Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 323-331
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

[Einzelheiten des Madrider Aufstands -
Die österreichisch-preußischen Forderungen -
Die neue Anleihe in Österreich -
Die Walachei]

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 4136 vorn 21. Juli 1854]

<323> London, Freitag, 7. Juli 1854.

Die bei uns eingegangenen Nachrichten über den Militäraufstand in Madrid tragen nach wie vor einen sehr widerspruchsvollen und fragmentarischen Charakter. Alle Madrider telegraphischen Depeschen sind natürlich Darlegungen der Regierung und von der gleichen Fragwürdigkeit wie die in der "Gaceta" veröffentlichten Bulletins. Eine Übersicht über das spärlich zur Verfügung stehende Material ist daher alles, was ich Ihnen gehen kann. Man wird sich erinnern, daß O'Donnell einer der Generale war, die im Februar von der Königin verbannt wurden, daß er es abgelehnt hatte zu gehorchen, sich in Madrid verborgen hielt und mit der Garnison von Madrid und besonders mit General Dulce, dem Generalinspekteur der Kavallerie, auch weiterhin in geheimem Briefwechsel stand. Die Regierung wußte von seinem Aufenthalt in Madrid, und in der Nacht des 27. Juni erhielten General Blaser, der Kriegsminister, und General Lara, der Generalkapitän von Neukastilien, Warnungen von einer beabsichtigten Revolte unter Führung des Generals Dulce. Es wurde jedoch nichts getan, um den Aufstand zu verhindern oder im Keim zu ersticken. Daher war es für General Dulce nicht schwierig, am 28. Juni unter dem Vorwand einer Truppenschau etwa 2.000 Mann Kavallerie zu sammeln und, begleitet von O'Donnell, mit ihnen aus der Stadt zu marschieren, in der Absicht, die Königin zu entführen, die sich zu der Zeit im Escorial aufhielt. Der Anschlag ging jedoch fehl, und die Königin traf am 29. in Begleitung des Grafen San Luis, des Konseilpräsidenten, in Madrid ein und hielt eine Heerschau ab, während die Insurgenten in der Umgebung der Hauptstadt Quartier bezogen. Zu ihnen stießen Oberst Echagüe und <324> 400 Mann des Regiments Prinz, die die Regimentskasse mit 1.000.000 Francs mitbrachten. Eine aus sieben Bataillonen Infanterie, einem Regiment Kavallerie, einem Detachement berittener Gendarmerie und zwei Batterien Artillerie bestehende Kolonne verließ am Abend des 29. Juni unter Kommando von General Lara Madrid, um den Rebellen zu begegnen, die in der Venta del Espiritu Santo und in dem Dorf Vicalvaro Quartier bezogen hatten. Am 30. kam es zwischen beiden Armeen zur Schlacht, von der wir drei Berichte erhielten - der offizielle wurde von General Lara an den Kriegsminister gerichtet und in der "Gaceta" veröffentlicht, den zweiten veröffentlichte der "Messager de Bayonne", und der dritte ist eine Schilderung des Madrider Korrespondenten der "Indépendance Beige", eines Augenzeugen des Treffens. Der erstgenannte Bericht, den man in allen Londoner Blättern finden kann, ist leicht abzutun, weil General Lara einmal erklärt, daß er die Insurgenten angriff, und ein andermal, daß sie ihn angriffen; weil er an einer Stelle Gefangene macht und sie an einer anderen verliert; weil er den Sieg für sich beansprucht und nach Madrid zurückkehrt - enfin <kurz>, weil er den Insurgenten das Schlachtfeld überläßt, es jedoch mit den Toten des "Feindes" bedeckt und gleichzeitig behauptet, daß er nur dreißig Verwundete habe.

