriten, Bewohner der Berge bei Arkadien, die gewöhnlich den linken Flügel deckten. Die Hopliten der Phalanx hatten außerdem Heloten als Diener, die in der Schlacht als Plänkler kämpfen sollten; so brachten bei Platää die 5.000 Hopliten 35.000 leichtbewaffnete Heloten mit, doch finden wir in der Geschichte nichts über deren Taten verzeichnet.

Nach dem Peloponnesischen Krieg erfuhr die einfache Taktik der Griechen beachtliche Veränderungen. In der Schlacht bei Leuktra mußte sich Epaminondas mit einer kleinen Streitmacht von Thebanern der weit zahlreicheren und bis dahin unüberwindlichen spartanischen Phalanx entgegenstellen. Der gewöhnliche parallele Frontalangriff wäre hier die sichere Niederlage gewesen, da beide Flügel des Epaminondas von der längeren Front des Feindes überflügelt worden wären. Anstatt in Linie vorzurücken, formierte Epaminondas seine Armee zu einer tiefen Kolonne und marschierte in Richtung auf den Flügel der spartanischen Phalanx, auf dem sich der König aufhielt. Es gelang ihm, die Linie der Spartaner an diesem, dem entscheidenden Punkt zu durchbrechen. Dann ließ er seine Truppen eine Schwenkung machen, und indem sie sich nach beiden Seiten bewegten, umgingen sie die durchbrochene Linie der Spartaner, die keine neue Front bilden konnten, ohne ihre taktische Ordnung zu verlieren. Bei der Schlacht von Mantinea formierten die Spartaner ihre Phalanx mit größerer Tiefe, aber trotzdem brach die thebanische Kolonne wieder durch. Agesilaos in Sparta, Timotheos, Iphikrates und Chabrias in Athen führten ebenfalls Änderungen in der Taktik der Infanterie ein. Iphikrates verbesserte die peltastae, eine Art leichter Truppen, die jedoch im Notfalle fähig waren, in Linie zu kämpfen. Sie waren mit einem kleinen runden Schild, einem Koller aus festem Leinen und einem langen Holzspeer bewaffnet. Chabrias ließ die ersten Glieder der Phalanx, wenn sie in der Verteidigung waren, niederknien, um den Angriff des Feindes aufzufangen. Volle Karrees, andere Kolonnen etc. wurden eingeführt, und demgemäß bildete die Entfaltung einen Bestandteil der elementaren Taktik. Zur gleichen Zeit wurde der leichten Infanterie aller Gattungen größere Aufmerksamkeit geschenkt. Mehrere Waffengattungen wurden den barbarischen und halbbarbarischen Nachbarn der Griechen entlehnt, wie Bogenschützen, beritten und zu Fuß, Schleuderer etc.

<14> Die Mehrzahl der Soldaten dieser Periode bestand aus Söldnern. Die wohlhabenden Bürger fanden es bequemer, einen Ersatzmann zu bezahlen, als selbst Dienst zu tun. Der Charakter der Phalanx als des ausgesprochen nationalen Teiles der Armee, zu dem nur die freien Bürger des Staates zugelassen waren, litt so unter dieser Beimischung von Söldnern, die kein Bürgerrecht besaßen. Kurz vor Beginn der makedonischen Epoche wurden Griechenland und seine Kolonien ebensosehr ein Markt für Glücksritter und Söldner wie die Schweiz im 18. und 19. Jahrhundert. Die ägyptischen Könige hatten schon frühzeitig ein Korps griechischer Truppen gebildet. Später gab auch der persische König seiner Armee mit der Zulassung einer Einheit griechischer Söldner eine gewisse Festigkeit. Die Anführer dieser Einheiten waren regelrechte Condottieri, geradeso wie die Italiens im 16. Jahrhundert.

Während dieser Zeit wurden, besonders bei den Athenern, Kriegsmaschinen eingeführt, die Steine, Pfeile und Brandgeschosse schleuderten. Schon Perikles benutzte einige ähnliche Maschinen bei der Belagerung von Samos. Bei Belagerungen wurde eine Kontravallationslinie mit Graben und Brustwehr angelegt, die den Ort einschloß, und versucht, die Kriegsmaschinen in beherrschender Stellung nahe der Mauern aufzustellen. Um die Mauern zum Einsturz zu bringen, wurde gewöhnlich miniert. Beim Angriff bildete die Kolonne den synaspismus, das heißt, die äußeren Reihen hielten ihre Schilde vor sich, und die inneren Reihen hielten sie über ihre Köpfe, um ein Dach (bei den Römern testudo genannt) gegen die Wurfgeschosse des Feindes zu bilden.

Während so die griechische Kriegskunst hauptsächlich darauf gerichtet war, das nachgiebige Material der Söldnerhaufen in allerlei neue und künstliche Formationen zu bringen und neue Arten leichter Truppen anzuwenden oder zu erfinden zum Nachteil der alten dorischen schweren Phalanx, die zu jener Zeit allein Schlachten entscheiden konnte, wuchs eine Monarchie heran, die durch Annahme aller wirklichen Verbesserungen einen Truppenkörper schwerer Infanterie von so kolossalem Ausmaß schuf, daß keine Armee, mit der er in Berührung kam, seinem Angriff widerstehen konnte. Philipp von Makedonien formierte ein stehendes Heer von ungefähr 30.000 Mann Infanterie und 3.000 Mann Kavallerie. Der Hauptteil der Armee war eine riesige Phalanx von ungefähr 16.000 oder 18.000 Mann, die nach dem Prinzip der spartanischen Phalanx, aber mit verbesserter Bewaffnung, aufgebaut war. Der kleine griechische Schild wurde durch den großen länglichen karischen Schild ersetzt und der mittelgroße Speer durch den makedonischen Spieß (sarissa) von 24 Fuß Länge. Die Tiefe dieser Phalanx <15> variierte unter Philipp von 8 bis 10, 12 oder 24 Mann. Durch die riesige Länge der Spieße konnte, wenn sie nach vorn ausgerichtet waren, jedes der 6 vorderen Glieder die Spitzen aus dem ersten Glied hervorragen lassen. Der reguläre Vormarsch einer so langen Front von 1.000 bis 2.000 Mann setzt eine Vollkommenheit der militärischen Grundausbildung voraus, mit der man sich daher ständig beschäftigte. Alexander vervollständigte diese Organisation. Seine Phalanx war normalerweise 16.384 Mann stark, das heißt 1.024 Mann nebeneinander und 16 Mann tief. Die 16 Mann starke Reihe (Lochos) wurde von einem Lochagos geführt, der in der Frontreihe stand. 2 Reihen bildeten eine Dilochia, 2 Dilochien eine Tetrarchia, 2 Tetrarchien eine Taxis, von der wieder je 2 eine Xenagia oder Syntagma, 16 Mann nebeneinander und 16 Mann tief, bildeten. Dies war die Einheit zur Entfaltung der Kräfte. Marschiert wurde in Kolonnen von Xenagien mit 16 Mann nebeneinander. 16 Xenagien (die 8 Pentakosiarchien oder 4 Chiliarchien oder 2 Telarchien entsprachen) bildeten eine kleine Phalanx, 2 kleine Phalangen eine Diphalangia und 4 eine Tetraphalangia oder die eigentliche Phalanx, Jede dieser Unterabteilungen hatte ihren entsprechenden Kommandeur. Die Diphalangia des rechten Flügels wurde Kopf genannt, die des linken Flügels Schwanz oder Nachhut. Immer wenn eine außerordentliche Festigkeit erforderlich war, nahm der linke Flügel hinter dem rechten Aufstellung und bildete eine Front von 512 Mann mit 32 Mann Tiefe. Andererseits konnte dadurch, daß man die 8 hinteren Glieder zur Linken der vorderen Glieder aufmarschieren ließ, die Ausdehnung der Front verdoppelt und deren Tiefe auf 8 Mann reduziert werden. Der Abstand zwischen den Reihen und Gliedern war dem der Spartaner ähnlich, doch war die geschlossene Ordnung so kompakt, daß sich der einzelne Soldat in der Mitte der Phalanx nicht drehen konnte. In der Schlacht wurden keine Abstände zwischen den Unterabteilungen der Phalanx gestattet; das Ganze bildete eine ununterbrochene Linie, die en muraille angriff. Die Phalanx wurde ausschließlich von makedonischen Freiwilligen gebildet, obwohl nach der Eroberung Griechenlands auch Griechen eintreten konnten. Die Soldaten waren alle schwerbewaffnete Hopliten. Außer Schild und Spieß trugen sie Helm und Schwert, obwohl der Nahkampf mit dieser Waffe nach dem Angriff dieses Waldes von Spießen nicht sehr oft erforderlich gewesen sein kann. Allerdings lag der Fall anders, wenn die Phalanx der römischen Legion standhalten mußte. Das ganze System der Phalanx litt seit den frühesten dorischen Zeiten bis zum Zusammenbruch des makedonischen Reiches unter einem großen Nachteil; ihm fehlte die Beweglichkeit. Diese langen, tiefen Linien konnten sich nur auf einer gleichmäßigen <16> und offenen Ebene geordnet und regelmäßig bewegen. Jedes Hindernis zwang die Phalanx zur Kolonnenbildung, eine Form, in der sie nicht aktionsfähig war. Überdies hatte sie keine zweite Linie oder Reserve. Sobald ihr also eine Armee gegenübertrat, die in kleineren Einheiten formiert und geeignet war, Geländeschwierigkeiten zu überwinden, ohne die eigene Kampfordnung zu zerstören, und die über mehrere, einander unterstützende Linien verfügte, konnte die Phalanx es nicht verhindern, auf unebenem Gelände zu kämpfen, wo ihr neuer Gegner sie völlig zerschlug. Jedoch solchen Gegnern, wie sie Alexander bei Arbela hatte, müssen seine 2 großen Phalangen unbesiegbar erschienen sein. Außer dieser schweren Linieninfanterie hatte Alexander eine Elite von 6.000 hypaspistae, noch schwerer bewaffnet, mit noch größeren Schilden und längeren Spießen. Seine leichte Infanterie bestand aus argyraspides mit kleinen silberbeschlagenen Schilden und aus zahlreichen Peltasten; diese beiden Truppen waren in Halbphalangen organisiert von normalerweise 8.192 Mann, die imstande waren entweder in geöffneter Ordnung oder in Linie zu kämpfen wie die Hopliten, und ihre Phalanx hatte oft den gleichen Erfolg.

Die makedonische Kavallerie setzte sich aus jungen makedonischen und thessalischen Adligen zusammen; später kam eine Reitereinheit des eigentlichen Griechenlands hinzu. Diese war in Eskadronen (ilae) eingeteilt, vor denen allein der makedonische Adel 8 bildete. Sie waren das, was wir schwere Kavallerie nennen würden; sie trugen einen Helm, einen Küraß und einen Beinharnisch aus eisernen Schuppen zum Schutze der Beine und waren mit einem langen Schwert und einem Spieß bewaffnet. Auch das Pferd trug einen eisernen Kopfschutz. Dieser Kavallerie, den cataphracti, wurde sowohl von Philipp als auch von Alexander große Aufmerksamkeit geschenkt. Letzterer verwandte sie zu seinem entscheidenden Manöver bei Arbela, als er zuerst einen Flügel der Perser schlug und verfolgte und dann, indem er ihr Zentrum umging, dem anderen Flügel in den Rücken fiel. Die Kavallerie griff in verschiedenen Formationen an: in Linie, in gewöhnlicher rechtwinkliger Kolonne, in rauten- oder keilförmiger Kolonne. Die leichte Kavallerie hatte keine Schutzausrüstung; sie trug Wurfspeere und leichte kurze Lanzen. Dazu kam noch ein Korps von arcobalistae oder berittener Bogenschützen, die als Vorposten, Patrouillen, Kundschafter und allgemein für die irreguläre Kriegführung dienten. Dies waren die Kontingente der thrakischen und illyrischen Stämme, die außerdem einige Tausend Mann irreguläre Infanterie stellten. Eine neue Waffengattung, die Alexander ins Leben rief, erfordert deshalb unsere Aufmerksamkeit, weil sie in unsere Zeit nachgeahmt wurde, die dimachae, berittene Truppen, die entweder <17> als Kavallerie oder als Infanterie kämpfen sollten. Die Dragoner des 16. und der folgenden Jahrhunderte sind eine vollendete Kopie davon, wie wir weiterhin sehen werden. Wir besitzen jedoch keine Unterlagen darüber, ob diese hybriden Truppen der Antike in ihrer doppelten Aufgabe erfolgreicher waren als die modernen Dragoner.

So sah die Zusammensetzung des Heeres aus, mit dem Alexander das Land zwischen dem Mittelmeer, dem Oxus und dem Satledsch eroberte. Was die Stärke des Heeres betrifft, so bestand es bei Arbela aus 2 großen Phalangen der Hopliten (sagen wir 30.000 Mann), 2 Halbphalangen der Peltasten (16.000), 4.000 Mann Kavallerie und 6.000 Mann irregulären Truppen, im ganzen ungefähr 56.000 Mann. Am Granikos betrug seine Streitmacht aller Waffengattungen 35.000 Mann, von denen 5.000 Mann Kavallerie waren.

Über die karthagische Armee wissen wir keine Einzelheiten, sogar die Stärke der Streitmacht, mit der Hannibal die Alpen überquerte, ist umstritten. Die Heere der Nachfolger Alexanders zeigen keine Verbesserungen seiner Formationen; die Einführung von Elefanten war nur von kurzer Dauer. Diese Tiere waren, wenn sie durch Feuer scheu wurden, für ihre eigenen Truppen gefährlicher als für den Feind. Die späteren griechischen Armeen (unter dem Achäischen Bund) wurden teils nach dem makedonischen, teils nach dem römischen System formiert.

