Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 308-316
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961

Karl Marx

[Der Aufstand in Madrid -
Die russische Anleihe -
Der österreichisch-türkische Vertrag -
Die Moldau und die Walachei]

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 4134 vom 19. Juli 1854]

<308> London, Dienstag, 4. Juli

Der lang erwartete Militäraufstand zu Madrid ist endlich unter der Führung der Generale O'Donnell und Dulce durchgeführt worden. Die französischen Regierungsjournale beeilen sich, uns mitzuteilen, daß nach ihren Informationen die spanische Regierung bereits die Gefahr überwunden hat und der Aufstand unterdrückt ist. Aber der Madrider Korrespondent des "Morning Chronicle", der einen ausführlichen Bericht von der Erhebung gibt und die Proklamation der Insurgenten bringt, meint, daß sich diese nur aus der Hauptstadt zurückgezogen haben, um sich mit der Garnison von Alcala zu vereinigen, und daß, falls Madrid passiv bleiben sollte, sie keine Schwierigkeiten haben würden, Saragossa zu erreichen. Sollte diese Bewegung erfolgreicher sein als die letzte Rebellion in jener Stadt, so würde dies eine Ablenkung der militärischen Aktion Frankreichs verursachen, einen Anlaß für Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und England bieten und wahrscheinlich auch die schwebende Verwicklung zwischen Spanien und der Regierung der Vereinigten Staaten beeinflussen.

Es stellt sich jetzt heraus, daß die neue russische Anleihe noch nicht endgültig von den Herren Hope aus Amsterdam kontrahiert worden ist, wie ich nach den Bekanntmachungen der Londoner und Manchester Börse angenommen hatte, und daß diese Bankiers der russischen Schatzkammer auch keinen Teilbetrag vorgeschossen haben. Sie übernahmen es lediglich, sie an den verschiedenen europäischen Börsen herauszubringen, ohne aber selbst ein Risiko zu übernehmen. Der Erfolg der Anleihe wird als sehr zweifelhaft <309> dargestellt, und wir haben gehört, daß sie in Berlin und Frankfurt sehr ungünstig aufgenommen wurde. Der Hamburger Senat hat ihre offizielle Notierung verboten, und die englischen diplomatischen Vertreter und Konsuln haben, nach dem "Morning Chronicle", Warnungen an die britischen Untertanen erlassen, eine Anleihe zu zeichnen, "die dazu bestimmt ist, den Krieg gegen die Königin fortzusetzen".

Die Nachrichten über die Bewegungen der russischen Truppen seit der Aufhebung der Belagerung von Silistria sind widerspruchsvoll. Nachdem der "Moniteur" den Rückzug der Russen hinter den Pruth gemeldet hatte, erklärt die Wiener "Presse", daß nicht der geringste Grund vorhanden war, an die Tatsache einer solchen Bewegung zu glauben. Es zeigt sich im Gegenteil, daß nicht einmal die Evakuierung der Walachei beabsichtigt ist; General Liprandi hat eine Stellung bei Plojeschti und Kimpina bezogen und seine Vorposten am Eingang des Rotenturm-Passes stationiert, während von der Hauptarmee, zurückgezogen über Slobodzia und entlang dem linken Donauufer, gemeldet wird, daß sie bei Braila haltgemacht hat. Andrerseits hat das Korps von Lüders, das die Dobrudscha besetzt hält, noch nicht die Linie von Trajanswall aufgegeben, und es ist nicht wahrscheinlich, selbst im Falle eines weiteren Rückzuges, daß sie Matschin und Isaktscha aufgeben werden. Es heißt, daß frische Truppen in die Moldau strömen, wo man, wie es der Plan der Russen zu sein scheint, eine starke Streitkraft konzentrieren will. Das Korps des Generals Panjutin ist von Podolien aus eingedrungen, und zusätzliche Hilfskräfte werden aus Bessarabien herangezogen. Die gesamte Streitmacht der Russen in der oberen Moldau zwischen Jassy, Roman und Botosani soll 60.000 Mann betragen, und eine Division von 20.000 Mann lagert in der Nähe von Kamenez. "Paskewitsch", so schreibt die "Ost-Deutsche Post", "hat erklärt, daß er in keinem Fall die Mündung der Donau aufgeben wird." Der Rückzug wird von den Russen nur als eine Auswirkung der Pest erklärt, die an der oberen Donau ausgebrochen ist.