Nachfolgend die Version des "Messager de Bayonne":

"Am 30. Juni, um 4 Uhr morgens, verließ General Quesada an der Spitze zweier Brigaden Madrid, um die Rebellentruppen anzugreifen. Die Angelegenheit dauerte nur wenige Minuten, wobei General Quesada energisch zurückgeschlagen wurde. General Blaser, der Kriegsminister, unternahm seinerseits, nachdem er die ganze Garnison von Madrid" - die nebenbei bemerkt, aus ungefähr 7.000 oder 8.000 Mann besteht - "zusammengezogen hatte, um 7 Uhr abends einen Ausfall. Unmittelbar darauf entwickelte sich ein Gefecht, das sich nahezu ohne Pause bis zum Abend hinzog. Die von der zahlreichen Kavallerie der Insurgenten bedrohte Infanterie formierte sich in Karrees. Oberst Garrigò griff an der Spitze einiger Eskadronen so kraftvoll eines dieser Karrees an, als wollte er es durchbrechen, wurde jedoch von dem Feuer einer maskierten Batterie mit fünf Geschützen empfangen, deren Traubengeschosse seine Eskadronen zerstreute. Oberst Garrigò fiel in die Hände der Truppen der Königin, doch General O'Donnell verlor keinen Augenblick, seine Schwadronen zu ralliieren und warf sich so heftig auf die Infanterie, daß er ihre Reihen ins Wanken brachte, befreite Oberst Garrigò und eroberte die fünf Artilleriegeschütze. Die Truppen der Königin zogen sich, nachdem sie diesen Rückschlag erlitten hatten, nach Madrid zurück, wo sie um 8 Uhr abends eintrafen. Einer ihrer Generale, Mensina, war leicht verwundet. In den mörderischen Gefechten gab es eine große Anzahl vor. Toten und Verwundeten auf beiden Seiten."

<325> Wir kommen nun zum Bericht der "Indépendance", datiert Madrid, den 1. Juli, welcher der glaubwürdigste zu sein scheint:

"Die Venta del Espiritu Santo und Vicalvaro waren der Schauplatz eines mörderischen Kampfes, in dem die Truppen der Königin diesseits der Fonda de la alegria zurückgeworfen wurden. Drei nacheinander an verschiedenen Punkten gebildete Karees lösten sich auf Befehl des Kriegsministers selbst auf. Ein viertes wurde jenseits des Retiro gebildet. Zehn von den Generalen O'Donnell und Dulce persönlich geführte Schwadronen von Insurgenten griffen es im Zentrum (?) an, während Guerillas es in der Flanke (?) nahmen." (Es ist schwer zu begreifen, was dieser Korrespondent unter Zentrum- und Flankenangriffen auf ein Karree versteht.) "Zweimal kamen die Insurgenten zum Kampf mit der Artillerie, wurden aber zurückgeschlagen durch die Traubengeschosse, mit denen sie überschüttet wurden. Offenbar beabsichtigten die Insurgenten, einige der in jeder der Ecken des Karrees aufgestellten Artilleriegeschütze zu erobern. Da es in der Zwischenzeit Nacht geworden war, zogen sich die Regierungskräfte staffelförmig auf das Tor von Alcara zurück, wo eine Schwadron der Kavallerie, die regierungstreu geblieben war, plötzlich von einem Detachement aufständischer Ulanen überrascht wurde, die sich hinter dem Plaza del Toro verborgen hatten. Inmitten dieser durch den unerwarteten Angriff hervorgerufenen Verwirrung nahmen die Insurgenten vier Artilleriegeschütze, die zurückgeblieben waren. Die Verluste waren auf beiden Seiten fast gleich. Die Kavallerie der Insurgenten erlitt starke Verluste von den Traubenschüssen, aber ihre Ulanen vernichteten nahezu das Regiment Reina Gobernadore und die berittene Gendarmerie. Aus den letzten Berichten erfahren wir, daß die Aufständischen Verstärkungen aus Toledo und Valladolid erhielten. Es geht sogar das Gerücht, daß General Narváez heute in Vallecas erwartet wird, wo er von den Generalen Dulce, O'Donnell, Ros de Olano und Armero empfangen werden soll. Am Tor von Atocha sind Schützengräben aufgeworfen worden. Ansammlungen Neugieriger füllen den Bahnhof, von wo die vorgeschobenen Posten General O'Donnells gesichtet werden können. Alle Tore Madrids werden jedoch streng bewacht...

