Die neue Standrechts-Charte | Inhalt | [Die standrechtliche Beseitigung der "Neuen Rheinischen Zeitung"]

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 500-502
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

[Elberfeld]

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 300 vorn 17. Mali 849, Zweite Ausgabe]

<500> *Köln, 16. Mai. Die "Neue Rheinische Zeitung" war auch auf den Elberfelder Barrikaden vertreten.

Um verschiedenen falschen Gerüchten entgegenzutreten, sind wir unsern Lesern einen kurzen Bericht über diese Angelegenheit schuldig:

Am 10. Mai ging Friedrich Engels, Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung", von Köln nach Elberfeld und nahm von Solingen aus zwei Kisten Patronen mit, welche bei dem Sturm des Gräfrather Zeughauses durch die Solinger Arbeiter erbeutet worden waren. In Elberfeld angekommen, stattete er dem Sicherheitsausschuß Bericht ab über die Lage der Dinge in Köln, stellte sich dem Sicherheitsausschuß zur Verfügung und wurde von der Militärkommission sogleich mit der Leitung der Befestigungsarbeiten durch folgende Vollmacht betraut:

"Die militärische Kommission des Sicherheitsausschusses beauftragt hiermit den Herrn Friedrich Engels, die sämtlichen Barrikaden der Stadt zu inspizieren und die Befestigungen zu vervollständigen. Sämtliche Posten auf den Barrikaden werden hiermit ersucht, denselben zu unterstützen, wo es not tut."

Elberfeld, 11. Mai 1849

(gez.) Hühnerbein - Troost"

 Am folgenden Tage wurde ihm die Artillerie ebenfalls zur Verfügung gestellt:

"Vollmacht für Bürger F. Engels, die Kanonen nach seinem Gutdünken aufzustellen wie auch die dazu nötigen Handwerker zu requirieren, wovon die Kosten der Sicherheitsausschuß trägt.

Elberfeld, 12. Mai 1849

Der Sicherheitsausschuß
Für denselben:
(gez.) Pothmann - Hühnerbein - Troost"

<501> Gleich am ersten Tage seiner Anwesenheit organisierte Engels eine Kompanie Pioniere und vervollständigte die Barrikaden an mehreren Ausgängen der Stadt. Er wohnte allen Sitzungen der Militärkommission bei und schlug ihr Herrn Mirbach zum Oberkommandanten vor, welcher Vorschlag einstimmig angenommen wurde. An den folgenden Tagen setzte er seine Tätigkeit fort, veränderte mehrere Barrikaden, gab die Positionen für neue an und verstärkte die Pionierkompanien. Von dem Augenblicke der Ankunft Mirbachs an stellte er sich zu seiner Verfügung und beteiligte sich ebenfalls an den durch den Oberkommandanten abgehaltenen Kriegsräten.

Während seiner ganzen Anwesenheit genoß Engels das unbedingteste Vertrauen sowohl der bewaffneten bergischen und märkischen Arbeiter wie der Freikorps.

Gleich am ersten Tage seiner Anwesenheit befrug ihn Herr Riotte, Mitglied des Sicherheitsausschusses, über seine Absichten. Engels erklärte, er sei hergekommen, erstens weil er von Köln aus dazu deputiert gewesen, zweitens weil er geglaubt habe, daß er in militärischer Beziehung vielleicht nützlich verwandt werden könne, und drittens weil er, selbst aus dem Bergischen gebürtig, es für eine Ehrensache gehalten habe, bei der ersten bewaffneten Erhebung des bergischen Volks auf dem Platze zu sein. Er wünsche, sich bloß mit militärischen Dingen zu befassen und dem politischen Charakter der Bewegung gänzlich fremd zu bleiben, da es auf der Hand liege daß bis jetzt hier nur eine schwarz-rot-goldene Bewegung möglich sei und daher jedes Auftreten gegen die Reichsverfassung vermieden werden müsse.

Herr Riotte war mit dieser Erklärung vollkommen einverstanden.

Am 14. morgens, als Engels den Oberkommandanten Mirbach zum Generalappell auf den Engelnberg begleitet hatte, kam Herr Höchster, ebenfalls vom Sicherheitsausschuß, zu ihm und erklärte: Obwohl gegen sein Betragen durchaus nichts zu sagen sei, so sei doch die Elberfelder Bourgeoisie durch seine Anwesenheit im höchsten Grade alarmiert, sie fürchte jeden Augenblick, er werde die rote Republik proklamieren, und wünsche allgemein, er möge sich entfernen.

Engels erklärte, er wolle sich weder aufdrängen noch seinen Posten feige verlassen, und verlangte, ohne sich sonst zu irgend etwas zu verpflichten, man möge ihm diesen Wunsch schwarz auf weiß, vom gesamten Sicherheitsausschuß unterzeichnet, übergeben.

Herr Höchster brachte die Sache im Sicherheitsausschuß vor, und noch am selben Tage wurde folgender Beschluß gefaßt:

"Der Bürger Friedrich Engels von Barmen, zuletzt in Köln wohnhaft, wird unter voller Anerkennung seiner in hiesiger Stadt bisher bewiesenen Tätigkeit ersucht, das <502> Weichbild der hiesigen Gemeinde noch heute zu verlassen, indem seine Anwesenheit zu Mißverständnissen über den Charakter der Bewegung Anlaß geben könnte."

Schon ehe der Beschluß gefaßt, hatte Engels erklärt: Er werde der Aufforderung des Sicherheitsausschusses nur dann Folge leisten, wenn Mirbach es ihm befehle. Mirbach sei auf seine Veranlassung hergekommen, und er dürfe daher nicht eher gehen, bis Mirbach ihn entlasse.

Am 15. morgens unterzeichnete Mirbach nach vielseitigem Drängen von seiten des Sicherheitsausschusses endlich den fraglichen Beschluß, der nun auch durch Plakat bekanntgemacht wurde.

Die bewaffneten Arbeiter und Freikorps waren im höchsten Grade aufgeregt über den Beschluß des Sicherheitsausschusses. Sie verlangten, Engels solle dableiben, sie würden ihn "mit ihrem Leben schützen". Engels ging selbst zu ihnen und beruhigte sie, indem er sie auf Mirbach verwies und erklärte, er werde nicht der erste sein, der dem auf seine Veranlassung herbeigerufenen Kommandanten, der übrigens sein unbedingtes Vertrauen besitze, den Gehorsam aufkündige.

Engels machte nun noch eine Rekognoszierung in die Umgegend mit und entfernte sich von Elberfeld, nachdem er sein Kommando an seinen Adjutanten abgetreten hatte.

Die bergischen und märkischen Arbeiter aber, die unserem Mitredakteur eine so überraschende Zuneigung und Anhänglichkeit bewiesen haben, mögen bedenken, daß die gegenwärtige Bewegung nur das Vorspiel einer andern, tausendmal ernsthafteren Bewegung ist, in der es sich um ihre, der Arbeiter, eigensten Interessen handeln wird. Diese neue revolutionäre Bewegung wird das Resultat der gegenwärtigen sein, und sobald sie eintritt, wird Engels - darauf mögen die Arbeiter sich verlassen - ebensogut wie alle andern Redakteure der "N[euen] Rh[einischen] Z[ei]t[un]g" an seinem Platze sein, und keine Macht der Erde wird ihn dann bewegen, von diesem Platz zurückzutreten.

Geschrieben von Friedrich Engels.