Vorläufig ist es noch ganz unbestimmt, was die Österreicher unternehmen. Man sagt, das Coroninische Korps habe Order, in Orsova auf Dampfern eingeschifft zu werden, um den Fluß abwärts nach Giurgewo zu gelangen; von da soll es nach Bukarest marschieren. Der "Corriere Italiano", ein österreichisches Regierungsorgan, verkündet, der Zweck dieser Maßregel sei bloß der, eine neutrale Position in der Walachei einzunehmen; gleichzeitig aber hören wir, Rußland habe das österreichische "Ultimatum" abgelehnt. Eine im "Morning Chronicle" veröffentlichte Depesche sagt:

"In seiner Antwort auf die österreichische Sommation erklärt der russische Kaiser seine Bereitwilligkeit, mit den vier Mächten über alle Punkte zu verhandeln, außer <310> über die Privilegien der christlichen Untertanen des Sultans. Über diesen Gegenstand will er bloß mit der Pforte direkt verhandeln und lehnt es ab, die vier Mächte als Zwischenhändler zuzulassen. Ebenso lehnt er es ab, Garantien für die Räumung der Fürstentümer zu geben."

Nun kann es infolge dieser Ablehnung sehr leicht zu einem Scheinkrieg zwischen Österreich und Rußland kommen, der dann möglicherweise in ein ebenso bemerkenswertes rencontre <Treffen> ausläuft wie jene berühmte Affäre von Bronzell, die den Scheinkrieg zwischen Preußen und Österreich im Jahre 1850 schon zu einer Zeit beendete, als sich die Zeitungen noch in Vermutungen über den schrecklichen Ausgang der großen "mitteleuropäischen Krise" verloren. Statt daher ähnliche Spekulationen über die mögliche Bedeutung der jetzigen Politik Österreichs anzustellen, wenden wir uns lieber dem österreichisch-türkischen Vertrag vom 14. Juni zu, der nun vollständig und offiziell bekanntgegeben wurde.

Zwei Punkte sind hier zu beachten - die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei und die Beziehungen der Bevölkerung der Moldau und der Walachei zur Türkei und zu Österreich oder zu anderen fremden Mächten; dieser letzte Punkt wird merkwürdigerweise von der durch die Diplomatie beherrschten öffentlichen Meinung Europas total vernachlässigt.

Durch den ersten Artikel des Vertrages verpflichtet sich der Kaiser von Österreich,

"alle Mittel der Unterhandlung und auch sonst zu erschöpfen, um die Räumung der Donaufürstentümer von der sie besetzenden fremden Armee zu bewirken und nötigenfalls die zur Erreichung dieses Zwecks erforderliche Truppenzahl zu verwenden".

Der Kaiser von Österreich wird hierdurch ermächtigt, eine beliebige Anzahl Truppen in die Walachei einmarschieren zu lassen, ohne vorherige Kriegserklärung von seiner Seite an Rußland. So wird ein türkischer Vasallenstaat einer Operation unterworfen, die ihn zu einem neutralen Besitz unter Österreich und gegen die Türkei verwandelt. Der zweite Artikel besagt:

"für diesen Fall wird dem kaiserlichen Oberkommandanten die ausschließliche Leitung der Operationen seiner Armee zustehen. Derselbe wird jedoch Sorge tragen, den Oberkommandanten der ottomanischen Armee rechtzeitig von seinen Operationen zu verständigen."

Durch diese Vereinbarung entgehen die Österreicher nicht nur jeglicher Kontrolle seitens der Türkei über eine von ihnen für gut befundene Aktion, <311> sondern bekommen auch vollständig die Oberhand bei allen Operationen, die der türkische Kommandant möglicherweise auf walachischem Boden beabsichtigt, indem sie ihn nur zu verständigen brauchen, daß sie diesen oder jenen Punkt besetzen wollen, um die Türken daran zu hindern, dorthin zu marschieren. Bedenkt man nun, daß außer dem schmalen Gebiet der Dobrudscha die Fürstentümer das einzig mögliche Schlachtfeld zwischen Türken und Russen bieten, so ergibt sich, daß die österreichische Intervention es der Türkei einfach unmöglich macht, ihre Siege weiterzuverfolgen und den Eindringling zu strafen.