Drei Uhr nachmittags des gleichen Tages. - Die Insurgenten besetzen mit erheblichen Kräften den Ort Vallecas, drei englische Meilen von Madrid entfernt. Die Regierung erwartete heute die Truppen aus den Provinzen, besonders das Bataillon del Rey. Wenn wir den jüngsten Informationen Glauben schenken wollen, so ist diese Einheit zu den Aufständischen übergegangen.

Vier Uhr nachmittags. - Zu diesem Zeitpunkt verläßt beinahe die ganze Garnison Madrid in Richtung auf Vallecas, um den Insurgenten zu begegnen, die die größte Zuversicht zeigen. Die Geschäfte sind geschlossen. Die Garde des Retiro und generell alle Regierungsbeamte sind in Eile bewaffnet worden. Soeben erfahre ich, daß sich einige Kompanien der Garnison gestern den Insurgenten angeschlossen haben. Die Madrider Garnison wird von General Campuzano befehligt, von dem fälschlicherweise behauptet wurde, daß er zu den Insurgenten übergegangen sei, und von General Vistahermosa und Blaser, dem Kriegsminister. Bis jetzt sind noch keine Verstärkungen zur Unterstützung der Regierung eingetroffen; aber vom 4. Linienregiment und vom <326> Kavallerieregiment wird behauptet, daß sie Valladolid verlassen haben und in aller Eile auf Madrid marschieren. Dasselbe versichert man hinsichtlich der von General Turon befehligten Garnison von Burgos. Schließlich sei erwähnt, daß General Rivero mit bedeutenden Kräften Saragossa verlassen hat. Weitere blutige Zusammenstöße müssen daher erwartet werden."

Bis zum 6. d.M. sind keine Zeitungen oder Briefe von Madrid eingetroffen. Nur der "Moniteur" bringt die folgende lakonische Depesche, datiert Madrid, den 4. Juli:

"Ruhe herrscht nach wie vor in Madrid und in den Provinzen."

Eine private Mitteilung besagt, daß sich die Insurgenten bei Aranjuez aufhalten. Wenn die vom Korrespondenten der "Indépendance" für den 1. d.M. erwartete Schlacht mit einem Sieg der Regierung geendet hätte, hätte es keinen Mangel an Briefen, Zeitungen oder Bulletins gegeben. Ungeachtet der Tatsache, daß in Madrid der Belagerungszustand verkündet worden war, waren die Zeitungen "Clamor Público", "Nación", "Diario", "España" und "Época" ohne vorherige Benachrichtigung der Regierung wiedererschienen, deren Fiskal sie von dieser betrüblichen Tatsache in Kenntnis setzte. Unter den in Madrid verhafteten Personen werden die Herren Antonio Guillermo Moreno und José Manuel Collado genannt, beide Bankiers. Ein Haftbefehl wurde gegen Sijora Sevillano, den Marqués de Fuentes de Duero, einen speziellen Freund des Marschalls Narváez, erlassen. Die Herren Mon und Pidal wurden unter Aufsicht gestellt.

Es wäre verfrüht, sich über den allgemeinen Charakter des Aufstandes eine Meinung zu bilden. Ich darf jedoch sagen, daß er nicht von der Progressisten-Partei auszugehen scheint, da General San Miguel, ihr Vertreter in militärischen Kreisen, sich in Madrid ruhig verhält. Aus allen Berichten scheint im Gegenteil hervorzugehen, daß Narváez dahintersteckt und daß dies der Königin Christina, deren Einfluß in jüngster Zeit durch den Günstling der Königin [Isabella II.], Graf San Luis, erheblich zurückgegangen ist, nicht ganz unbekannt ist.