Die römische Armee bietet uns das vollständigste System der Infanterietaktik, das zu einer Zeit entwickelt wurde, als das Schießpulver noch unbekannt war. Die Vorherrschaft der schweren Infanterie und kompakter Einheiten bleibt erhalten, doch es kommen hinzu: die Beweglichkeit getrennter kleinerer Einheiten, die Möglichkeiten des Kampfes auf unebenem Boden, die Aufstellung mehrerer Linien hintereinander, teils als Unterstützung und Hilfe, teils sogar als mächtige Reserve, und schließlich ein Ausbildungssystem des einzelnen Soldaten, das sogar noch zweckmäßiger war als das System Spartas. Infolgedessen überwanden die Römer jede ihnen entgegentretende Kriegsmacht, die makedonische Phalanx ebenso wie die numidische Reiterei.

In Rom war jeder Bürger vom 17. bis 45. oder 50. Lebensjahr dienstpflichtig, wenn er nicht zur niedrigsten Klasse gehörte oder in 20 Feldzügen zu Fuß oder in 10 als Reiter gedient hatte. Gewöhnlich wurden nur die jüngeren Männer ausgewählt. Der Drill des Soldaten war sehr streng und darauf gerichtet, die körperlichen Kräfte in jeder denkbaren Weise zu entwickeln. Laufen, Springen, Voltigieren, Klettern, Ringen, Schwimmen, erst nackt, dann mit voller Ausrüstung, wurden neben der regulären Aus- <18> bildung im Gebrauch der Waffen und in den verschiedenen Bewegungen der Truppen ständig geübt. Lange Märsche in schwieriger Marschordnung, wobei jeder Soldat 40-60 Pfund trug, wurden in einem Tempo von 4 Meilen die Stunde durchgeführt. Auch die Anwendung von Schanzzeug und das Aufwerfen verschanzter Lager in kurzer Zeit waren ein Teil der militärischen Ausbildung, und nicht nur die Rekruten, sondern sogar die Veteranenlegionen mußten sich diesen Übungen unterziehen, um ihre Körper frisch und gelenkig zu erhalten und gegenüber Strapazen und Entbehrungen abgehärtet zu bleiben. Solche Soldaten waren in der Tat imstande, die Welt zu erobern.

In der Blütezeit der Republik gab es im allgemeinen 2 Konsular-Armeen, von denen jede aus 2 Legionen und aus den Kontingenten der Bundesgenossen (bei der Infanterie gleich stark, bei der Kavallerie doppelt so stark wie die römischen) bestand. Die Aushebung der Truppen geschah in einer allgemeinen Bürgerversammlung auf dem Kapitol <Tempelburg des alten Rom> oder dem Campus Martius <Stätte der Volksversammlungen und Exerzierplatz im alten Rom>; von jedem Tribus wurde die gleiche Anzahl Männer genommen, die wiederum gleichmäßig auf die 4 Legionen verteilt wurden, bis die erforderliche Anzahl erreicht war. Sehr oft traten Bürger, die wegen ihres Alters oder ihrer Teilnahme an zahlreichen Feldzügen vom Dienst befreit waren, wieder als Freiwillige ein. Die Rekruten wurden dann vereidigt und entlassen, bis man sie wieder brauchte. Bei der Einberufung wurden die Jüngsten und ärmsten als velites genommen, die nächsten - dem Alter und dem Vermögen nach - als hastati und principes und die ältesten und reichsten als triarii. Jede Legion zählte 1.200 velites, 1.200 hastati, 1.200 principes, 600 triarii und 300 Reiter (Ritter), im ganzen 4.500 Mann. Die hastati, principes und triarii waren in je 10 Manipel oder Kompanien aufgeteilt und zu jedem Manipel gehörte eine gleiche Anzahl velites. Diese velites (rorarii, accensi, ferentarii) bildeten die leichten Truppen der Legion und standen gemeinsam mit der Kavallerie auf ihren Flügeln. Die hastati bildeten die erste, die principes die zweite Linie; sie waren ursprünglich mit Speeren bewaffnet. Die triarii bildeten die Reserve und waren mit dem pilum bewaffnet, einem kurzen, aber außerordentlich schweren und gefährlichen Speer, den sie in die vordersten Glieder des Feindes warfen, unmittelbar bevor sie den Nahkampf mit dem Schwert begannen. Jeder Manipel wurde von einem Zenturio befehligt, der einen zweiten Zenturio als Stellvertreter hatte. Die Zenturionen bildeten in der ganzen Legion eine Rangordnung, <19> und zwar vom niedrigsten, dem zweiten Zenturio des letzten oder zehnten Manipels der hastati bis zum ersten Zenturio des ersten Manipels der triarii (primus pilus), der bei Abwesenheit eines höheren Befehlshabers sogar das Kommando über die ganze Legion übernahm. Im allgemeinen befehligte der primus pilus alle triarii, ebenso wie der primus princeps (der erste Zenturio des ersten Manipels der principes) alle principes und der primus hastatus alle hastati der Legion befehligte.

In einer früheren Zeit wurde die Legion abwechselnd von ihren 6 Kriegstribunen befehligt; jeder von ihnen übernahm das Kommando für 2 Monate. Nach dem ersten Bürgerkrieg wurden Legaten als ständige Befehlshaber an die Spitze jeder Legion gestellt; die Tribunen waren jetzt meist Kommandeure, die mit den Stabs- oder mit Verwaltungsangelegenheiten betraut wurden. Der Unterschied in der Bewaffnung der drei Linien verschwand noch vor der Zeit des Marius. Alle drei Linien der Legion wurden mit dem pilum ausgerüstet, das nun die nationale Waffe der Römer bildete. Auch der qualitative Unterschied zwischen den drei Linien verschwand bald, soweit er auf Alter und Länge der Dienstzeit beruhte. Nach Berichten von Sallust erschienen in der Schlacht des Metellus gegen Jugurtha zum letzten Male hastati, principes und triarii. Marius bildete nun aus den 30 Manipeln der Legion 10 Kohorten und stellte diese in 2 Linien von je 5 Kohorten auf. Gleichzeitig wurde die normale Stärke der Kohorte auf 600 Mann erhöht. Die erste Kohorte unter dem primus pilus trug den Legionsadler. Die Kavallerie blieb in Turmen zu je 30 Reitern formiert und hatte 3 Dekurionen, von denen der erste die Turme befehligte. Die Ausrüstung der römischen Infanterie bestand aus einem halbzylinderförmigen Schild, 4 mal 21/2 Fuß groß, aus Holz gefertigt, mit Leder bezogen und mit eisernen Beschlagen verstärkt; in der Mitte hatte er einen Höcker (umbo), um Speerstöße zu parieren. Der Helm war aus Bronze, hatte gewöhnlich hinten eine Verlängerung, um den Nacken zu schützen, und wurde mit Lederbändern befestigt, die mit Bronzeschuppen besetzt waren. Der Brustharnisch, etwa ein Fuß im Quadrat, war an einem Ledercorselet mit geschuppten Riemen, die über die Schulter reichten, befestigt; bei den Zenturionen bestand er aus einem mit Bronzeschuppen bedeckten Panzerhemd. Das rechte Bein, das beim Schwertstoß durch das Vorstellen exponiert wurde, war durch eine Bronzeplatte geschützt. Außer dem kurzen Schwert, das mehr zum Stoßen als zum Schlagen benutzt wurde, trugen die Soldaten das pilum, einen schweren Speer, dessen hölzerner 41/2 Fuß langer Schaft mit einer eisernen Spitze von 11/2 Fuß verlängert war, also insgesamt 6 Fuß lang und - bei einem Querschnitt des hölzernen Teils von <20> 21/2 Quadratzoll - ungefähr 10 oder 11 Pfund schwer. Wenn das pilum aus einer Entfernung von 10 oder 15 Schritt geworfen wurde, durchbohrte es oft Schild und Brustharnisch und warf fast immer den Gegner um. Die leichtbewaffneten velites trugen leichte, kurze Wurfspeere. In den späteren Perioden der Republik, als die barberischen Hilfstruppen den leichten Dienst übernahmen, verschwand diese Art der Truppen vollständig. Die Kavallerie war mit einer Ausrüstung versehen, ähnlich der der Infanterie, nämlich einer Lanze und einem längeren Schwert. Aber die eigentliche römische Kavallerie war nicht sehr gut und zog es vor, abgesessen zu kämpfen. Sie wurde später gänzlich abgeschafft und durch numidische, spanische, gallische und germanische Reiter ersetzt.

Die taktische Aufstellung der römischen Truppen gestattete große Beweglichkeit. Die Manipel wurden in Intervallen formiert, die der frontalen Breite entsprachen; ihre Tiefe variierte zwischen 5 oder 6 bis 10 Mann. Die Manipel der zweiten Linie fanden hinter den Intervallen der ersten Manipel Aufstellung, die triarii noch weiter hinten, aber in einer ununterbrochenen Linie. Wenn die Umstände es verlangten, konnten die Manipel jeder Linie seitlich aufschließen, das heißt eine ununterbrochene Linie formieren, oder die Manipel der zweiten Linie konnten vorrücken, um die Intervalle der ersten aufzufüllen; dort, wo größere Tiefe erforderlich war, schlossen die Manipel der principes jeder hinter dem entsprechenden Manipel der hastati auf und verdoppelten deren Tiefe. Als sie den Elefanten des Pyrrhos gegenüberstanden, formierten sich alle drei Linien mit Intervallen, wobei jeder Manipel genau hinter dem vorderen Manipel stand, um Platz zu lassen, damit die Tiere geradeswegs die Schlachtordnung durchliefen. In dieser Formation war die Schwerfälligkeit der Phalanx in jeder Weise erfolgreich überwunden. Die Legion konnte sich, ohne ihre Schlachtordnung zu zerstören, in einem Gelände bewegen und manövrieren, in das sich die Phalanx nicht ohne größtes Risiko vorwagen durfte. Um ein Hindernis zu passieren, mußten höchstens ein oder zwei Manipel ihre Frontlinie verkürzen, und in wenigen Augenblicken war die Front wiederhergestellt. Die Legion konnte ihre ganze Front mit leichten Truppen decken, da sich diese beim Vormarsch der Linie durch die Intervalle zurückziehen konnten. Doch den Hauptvorteil bildete die Aufstellung in mehreren Linien, die, den Erfordernissen der Situation entsprechend, nacheinander in den Kampf geschickt wurden. Bei der Phalanx mußte der Angriff mit einem einzigen Stoß entschieden werden. Es gab keine frischen Reservetruppen, die im Falle eines Mißerfolgs den Kampf aufgenommen hätten - mit diesem Fall war in der Tat nie gerechnet worden. Dagegen konnte die Legion mit <21> ihren leichten Truppen und der Kavallerie den Feind auf seiner ganzen Front ins Gefecht ziehen - sie konnte dem Vormarsch der gegnerischen Phalanx ihre erste Linie der hastati gegenüberstellen, die nicht so leicht zu schlagen war, da zumindest 6 der 10 Manipel zunächst einzeln hätten zerschlagen werden müssen - sie konnte die Kräfte des Feindes durch den Vormarsch der principes zermürben und schließlich den Sieg durch die triarii entscheiden. Auf diese Weise blieben die Truppen und der Verlauf der Schlacht in der Hand des Feldherrn, während die Phalanx, war sie einmal ins Gefecht gezogen worden, unwiderruflich mit ihrer ganzen Stärke eingesetzt war und den Kampf zu Ende führen mußte. Wenn der römische Feldherr die Schlacht abbrechen wollte, gestattete ihm die Organisation der Legionen, mit seinen Reserven eine Stellung zu beziehen, während sich die vorher unmittelbar am Kampf beteiligten Truppen durch die Intervalle zurückzogen und ihrerseits eine Stellung einnahmen. In jedem Fall war immer ein Teil der Truppen in guter Ordnung, denn sogar wenn die triarii zurückgeschlagen wurden, hatten sich die zwei ersten Linien hinter ihnen wieder formiert. Als die Legionen des Flamininus in den Ebenen Thessaliens auf die Phalanx Philipps stießen, wurde ihr erster Angriff sofort zurückgeschlagen; doch als ein Angriff auf den anderen folgte, ermüdeten die Makedonier und verloren einen Teil der Festigkeit ihrer Formation, und wo immer sich ein Zeichen von Unordnung einstellte, gab es einen römischen Manipel, der einen Einbruch in die schwerfällige Masse versuchte. Als schließlich 20 Manipel die Flanken und den Rücken der Phalanx angriffen, konnte der taktische Zusammenhalt nicht länger aufrechterhalten werden; die tiefe Linie löste sich in einen Schwarm von Flüchtenden auf, und die Schlacht war verloren.

