[Der Dritte im Bunde] | Inhalt | [Die preußische Armee und die revolutionäre Volkserhebung]

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 471-472
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959

Belagerungsgelüste

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 291 vom 6. Mai 1849]

<471> *Köln, 5. Mai. Das Gerücht erhält sich, daß man am Sonntag bei Gelegenheit der Kreiskongresse der verschiedenen Parteien der guten Stadt Köln abermals den Belagerungszustand oktroyieren will.

Aus allerhand kleinen Vorbereitungen der Militärbehörde sieht man, daß sie sich allerdings auf alle Eventualitäten vorbereitet. Noch mehr. Es werden Maßregeln getroffen, die geradezu den Anschein haben, als wolle man Unruhen provozieren.

Oder warum hat man "Meinem herrlichen Kriegsheer" plötzlich und zum großen Erstaunen der Soldaten selbst gestattet, statt bis neun Uhr jetzt bis zehn Uhr abends aus den Kasernen zu bleiben?

Man spricht ebenfalls wieder von Verhaftungen. Wir glauben recht gern daran. Die Lust dazu ist längst vorhanden. Man weiß außerdem, daß bereits einmal durch solche Verhaftungen der Plan, Unruhen zu provozieren, vollständig gelungen ist.

Wir wiederholen: Es ist von der höchsten Wichtigkeit, daß die Demokraten und namentlich die Arbeiter von Köln alles aufbieten, damit am morgenden Tage den belagerungssüchtigen Gewalten auch nicht der mindeste Vorwand gegeben werde, hinter den sie ihre Gewaltstreiche verstecken können.

Wer zunächst durch die letzten kontrerevolutionären Streiche gefährdet ist, das ist die Bourgeoisie. Die Bourgeoisie hat den Städtekongreß berufen. Man lasse der Bourgeoisie die Ehre des ersten Worts. Man warte ab, was diese Herren am Dienstag beschließen werden. Wir sind überzeugt, daß mancher demokratische Biedermann sehr enttäuscht werden wird durch die Resultate dieses pomphaften "Städtetags".

Es ist eine Tatsache: Kommt der Belagerungszustand vor Dienstag zustande, so findet der Städtekongreß nicht statt, und niemand ist froher darüber als gerade die Herren, die ihn berufen haben.

<472> Lassen die Arbeiter sich morgen zu Tumulten verleiten, so holen sie nur für die Bourgeoisie und zugleich für die Regierung die Kastanien aus dem Feuer. Es fragt sich, ob sie sich dazu wollen gebrauchen lassen, zu einer Zeit, wo der Bürgerkrieg in ganz Deutschland vor der Türe steht und wo ihnen vielleicht bald Gelegenheit gegeben wird, mit ihren eigenen Forderungen hervorzutreten.

Geschrieben von Friedrich Engels.