Mit Ausnahme der Türkei gibt es wahrscheinlich kein Land, das so wenig bekannt ist und von Europa so falsch beurteilt wird wie Spanien. Die zahllosen lokalen Pronunziamientos und Militärrebellionen haben Europa daran gewöhnt, es auf einer Stufe mit dem Römischen Reich zur Zeit der Prätorianer zu sehen. Dies ist genauso oberflächlich wie die Ansicht derer, die im Fall der Türkei das Leben der Nation erloschen glaubten, weil seine offizielle Geschichte während des letzten Jahrhunderts nur aus Palastrevolutionen und Janitscharenemeuten bestand. Das Geheimnis dieses Trugschlusses liegt in der simplen Tatsache, daß die Historiker, anstatt die Ressourcen und die <327> Stärke dieser Völker in ihrer provinziellen und lokalen Organisation zu erblicken, aus der Quelle ihrer Hofalmanache schöpften. Die Bewegungen dessen, was wir den Staat zu nennen pflegen, haben das spanische Volk in einem so geringen Maße berührt, daß dieses vollständig damit einverstanden war, diese beschränkte Domäne den wechselnden Leidenschaften und kleinlichen Intrigen von Hofgünstlingen, Militärs, Abenteurern und einigen wenigen sogenannten Staatsmännern zu überlassen, und sie hatten wenig Grund, ihre Gleichgültigkeit zu bereuen. Da die moderne spanische Geschichte eine völlig andere Würdigung verdient, als sie sie bis jetzt erfahren hat, werde ich eine Gelegenheit benutzen und diesen Gegenstand in einem meiner nächsten Artikel behandeln. So viel darf ich bereits an dieser Stelle bemerken, daß man nicht sehr überrascht zu sein braucht, wenn jetzt auf der Pyrenäischen Halbinsel aus einer reinen Militärrebellion eine allgemeine Bewegung entstehen sollte, da die jüngsten Finanzdekrete der Regierung den Steuereinnehmer in den wirksamsten revolutionären Propagandisten verwandelt haben.

Österreich bildet für den Krieg im Augenblick das Zünglein an der Waage. Wenn es seine Truppen noch nicht in die Walachei einmarschieren ließ, so nur deshalb, weil es die Antwort des Zaren von Rußland abwartete. Der elektrische Telegraph meldet, daß Gortschakow als Überbringer einer unangenehmen Antwort jetzt in Wien eingetroffen ist. Zum erstenmal sind die österreichisch-preußischen Sommationen, abgeschickt am 3. Juni, in der "Kölnischen Zeitung" veröffentlicht worden. Die wichtigsten Stellen in der österreichischen Sommation sind folgende:

"Der Kaiser von Rußland wird, wenn er in seiner Weisheit alle diese Rücksichten erwägt, den Wert zu würdigen wissen, welchen der Kaiser von Österreich darauf legen muß, daß die russischen Armeen ihre Operationen in den Ländern jenseits der Donau nicht weiter ausdehnen und daß er seinerseits bestimmte Angaben über den genauen und, wie wir hoffen, nicht zu fernen Zeitpunkt, wann der Besetzung der Fürstentümer ein Ziel gesetzt sein wird, erhalte. Der Kaiser Nikolaus, daran zweifeln wir nicht, will den Frieden; er wird daher auf die Mittel bedacht sein, einen solchen Zustand der Dinge aufhören zu lassen, welcher täglich mehr dazu angetan ist, eine unerschöpfliche Quelle von Unheil für Österreich und Deutschland zu werden. Er wird nicht durch eine unbestimmte Dauer dieser Besetzung, oder indem er die Räumung etwa an Bedingungen knüpft, deren Erfüllung nicht von unserem Willen abhängt, dem Kaiser Franz Joseph die gebieterische Pflicht auferlegen wollen, selbst die Mittel zum Schutze der von der gegenwärtigen Lage der Dinge so bedeutend gefährdeten Interessen in Betracht zu ziehen."

