Die Ministerkrisis | Inhalt | Gerichtliche Untersuchung gegen die "Neue Rheinische Zeitung"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 190-197
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971


Vereinbarungssitzung vom 4. Juli
(Zweiter Artikel)

["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 41 vom 11. Juli 1848]

<190> **Köln, 9. Juli. Welch ein dringend notwendiger Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen die Ernennung einer Untersuchungskommission mit unbedingter Vollmacht ist, geht aus dem Bericht hervor, den wir seit drei Tagen angefangen haben, nach authentischen Aktenstücken zu geben.

Die altpreußischen Beamten, schon von vornherein in einer feindlichen Stellung gegen die Polen, sahen sich durch die Reorganisationsverheißungen in ihrer Existenz bedroht. Der kleinste Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen brachte ihnen Gefahr. Daher die fanatische Wut, womit sie, unterstützt von der losgelassenen Soldateska, über die Polen herfielen, die Konventionen brachen, die harmlosesten Leute mißhandelten, die größten Schändlichkeiten durchgehen ließen oder sanktionierten, nur um die Polen zu einem Kampfe zu zwingen, in dem ihre Erdrückung durch die kolossalste Übermacht gewiß war.

Das Ministerium Camphausen, nicht nur schwach, ratlos, schlecht berichtet, sondern sogar absichtlich, aus Prinzip untätig, ließ alles gehen, wie es ging. Die schauderhaftesten Barbareien geschahen, und Herr Camphausen rührte sich nicht.

Welche Berichte liegen jetzt vor über den posenschen Bürgerkrieg?

Hier die parteiischen, interessierten Berichte der Urheber des Kriegs, der Beamten, der Offiziere, und die auf beide gestützten Data, die das Ministerium geben kann. Das Ministerium ist ebenfalls selbst Partei, solange Herr Hansemann darin sitzt. Diese Aktenstücke sind parteiisch, aber sie sind offiziell.

Dort die von den Polen gesammelten Tatsachen, ihre Klagschriften ans Ministerium, namentlich die Briefe des Erzbischofs Przyluski an die Minister. Diese Aktenstücke haben meist keinen offiziellen Charakter, ihre Verfasser erbieten sich aber zum Beweise der Wahrheit.

<191> Die beiden Klassen von Berichten widersprechen einander total, und die Kommission soll untersuchen, welche Seite recht hat.

Sie kann - wenige Ausnahmsfälle abgerechnet - dies nur dadurch tun, daß sie sich an Ort und Stelle begibt und durch Zeugenverhör wenigstens die wichtigsten Punkte ins klare bringt. Wird ihr dies untersagt, so ist ihre ganze Tätigkeit illusorisch, so mag sie eine gewisse historisch-philologische Kritik üben, den einen oder den andern Bericht für glaubwürdiger erklären, aber entscheiden kann sie nicht.

Die ganze Bedeutung der Kommission hängt also von der Befugnis ab, Zeugen zu verhören, und daher der Eifer sämtlicher Polenfresser in der Versammlung, sie durch allerlei tiefsinnige und spitzfindige Gründe zu beseitigen, daher der Staatsstreich am Schluß der Sitzung.

Der Abgeordnete Bloem sagte in der Debatte des 4. [Juli]:

"Heißt es Wahrheit erforschen, wenn man, wie einige Amendements wollen, aus den Regierungsvorlagen die Wahrheit schöpfen will? Wahrlich mitnichten! Woraus sind die Regierungsvorlagen entstanden? Aus den Berichten der Beamten größtenteils. Woraus sind die Beamten hervorgegangen? Aus dem alten System. Sind diese Beamten verschwunden, hat man aus neuer, volkstümlicher Wahl neue Landräte eingesetzt? Keineswegs. Werden wir von den Beamten über die wahre Stimmung unterrichtet? Die alten Beamten berichten noch heute wie früher. Es ist also klar, die bloße Einsicht der Ministerialakten wird uns zu nichts führen."