Gegen die Reiterei formierte die Legion den orbis, eine Art Karree mit dem Troß in der Mitte. War auf dem Marsch ein Angriff zu befürchten, so formierte sie die legio quadrata, eine Art ausgedehnte Kolonne mit einer breiten Front, den Troß im Zentrum. Dies war natürlich nur auf offenem Gelände möglich, wo sich die Marschlinie quer über das Land erstrecken konnte

Zu Cäsars Zeiten wurden die Legionen meist aus Freiwilligen in Italien rekrutiert. Nach dem Bundesgenossenkrieg wurde das Bürgerrecht und damit die Militärdienstpflicht auf ganz Italien ausgedehnt, und demzufolge waren weit mehr Männer verfügbar als erforderlich. Die Bezahlung war ungefähr gleich dem Verdienst eines Arbeitenden; daher gab es genügend Rekruten, auch wenn man nicht auf die allgemeine Aushebung zurückgriff. Nur in Ausnahmefällen rekrutierte man die Legionen in den Provinzen; so <22> hatte Cäsar seine fünfte Legion im römischen Gallien rekrutiert, doch erhielt diese nachher en masse die römischen Bürgerrechte. Die Legionen hatten bei weitem nicht die nominelle Stärke von 4.500 Mann; Cäsars Legionen zählten selten viel mehr als 3.000. Man zog es vor, die ausgehobenen Rekruten zu neuen Legionen zu formieren (legiones tironum), anstatt sie in den alten Legionen mit den Veteranen zusammen aufzustellen. Diese neuen Legionen wurden zunächst von Schlachten auf offenem Feld ausgeschlossen und hauptsächlich zur Bewachung des Lagers verwandt. Die Legion war in 10 Kohorten von je 3 Manipeln eingeteilt. Die Bezeichnungen hastati, principes, triarii wurden beibehalten, soweit sie notwendig waren, um den Rang der Offiziere entsprechend dem oben angeführten System zu kennzeichnen; für die Soldaten hatten diese Bezeichnungen jede Bedeutung verloren. Die 6 Zenturionen der ersten Kohorte einer jeden Legion hatten das Recht, an den Beratungen des Kriegsrats teilzunehmen. Sie kamen aus den Reihen der Soldaten und erreichten selten einen höheren Rang. Die Schule für den höheren Kommandobestand bildete der persönliche Stab des Feldherrn und setzte sich aus gebildeten jungen Männern zusammen, die bald zum Rang der tribuni militum und später zu dem der legati aufstiegen. Die Bewaffnung des Soldaten blieb die gleiche: pilum und Schwert. Neben seiner Ausrüstung trug der Soldat sein persönliches Gepäck, das 35 bis 60 Pfund wog. Die Tragevorrichtung war so unhandlich, daß der Soldat erst kampffähig war, wenn er das Gepäck abgesetzt hatte. Die Lagerutensilien der Armee wurden von Pferden und Mauleseln befördert, von denen eine Legion ungefähr 500 brauchte. Jede Legion hatte ihren Adler und jede Kohorte ihr Feldzeichen. Für die leichte Infanterie zog Cäsar aus seinen Legionen eine bestimmte Anzahl Männer (antesignani) ab, die für den leichten Dienst ebenso geeignet waren wie für den Nahkampf in Linie. Außer diesen hatte er seine Hilfskräfte aus den Provinzen, kretische Bogenschützen, balearische Schleuderer, gallische und numidische Kontingente und germanische Söldner. Seine Reiterei bestand teils aus gallischen, teils aus germanischen Truppen. Römische Leichtbewaffnete und römische Reiterei gab es seit einiger Zeit nicht mehr.

Der Armeestab bestand aus den legati, die vom Senat ernannt wurden. Sie waren Stellvertreter des Feldherrn, denen er das Kommando über einzelne Korps oder Teile der Schlachtordnung übertrug. Cäsar gab zum ersten Male jeder Legion einen Legaten als ständigen Kommandeur bei. Waren nicht genügend legati vorhanden, so mußte auch der quaestor das Kommando einer Legion übernehmen. Er war eigentlich der Zahlmeister der Armee und Leiter des Verpflegungswesens und wurde in diesem Amt <23> von zahlreichen Schreibern und Ordonnanzen unterstützt. Dem Stab angegliedert waren die tribuni militum und die oben erwähnten jungen Freiwilligen (contubernales, comites praetorii), die als Adjutanten, Ordonnanzoffiziere Dienst taten. In der Schlacht jedoch kämpften sie wie die einfachen Soldaten in Linie, und zwar in den Reihen der cohors praetoria, die aus Liktoren, Schreibern, Dienern, Kundschaftern (speculatores) und Ordonnanzen (apparitores) des Hauptquartiers bestanden. Der Feldherr hatte außerdem eine Art Leibwache, aus Veteranen bestehend, die sich freiwillig auf den Ruf ihres früheren Feldherrn hin wieder gemeldet hatten. Diese Truppe, die beim Marsch beritten war, aber abgesessen kämpfte, wurde als die Elite der Armee betrachtet. Sie trug und bewachte das vexillum, das Signalbanner der gesamten Armee. Für die Schlacht formierte Cäsar seine Truppen gewöhnlich in 3 Linien; in der ersten standen 4 Kohorten jeder Legion, in der zweiten und dritten je 3; die Kohorten der zweiten Linie richteten sich auf die Intervalle der ersten aus. Die zweite Linie mußte die erste unterstützen, während die dritte Linie eine allgemeine Reserve für entscheidende Manöver gegen die Front oder die Flanke des Feindes oder zur Abwehr seiner entscheidenden Angriffe bildete. Gelang es dem Feind, die Frontlinie so weit zu überflügeln, daß ihre Verlängerung notwendig wurde, verteilte man die Armee auf nur 2 Linien. Eine einzige Linie (acies simplex) wurde nur im äußersten Notfalle und dann ohne Intervall zwischen den Kohorten angewandt; bei der Verteidigung eines Lagers war sie jedoch die Regel, da die Linie noch 8-10 Mann tief war und eine Reserve aus den Männern bilden konnte, die keinen Platz auf dem Parapett hatten.

Augustus vervollständigte das Werk, die römischen Truppen zu einem regulären stehenden Heer umzubilden. Er hatte 25 Legionen über das ganze Reich verteilt, von denen 8 am Rhein (diese galten als die Hauptkraft, praecipuum robur, der Armee), 3 in Spanien, 2 in Afrika, 2 in Ägypten, 4 in Syrien und Kleinasien und 6 in den Donauländern standen. In Italien waren ausgewählte Truppen stationiert, die nur in diesem Lande rekrutiert wurden und die den Schutz des Kaisers übernahmen; diese bestanden aus 12, später aus 14 Kohorten. Außerdem hatte die Stadt Rom 7 Kohorten Munizipalwachen (vigiles), die ursprünglich aus freigelassenen Sklaven gebildet wurden. Neben dieser regulären Armee mußten die Provinzen wie früher ihre leichten Hilfstruppen stellen, die nun meist in eine Art Miliz für Garnison- und Polizeidienst verwandelt wurden. An bedrohten Grenzen jedoch wurden nicht nur diese Hilfstruppen, sondern auch ausländische Söldner im aktiven Dienst gehalten. Die Anzahl der Legionen stieg unter <24> Trajanus auf 30, unter Septimius Severus auf 33. Neben ihren Nummern hatten die Legionen auch Namen nach ihren Standorten (L[egio] Germanica, L[egio] Italica), nach Kaisern (L[egio] Augusta), nach Göttern (L[egio] Primigenia, L[egio] Apollinaris) oder als ehrenvolle Auszeichnungen (L[egio] fidelis, L[egio] pia, L[egio] invicta). Die Organisation der Legion machte einige Veränderungen durch. Der Befehlshaber wurde nun praefectus genannt. Die Stärke der ersten Kohorte wurde verdoppelt (cohors milliaria) und die normale Stärke der Legion auf 6.100 Mann bei der Infanterie und 726 Mann bei der Kavallerie erhöht. Dies sollte das Minimum sein, und falls notwendig, sollten eine oder mehrere cohorte milliariae hinzugefügt werden. Die cohors milliaria wurde von einem Militärtribun befehligt, die anderen von Tribunen oder praepositi; der Rang des Zenturio wurde so auf die unteren Anführer beschränkt. Die Aufnahme von Freigelassenen oder Sklaven, von Einheimischen aus den Provinzen und Leuten allerlei Art in die Legionen wurde zur Regel; das römische Bürgerrecht war für die Prätorianer nur in Italien erforderlich und sogar dort wurde es später aufgehoben. Der römische Nationalcharakter der Armee wurde bald durch das Eindringen barbarischer und halbbarbarischer, romanisierter und nichtromanisierter Elemente verwässert; nur die Kommandeure waren nach wie vor römischer Herkunft. Diese Verschlechterung der Elemente, aus denen sich die Armee zusammensetzte, wirkte sich sehr bald auf Ausrüstung und Taktik aus. Der schwere Brustharnisch und das pilum wurden abgeschafft. Das mühevolle Ausbildungssystem, das die Welteroberer geformt hatte, wurde vernachlässigt. Unnützes Gefolge und Luxus wurden für die Armee zur Notwendigkeit und die impedimenta (Troß) wuchsen, während Stärke und Ausdauer der Armee abnahmen. Der Niedergang zeigte sich ebenso wie seinerzeit Griechenland in der Vernachlässigung der schweren Linieninfanterie, einer törichten Vorliebe für alle Arten leichter Ausrüstung und Annahme barbarischer Ausrüstungen und Kampfweisen. So finden wir unzählige Klassifizierungen der leichten Truppen (auxiliatores, exculcatores, jaculatores, excursatores, praecursatores, scutati, funditores, balistarii, tragularii), mit vielerlei Arten von Wurfgeschossen bewaffnet, und wir erfahren von Vegetius, daß die Kavallerie in Nachahmung der Goten, Alanen und Hunnen verbessert worden war. Schließlich hörte jeglicher Unterschied in Ausrüstung und Bewaffnung zwischen Römern und Barbaren auf, und die Germanen, physisch und moralisch überlegen, überrannten die Einheiten der entromanisierten Legionen. Der Eroberung des Abendlandes durch die Germanen stellte sich daher nur ein kleiner Überrest entgegen, <25> ein schwacher Abglanz der alten römischen Taktik; aber sogar dieser kleine Überrest wurde nun zerstört.

Das ganze Mittelalter ist eine ebenso unfruchtbare Periode für die Entwicklung der Taktik wie für jede andere Wissenschaft. Das Feudalsystem war im wesentlichen ein Gegner der Disziplin, obgleich es in seinen ersten Anfängen eine militärische Organisation war. Rebellionen und Abspaltungen großer Vasallen mit ihren Kontingenten fanden ständig statt. Die Befehlserteilung an die Anführer wurde gewöhnlich zu einem lärmenden Kriegsrat, wodurch alle ausgedehnten Operationen unmöglich gemacht wurden. Kriege waren daher selten auf entscheidende Punkte gerichtet; Kämpfe um den Besitz einer einzigen Ortschaft füllten ganze Feldzüge aus. Die einzigen größeren Operationen dieser Periode (wenn man die verworrene Zeit vom 6. bis 12. Jahrhundert außer acht läßt) sind die Kriegszüge der deutschen Kaiser nach Italien und die Kreuzzüge - die einen so ergebnislos wie die anderen.

Die Infanterie des Mittelalters, die sich aus den feudalen Lehnsmännern und einem Teil der Bauernschaft zusammensetzte, bestand hauptsächlich aus Pikenieren und war meist erbärmlich. Für die Ritter, völlig eisengepanzert, war es spielend einfach, in diesen ungeschützten Haufen zu reiten und willkürlich dreinzuschlagen. Ein Teil der Infanterie auf dem Festland Europas war mit der Armbrust bewaffnet, während in England der Langbogen zur nationalen Waffe der Bauernschaft wurde. Dieser Langbogen war eine furchtbare Waffe und sicherte den Engländern die Überlegenheit über die Franzosen bei Crécy, Poitiers und Azincourt. Leicht vor dem Regen zu schützen, der zeitweilig die Armbrust untauglich machte, erzielte der Pfeil des Langbogens Entfernungen von über 200 Yard, also nicht viel weniger als die wirksame Reichweite der alten glatten Muskete. Der Pfeil durchdrang ein Brett von Zollstärke und durchschlug sogar den Brustharnisch. So behauptete der Langbogen seinen Platz lange Zeit sogar gegen die ersten Handfeuerwaffen, besonders da es möglich war, in der gleichen Zeit sechs Pfeile abzuschießen, in der die Muskete jener Epoche einmal geladen und abgefeuert werden konnte. Noch Ende des 16. Jahrhunderts versuchte Königin Elisabeth, den nationalen Langbogen als Kriegswaffe wieder einzuführen. Er erwies sich besonders wirksam gegen die Kavallerie. Die Pfeile verwundeten oder töteten die Pferde, und selbst wenn die Rüstung der Krieger sich als schußfest erwies, wurden die ihrer Pferde beraubten Ritter kampfunfähig und gewöhnlich gefangengenommen. Die Bogenschützen kämpften entweder ausgeschwärmt oder in Linie. Die Kavallerie war die entscheidende Waffengattung des Mittelalters. Die Ritter in voller <26> Rüstung bildeten den ersten wirksamen Truppenkörper der schweren Kavallerie in der Geschichte, der in regulärer Formation angriff; denn Alexanders cataphracti, obwohl sie die Schlacht bei Arbela entschieden, waren eine derartige Ausnahme, daß wir nachdem nichts mehr von ihnen hören, und in der gesamten Folge der antiken Geschichte behauptete die Infanterie ihre vorherrschende Stellung in der Schlacht. Der einzige Fortschritt also, den das Mittelalter uns hinterließ, ist die Schaffung einer Kavallerie, von der unsere moderne Reiterei direkt abstammt. Was für eine schwerfällige Angelegenheit diese Kavallerie jedoch war, ist schon durch die eine Tatsache bewiesen, daß sie das ganze Mittelalter hindurch die schwere, sich langsam bewegende Waffengattung war, während der gesamte leichte Dienst und die schnellen Bewegungen von der Infanterie ausgeführt wurden. Die Ritter kämpften jedoch nicht immer in geschlossener Ordnung. Sie zogen es vor, im Zweikampf mit einzelnen Gegnern zu fechten oder mit ihren Pferden mitten in die feindliche Infanterie hineinzusprengen. So kehrte man mit dieser Art und Weise, eine Schlacht auszutragen, zu den homerischen Zeiten zurück. Wenn die Ritter aber in geschlossener Ordnung kämpften, so griffen sie entweder in Linie (ein Mann tief, die leichter bewaffneten Knappen bildeten das zweite Glied) oder in tiefer Kolonne an. Solch ein Angriff wurde in der Regel nur gegen die Ritter (bewaffnete Reiter) der gegnerischen Armee unternommen; denn gegen die Infanterie wäre er eine Verschwendung von Kräften gewesen. Die Pferde, mit der eigenen sowie der Rüstung ihres Reiters schwer beladen, konnten nur langsam und nur kurze Strecken laufen. Daher war diese unbewegliche Kavallerie während der Kreuzzüge und in den Kriegen gegen die Mongolen in Polen und Schlesien ständig überanstrengt und wurde schließlich von den beweglichen leichten Reitern des Ostens aufgerieben. In den österreichischen und burgundischen Kriegen gegen die Schweiz mußten die Ritter - auf schwierigem Gelände in Kampf verwickelt - absteigen und eine Phalanx bilden, die noch unbeweglicher war als die makedonische. In Gebirgspässen wurden Felsbrocken und Baumstümpfe auf sie geschleudert, wodurch die Phalanx ihre taktische Ordnung verlor und durch einen entschlossenen Angriff zerstreut wurde.