Die preußische Note, die die österreichische "Sommation" unterstützen soll, schließt folgendermaßen:

<328> "Der König hofft, daß der Kaiser seine Zustimmung geben wird, um die streitigen Fragen auf ein Gebiet zu bringen, welches praktische Ausgangspunkte darböte, um durch Verkürzung und Einschränkung der beiderseitigen Kriegführung eine befriedigende Lösung anzubahnen. Unser erhabener Herr hofft daher, daß der gegenwärtige Schritt beim Kaiser von Rußland eine den Gesinnungen, welche ihn veranlaßten, entsprechende Aufnahme finden, und daß die Antwort, welcher wir, ebenso wie das Kabinett von Wien, mit dem hohen Interesse entgegensehen, das ihre Bedeutung einflößt, dazu geeignet sein werde, den König der schmerzlichen Notwendigkeiten zu überheben, welche ihm seine königlichen Pflichten und seine Verbindlichkeiten auf legen würden."

Heß, der Generalissimus der Orientarmee, wird sein Hauptquartier in Czernowitz aufschlagen. Der "Soldatenfreund" in Wien bringt folgende Biographie von General Heß:

"Feldzeugmeister von Heß wurde im Jahre 1788 in Wien geboren; 1805 trat er in das Regiment Giulay als Fähnrich ein, wurde Leutnant beim Stab gegen Ende 1815 und 1822 Oberstleutnant und Militärkommissar in Turin. Oberst seit 1829, wurde er 1831 Quartiermeister des beweglichen Korps von Oberitalien. Im Jahre 1842 erhielt er den Rang eines Generalleutnants und wurde 1848 Chef des Stabes der Armee Radetzkys. Ihm müssen der Plan für den Marsch auf Mantua, Curtatone und Vicenza von 1848 und der für die Kampagne von 1849, die mit der Schlacht von Novara endete, zugeschrieben werden."

Über die eingestandenen Absichten Österreichs bei der Okkupation der Walachei will ich die österreichischen Blätter selbst zitieren.

Die "Frankfurter Postzeitung", das Organ der österreichischen Gesandtschaft beim Bundestag, bemerkt:

"Österreich ist durch seine geographische Lage gezwungen, auf die wirksamste Weise für die Wiederherstellung des Friedens einzutreten, indem es durch die Okkupation der Fürstentümer die kriegführenden Parteien faktisch trennt und an der wichtigsten Stelle zwischen beide tritt. Wenn sich die Russen hinter den Pruth zurückziehen, können die Türken und deren Alliierte dann nicht die Donau überqueren. Wenn wir weiter in Rechnung stellen, daß beide Parteien eine Erfahrung gewonnen und eine Illusion verloren haben - die Russen haben die Illusion hinsichtlich ihres militärischen Übergewichts verloren und die Seemächte die bezüglich der Allmacht ihrer Flotten -, so ist es klar, daß die tatsächliche Situation die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen fast unvermeidlich macht."

Der "Lloyd" seinerseits schreibt:

"Das umstrittene Territorium, nämlich die Fürstentümer, würde unter den Schutz einer neutralen Macht gestellt werden. Eine türkische Armee könnte nicht an <329> den Ufern des Pruth Stellung beziehen. Ein bewaffneter Vermittler stände zwischen den Streitkräften der Westmächte und denen Rußlands und verhinderte einen Zusammenstoß in den Donaufürstentümern. Daraus ergäbe sich in der Tat ein Waffenstillstand auf dem wichtigsten Kriegsschauplatz. Wenn wirklich noch die Möglichkeit eines Friedens besteht, könnte diese Maßnahme ihm dienlich sein. Weder in St. Petersburg noch anderswo kann es darüber einen Zweifel geben, daß die Entschlossenheit Österreichs, die Fürstentümer zu besetzen, in Voraussetzung des Friedens erfolgt und daß es sich gleichzeitig um den letzten Schritt handelt, der zur Verhinderung eines allgemeinen Krieges unternommen werden kann."