Durch Artikel 3

"übernimmt der Kaiser von Österreich die Verpflichtung, im Einvernehmen mit der ottomanischen Regierung in den Donaufürstentümern so schnell wie möglich den gesetzlichen Zustand herzustellen, wie aus den von der Hohen Pforte in bezug auf die Verwaltung dieser Länder zugesicherten Privilegien selbst hervorgeht. Die auf diese Weise wiedereingesetzten Lokalbehörden werden jedoch ihre Wirksamkeit nicht so weit ausdehnen können, um über die kaiserliche Armee irgendeine Kontrolle auszuüben."

Der österreichische Kaiser behält sich also volle Freiheit vor, den gesetzlichen Stand der Dinge wiederherzustellen, sobald ihm dies möglich scheint; und selbst dann steht es bei ihm, die Lokalbehörden nur in der Absicht wiedereinzusetzen, sie dem österreichischen Militärgesetz zu unterstellen, ganz nach der Manier des russischen Generals Budberg.

Nach Artikel 4

"verpflichtet sich der kaiserlich österreichische Hof außerdem, sich mit dem kaiserlich russischen Hof in keinen Vergleich einzulassen, der nicht die souveränen Rechte des Sultans und die Integrität seines Reiches zum Ausgangspunkt hätte".

Artikel 5 fügt hinzu:

"Sobald der Zweck der gegenwärtigen Konvention durch den Abschluß eines Friedensvertrages zwischen der Hohen Pforte und dem russischen Hof erreicht ist, wird der Kaiser von Österreich sogleich Vorkehrungen treffen, um seine Streitkräfte so bald als möglich zurückzuziehen. Die Einzelheiten in betreff des Rückzugs der österreichischen Truppen werden den Gegenstand eines besonderen Einvernehmens mit der Hohen Pforte bilden."

Im ersten dieser beiden Artikel behält Österreich sich das Recht eines Übereinkommens mit Rußland vor, das bloß auf dem Status quo beruhen soll, wie er in der Wiener Note festgelegt ist. In letzterem Artikel verspricht Österreich, seine Truppen nicht zurückzuziehen, nachdem es selbst ein Übereinkommen mit Rußland getroffen hat, sondern erst, wenn ein <312> Vertrag zwischen Rußland und der Türkei geschlossen ist. Die "materielle Garantie", direkt in Rußlands Händen nicht mehr sicher aufgehoben, wird an Österreich übertragen, und Österreich wird ermächtigt, sie - mit Einwilligung der Pforte - so lange statt seiner zu behalten, bis die Türkei dem den "Abkommen zwischen den beiden kaiserlichen Höfen" beigetreten ist. Artikel 6 ermächtigt die Österreicher, ohne auch nur einen Anschein von Bezahlung, sich alles an Lebensmitteln anzueignen, was die Russen in den Fürstentümern noch übrigließen. Die Vorteile dieser Übereinkunft wird man besonders in Deutschland voll zu würdigen wissen, wo man gewohnt ist, für revolutionäre Sünden mit österreichischen Garnisonen bestraft zu werden, und wo die Österreicher in den Jahren 1849 und 1850 ganze Gebiete abgegrast haben.

Der Vertrag bedeutet dem Wesen nach die Auslieferung der Fürstentümer an Österreich und das Aufgeben der türkischen Suzeränität über sie. Die Türken haben sich hierbei eine ebenso flagrante Vergewaltigung der Rechte des moldau-walachischen Volkes zuschulden kommen lassen wie nur je vorher die Russen. Die Türken haben ebensowenig das Recht, die Fürstentümer der österreichischen Okkupation preiszugeben, wie sie das Recht haben, sie zu russischen Provinzen zu erklären.

Die Ansprüche der Pforte auf die Suzeränität über die Moldau und Walachei sind auf die Verträge von 1393, 1460 und 1513 gegründet. Der Vertrag von 1393 zwischen der Walachei und der Türkei enthält folgende Artikel:

"Art. I. Wir, Bajezid, usw. bestimmen aus unserer außerordentlichen Huld gegenüber der Walachei, die sich mit ihrem regierenden Fürsten unserm unbesiegbaren Reiche unterworfen hat, daß jenes Land sich weiterhin durch seine eigenen Gesetze selbst regieren wird und daß der Fürst der Walachei völlige Freiheit haben soll, seinen Nachbarn Krieg zu erklären oder mit ihnen Frieden zu machen, wie und wann es ihm gefällt.