Um das 14. Jahrhundert wurde eine Art leichtere Kavallerie eingeführt und ein Teil der Bogenschützen mit Pferden versehen, um ihnen das Manövrieren zu erleichtern. Doch wurden diese und andere Veränderungen bald sinnlos, sie mußten aufgegeben oder anders angewandt werden infolge der Einführung jenes neuen Elements, das dazu bestimmt war, das gesamte System der Kriegführung zu verändern - das Schießpulver.

<27> Die Kenntnis von der Zusammensetzung und dem Gebrauch des Schießpulvers verbreitete sich von den Arabern in Spanien nach Frankreich und dem übrigen Europa; die Araber selbst erhielten es von weiter östlich lebenden Nationen, die es wiederum von den ursprünglichen Erfindern, den Chinesen, hatten. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden die ersten Kanonen bei den europäischen Armeen eingeführt; das waren schwere, plumpe Artilleriestücke, die Steinkugeln warfen und nur für den Belagerungskrieg taugten. Es wurden jedoch bald leichte Waffen erfunden. So versorgte sich die Stadt Perugia in Italien im Jahre 1364 mit 500 Handrohren, die nicht länger als 8 Zoll waren. Das war der Anstoß zur Herstellung von Pistolen (nach Pistoja in Toskana benannt). Nicht lange danach wurden längere und schwerere Handrohre (arquebuses) angefertigt, die unseren jetzigen Muskete entsprechen. Da sie aber ein kurzes und schweres Rohr hatten, war ihre Reichweite nur gering; das Luntenschloß machte ein genaues Zielen fast unmöglich; außerdem hatte diese Muskete fast jeder anderen nur denkbaren Nachteil. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts gab es in Westeuropa keine militärische Streitmacht ohne Artillerie und Arkebusiere. Der Einfluß der neuen Waffe auf die allgemeine Taktik war jedoch sehr wenig sichtbar. Für die großen wie die kleinen Feuerwaffen wurde eine sehr lange Zeit zum Laden gebraucht, und infolge ihrer Schwerfälligkeit und Kostspieligkeit hatten sie um 1450 nicht einmal die Armbrust verdrängt.

In der Zwischenzeit trugen der allgemeine Verfall des feudalen Systems und das Entstehen von Städten dazu bei, die Zusammensetzung der Armeen zu verändern. Die größeren Vasallen waren entweder durch eine Zentralgewalt unterworfen worden wie in Frankreich, oder sie waren sozusagen unabhängige Souveräne wie in Deutschland und Italien geworden. Die Macht des niederen Adels wurde von der Zentralgewalt, die ein Bündnis mit den Städten einging, gebrochen. Die feudalen Armeen hörten auf zu bestehen; neue Armeen wurden aus den zahlreichen Söldnern gebildet, denen es nun durch den Verfall des Feudalismus freistand, jenen zu dienen, die sie bezahlten. So entstand etwas Ähnliches wie ein stehendes Heer; aber diese Söldner - Männer aus allen Nationen, die schwer im Zaum zu halten waren und unregelmäßig entlohnt wurden - verübten sehr schwere Ausschreitungen. In Frankreich bildete König Karl VII. daher eine ständige Streitmacht aus Einheimischen. Im Jahre 1445 hob er 15 compagnies d'ordonnance <Ordonnanzkompanien, die hauptsächlich aus den Reihen des Adels rekrutiert wurden> von je 600 Mann aus, im ganzen 9.000 Mann Kavallerie, <28> die in den Städten des Königreichs stationiert und regelmäßig entlohnt wurden. Jede Kompanie war in 100 Lanzen eingeteilt; eine Lanze bestand aus einem bewaffneten Reiter, 3 Bogenschützen, einem Knappen und einem Pagen. Sie bildeten also eine Mischung von schwerer Kavallerie mit berittenen Bogenschützen, wobei die beiden Waffengattungen in der Schlacht natürlich getrennt kämpften. Im Jahre 1448 fügte er 16 .000 francs-archers <Bogenschützen, die von allen Abgaben befreit waren> unter 4 Kapitän-Generalen hinzu, die je 8 Kompanien von 500 Mann befehligten. Alle Bogenschützen waren mit der Armbrust ausgerüstet. Sie wurden durch die Gemeinden rekrutiert, von ihnen bewaffnet und waren völlig steuerfrei. So entstand das erste stehende Heer der modernen Zeit.

Am Ende dieser ersten Periode der modernen Taktik, wie sie aus dem mittelalterlichen Durcheinander hervorging, kann man den Stand der Dinge wie folgt zusammenfassen: Die Hauptmasse der Infanterie, die aus Söldnern bestand, war mit Pike und Schwert, Brustharnisch und Helm ausgerüstet. Sie kämpfte in tiefen, geschlossenen Massen; da sie aber besser bewaffnet und ausgebildet war als die feudale Infanterie, zeigte sie größere Ausdauer und Ordnung im Kampf. Die Soldaten der stehenden Aufgebote und die Söldner, die Berufssoldaten waren, erwiesen sich natürlich den gelegentlichen Aufgeboten und den zusammenhanglosen Haufen der feudalen Gefolgschaften überlegen. Die schwere Kavallerie war nun des öfteren gezwungen, in dichter Schlachtordnung gegen die Infanterie vorzugehen. Die leichte Infanterie war noch immer hauptsächlich aus Bogenschützen zusammengesetzt, doch gewann der Gebrauch der Handfeuerwaffe bei den Plänklern an Boden. Die Reiterei blieb bislang noch die Hauptwaffe; die schwere Kavallerie - bestehend aus gewappneten, eisengepanzerten Reitern, die sich aber nicht mehr in jedem Falle aus dem Adelsstand zusammensetzten - war gezwungen, von ihrer ehemaligen ritterlichen und homerischen Kampfweise überzugehen zu der prosaischeren Notwendigkeit, in dichter Ordnung anzugreifen. Doch die Schwerfälligkeit einer solchen Kavallerie machte sich nun allgemein fühlbar, und es wurden viele Pläne entworfen, um eine leichtere Reiterei zu entwickeln. Zum Teil mußten berittene Bogenschützen, wie berichtet wird, diesen Bedarf decken; in Italien und den benachbarten Ländern wurden die stradioti - leichte Kavallerie nach türkischem Muster, die sich aus bosnischen und albanischen Söldnern zusammensetzte, einer Art Baschi-Bosuks - gern verwandt und waren besonders bei Verfolgungen sehr gefürchtet. Polen und Ungarn hatten neben <29> der vom Westen übernommenen schweren Kavallerie ihre eigene nationale leichte Kavallerie beibehalten. Die Artillerie steckte noch in den Kinderschuhen. Die schweren Kanonen dieser Zeit wurden wohl ins Feld mitgenommen, konnten aber ihre einmal bezogene Stellung nicht wechseln. Das Pulver war schlecht, das Laden umständlich und langwierig, die Reichweite der Steinkugeln gering.

Das Ende des 15. und der Beginn des 16. Jahrhunderts sind durch einen doppelten Fortschritt gekennzeichnet: Die Franzosen verbesserten die Artillerie, und die Spanier gaben der Infanterie einen neuen Charakter. Karl VIII. von Frankreich machte seine Kanonen so weit beweglich, daß er sie nicht nur mit aufs Schlachtfeld nehmen konnte, sondern daß sie auch ihre Stellung während der Schlacht wechseln und den anderen Truppen, die in ihren Bewegungen nicht sehr schnell waren, folgen konnten. Dadurch wurde er zum Begründer der Feldartillerie. Seine Kanonen, die auf Lafetten mit Rädern montiert und von zahlreichen Pferden gezogen wurden, erwiesen sich gegenüber der altmodischen, schwerfälligen Artillerie der Italiener (die von Ochsen gezogen wurde) weitaus überlegen und richteten eine derartige Verheerung in den tiefen Kolonnen der italienischen Infanterie an, daß Machiavelli seine "Kriegskunst" hauptsächlich deshalb schrieb, um Formationen vorzuschlagen, die dazu dienten, der Wirkung dieser Artillerie auf die Infanterie zu begegnen. In der Schlacht von Marignano besiegte Franz I. von Frankreich die Schweizer Pikeniere durch das wirksame Feuer und die Beweglichkeit dieser Artillerie, die aus Flankenpositionen heraus die Schweizer Schlachtordnung der Länge nach bestrich. Die Herrschaft der Pike bei der Infanterie war im Absterben. Die Spanier verbesserten die herkömmliche Handfeuerwaffe (arquebuse) und führten sie bei der regulären schweren Infanterie ein. Ihre Muskete (hacquebutte) war eine schwere, langläufige, mit einer Bohrung für 2 Unzen schwere Kugeln versehene Waffe, die von einem Auflagegestell abgefeuert wurde, das aus einer gabelförmigen Stange bestand. Die Kugel der Muskete durchschlug den stärksten Brustharnisch und wirkte dadurch entscheidend gegen die schwere Kavallerie, die in Unordnung geriet, sobald ihre Männer zu fallen begannen. Jeder Kompanie Pikeniere waren 10 oder 15 Musketiere zugeteilt, und die Wirkung ihres Feuers setzte bei Pavia sowohl Freund als auch Feind in Erstaunen. Frundsberg erzählt, daß in dieser Schlacht ein einziger Schuß aus einer solchen Muskete gewöhnlich mehrere Männer und Pferde niederriß. Seit jener Zeit datiert die Überlegenheit der spanischen Infanterie, die über 100 Jahre andauerte.

Der Krieg, der der Erhebung der Niederlande folgte, hatte auf die <30> Formierung der Armeen großen Einfluß. Spanier wie Holländer verbesserten alle Waffen beträchtlich. Bisher mußten in den Söldnerarmeen alle Männer, die sich zum Militärdienst anboten, voll ausgerüstet, bewaffnet und mit der Waffe vertraut sein. In diesem langen Krieg jedoch, 40 Jahre auf einem kleinen Landstrich geführt, wurden verfügbare Rekruten dieser Art bald rar. Die Holländer mußten sich mit solchen tauglichen Freiwilligen begnügen, die sie auftreiben konnten, und die Regierung stand nun vor der Notwendigkeit, diese ausbilden zu lassen. Moritz von Nassau verfaßte das erste Exerzierreglement der modernen Zeit und legte somit den Grundstein für die einheitliche Ausbildung einer ganzen Armee. Die Infanterie begann wieder im Schritt zu marschieren; sie gewann viel an Einheitlichkeit und Festigkeit. Formiert wurde sie nun in kleineren Einheiten; die Kompanien, bisher 400-500, wurden auf 200 und 150 Mann reduziert; 10 Kompanien bildeten ein Regiment. Die verbesserte Muskete gewann an Boden gegenüber der Pike. Ein Drittel der gesamten Infanterie bestand aus Musketieren, die in jeder Kompanie mit den Pikenieren vermischt waren. Diese, nur zum Nahkampf erforderlich, behielten ihren Helm, Brustharnisch und Stahlhandschuhe; die Musketiere wurden von jeglicher Schutzausrüstung befreit. Die Pikeniere formierten sich gewöhnlich in 2 Gliedern, die Musketiere in 5-8 Gliedern; sobald das erste Glied gefeuert hatte, zog es sich zum Laden zurück. Noch größere Veränderungen vollzogen sich in der Kavallerie, und auch hier wurde Moritz von Nassau führend. Wegen der Unmöglichkeit, eine schwere Kavallerie gepanzerter Reiter zu bilden, organisierte er eine Einheit leichter Reiterei, die in Deutschland rekrutiert wurde und mit einem Helm, einem Küraß, einer Armrüstung, Stahlhandschuhen und langen Stiefeln ausgerüstet war; da diese Reiter mit der Lanze der schwerbewaffneten spanischen Kavallerie nicht ebenbürtig gewesen wären, bewaffnete er sie mit Schwert und langen Pistolen. Diese neue Gattung von Reitern, die unseren modernen Kürassieren nahekommt, erwies sich den weit weniger zahlreichen und weniger beweglichen spanischen Reitern bald überlegen, deren Pferde sie niederschossen, bevor diese langsame Masse über sie hereinbrach. Moritz von Nassau hatte seine Kürassiere ebenso gut gedrillt wie seine Infanterie; er erreichte einen solchen Stand, daß er es wagen konnte, mit ihren großen und kleinen Einheiten in der Schlacht Frontwechsel und andere Evolutionen vorzunehmen. Auch Alba fand es bald notwendig, seine leichte Reiterei zu verbessern. Bisher taugte sie nur für Scharmützel und den Einzelkampf, doch unter seiner Leitung lernte sie es bald, ebenso wie die schwere Kavallerie, als geschlossene Masse anzugreifen. Die Aufstellung der Kavallerie blieb noch 5-8 Glieder <31> tief. Um diese Zeit führte Heinrich IV. von Frankreich eine neue Art Reiterei ein, die Dragoner, die ursprünglich als Infanterie verwandt wurden und nur beritten waren, um schneller von Ort zu Ort zu kommen. Wenige Jahre nach ihrer Einführung verwandte man sie auch als Kavallerie und rüstete sie für diesen doppelten Dienst aus. Die Dragoner hatten weder eine Rüstung noch hohe Stiefel, sondern nur einen Kavalleriesäbel und manchmal eine Lanze; außerdem trugen sie die Infanteriemuskete oder einen kürzeren Karabiner. Diese Truppen erfüllten jedoch nicht die Erwartungen, die zu ihrer Formierung geführt hatten. Sie wurden bald ein Teil der regulären Kavallerie und hörten auf, als Infanterie zu kämpfen. (Zar Nikolaus von Rußland unternahm den Versuch, die ursprünglichen Dragoner wieder einzuführen. Er bildete eine Einheit von 16.000 Mann, die sowohl im Kampf zu Fuß als auch für den Reiterkampf geeignet war. Sie hatte aber nie Gelegenheit, während der Schlacht abzusitzen, sondern kämpfte immer als Kavallerie. Deshalb wurde sie aufgelöst und als Kavalleriedragoner der übrigen russischen Kavallerie einverleibt.) In der Artillerie behielten die Franzosen ihre einmal gewonnene Überlegenheit. Um diese Zeit wurde von ihnen das Zugtau erfunden und von Heinrich IV. die Kartätsche eingeführt. Auch die Spanier und Holländer machten ihre Artillerie leichter und vereinfachten sie, doch blieb sie noch immer eine schwerfällige Angelegenheit, und die leichten, beweglichen Kanonen wirksamen Kalibers und größerer Reichweite waren noch unbekannt.