Der letzte und merkwürdigste Artikel dieser Art findet sich in der "Spenerschen Zeitung", die in Berlin erscheint:

"Wir hören wiederholt bestätigen, daß die Vertreter der vier Großmächte in Wien zu einer abermaligen Konferenz zusammentreten werden, mit dem Zweck, erstens die türkisch-österreichische Konvention zur Kenntnis zu nehmen und zu erklären, daß sie mit den früheren Protokollen der Konferenz übereinstimmt, und zweitens sich näher darüber zu verständigen, wie die nur im allgemeinen aufgestellten Prinzipien des Wiener Protokolls vom 9. April im Detail so präzisiert werden sollten, um als greifbare Basis der eventuellen Friedenspräliminarien dienen zu können."

Österreich hat mittlerweile diese Zwischenfälle benutzt, um eine neue Anleihe zu lancieren, deren offiziell bekanntgegebene Bedingungen folgende sind:

"1. Der Betrag der Anleihe ist provisorisch auf 350 bis 500 Millionen Gulden festgesetzt worden. Wenn die Subskriptionen diese Summe erreichen, müssen die Zahlungen in drei, vier oder fünf Jahren, entsprechend dem Betrage der Subskription, erfolgen.

2. Die Emissionsrate ist auf 95 in Bankpapieren festgesetzt worden.

3. Die Zinsen betragen 5 Prozent, zahlbar in Bargeld.

4. Die Subskription ist keine erzwungene. Die Kaiserliche Regierung ist im Begriff, durch die eingesetzten Behörden aller Provinzen an den Patriotismus der Staatsuntertanen zu appellieren.

5. Die Anleihe wird dazu verwandt, die Staatsschuld in Höhe von 80 Millionen an die Bank zu zahlen, in der Absicht, auf diese Weise den Wert der Bankpapiere wiederherzustellen. Der Überschuß" (es ist sehr witzig, vier Fünftel des Ganzen einen Überschuß zu nennen) "wird als Reserve für die Budgets der kommenden Jahre verwandt werden."

Der "Lloyd" versichert natürlich, daß diese große Finanzoperation, wie man sie jetzt (und beinahe zum erstenmal) plant, die bestehende Entwertung der österreichischen Währung ein für allemal beseitigen muß und wird. Ihre Leser werden nicht vergessen haben, daß mit diesem Vorwand fast jede <330> österreichische Anleihe dieses Jahrhunderts eingeführt wurde. Es gibt aber einige Punkte in dieser großen Operation, die ihnen entgehen könnten, denn sie sind aus der obigen Bekanntmachung sorgfältig weggelassen. Hierzu bemerkt der "Globe" von gestern abend:

"Diese Anleihe wird eine nationale sein, d.h., jeder Steuerzahler wird dazu aufgerufen werden, im Verhältnis zu dem von ihm bezahlten Steuerbetrag zu subskribieren. Zunächst wird ein moralischer Zwang angewandt, dem dann ein wirklicher Zwang folgen wird. Tatsächlich läuft daher die Maßnahme auf die sofortige Aufbringung einer zusätzlichen Steuersumme hinaus, mit dem Versprechen, daß diese spezielle Summe zurückgezahlt wird."

Es ist eigentümlich, wie sehr diese große Operation in ihrer Motivierung wie auch in ihrer Ausführung den jüngsten spanischen Dekreten ähnelt, die jetzt die Einleitung zu einer Revolution bilden.