Der Abgeordnete Richter geht noch weiter. Er sieht in dem Benehmen der Posener Beamten nur die äußerste, aber notwendige Folge der Beibehaltung des alten Verwaltungssystems und der alten Beamten überhaupt. Ähnliche Konflikte zwischen der Amtspflicht und dem Interesse der alten Beamten können alle Tage auch in andern Provinzen vorkommen.

"Wir haben seit der Revolution ein anderes Ministerium und sogar ein zweites erhalten; aber das Ministerium ist ja nur die Seele, es hat überall gleichmäßig zu organisieren. Dagegen in den Provinzen ist überall die alte Organisation der Verwaltung dieselbe geblieben. Wollen Sie ein anderes Bild haben? Man gießt nicht den neuen Wein in alte verrottete Schläuche. Auf diese Art haben wir im Großherzogtum die furchtbarsten Klagen. Sollten wir nicht schon deswegen eine Kommission niedersetzen, daß man sehe, wie sehr es nötig ist, in andern Provinzen ebensogut wie in Posen, die alte Organisation durch eine neue zu ersetzen, die für Zeit und Umstände paßt?"

Der Abgeordnete Richter hat recht. Nach einer Revolution ist eine Erneuerung sämtlicher Zivil- und Militärbeamten sowie eines Teils der gerichtlichen, und besonders der Parquets, die erste Notwendigkeit. Sonst scheitern die besten Maßregeln der Zentralgewalt an der Widerhaarigkeit der Subalternen. Die Schwäche der französischen provisorischen Regierung, die <192> Schwäche des Ministeriums Camphausen haben in dieser Beziehung bittere Früchte getragen.

In Preußen aber, wo eine seit vierzig Jahren vollständig organisierte bürokratische Hierarchie in der Verwaltung und im Militär mit absoluter Gewalt geherrscht hat, in Preußen, wo gerade diese Bürokratie der Hauptfeind war, den man am 19. März besiegt hatte, hier war die vollständige Erneuerung der Zivil- und Militärbeamten noch unendlich dringender. Aber das Ministerium der Vermittlung hatte natürlich nicht den Beruf, revolutionäre Notwendigkeiten durchzuführen. Es hatte eingestandnermaßen den Beruf, gar nichts zu tun, und ließ daher seinen alten Gegnern, den Bürokraten, einstweilen die wirkliche Macht in den Händen. Es "vermittelte" die alte Bürokratie mit den neuen Zuständen; dafür "vermittelte" die Bürokratie ihm den posenschen Bürgerkrieg und die Verantwortlichkeit für Grausamkeiten, wie sie seit dem Dreißigjährigen Kriege nicht mehr vorgekommen waren.

Das Ministerium Hansemann, Erbe des Ministeriums Camphausen, hatte sämtliche Aktiva und Passiva seines Erblassers übernehmen müssen, also nicht nur die Majorität in der Kammer, sondern auch die posenschen Ereignisse und die posenschen Beamten. Das Ministerium war also direkt interessiert, die Untersuchung durch die Kommission so illusorisch wie möglich zu machen. Die Redner der ministeriellen Majorität, und namentlich die Juristen, wandten ihren ganzen Vorrat von Kasuistik und Spitzfindigkeit an, um einen tiefsinnigen, prinzipiellen Grund zu entdecken, weshalb die Kommission keine Zeugen verhören dürfe. Es würde zu weit führen, wollten wir uns hier auf die Bewunderung der Jurisprudenz eines Reichensperger usw. einlassen. Wir müssen uns darauf beschränken, die gründliche Erörterung des Herrn Ministers Kühlwetter ans Tageslicht hervorzuziehen.