Mit dem Dreißigjährigen Krieg beginnt die Periode Gustav Adolfs, des großen Militärreformators des 17. Jahrhunderts. Seine Infanterieregimenter waren zu zwei Dritteln aus Musketieren und zu einem Drittel aus Pikenieren zusammengesetzt. Einige Regimenter bestanden nur aus Musketieren. Die Musketen waren um so viel leichter geworden, daß das Auflagegestell überflüssig wurde. Gustav Adolf führte auch Papierpatronen ein, die das Laden sehr erleichterten. Die tiefe Formation wurde aufgegeben; seine Pikeniere standen 6, seine Musketiere nur 3 Mann tief. Diese wurden zum Feuern in Pelotons und in einzelnen Gliedern ausgebildet. Die schwerfälligen Regimenter von 2.000 oder 3.000 Mann reduzierte man auf 1.300 oder 1.400 Mann und teilte sie in 8 Kompanien ein; 2 Regimenter wurden zu einer Brigade formiert. Mit dieser Formation besiegte Gustav Adolf die dichten Massen seiner Gegner, die oft wie eine Kolonne oder ein volles Karree von 30 Reihen Tiefe aufgestellt waren und auf die seine Artillerie eine schreckliche Wirkung ausübte. Die Kavallerie wurde nach ähnlichen Prinzipien reorganisiert. Die gepanzerten Reiter wurden vollständig abgeschafft. Bei den Kürassieren verzichtete man auf die Arm- <32> panzerungen und einige andere zwecklose Stücke der Rüstung, sie wurden dadurch wesentlich leichter und beweglicher. Gustav Adolfs Dragoner kämpften fast immer als Kavallerie. Kürassiere wie Dragoner wurden nur 3 Glieder tief formiert und hatten ausdrückliche Anweisung, keine Zeit mit dem Schießen zu verlieren, sondern sofort mit dem Säbel in der Hand anzugreifen. Sie waren in Eskadronen von 125 Mann eingeteilt. Die Artillerie wurde durch das Hinzukommen leichter Kanonen verbessert. Die Lederkanonen Gustav Adolfs sind berühmt, sie wurden aber nicht lange beibehalten, sondern durch gußeiserne Vierpfünder ersetzt, die jetzt so leicht waren, daß sie von zwei Pferden gezogen werden konnten. Diese Kanonen konnten in der gleichen Zeit sechsmal abgefeuert werden, in der ein Musketier zweimal schoß. Jedem Infanterieregiment waren 2 Vierpfünder zugeteilt. So wurde die Trennung zwischen leichter und schwerer Feldartillerie vollzogen; die leichten Kanonen begleiteten die Infanterie, während die schweren Geschütze in der Reserve blieben oder für die ganze Dauer der Schlacht in Stellung gingen. Die damaligen Armeen zeigen das langsam wachsende Übergewicht der Infanterie über die Kavallerie. In der Schlacht bei Leipzig 1631, hatte Gustav Adolf 19.000 Mann Infanterie und 11.000 Mann Kavallerie, Tilly 31.000 Mann Infanterie und 13.000 Mann Kavallerie. Im Jahre 1632 hatte Wallenstein bei Lützen 24.000 Mann Infanterie und 16.000 Mann Kavallerie (in 170 Eskadronen). Die Anzahl der Kanonen stieg weiterhin mit der Einführung leichter Stücke. Die Schweden hatten oft 5-12 Kanonen auf je 1.000 Mann, und in der Schlacht am Lech erzwang Gustav Adolf den Übergang über diesen Fluß unter dem Schutz des Feuers von 72 schweren Geschützen.

Während der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden mit der allgemeinen Einführung des Bajonetts die Pike und die gesamte Schutzrüstung der Infanterie endgültig beseitigt. Das Bajonett, das um 1640 in Frankreich erfunden wurde, brauchte 80 Jahre, um sich gegen die Pike durchzusetzen. Zuerst übernahmen die Österreicher das Bajonett für ihre gesamte Infanterie, als nächste die Preußen, während die Franzosen die Pike bis 1703 und die Russen bis 1721 beibehielten. Das Steinschloßgewehr, in Frankreich ungefähr um die gleiche Zeit wie das Bajonett erfunden, wurde ebenfalls vor 1700 allmählich bei den meisten Armeen eingeführt. Es verkürzte den Vorgang des Ladens wesentlich, schützte das Pulver auf der Pfanne einigermaßen vor dem Regen und trug deshalb sehr viel zur Abschaffung der Pike bei. Das Abfeuern ging jedoch immer noch so langsam vonstatten, daß ein Mann nicht mehr als 24 bis 36 Patronen in einer Schlacht verbrauchen konnte, bis in der zweiten Hälfte <33> dieser Periode verbesserte Reglements, bessere Ausbildung und weitere Verbesserung in der Konstruktion der Handfeuerwaffen (besonders der eiserne Ladestock, zuerst in Preußen eingeführt) den Soldaten befähigten, erheblich schneller zu feuern. Dadurch wurde erforderlich, die Tiefe der Formation noch weiter zu vermindern, und die Infanterie wurde nur noch 4 Glieder tief formiert. Aus den Kompanien der Grenadiere, die ursprünglich dazu bestimmt waren, vor dem Nahkampf Handgranaten zu werfen, aber bald darauf beschränkt wurden, nur mit der Muskete zu kämpfen, wurde eine Art Elite-Infanterie gebildet. In einigen deutschen Armeen wurden schon im Dreißigjährigen Krieg mit Büchsen ausgerüstete Schützen formiert. Die Büchse selbst war 1498 in Leipzig erfunden worden. Diese Waffe wurde nun neben der Muskete verwandt, wobei die besten Schützen jeder Kompanie damit ausgerüstet waren; außerhalb Deutschlands fand die Büchse jedoch nur wenig Anklang. Die Österreicher hatten eine Art leichte Infanterie, Panduren genannt; dies waren kroatische und serbische irreguläre Truppen der Militärgrenze gegen die Türkei, die wohl für Streifzüge und bei Verfolgungen nützlich waren, aber vom Standpunkt der Taktik jener Zeit und bei ihrem absoluten Mangel an militärischer Ausbildung in der Schlacht nutzlos waren. Die Franzosen und die Holländer schufen zu ähnlichen Zwecken eine irreguläre Infanterie, die sie compagnies franches nannten. Mit dem Wegfall der Panzer bei den Reitern wurde auch die Kavallerie in allen Armeen leichter. Die Kürassiere behielten nur den Brustharnisch und den Helm; in Frankreich und Schweden schaffte man auch den Brustharnisch ab. Die sich steigernde Wirksamkeit und Geschwindigkeit des Infanteriefeuers machte der Kavallerie sehr viel zu schaffen. Man erkannte bald, daß es für diese Waffengattung völlig nutzlos war, die Infanterie mit dem Säbel in der Hand anzugreifen, und die Ansicht von der Unüberwindlichkeit einer Feuerlinie wurde so vorherrschend, daß man auch die Kavallerie lehrte, sich mehr auf den Karabiner als auf den Säbel zu verlassen. So kam es zu jener Zeit häufig vor, daß zwei Kavallerielinien ebenso wie die Infanterie ein gegenseitiges Feuergefecht führten. Es wurde als sehr waghalsig angesehen, bis auf zwanzig Yard an den Feind heranzureiten, dann eine Salve abzufeuern und im Trab anzugreifen. Karl XII. jedoch blieb bei dem Grundsatz seines berühmten Vorfahren <Gustav Adolf>. Seine Kavallerie verlor keine Zeit, um zu feuern, sondern griff stets mit dem Säbel in der Hand an, was sich ihr entgegenstellte: Kavallerie, Infanterie, Batterien und Verschanzungen, und zwar immer mit Erfolg. Auch die Fran- <34> zosen durchbrachen das neue System und begannen wieder, sich nur auf den Säbel zu verlassen. Die Tiefe der Kavallerieformationen wurde noch weiter herabgesetzt, und zwar von 4 auf 3 Reiter. Die Artilleriegeschütze wurden jetzt leichter und die Verwendung von Kartuschen und Kartätschen allgemein. Eine weitere große Neuerung bedeutete die Einbeziehung der Artillerie in die Armee. Obgleich die Geschütze bis zu dieser Zeit dem Staat gehörten, waren die Männer, die sie bedienten, keine eigentlichen Soldaten, sondern bildeten eine Art Gilde, und die Artillerie wurde nicht als Waffengattung, sondern als Handwerk betrachtet. Ihre Vorgesetzten hatten keinen Rang in der Armee und wurden eher den Schneidermeistern oder Zimmerleuten gleichgestellt, als daß man sie als Gentlemen, die ein Offizierspatent in der Tasche trugen, ansah. Um diese Zeit jedoch wurde die Artillerie zu einem festen Bestandteil der Armee und in Kompanien und Bataillone eingeteilt; die Männer wurden reguläre Soldaten, und ihre Vorgesetzten bekamen ihren Rang wie die Offiziere der Infanterie und Kavallerie. Die durch diese Änderung hervorgerufene Zentralisation und Beständigkeit dieser Waffengattung bahnte den Weg für die Wissenschaft der Artillerie, die sich unter dem alten System nicht entwickeln konnte.

Der Übergang von der tiefen Formation zur Linie, von der Pike zur Muskete, von der Überlegenheit der Kavallerie zur Überlegenheit der Infanterie war so nach und nach vollendet worden, als Friedrich der Große seine Feldzüge und damit die klassische Ära der Lineartaktik begann. Er formierte seine Infanterie 3 Mann tief und ließ sie in einer Minute fünfmal feuern. Gleich in seiner ersten Schlacht bei Mollwitz marschierte diese Infanterie in Linie auf und schlug mit ihrem schnellen Feuer alle Angriffe der österreichischen Kavallerie zurück, die gerade die preußische Reiterei in die Flucht gejagt hatte. Nachdem die preußische Infanterie die Kavallerie der Österreicher erledigt hatte, griff sie die österreichische Infanterie an, besiegte sie und gewann so die Schlacht. Der Versuch, Karrees gegen die Kavallerie zu bilden, wurde in großen Schlachten nie unternommen, sondern nur dann, wenn die Infanterie auf dem Marsch von feindlicher Kavallerie überrascht wurde. War die Infanterie in einer Schlacht von der Kavallerie bedroht, formierten sich die äußersten Flügel der Infanterie en potence, und dies wurde allgemein als ausreichend befunden. Um den österreichischen Panduren wirksam zu begegnen, bildete Friedrich ähnliche irreguläre Truppen der Infanterie und Kavallerie, verließ sich aber in der Schlacht nie auf diese und setzte sie selten ein. Der langsame Vormarsch der ständig feuernden Linie entschied seine Schlachten. Die von seinem <35> Vorgänger <Friedrich Wilhelm I.> vernachlässigte Kavallerie wurde nun völlig revolutioniert. Sie wurde nur 2 Reiter tief formiert, und das Schießen war ihr, außer bei der Verfolgung des Feindes, streng untersagt. Der Reitkunst, der man bisher geringe Bedeutung beigemessen hatte, schenkte man nunmehr größte Aufmerksamkeit. Alle Bewegungen der Kavallerie mußten in vollem Galopp und dichten Reihen durchgeführt werden. Durch die von Seydlitz eingeführten Maßnahmen gewann die Kavallerie Friedrichs des Großen eine Überlegenheit gegenüber jeder anderen zu jener Zeit oder je vorher existierenden, und ihr kühnes Reiten, ihre feste Ordnung, ihr stürmischer Angriff und ihr schnelles Sammeln sind noch von keiner Kavallerie später erreicht worden. Die Artillerie wurde um so viel leichter, daß einige der schwerkalibrigen Geschütze nicht imstande waren, volle Ladungen auszuhalten, und deshalb nachher abgeschafft werden mußten. Die schwere Artillerie war jedoch infolge ihrer minderwertigen und schweren Lafetten und ihrer unvollkommenen Organisation noch sehr langsam und schwerfällig in ihren Bewegungen. In der Schlacht bezog sie sofort Stellung und wechselte manchmal nach vorn in eine zweite, aber ein Manövrieren gab es nicht. Die leichte Artillerie - Regimentsgeschütze, die der Infanterie zugeteilt waren - wurde vor die Infanterielinie, 50 Schritt vor den Zwischenräumen der Bataillone, placiert; sie rückte mit der Infanterie vor, wobei die Geschütze von den Männern gezogen wurden, und eröffnete das Feuer mit Kartätschen auf 300 Yard Entfernung. Die Anzahl der Geschütze war sehr groß, 3 bis 6 Kanonen auf 1.000 Mann.