Art. III. Die Fürsten (Christen) werden durch die Metropoliten und die Bojaren gewählt.

Art. IV. Der Fürst der Walachei hat jährlich 500 Piaster unseres Geldes an unsere kaiserliche Schatzkammer zu zahlen."

Der Vertrag, den Vlad V., Fürst der Walachei, 1460 mit Mechmed II. schloß, bestimmt:

"Art. I. Der Sultan willigt ein und verspricht für sich und seine Nachfolger, die Walachei zu schützen und sie gegen jeden Feind zu verteidigen, ohne etwas zu fordern, außer der Suzeränität über dieses souveräne Fürstentum, von deren Wojewoden erwartet wird, daß sie an die Hohe Pforte einen Tribut von 10.000 Dukaten zahlen.

<313> II. Die Hohe Pforte wird auf keine Weise in die Lokalverwaltung des besagten Fürstentums eingreifen, und keinem Türken wird es ohne ersichtlichen Grund gestattet sein, die Walachei zu betreten.

III. Die Wojewoden werden wie bisher von dem Metropoliten, den Bischöfen und den Bojaren gewählt, und die Wahl wird von der Pforte anerkannt.

IV. Die walachische Nation wird weiterhin die freie Ausübung ihrer eigenen Gesetze genießen, und die Wojewoden werden das Recht über Leben und Tod ihrer Untertanen haben wie auch das Recht, Frieden zu schließen oder Krieg zu erklären, ohne für irgendwelche ihrer Handlungen irgendeiner Art von Verantwortlichkeit über der Hohen Pforte unterworfen zu sein."

Der dritte Vertrag ist der von 1513, in dem die Moldau die Suzeränität der Pforte anerkannte und darin noch bessere Bedingungen erlangte, als sie die Walachei bekommen hatte.

Die zwischen Rußland und der Türkei abgeschlossenen Verträge konnten selbstverständlich nicht die Verträge entkräften, die die Moldau-Walachen selbst mit der Pforte abgeschlossen hatten, denn diese Völker hatten ja niemals selbst mit den Russen unterhandelt, noch der Pforte das Recht gegeben, für sie zu unterhandeln. Übrigens mag hier festgestellt werden, daß Rußland selbst die obenerwähnten Kapitulationen im Vertrag von Adrianopel anerkannt hat, dessen Art. V folgendes sagt:

"Nachdem sich die Fürstentümer Walachei und Moldau durch Kapitulation unter die Suzeränität der Hohen Pforte gestellt und Rußland deren Wohlfahrt (!) zugesichert hat, versteht es sich, daß sie weiterhin all jene Privilegien und Freiheiten genießen, die ihnen auf Grund ihrer Kapitulation zugesichert wurden."