Herr Kühlwetter, die materielle Frage gänzlich beiseite lassend, beginnt mit der Erklärung, wie äußerst angenehm es dem Ministerium sein werde, wenn solche Kommissionen ihm in Erfüllung seiner schweren Aufgabe durch Aufklärungen etc. zur Hand gingen. Ja, hätte Herr Reuter nicht den glücklichen Einfall gehabt, eine solche Kommission vorzuschlagen <Siehe "Vereinbarungsdebatten">, so würde Herr Kühlwetter unbedingt selbst darauf gedrungen haben. Man möge der Kommission nur recht weitläuftige Aufträge geben (damit sie nie fertig werde), er sei damit einverstanden, daß eine ängstliche Abwägung durchaus nicht erforderlich sei. Sie möge die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Provinz Posen in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen; sofern es sich nur um Aufklärungen handle, werde das Ministerium die Kompetenz der Kommis<193> sion nicht ängstlich prüfen. Freilich könne man zu weit gehen, doch überlasse er es der Weisheit der Kommission, ob sie z.B. auch die Frage wegen Absetzung der posenschen Beamten in ihren Bereich ziehen wolle.

Soweit die einleitenden Konzessionen des Herrn Ministers, die, mit einigen biedermännischen Deklamationen verbrämt, sich mehrerer lebhaften Bravos zu erfreuen hatten. Jetzt folgen die Aber.

"Wenn aber bemerkt worden ist, daß die Berichte über Posen unmöglich ein richtiges Licht verbreiten könnten, weil es nur Beamte seien, und zwar Beamte aus der alten Zeit, halte ich es für meine Pflicht, einen ehrenwerten Stand in Schutz zu nehmen. Ist es wahr, daß einzelne Beamte ihrer Pflicht nicht getreu gewesen sind, so ahnde man dies an den einzelnen Pflichtvergessenen, aber der Stand der Beamten darf niemals herabgewürdigt werden, weil einzelne Glieder desselben ihre Pflicht verletzt haben."

Wie kühn Herr Kühlwetter auftritt! Allerdings haben einzelne Pflichtverletzungen stattgefunden, aber im ganzen haben die Beamten ihre Pflicht in ehrenwerter Weise getan.

Und in der Tat, die Masse der posenschen Beamten hat ihre "Pflicht" getan, ihre "Pflicht gegen ihren Diensteid", gegen das ganze altpreußische System der Bürokratie, gegen ihr eignes, mit dieser Pflicht zusammenfallendes Interesse. Sie haben ihre Pflicht erfüllt, indem ihnen jedes Mittel gut war, um den 19. März in Posen zu vernichten. Und gerade deswegen, Herr Kühlwetter, ist es Ihre "Pflicht", diese Beamten in Masse abzusetzen!

Aber Herr Kühlwetter spricht von der durch die vorrevolutionären Gesetze bestimmten Pflicht, da wo es sich von einer ganz andern Pflicht handelt, die nach jeder Revolution eintritt und die darin besteht, die veränderten Verhältnisse richtig aufzufassen und ihre Entwicklung zu befördern. Und den Beamten zumuten, sie sollen den bürokratischen Standpunkt mit dem konstitutionellen vertauschen, sie sollen sich ebensogut wie die neuen Minister auf den Boden der Revolution stellen, das heißt nach Herrn Kühlwetter einen ehrenwerten Stand herabwürdigen!

Auch den Vorwurf, es seien Parteihäupter begünstigt und Verbrechen ungestraft geblieben, weist Herr Kühlwetter in dieser Allgemeinheit zurück. Man soll einzelne Fälle angeben.

Behauptet Herr Kühlwetter etwa alles Ernstes, auch nur ein kleiner Teil der Brutalitäten und Grausamkeiten sei bestraft worden, die die preußische Soldateska verübt, die die Beamten zugelassen und unterstützt, denen die Deutschpolen und Juden Beifall zugejubelt haben? Herr Kühlwetter sagt, er habe bisher das kolossale Material noch nicht von allen Seiten prüfen können. In der Tat, er scheint es höchstens nach einer Seite hin geprüft zu haben.

<194> Jetzt aber kommt Herr Kühlwetter zu der "schwierigsten und bedenklichsten Frage", nämlich der, in welchen Formen die Kommission verhandeln solle. Herr Kühlwetter hätte diese Frage gründlicher diskutiert gewünscht, denn "es liegt in dieser Frage, wie mit Recht bemerkt worden, eine Prinzipienfrage, die Frage des droit d'enquete <Rechts der Untersuchung>".