In meinem letzten Brief lenkte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Rechte und die Verhältnisse des walachischen Volkes und wies auf die diplomatischen Streitigkeiten hin, die angeblich wegen der Verletzung dieser Rechte entstanden sind. Jetzt eben ist im Pariser "Siècle" ein Bericht des Herrn Barbu Bibescu, Präfekt von Mehedintz in der Kleinen Walachei, erschienen, der an den Minister des Auswärtigen der Pforte gerichtet ist und in dem wir endlich eine Stimme vernehmen, die sich für das Volk der Fürstentümer erhebt, das von den "Verteidigern der Zivilisation" mit so schmachvoller Gleichgültigkeit behandelt wird. Es beginnt mit der Feststellung:

"Die Russen ließen sich bei ihrem Rückzug aus der Kleinen Walachei zu den verabscheuungswürdigsten Grausamkeiten und Zerstörungen hinreißen, um sich wegen des passiven Widerstands eines völlig entwaffneten Volkes zu rächen. Sie nahmen die öffentlichen Gelder, die Siegel und die Archive der Verwaltung sowie die heiligen Kirchengeräte mit sich fort. Als sie sich zurückzogen, schlachteten sie das Vieh, das von den zahllosen Requirierungen übriggeblieben war, und dieses Vieh nahmen sie nicht mit, sondern ließen es liegen und verderben, nur um das Volk ihre Grausamkeit und ihren Haß fühlen zu lassen."

Zu den Gerüchten vom Einmarsch der Österreicher in die Walachei bemerkt Bibescu, daß "selbst eine wohlgesinnte fremde Armee stets eine Last für das Land ist, das sie besetzt hat". Er sagt, die Walachei brauche die Österreicher nicht; sie sei selbst imstande, ein Kontingent von 50.000 in Waffen geübten, disziplinierten Männern zu stellen. In jedem der siebzehn Departements der Walachei befinden sich gegenwärtig 3.000 Mann Gendar- <331> merie, Wald- und Wildhüter und alte Soldaten, denen man nur Waffen in die Hand zu geben braucht, damit sie sich beim ersten Trommelschlag auf die Russen stürzen. Er schließt mit folgenden Worten:

"Es fehlen uns nur Waffen; wenn nicht genug in euren Arsenalen sind - die vielen Fabriken in Frankreich, England und Belgien brauchen sie nicht, und wir sind bereit, für sie zu zahlen. Waffen und abermals Waffen, Exzellenzen, und ehe drei Monate vergangen sind wird nicht ein einziger Russe in den Fürstentümern verbleiben, und die Hohe Pforte wird eine Streitmacht von 100.000 Rumänen bereitfinden, ebenso begierig wie die Osmanen, ihren gemeinsamen und unversöhnlichen Feind zu verjagen und zu bestrafen."

Der arme Präfekt von Mehedintz begreift nicht, daß Österreich gerade nur deshalb den Walachen seine Okkupation aufzwingt, um eben ihre Bewaffnung zu verhüten und zu verhindern, daß die Walachen zusammen mit den Osmanen die Russen verjagen und bestrafen.

Sir Charles Napier versucht, wie die Cockney-Presse sagt, die Admirale des Zaren aus Kronstadt herauszulocken, hinter dessen schützenden Granitwällen sie vor der englisch-französischen Flotte "zittern". Warum aber verlassen die englischen Seeleute nicht ihre hölzernen Wälle, um die Russen auf deren bevorzugtem Element, zu Lande, zu bekämpfen? Man darf doch nicht übersehen, daß die Russen trotz aller englischen Prahlereien aus Sewastopol ausfuhren und die "Fury" "beschädigten".

Baraguay d'Hilliers ist zum Befehlshaber einer Truppendivision ernannt worden, die nach der Ostsee eingeschifft werden soll und deren Abreise auf den 14. d.M. festgesetzt ist. England soll den Transport von 6.000 Mann übernehmen. Die gleiche Zahl und eine Feldbatterie wird auf französischen Fahrzeugen eingeschifft. Fügen wir noch dieser Zahl die von Oberst Fiéron befehligten Seesoldaten hinzu, so wird sich die Effektivstärke der gesamten baltischen Division auf 13.000 bis 14.000 Mann belaufen, während gleichzeitig die Einschiffung von Truppen nach dem Schwarzen Meer in Marseille noch nicht aufgehört hat; offenbar hat der Prozeß der Entwaffnung Frankreichs den gewünschten Grad von "Sicherheit" noch nicht erreicht.

Karl Marx