Die Infanterie war ebenso wie die Kavallerie in Brigaden und Divisionen eingeteilt; aber da kaum manövriert wurde, nachdem die Schlacht einmal begonnen hatte, und jedes Bataillon auf seinem Platz in der Linie bleiben mußte, hatten diese Unterabteilungen keine taktische Bedeutung. Bei der Kavallerie mag ein Brigadegeneral während eines Angriffs hin und wieder vor der Notwendigkeit gestanden haben, auf eigene Verantwortung zu handeln, bei der Infanterie aber konnte ein solcher Fall nie eintreten. Diese Linienformation - Infanterie mit 2 Linien im Zentrum und Kavallerie mit 2 oder 3 Linien an den Flügeln - war ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der tiefen Formation früherer Zeiten. Durch sie entwickelte sich die volle Wirkung des Infanteriefeuers ebenso wie die des Angriffs der Kavallerie, indem sie zuließ, daß eine maximale Anzahl von Soldaten gleichzeitig wirkte; aber gerade die Vervollkommnung in dieser Hinsicht preßte die gesamte Armee gleichsam in eine Zwangsjacke. Jede Eskadron, jedes <36> Bataillon oder Geschütz hatte einen festen Platz in der Schlachtordnung, der nicht umgestoßen oder irgendwie verändert werden konnte, ohne daß die Wirksamkeit des Ganzen beeinträchtigt wurde. Es mußte deshalb auf dem Marsch alles so organisiert sein, daß jede Unterabteilung genau an die für sie vorgesehene Stelle kam, wenn sich die Armee zum Lagern oder zur Schlacht formierte. Alle durchzuführenden Manöver mußten daher mit der ganzen Armee vorgenommen werden. Da diese langsamen Truppen nur dafür geeignet waren, in Linie und in einer derart starren Schlachtordnung zu kämpfen, wäre es undurchführbar und falsch gewesen, einen einzelnen Teil für einen Flankenangriff abzutrennen oder eine besondere Reserve mit überlegenen Kräften für den Angriff auf eine schwache Stelle zu bilden. Zu der damaligen Zeit ging das Vorrücken in der Schlacht bei so langen Linien außerordentlich langsam vor sich, um die Frontlinie auf gleicher Höhe zu halten. Zelte wurden vom Troß ständig mitgeführt und jede Nacht aufgeschlagen. Das Lager war leicht verschanzt. Die Truppen wurden aus Magazinen verpflegt; die Feldbäckereien begleiteten die Armee so weit es irgend möglich war. Kurzum, die Bagage und der übrige Troß der Armee waren ungeheuer groß und behinderten ihre Bewegungen in einem heutzutage unvorstellbaren Maße. Trotz all dieser Nachteile war jedoch die militärische Organisation Friedrichs des Großen bei weitem die beste jener Zeit und wurde eifrig von allen anderen europäischen Regierungen übernommen. Die Rekrutierung der Streitkräfte wurde fast überall auf dem Wege der Freiwilligenwerbung, die oft von List und Gewalt begleitet war, durchgeführt. Erst nach sehr schweren Verlusten nahm Friedrich zu Zwangsaushebungen in seinen Provinzen Zuflucht.

Als der Koalitionskrieg gegen die Französische Republik begann, zählte die durch den Ausfall ihrer Offiziere desorganisierte französische Armee weniger als 150.000 Mann. Der Feind war zahlenmäßig weit stärker; deshalb wurden neue Aufgebote erforderlich, und diese wurden in einem riesigen Ausmaß aus nationalen Freiwilligen gebildet, von denen 1793 mindestens 500 Bataillone bestanden haben müssen. Diese Truppen waren nicht ausgebildet, und es war auch keine Zeit für eine Ausbildung, die dem komplizierten System der Lineartaktik und dem Grad der erforderlichen Vollkommenheit bei Bewegungen in Linie genügte. Obwohl die Franzosen jetzt zahlenmäßig weit überlegen waren, zog jeder Versuch, dem Feind in Linie zu begegnen, eine vollständige Niederlage nach sich. Ein neues taktisches System wurde unumgänglich. Die amerikanische Revolution hatte die Vorteile gezeigt, die man mit militärisch unausgebildete Truppen durch aufgelöste Ordnung und durch Tirailleurfeuer erzielen <37> konnte. Die Franzosen übernahmen dieses System und unterstützten die Tirailleure durch tiefe Kolonnen, bei denen eine kleine Unordnung weniger ins Gewicht fiel, solange die Masse gut zusammenblieb. In dieser Formation warfen sie ihre zahlenmäßig überlegenen Truppen gegen den Feind und waren im allgemeinen erfolgreich. Diese neue Formation und die mangelnde Erfahrung ihrer Truppen veranlaßte sie, auf unebenem Gelände, in Dörfern und Wäldern zu kämpfen, wo sie Schutz vor dem Feuer des Feindes fanden und wo dessen Linie immer wieder durcheinandergeriet. Da sie keine Zelte, Feldbäckereien etc. hatten, waren sie gezwungen, im Freien zu biwakieren und von dem zu leben, was das Land ihnen bot. Sie erreichten so eine bei ihren Feinden unbekannte Beweglichkeit, da diese durch Zelte und durch verschiedenartigsten Troß behindert waren. Als der Revolutionskrieg in Napoleon den Mann hervorgebracht hatte, der diese neue Methode der Kriegführung in ein reguläres System brachte und es mit dem kombinierte, was am alten System noch nützlich war, der auch die neue Methode sofort auf den Stand der Vollkommenheit brachte, die Friedrich der Lineartaktik gegeben hatte - da waren die Franzosen fast unbesiegbar, bis ihre Gegner von ihnen gelernt und ihre Armeen nach dem neuen Vorbild organisiert hatten. Die Hauptmerkmale dieses neuen Systems sind: Wiederherstellung des alten Prinzips, daß laut Gesetz jeder Bürger im Notfalle zur Verteidigung des Landes aufgerufen werden kann, und die sich daraus ergebende Bildung der Armee durch Zwangsaufgebote größeren oder kleineren Ausmaßes unter der gesamten Bevölkerung - eine Veränderung, durch die die zahlenmäßige Stärke der Armeen sofort auf das Dreifache des Durchschnitts zur Zeit Friedrichs erhöht wurde und im Notfalle noch weiter erhöht werden konnte. Dazu kam der Fortfall der Lagerutensilien sowie der Abhängigkeit von der Magazinverpflegung; das Biwak wurde eingeführt, und es setzte sich der Grundsatz durch, daß der Krieg den Krieg ernährt. Die Beweglichkeit und Selbständigkeit einer Armee wurde hierdurch ebenso erhöht wie ihre zahlenmäßige Stärke durch das Gesetz der allgemeinen Dienstpflicht. Bei der taktischen Organisation setzte sich das Prinzip durch, Infanterie, Kavallerie und Artillerie in den kleineren Einheiten einer Armee, in den Korps und den Divisionen, zu vereinen. So wurde jede Division zu einer vollständigen Armee kleineren Formats, fähig zum selbständigen Handeln und mit einer beachtlichen Widerstandskraft auch gegenüber einem zahlenmäßig überlegenen Feind. Die Schlachtordnung basierte nun auf der Kolonne; diese bildete das Reservoir, von dem die Schützen ausschwärmten und zu dem sie zurückkehrten. Die Kolonne war eine keilartige kompakte Masse, die gegen einen <38> besonderen Punkt der feindlichen Linie geworfen wurde; sie war die Form sich dem Feind zu nähern, sich dann zu entfalten und, falls das Gelände und der Stand des Gefechts es erforderlich machten, dem Feind Feuerlinien entgegenzustellen. Die gegenseitige Unterstützung der drei Waffengattungen entwickelte sich zu ihrer vollen Stärke durch ihr Zusammenwirken in kleinen Einheiten und durch die Kombination der drei Kampfarten; Schützenschwärme, Schützenlinie und Kolonne bildeten die große taktische Überlegenheit der modernen Armeen. Auf diese Weise wurde jedes Art Gelände zum Kampf geeignet, und zu den wichtigsten Eigenschaften eines Befehlshabers gehörte nun die Fähigkeit, schnell die Vor- und Nachteile des Geländes abzuschätzen und sofort seine Truppen zweckentsprechend einzusetzen. Nicht nur für den Oberbefehlshaber, sondern auch für die untergeordneten Offiziere waren jetzt diese Qualitäten und die allgemeine Befähigung zu selbständigem Kommando eine Notwendigkeit. Korps, Divisionen, Brigaden und Detachements wurden stets vor Situationen gestellt, bei denen ihre Kommandeure auf eigene Verantwortung handeln mußten. Das Schlachtfeld wies nicht mehr lange ununterbrochene Infanterielinien auf, die in einer weiten Ebene mit Kavallerie an den Flügeln aufgestellt waren, sondern einzelne Korps und Divisionen standen in Kolonnen massiert hinter Dörfern, Straßen oder Hügeln versteckt, voneinander durch ziemlich große Zwischenräume getrennt, während nur ein kleiner Teil der Truppen tatsächlich im Schützen- und Artilleriegefecht verwickelt war, bis der entscheidende Moment nahte. Die Schlachtlinien dehnten sich der Anzahl der Truppen und dem Charakter dieser Formation entsprechend aus; es war jetzt nicht nötig, jeden Zwischenraum mit einer dem Feind sichtbaren Linie auszufüllen, solange Truppen zur Hand waren, um aufzurücken, wenn erforderlich. Die Umgehung der Flanken wurde jetzt gewöhnlich zu einer strategischen Operation; die stärkere Armee schob sich völlig zwischen die schwächere und deren Verbindungslinien, so daß eine einzige Niederlage zur Vernichtung einer ganzen Armee führen und einen Feldzug entscheiden konnte. Es war das bevorzugte taktische Manöver, das Zentrum des Feindes mit frischen Truppen zu durchbrechen, sobald die Lage ergab, daß dieser seine letzten Reserven eingesetzt hatte. Waren Reserven in der Lineartaktik fehl am Platze und der Schlagkraft der Armee im entscheidenden Moment abträglich, so wurden sie jetzt das Hauptmittel, das eine Kampfhandlung entschied. Die Schlachtordnung dehnte sich in der Front und auch in der Tiefe aus: Von der Schützenlinie bis zur Position der Reserven betrug die Tiefe sehr oft 2 [engl.] Meilen und mehr. Kurzum, wenn das neue System auch weniger Drill und <39> Paradepedanterie erforderte, so verlangte es doch weit größere Schnelligkeit, Anstrengung und Intelligenz von jedem, vom höchsten Kommandeur ebenso wie vom einfachsten Schützen; jede seit Napoleon gemachte neue Verbesserung geht in dieser Richtung.

Die Veränderungen in der Ausrüstung der Armeen waren in dieser Zeit nur unwesentlich. Die ständigen Kriege ließen wenig Raum für solche Verbesserungen, deren Einführung Zeit erfordert. Zwei sehr wichtige Neuerungen vollzogen sich in der französischen Armee kurz vor der Revolution: die Einführung eines neuen Musketenmodells mit verringertem Kaliber und geringerem Spielraum, das außerdem einen geschweiften Kolben an Stelle des bisher gebräuchlichen geraden hatte. Diese sorgfältiger gearbeitete Waffe trug viel zur Überlegenheit der französischen Schützen bei und blieb das Modell, nach dem mit unwesentlichen Änderungen die Musketen aller Armeen bis zur Einführung des Perkussionsschlosses konstruiert waren. Die zweite Neuerung war die Vereinfachung und Verbesserung der Artillerie durch Gribeauval. Die französische Artillerie befand sich unter Ludwig XV. in einem völlig vernachlässigten Zustand; die Geschütze hatten alle möglichen Kaliber, die Lafetten waren altmodisch, und die Modelle, nach denen sie gebaut, waren nicht einmal einheitlich. Es gelang Gribeauval, der während des Siebenjährigen Krieges bei den Österreichern gedient und dort bessere Modelle gesehen hatte, die Anzahl der Kaliber zu vermindern, die Modelle zu vereinheitlichen und zu verbessern und so das ganze System erheblich zu vereinfachen. Es waren Gribeauvals Geschütze und Lafetten, mit denen Napoleon seine Kriege führte. Die englische Artillerie, die sich bei Ausbruch des Krieges mit Frankreich in äußerst schlechtem Zustand befand, wurde nach und nach, wenn auch langsam, wesentlich verbessert. So entstand die Blockschwanzlafette, die seitdem viele Armeen des Kontinents übernahmen, und auch die Einrichtung, die Fußartilleristen auf den Protzen und den Munitionswagen unterzubringen. Die von Friedrich dem Großen erstmals geschaffene reitende Artillerie wurde während der Zeit Napoleons besonders von ihm selbst gepflegt und ihre eigentliche Taktik überhaupt erst entwickelt. Nach Beendigung des Krieges stellte es sich heraus, daß die Briten in dieser Waffengattung am leistungsfähigsten waren. Von allen großen europäischen Armeen ist die österreichische die einzige, die an Stelle reitender Artillerie Batterien verwendet, bei denen die Männer auf dafür vorgesehenen Wagen sitzen.