Herr Kühlwetter beglückt uns nun mit einer längeren Entwicklung über die Teilung der Gewalten im Staat, die gewiß manches Neue für die oberschlesischen und pommerschen Bauern in der Versammlung enthielt. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, im Jahre des Heils 1848 einen preußischen Minister, und noch dazu einen "Minister der Tat", auf der Tribüne mit feierlichem Ernst den Montesquieu auslegen zu hören.

Die Teilung der Gewalten, die Herr Kühlwetter und andre große Staatsphilosophen als ein heiliges und unverletzliches Prinzip mit der tiefsten Ehrfurcht betrachten, ist im Grunde nichts anders als die profane industrielle Teilung der Arbeit, zur Vereinfachung und Kontrolle angewandt auf den Staatsmechanismus. Sie wird wie alle andern heiligen, ewigen und unverletzlichen Prinzipien nur soweit angewandt, als sie gerade den bestehenden Verhältnissen zusagt. So laufen in der konstitutionellen Monarchie z.B. die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in der Person des Fürsten durcheinander; ferner in den Kammern die gesetzgebende Gewalt mit der Kontrolle über die vollziehende usw. Diese unentbehrlichen Beschränkungen der Teilung der Arbeit im Staat drücken nun Staatsweise von der Force eines "Ministers der Tat" folgendermaßen aus:

"Die gesetzgebende Gewalt, soweit dieselbe durch die Volksrepräsentation ausgeübt wird, hat ihre eigenen Organe; die vollziehende Gewalt hat ihre eignen Organe und nicht minder die richterliche Gewalt. Es ist daher (!) nicht zulässig, daß die eine Gewalt direkt die Organe der andern Gewalt in Anspruch nehme, es sei denn, daß es ihr durch ein besonderes Gesetz übertragen werde."

Die Abweichung von der Teilung der Gewalten ist nicht zulässig, "es sei denn, daß sie durch ein besondres Gesetz" vorgeschrieben sei! Und umgekehrt, die Anwendung der vorgeschriebenen Teilung der Gewalten ist ebenfalls nicht zulässig, "es sei denn, daß sie durch besondere Gesetze" vorgeschrieben sei! Welcher Tiefsinn! Welche Aufschlüsse!

Von dem Fall einer Revolution, wo die Teilung der Gewalten ohne "ein besonderes Gesetz" aufhört, spricht Herr Kühlwetter gar nicht.

Herr Kühlwetter ergeht sich nun in eine Erörterung darüber, daß die Vollmacht für die Kommission, Zeugen eidlich zu vernehmen, Beamte zu <195> requirieren usw., kurz, mit eignen Augen zu sehen, ein Eingriff in die Teilung der Gewalten sei und durch ein besonderes Gesetz festgestellt werden müsse. Als Beispiel wird die belgische Konstitution beigebracht, deren Artikel 40 das droit d'enquete den Kammern ausdrücklich gibt.

Aber, Herr Kühlwetter, besteht denn in Preußen gesetzlich und tatsächlich eine Teilung der Gewalten in dem Sinn, in welchem Sie das Wort verstehen, in konstitutionellem Sinn? Ist die existierende Teilung der Gewalten nicht die beschränkte, zugestutzte, die der absoluten, der bürokratischen Monarchie entspricht? Wie kann man also konstitutionelle Phrasen auf sie anwenden, ehe sie konstitutionell reformiert ist? Wie können die Preußen einen Artikel 40 der Konstitution haben, solange diese Konstitution selbst noch gar nicht existiert?

Resümieren wir. Nach Herrn Kühlwetter ist die Ernennung einer Kommission mit unbeschränkter Vollmacht ein Eingriff in die konstitutionelle Teilung der Gewalten. Die konstitutionelle Teilung der Gewalten besteht in Preußen noch gar nicht; man kann also auch keinen Eingriff in sie tun.