Aus den oben zitierten Kapitulationen, die noch in Kraft bleiben, da sie durch keinen späteren Vertrag überholt sind, folgt nun, daß die Fürstentümer zwei souveräne Staaten unter der Suzeränität der Pforte bilden, an die sie einen Tribut zahlen unter der Bedingung, daß die Pforte sie gegen jedweden äußeren Feind verteidigt und sich durchaus nicht in ihre inneren Angelegenheiten mischt. Nicht nur sind die Türken nicht berechtigt, die Walachei einer fremden Okkupation auszuliefern, sondern ihnen selbst ist auch verboten, die Walachei ohne plausible Ursache zu betreten. Ja, noch mehr: Da die Türken in dieser Weise ihre Kapitulationen mit den Walachen verletzt und sich den Anspruch auf Suzeränität verscherzt haben, so könnten die Russen sogar, wenn die Walachen sich an sie wendeten, ihre Berechtigung, die Österreicher aus den Fürstentümern zu vertreiben, auf die gebrochenen Verträge gründen. Und das wäre keineswegs überraschend, denn es ist die ständige Politik Rußlands gewesen, die Türkei in ihren Übergriffen gegen die Rechte der Walachen zu ermutigen und sie sogar zu solchen zu veranlassen, <314> um Feindseligkeiten zwischen ihnen zu säen und so für sich einen Vorwand zur Intervention zu schaffen. Was geschah zum Beispiel 1848? Im Frühling jenes Jahres hatten einige Bojaren dem Moldaufürsten eine Petition überreicht, in der sie bestimmte Reformen forderten; durch den Einfluß des russischen Konsuls wurden diese Forderungen nicht nur abgelehnt, sondern auch ihre Urheber ins Gefängnis geworfen. Die durch diesen Schritt hervorgerufene Bewegung lieferte nachher den Russen den Vorwand, am 25. Juni die Grenze zu überschreiten und auf Jassy zu marschieren. Gleichzeitig gewährte der Hospodar der Walachei gleich den übrigen kontinentalen Regierungen eine Reihe von Reformen, die die liberale Partei der walachischen Bojaren gefordert hatte. Das war am 23. Juni. Daß diese Reformen in keiner Weise die Suzeränität der Pforte verletzten, braucht gar nicht erst erwähnt zu werden. Zufälligerweise aber zerstörten sie den ganzen Einfluß, den Rußland durch das Grundgesetz erlangt hatte, das es zur Zeit der Okkupation von 1829 erließ und das durch diese Reformen abgeschafft wurde. Die an seiner Statt errichtete Konstitution schaffte die Leibeigenschaft ab, und ein Teil des Landes, das die Bauern bewohnten, wurde ihnen nun als Eigentum abgetreten, während der Gutsherr durch den Staat für das abgetretene Land und für den Ausfall der Arbeit seiner Bauern schadlos gehalten wurde. Daraufhin wurde der herrschende Fürst von den Russen zur Abdankung veranlaßt und eine provisorische Regierung zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten eingesetzt. Die Pforte, die, wie wir schon zeigten, kein Recht hatte, sich in die inneren Angelegenheiten der Fürstentümer einzumischen, und die es verabsäumt hatte, gegen den Einmarsch der Russen in die Moldau zu protestieren, entsandte Suleiman Pascha mit einer türkischen Armee in die Walachei und veröffentlichte eine sehr drohende Adresse des Sultans an deren Bevölkerung; diese Maßnahmen traf der Diwan natürlich unter russischem Einfluß. Die Walachen zogen dem Pascha und den Türken entgegen und fraternisierten mit ihnen. Man einigte sich dahin, daß die provisorische Regierung durch eine Lieutenance Princière <fürstliche Statthalterschaft> ersetzt werde, die zuerst aus sechs, nachher aus drei Mitgliedern bestehen sollte. Diese Regierung wurde dann vom Pascha und auf Verlangen des Paschas auch von den fremden Konsuln anerkannt. Nachdem die neue Konstitution noch einer Abänderung unterworfen worden war, wurde sie auch vom Sultan bestätigt.

Mittlerweile tobte die russische Regierung in Manifesten, die sie an Europa richtete, gegen das walachische Volk und beschuldigte es, die Repu- <315> blik eingeführt und den Kommunismus proklamiert zu haben. Am 1. August 1848 überschritt eine große russische Streitmacht den Pruth auf dem Marsch nach Bukarest. Plötzlich wurde Suleiman Pascha durch die Pforte zurückgerufen; der Sultan weigerte sich, die walachischen Abgesandten zu empfangen, die auf seine eigene Einladung hin nach Konstantinopel gekommen waren; und am 25. September erschien Fuad Efendi an der Spitze einer türkischen Armee vor Bukarest und erklärte, er sei nur gekommen, um Rußland jeden Vorwand zu nehmen, das Fürstentum zu betreten. Den Worten der Türken vertrauend, kamen mehr als 100.000 Bewohner aus Bukarest und Umgebung, unbewaffnet, in festlichen Gewändern, an ihrer Spitze die Geistlichkeit, um die Türken willkommen zu heißen. Fuad Efendi lud sie ein, eine Deputation in sein Lager zu entsenden, der er seine Instruktionen mitteilen könne. Herr Bratiano erzählt in seinem Bericht über diese Ereignisse:

"Kaum war die Deputation vor Fuad Efendi erschienen, als sie gefangengenommen wurde; zur gleichen Zeit stürzte sich die türkische Armee in einem Eilmarsch auf Bukarest, trampelte unter den Hufen ihrer Kavallerie die friedlichen Einwohner nieder, die entgegengekommen waren, um die Türken als Freunde zu empfangen, riß deren Banner nieder, zerstörte ihre Kreuze, bombardierte ihre Militärkaserne, die sie an ihrem Wege fand, wie auch ein ganzes Viertel der Stadt, feuerte Traubenschüsse auf die walachischen Soldaten, die sich in jener Kaserne aufhielten, veranlaßte diese, zu kapitulieren und ihre Waffen niederzulegen, tötete die Kranken und gab sich, nachdem sie die Stadt erreicht hatte, hemmungslos dem Plündern, dem Massaker und anderen schrecklichen Taten hin!"