Die deutschen Armeen behielten noch immer die besonder Kategorie der mit Büchsen bewaffneten Infanterie bei, und das neue System des Kampfes in Schützenlinie gab dieser Waffe neue Bedeutung. Diese Büchse <40> wurde besonders entwickelt und 1838 von den Franzosen übernommen, die in Algerien eine Handfeuerwaffe von großer Reichweite benötigten. Man formierte die tirailleurs de Vincennes, später chasseurs à pied und brachte sie auf einen bisher unerreichten Stand der Wirksamkeit. Diese Formation gab Anlaß zu großen Verbesserungen bei den Gewehren, und dadurch wurden sowohl die Reichweite als auch die Präzision in einem hervorragenden Maße erhöht. Dabei wurden Namen wie Delvigne, Thouvenin, Minié berühmt. Für die gesamte Infanterie der meisten Armeen führte man zwischen 1830 und 1840 das Perkussionsschloß ein; wie immer waren Engländer und Russen die letzten. Inzwischen waren von verschiedenen Ländern große Anstrengungen gemacht worden, die Handfeuerwaffen noch weiter zu verbessern und ein Gewehr von größerer Reichweite zu schaffen, mit dem die gesamte Infanterie ausgerüstet werden konnte. So führten die Preußen das Zündnadelgewehr ein, einen gezogenen Hinterlader, der sehr schnell feuern konnte und eine große Reichweite hatte; die aus Belgien stammende Erfindung wurde durch die Preußen wesentlich verbessert. Alle leichten Bataillone erhielten dieses Gewehr; für den übrigen Teil der Infanterie wurden die alten Waffen vor kurzem durch einen sehr einfachen Prozeß zu Minié-Gewehren umgearbeitet. Diesmal waren die Engländer die ersten, die ihre gesamte Infanterie mit einer vorzüglichen Waffe, nämlich dem Enfield-Gewehr, einem leicht veränderten Minié, ausrüsteten. Die Überlegenheit dieses Gewehrs erwies sich in vollem Umfange auf der Krim und rettete die Engländer bei Inkerman.

In der Taktik der Infanterie und Kavallerie fanden keine wesentlichen Veränderungen statt, wenn wir von der großen Verbesserung der Taktik der leichten Infanterie durch die französischen chasseurs und dem neuen preußischen System der Kompaniekolonnen absehen, welches zweifellos, vielleicht mit einigen Variationen, bald seiner großen taktischen Vorteile wegen Allgemeingut werden wird. Bei den Russen und Österreichern ist die Formation noch 3 Mann tief, die Engländer formieren seit Napoleons Zeiten 2 Mann tief. Die Preußen marschieren in 3 Reihen, kämpfen aber meist in 2 Reihen Tiefe, wobei die 3. Reihe Schützenzüge und die Reserve bildet. Die Franzosen formierten bisher 3 Mann tief, kämpften auf der Krim 2 Mann tief und führen diese Formation in der ganzen Armee ein. Was die Kavallerie anbelangt, so wurde der fehlgeschlagene russische Versuch, die Dragoner des 17. Jahrhunderts wieder einzuführen, bereits erwähnt.

Bei der Artillerie wurden in jeder Armee wesentliche Verbesserungen der Details und eine Vereinfachung der Kaliber, der Rädermodelle, <41> Lafetten etc. vorgenommen. Die Artilleriewissenschaft wurde bedeutend verbessert. Es ergaben sich jedoch keine wesentlichen Veränderungen. Die meisten kontinentalen Armeen sind ausgerüstet mit Sechs- und Zwölfpfündern, die Piemontesen mit Acht- und Sechzehnpfündern, die Spanier mit Acht- und Zwölfpfündern. Die Franzosen, die bisher Acht- und Zwölfpfünder hatten, führen jetzt Louis-Napoleons sogenannte Haubitzenkanone ein, einen einfachen leichten Zwölfpfünder, aus dem auch kleine Granaten abgefeuert werden und der jede andere Art Feldgeschütz ersetzen soll. Die Briten haben in den Kolonien Drei- und Sechspfünder, aber in den Armeen, die sie in andere Länder schicken, benutzen sie jetzt nur Neunpfünder, Zwölfpfünder und Achtzehnpfünder. Auf der Krim hatten sie sogar eine Feldbatterie von Zweiunddreißigpfündern, doch blieb sie immer stecken.

Die allgemeinen Organisationsformen der modernen Armeen sind einander sehr ähnlich. Mit Ausnahme der britischen und amerikanischen rekrutieren sich die Armeen auf dem Wege der Zwangsaushebung, die entweder auf der Konskription beruht - in diesem Falle werden die Männer, nachdem sie ihre Zeit abgedient haben, für immer entlassen - oder auf dem Reservesystem, in dem die Zeit des aktiven Dienstes zwar kurz ist, aber die Männer für eine bestimmte Zeit erneut einberufen werden können. Frankreich ist das beste Beispiel für das erste, Preußen für das zweite System. Sogar in England, wo sowohl Linientruppen als auch Miliz im allgemeinen durch Freiwilligenwerbung rekrutiert werden, ist, falls es an Freiwilligen mangelt, die Konskription (oder Auslosung) für die Miliz gesetzlich festgelegt. In der Schweiz gibt es kein stehendes Heer; die ganze Streitmacht setzt sich aus der nur kurze Zeit ausgebildeten Miliz zusammen. In einigen Ländern ist die Anwerbung fremder Söldner noch die Regel. Neapel und der Papst haben immer noch ihre Schweizer Regimenter, die Franzosen ihre Fremdenlegion, und England ist im Falle eines ernsten Krieges regelmäßig gezwungen, zu diesem Mittel zu greifen. Die Dauer des aktiven Dienstes ist sehr unterschiedlich; sie variiert von einigen Wochen bei den Schweizern, 18 Monaten bis 2 Jahren bei den kleineren deutschen Staaten und 3 Jahren bei den Preußen, bis zu 5 oder 6 Jahren in Frankreich, 12 Jahren in England und sogar 15-25 Jahren in Rußland. Die Offiziere rekrutieren sich auf verschiedene Weise. In den meisten Armeen gibt es jetzt zwar keine gesetzlichen Hindernisse für den Aufstieg aus den Reihen der einfachen Soldaten, aber in der Praxis gibt es sehr viele Hindernisse. In Frankreich und Österreich muß ein Teil der Offiziere aus den Reihen der Sergeanten entwickelt werden; dies wird in Rußland wegen der ungenügenden Anzahl <42> von gebildeten Kandidaten für die Offizierslaufbahn zur Notwendigkeit. In Friedenszeiten ist die Prüfung für das Offizierspatent in Preußen eine Sperre für Männer ohne entsprechende Schulbildung; in England ist ein Aufstieg aus den Reihen der einfachen Soldaten eine seltene Ausnahme. Für die übrigen Offiziere gibt es in den meisten Ländern Militärschulen, obgleich es, außer in Frankreich, im allgemeinen nicht nötig ist, sie zu absolvieren. In der militärischen Ausbildung sind die Franzosen, in der Allgemeinbildung die preußischen Offiziere führend, die Engländer und Russen haben in beiden den tiefsten Stand.

Im Hinblick auf die erforderlichen Pferde kann gesagt werden, daß Preußen das einzige Land ist, in dem der Pferdebestand ebenfalls Zwangsaushebungen unterworfen ist, wobei die Eigentümer mit festgesetzten Preisen abgefunden werden.

Abgesehen von den vorerwähnten Ausnahmen ist die Ausrüstung und Bewaffnung der modernen Armeen jetzt fast überall die gleiche. Es besteht natürlich ein großer Unterschied in der Qualität und in der Art der Verarbeitung des Materials. In dieser Hinsicht stehen die Russen an letzter Stelle, die Engländer, insofern sie von den ihnen zur Verfügung stehenden industriellen Vorteilen wirklich Gebrauch machen, an erster Stelle.

Die Infanterie aller Armeen wird in Linieninfanterie und in leichte Infanterie eingeteilt. Die erste ist die Regel, und aus ihr setzt sich die Masse jeder Infanterie zusammen; wirklich leichte Infanterie bildet überall die Ausnahme. Von der letztgenannten besitzen die Franzosen gegenwärtig qualitativ entschieden die beste und eine beträchtliche Anzahl: 21 Bataillone Jäger, 9 Bataillone Zuaven und 6 Bataillone eingeborene algerische Tirailleure. Die aus 32 Bataillonen bestehende österreichische leichte Infanterie ist ebenfalls ausgezeichnet, das trifft besonders auf die Jäger zu. Die Preußen besitzen 9 Schützenbataillone und 40 Bataillone leichte Infanterie, die letzteren werden jedoch ihren besonderen Aufgaben nicht genügend gerecht. Die Engländer haben außer ihren 6 Schützenbataillonen keine wirklich leichte Infanterie und sind nach den Russen entschieden am wenigsten dafür geeignet. Von den Russen kann man sagen, daß sie keine wirklich leichte Infanterie haben, denn die vorhandenen 6 Schützenbataillone verschwinden in ihrer riesigen Armee.

Auch die Kavallerie ist überall in schwere und leichte Reiterei eingeteilt. Kürassiere sind immer schwere, Husaren, Jäger, Chevaulegers immer leichte Reiterei, Dragoner und Ulanen sind in manchen Armeen leichte, in anderen schwere Kavallerie. Die Russen wären auch ohne leichte <43> Kavallerie, hätten sie nicht die Kosaken. Die beste leichte Kavallerie haben zweifellos die Österreicher: die nationalen ungarischen und polnischen Husaren.

Die gleiche Einteilung gilt für die Artillerie mit Ausnahme der französischen, die, wie bereits festgestellt, jetzt nur ein Kaliber hat. Bei den anderen Armeen gibt es je nach den Kalibern ihrer Geschütze noch leichte und schwere Batterien. Die leichte Artillerie wird wiederum in reitende und Fußartillerie unterteilt, wobei besonders die erstere dazu bestimmt ist, mit der Kavallerie gemeinsam zu operieren. Die Österreicher haben, wie festgestellt, keine reitende Artillerie, die Engländer und Franzosen keine eigentliche Fußartillerie, da die Männer auf Protzen und Munitionswagen befördert werden.

Die Infanterie ist in Kompanien, Bataillone und Regimenter formiert. Das Bataillon ist die taktische Einheit; es ist die Form, in der, von ein paar Ausnahmefällen abgesehen, die Truppen kämpfen. Ein Bataillon darf darum nicht zu stark sein, damit es durch Stimme und Auge seines Kommandeurs geführt werden kann; es darf aber auch nicht zu schwach sein, damit es als selbständige Einheit in der Schlacht, auch nach Verlusten während einer Kampagne, noch aktionsfähig ist. Daher variiert die Stärke des Bataillons zwischen 600 und 1.400 Mann; 800 bis 1.000 Mann bilden den Durchschnitt. Die Einteilung eines Bataillons in Kompanien hat zum Ziel: die Festsetzung seiner manövrierfähigen Unterabteilungen, die Beherrschung der Einzelheiten der Ausbildung durch die Mannschaften und die bequemere wirtschaftliche Verwaltung. In Wirklichkeit erscheinen die Kompanien nur bei Scharmützeln als selbständige Einheiten und bei den Preußen bei der Formierung von Kompaniekolonnen, wobei jede der 4 Kompanien eine Kolonne von 3 Zügen bildet. Diese Formation setzt starke Kompanien voraus, und sie zählen daher in Preußen 250 Mann. Die Anzahl der Kompanien in einem Bataillon variiert ebenso wie ihre Stärke. Die Engländer haben 10 Kompanien, jede 90 bis 120 Mann stark, die Russen und Preußen 4, mit je 250 Mann, die Franzosen und Österreicher 6 von verschiedener Stärke. Die Bataillone werden zu Regimentern formiert; das geschieht mehr aus administrativen und disziplinarischen Gründen und um die Einheitlichkeit der Ausbildung zu sichern als zu irgendeinem taktischen Zweck; in Kriegsformationen werden daher die Bataillone eines Regiments oft getrennt. In Rußland und Österreich hat jedes Regiment 4, in Preußen 3, in Frankreich 2 Stammbataillone außer dem Depotbataillon; in England bestehen die meisten Regimenter im Frieden aus nur 1 Bataillon. Die Kavallerie wird in Eskadronen und Regimenter gegliedert. Die 100 bis <44> 200 Mann starke Eskadron bildet die taktische und administrative Einheit; nur die Engländer unterteilen die Eskadron zu administrativen Zweckei in 2 Trupps. Zu einem Regiment gehören 3 bis 10 Stammeskadronen. In Friedenszeiten haben die Briten nur 3 Eskadronen mit ungefähr je 120 Reitern, die Preußen 4 mit je 150, die Franzosen 5 mit je 180 bis 200, die Österreicher 6 oder 8 mit je 200 und die Russen 6 bis 10 mit je 150 bis 170 Reitern. Bei der Kavallerie ist das Regiment eine Einheit von taktischer Bedeutung, da ein Regiment über die Mittel verfügt, einen selbständiger Angriff zu führen, bei dem sich die Eskadronen gegenseitig unterstützen; zu diesem Zweck wird es in genügender Stärke formiert, nämlich 500 bis 1.600 Mann Reiterei. Nur die Briten haben so schwache Regimenter, daß sie gezwungen sind, 4 oder 5 davon zu 1 Brigade zusammenzufassen; dagegen sind die österreichischen und russischen Regimenter in vielen Fällen ebenso stark wie eine durchschnittliche Brigade. Die Franzosen haben nominell sehr starke Regimenter, doch traten sie bisher in wesentlich reduzierter Zahl zum Kampf an, da es ihnen an Pferden mangelte.

Die Artillerie wird in Batterien formiert; die Einteilung dieser Waffengattung in Regimenter oder Brigaden erfolgt nur für Friedenszwecke, da in den meisten Fällen die Batterien beim aktiven Einsatz voneinander getrennt und nur so eingesetzt werden. Eine Batterie hat als Minimum 4 Geschütze, die Österreicher haben 8 und die Franzosen und Engländer 6 in jeder Batterie.

Schützen oder andere Truppen ausgesprochen leichter Infanterie sind gewöhnlich nur in Bataillonen und Kompanien und nicht in Regimentern, organisiert, da sich der Charakter dieser Waffengattung nicht mit ihrer Zusammenfassung zu großen Einheiten verträgt. Das gleiche gilt für Sappeure und Mineure, die übrigens nur einen sehr kleinen Teil der Armee ausmachen. Lediglich die Franzosen machen in diesem Fall eine Ausnahme, doch zählen ihre 3 Regimenter Sappeure und Mineure im ganzen nur 6 Bataillone.

In Friedenszeiten wird die Formierung der meisten Armeen im allgemeinen mit dem Regiment als abgeschlossen betrachtet. Die größeren Einheiten, die Brigaden, Divisionen und Armeekorps, werden meistens erst bei Kriegsausbruch formiert. Nur die Russen und Preußen haben ihre Armee durchorganisiert und die höheren Kommandos wie zur Kriegszeit besetzt. In Preußen trägt dies jedoch einen völlig formalen Charakter, solange nicht mindestens ein ganzes Armeekorps mobilisiert wird, was die Einberufung der Landwehr einer ganzen Provinz voraussetzt, und wenn in Rußland die Truppenteile tatsächlich zu Regimentern formiert sind, so <45> hat doch der vergangene Krieg <Krimkrieg 1853-1856> gezeigt, daß die ursprünglichen Divisionen und Korps sehr bald ineinander übergingen, so daß der Vorteil einer solchen Formation eher für den Frieden als für den Kriegsfall besteht.

In Kriegszeiten werden mehrere Bataillone oder Eskadronen zu einer Brigade formiert: 4 bis 8 Bataillone zu einer Infanterie- oder 6 bis 20 Eskadronen zu einer Kavalleriebrigade. Bei großen Kavallerieregimentern können diese sehr gut an Stelle von Brigaden stehen, doch wird ihre Stärke sehr häufig um die Detachements verringert, die sie den Divisionen stellen müssen. Während die leichte und die Linieninfanterie vorteilhaft in einer Brigade vereinigt werden können, ist das bei der leichten und schweren Kavallerie nicht der Fall. Die Österreicher fügen sehr häufig jeder Brigade eine Batterie hinzu. Mehrere Brigaden zusammengefaßt bilden eine Division. In den meisten Armeen setzt sich die Division aus allen drei Waffengattungen zusammen, und zwar aus 2 Brigaden Infanterie, 4 bis 6 Eskadronen Kavallerie und 1 bis 3 Batterien. Die Franzosen und Russen haben bei ihren Divisionen keine Kavallerie, und die Engländer bilden sie ausschließlich aus der Infanterie. Wenn daher diese Nationen beim Kampf nicht im Nachteil sein wollen, sind sie im Kriegsfall gezwungen, ihren Divisionen Kavallerie (und entsprechend Artillerie) hinzuzufügen; das wird leicht übersehen, ist oft auch schwierig oder unmöglich. Der Anteil der Divisionskavallerie ist jedoch überall nur klein, und deshalb wird der Rest dieser Waffengattung in Kavalleriedivisionen von je 2 Brigaden als Reservekavallerie formiert.

Bei größeren Armeen werden 2 oder 3 Divisionen, manchmal auch 4, zu einem Armeekorps zusammengefaßt. Solch ein Korps hat stets seine eigene Kavallerie und Artillerie, auch dann, wenn die Divisionen keine haben; wenn die Divisionen gemischte Einheiten sind, steht dem Kommandeur des Korps noch eine Reserve von Kavallerie und Artillerie zur Verfügung. Napoleon bildete als erster diese gemischten Einheiten, und damit nicht zufrieden, organisierte er die ganze übrige Kavallerie in Reservekavalleriekorps von 2 oder 5 Kavalleriedivisionen, denen reitende Artillerie beigegeben war. Die Russen haben diese Organisation ihrer Reservekavallerie beibehalten; die anderen Armeen werden sie wahrscheinlich in einem Kriege von Bedeutung wieder aufnehmen, obwohl die erzielte Wirkung bisher noch nie im Verhältnis zu der riesigen Masse der Reiterei stand, die auf diese Weise an einem Punkt konzentriert war.

So sieht die moderne Organisation des kämpfenden Teils einer Armee <46> aus. Trotz der Abschaffung von Zelten, Magazinen, Feldbäckereien und Proviantwagen besteht noch ein großer Troß von Nichtkombattanten und Fuhrwerken, der notwendig ist, um die Schlagkraft der Armee während des Feldzugs zu sichern. Um davon ein Bild zu vermitteln, nennen wir nur den Troß, der nach dem bestehenden Reglement für ein Armeekorps des preußischen Heeres erforderlich ist:

Artillerietroß: 6 Parkkolonnen mit 30 Wagen, 1 Feuerwerkerkolonne von 6 Wagen.

Pontontroß: 34 Pontonwagen, 5 Werkzeugwagen, 1 Schmiede.

Infanterietroß: 116 Wagen, 108 Gespanne.

Sanitätstroß: 50 Wagen (für 1.600 oder 2.000 Kranke).

Troß der Intendantur: 159 Wagen.

Reservetroß: 1 Wagen, 75 Reservepferde.

Insgesamt: 402 Wagen, 1.791 Pferde, 3.000 Mann.

Um die Kommandeure der Armeen, Armeekorps und Divisionen zu befähigen - jeden auf seinem Gebiet -, die ihnen anvertrauten Truppen zu führen, wird in allen Armeen, mit Ausnahme der britischen, ein besonderes Offizierskorps formiert, das als Stab bezeichnet wird. Die Funktionen dieser Offiziere erstrecken sich auf das Erkunden und Skizzieren des Geländes, auf dem die Armee vorgeht oder eventuell vorgehen soll, und auf die Mithilfe bei der Ausarbeitung von Operationsplänen sowie ihrer detaillierter Anordnung, damit keine Zeit verlorengeht, keine Verwirrung entsteht und die Truppen keinen unnützen Strapazen ausgesetzt werden. Diese Offiziere nehmen daher sehr wichtige Stellungen ein und sollten eine gründliche abgeschlossene militärische Ausbildung mit voller Kenntnis der Fähigkeiten einer jeden Waffengattung auf dem Marsch und in der Schlacht besitzen. Deshalb werden sie in allen Ländern aus dem Kreis der fähigsten Personen ausgewählt und in den höchsten Militärschulen sorgfältig ausgebildet. Nur die Engländer glauben, daß sich jeder Subalterne oder jeder Offizier, der aus der Armee schlechthin ausgewählt wird, für eine solche Position eignet, und die Folge davon ist, daß ihr Stab mittelmäßig und die Armee nur zu den langsamsten und einfachsten Manövern imstande ist, während der Kommandeur, falls er überhaupt verantwortungsbewußt handelt, die gesamte Stabsarbeit selbst machen muß. Zu einer Division kann selten mehr als ein Stabsoffizier gehören, ein Armeekorps hat seinen eigenen Stab unter der Leitung eines höheren Offiziers oder eines Stabsoffiziers, und eine Armee hat einen vollständigen Stab mit mehreren Generalen unter einem Stabschef, der in dringenden Fällen seine Befehle im Namen des Armeebefehlshabers erteilt. Dem Stabschef unterstehen in der britischen <47> Armee ein Generaladjutant und ein Generalquartiermeister; in anderen Armeen ist der Generaladjutant zu gleicher Zeit Chef des Stabes. In Frankreich vereinigt der Stabschef beide Funktionen in einer Person und hat für jede eine besondere Abteilung unter seinem Kommando. Der Generaladjutant ist der Chef des Personals der Armee; er erhält die Berichte aller untergeordneten Abteilungen und Einheiten der Armee und ordnet alle Angelegenheiten der Disziplin, Instruktion, Formation, Ausrüstung, Bewaffnung etc. Die Verbindung aller Untergebenen zum Oberbefehlshaber geht über ihn. Ist er gleichzeitig Stabschef, so arbeitet er mit dem Kommandeur bei der Aufstellung und Ausarbeitung der Operations- und Marschpläne der Armee zusammen. Die detaillierte Ausarbeitung dieser Pläne ist Angelegenheit des Generalquartiermeisters; von ihm werden die Einzelheiten der Märsche, Winterquartiere und Lager vorbereitet. Dem Hauptquartier ist eine genügende Anzahl von Stabsoffizieren zur Erkundung des Geländes, zur Projektierung der Verteidigungs- oder Angriffspositionen etc. beigegeben. Außerdem gibt es einen Oberbefehlshaber der Artillerie und einen höheren Genieoffizier für die entsprechenden Abteilungen des Stabes, einige Stellvertreter des Oberbefehlshabers an besonderen Punkten des Schlachtfeldes und eine Anzahl von Ordonnanzoffizieren und Ordonnanzen zur Beförderung von Befehlen und Depeschen.

Zum Hauptquartier gehört ferner der Chef der Intendantur mit seinen Schreibern, der Armeezahlmeister, der Chef der Sanitätsabteilung und der Kriegsgerichtsrat oder der Leiter der Kriegsgerichtsabteilung. Nach dem gleichen Vorbild sind die Stäbe der Armeekorps und der Divisionen organisiert, jedoch viel einfacher und mit weniger Personal. Die Stäbe der Brigaden und Regimenter sind zahlenmäßig noch kleiner, und der Stab eines Bataillons kann nur aus dem Kommandeur, seinem Adjutanten, einem Offizier als Zahlmeister, einem Sergeanten als Schreiber und einem Tambour oder Hornisten bestehen.

Zur Aufrechterhaltung und Leitung der militärischen Kräfte einer großen Nation sind, außer den bisher genannten, zahlreiche weitere Einrichtungen erforderlich. Es gibt Rekrutierungs- und Remonte-Offiziere; die letztgenannten stehen oft in Verbindung mit der Verwaltung von staatlichen Pferdezuchtanstalten, von Militärschulen für Offiziere und Unteroffiziere, von Musterbataillonen, -eskadronen und -batterien, von mustergültigen Reitschulen und Ausbildungsstätten für Tierärzte. Die meisten Länder haben staatliche Gießereien und Fabriken zur Herstellung von Handfeuerwaffen und Schießpulver, fernerhin verschiedene Kasernen, Arsenale, Speicher, Festungen samt Einrichtungen und dem sie befehligenden Offiziersstab. <48> Schließlich gibt es die Hauptintendantur und den Generalstab der Armee, die, da ihr Bereich die gesamte bewaffnete Streitkraft umfaßt, sogar mehr Mitarbeiter zählen und umfangreichere Aufgaben zu bewältigen haben als die Intendantur und der Stab einer einzelnen aktiven Armee. Besonders der Generalstab hat bedeutende Aufgaben. Er ist im allgemeinen eingeteilt in eine historische Sektion (die Material zur Kriegsgeschichte, über die Organisation der Armeen in der Vergangenheit und der Gegenwart etc. sammelt), eine topographische Sektion (die mit der Herstellung von Karten und der trigonometrischen Vermessung des ganzen Landes betraut ist), eine statistische Sektion etc. An der Spitze all dieser Einrichtungen, wie an der Spitze der Armee, steht das Kriegsministerium, das in den einzelnen Ländern verschiedenartig organisiert ist, das aber, wie aus den vorstehenden Betrachtungen deutlich hervorgeht, mannigfaltige Gebiete umfaßt. Als Beispiel führen wir die Organisation des französischen Kriegsministeriums an. Es umfaßt 7 Bereiche oder Abteilungen: 1. Personal; 2. Artillerie; 3. Ingenieure und Festungen; 4. Verwaltungsangelegenheiten; 5. Algerien; 6. Kriegsdepot (historisch, topographisch etc. und Stabssektionen); 7. Finanzen des Kriegsdepartements. Unmittelbar zum Ministerium gehören folgende beratende Kommissionen, die sich aus Linienoffizieren und Stabsoffizieren sowie Fachleuten zusammensetzen: Stabskomitees der Infanterie, der Kavallerie, der Artillerie, des Befestigungswesens, der Sanitätsangelegenheiten und die Kommissionen für Tierheilkunde sowie für öffentliche Bauten. So sieht die riesige Maschinerie aus, die der Rekrutierung, der Remonte, der Ernährung und Leitung dient und die immer wieder eine moderne erstklassige Armee erzeugt.

Diese gewaltige Organisation entspricht den in einer Armee zusammengefaßten Menschenmassen. Wenn auch Napoleons Große Armee von 1812, als er 200.000 Mann in Spanien, 200.000 in Frankreich, Italien, Deutschland und Polen hatte und Rußland mit 450.000 Mann und 1.300 Geschützen überfiel, bisher niemals ihresgleichen fand, wenn wir höchstwahrscheinlich auch nie wieder eine solche Armee wie diese 450.000 Mann zu einer Operation vereinigt sehen werden, so kann doch jeder der großen kontinentalen Staaten Europas, Preußen inbegriffen, eine bewaffnete und disziplinierte Streitmacht von 500.000 Mann und darüber aufstellen, und ihre Armeen sind, obwohl sie nicht mehr als 11/2 bis 3 Prozent der Bevölkerung betragen, noch in keiner früheren Geschichtsperiode erreicht worden.