Hier war es, wo der russische Kommissar, General Duhamel, die türkische Armee begleitete und sie tatsächlich befehligte. Die russische Armee folgte ihm nach, und das Ergebnis war der Vertrag von Balta-Liman, durch den nebst anderen Dingen auch das russische Grundgesetz oder statuto wiederhergestellt wurde. Dieses ist tatsächlich der Status quo, auf den die Walachei zurückzuführen Österreich sich verpflichtet.

Es ist klar, wenn Omer Pascha jetzt die Walachei mit seiner siegreichen Armee beträte, daß die Türken, die durch ihre jüngsten Erfahrungen gewitzigt und im Krieg mit Rußland sind, die Konstitution von 1848 wiederherstellen würden, durch die "Republik, Kommunismus" und alle Schöpfungen des Jahres 1848 neues Leben gewännen. Niemand wird glauben, daß Österreich über eine solche Wendung weniger erzürnt wäre als Rußland. Ebenso klar ist es andrerseits, daß auf die Pforte ein ganz außerordentlicher Druck ausgeübt werden mußte, ehe sie sich zu einer solchen Verletzung ihrer Verträge mit den Walachen drängen ließ, deren Konsequenzen ihr doch aus Erfahrung bekannt sein mußten. Dieser Druck kann von niemand anderem <316> als vom englischen Gesandten ausgegangen sein. Es ist daher interessant, daran zu erinnern, wie derselbe Lord Redcliffe und seine Vorgesetzten in Downing Street sich 1848 und 1849 zu den Vergewaltigungen verhielten, die sich Russen und Türken gegen die Rechte der Moldau und Walachei zuschulden kommen ließen.

Als die russische Armee im Juni 1848 zuerst die Moldaugrenze überschritt, erklärte Lord Palmerston im Unterhaus auf eine Anfrage des unvermeidlichen Dudley Stuart:

"Die russischen Truppen sind in die Moldau ohne Befehle des St. Petersburger Kabinetts einmarschiert. Sie bezwecken lediglich die Aufrechterhaltung oder Herstellung der Ordnung und werden wieder zurückgezogen werden, wenn keine Notwendigkeit mehr vorliegt. Der Einmarsch erfolgte im Auftrag des Hospodars, und es besteht nicht die Absicht, Gebietserwerbungen zu machen."

Als im August 1848 die russische Armee auf ihrem Zuge nach Bukarest wieder den Pruth überschritt und die Moldau-Walachen eine Deputation nach Konstantinopel schickten, wandte sich der Diwan an die Gesandten von England und Frankreich um Rat und bekam von Lord Redcliffe die Anweisung, dieselbe Politik zu verfolgen, die Rußland verfolge.

Als im Oktober die Türken und die Russen gemeinsam die Walachei besetzten, wurde ein walachischer Offizier von den Russen bis in die Wohnung des Kommandanten der türkischen Truppen in Bukarest, Omer Paschas, verfolgt, der zusammen mit Fuad Efendi dagegen protestierte. Als die Pforte von diesem Schimpf erfuhr, erklärte sie, sie wolle nichts mehr mit den Russen zu tun haben und wolle ihre Truppen über die Donau zurückberufen, um nicht länger Mitschuldiger der Russen in den Fürstentümern zu sein. Auch wolle sie an die Großmächte einen feierlichen Protest richten, dem ein ausführliches Memorandum über alle Vorkommnisse in den Fürstentümern beigelegt werden solle. Wieder mischte sich derselbe Gesandte ein und durchkreuzte diese Absichten der Pforte.

Als endlich die gemeinsame russisch-türkische Okkupation 1849 den Charakter einer Schreckensherrschaft angenommen hatte und allein Maghiero, der Kommandant der walachischen Irregulären, noch Widerstand leistete, wurde dieser zum Rückzug hinter die Karpaten veranlaßt

"durch die Überredung des britischen Generalkonsuls, der ihm vorstellte, daß die Anwesenheit seiner Armee die Aktion der Diplomatie lähme, daß aber seinem Lande bald wieder zu seinem Recht verholfen werde".

Karl Marx