Aber sie soll eingeführt werden, und während des revolutionären Provisoriums, in dem wir leben, muß sie nach der Ansicht des Herrn Kühlwetter als schon bestehend vorausgesetzt werden. Hätte Herr Kühlwetter recht, so müßten doch wahrlich auch die konstitutionellen Ausnahmen als bestehend vorausgesetzt werden! Und zu diesen konstitutionellen Ausnahmen gehört ja gerade das Untersuchungsrecht der gesetzgebenden Körper!

Aber Herr Kühlwetter hat keineswegs recht. Im Gegenteil: Das revolutionäre Provisorium besteht gerade darin, daß die Teilung der Gewalten provisorisch aufgehoben ist, daß die gesetzgebende Behörde die Exekutivgewalt oder die Exekutivbehörde die gesetzgebende Gewalt momentan an sich reißt. Ob die revolutionäre Diktatur (sie ist eine Diktatur, mag sie noch so schlaff geübt werden) sich in den Händen der Krone oder einer Versammlung oder beider zusammen befindet, ist ganz gleichgültig. Will Herr Kühlwetter Beispiele aller drei Fälle, die französische Geschichte seit 1789 liefert die Menge.

Das Provisorium, an das Herr Kühlwetter appelliert, beweist gerade gegen ihn. Es gibt der Versammlung noch ganz andere Attribute als das bloße Untersuchungsrecht - es gibt ihr sogar das Recht, sich nötigenfalls in einen Gerichtshof zu verwandeln und ohne Gesetze zu verurteilen!

Hätte Herr Kühlwetter diese Konsequenzen vorausgesehen, er wäre vielleicht etwas vorsichtiger mit der "Anerkennung der Revolution" umgegangen.

<196> Aber er beruhige sich:

Deutschland, die fromme Kinderstube,
Ist keine römische Mördergrube,
<H. Heine, "Zur Beruhigung">

und die Herren Vereinbarer mögen sitzen, solange sie wollen, sie werden nie ein "langes Parlament" werden.

Wenn wir übrigens den Amtsdoktrinär des Ministeriums der Tat mit seinem Vorgänger in der Doktrin, Herrn Camphausen, vergleichen, so finden wir doch einen bedeutenden Abstand. Herr Camphausen besaß jedenfalls unendlich mehr Originalität; er streifte an Guizot, aber Herr Kühlwetter erreicht nicht einmal den winzigen Lord John Russell.

Wir haben die staatsphilosophische Fülle der Kühlwetterschen Rede genugsam bewundert. Betrachten wir jetzt den Zweck, den eigentlichen praktischen Grund dieser bemoosten Weisheit, dieser ganzen Montesquieuschen Teilungstheorie.

Herr Kühlwetter kommt nämlich jetzt zu den Konsequenzen seiner Theorie. Das Ministerium ist ausnahmsweise geneigt, die Behörden anzuweisen, dasjenige auszuführen, was die Kommission für nötig findet. Nur dagegen muß es sich erklären, daß Aufträge an die Behörden direkt von der Kommission ausgehen; d.h. die Kommission, ohne direkte Verbindung mit den Behörden, ohne Macht über sie, kann sie nicht zwingen, ihr andere Auskunft zu schaffen, als die die Behörden zu geben für gut finden. Und dazu noch der schleppende Geschäftsgang, der endlose Instanzenzug! Ein hübsches Mittel, unter dem Vorwande der Teilung der Gewalten die Kommission illusorisch zu machen!

"Es kann die Absicht nicht sein, der Kommission die ganze Aufgabe zu übertragen, welche die Regierung hat."

Als ob jemand daran dächte, der Kommission das Recht zum Regieren zu geben!

"Die Regierung würde neben der Kommission zu ermitteln fortfahren müssen, welche Ursachen der Entzweiung in Posen zu Grunde gelegen" (eben daß sie schon so lange "ermittelt" und noch nichts ausgemittelt hat, ist Grund genug, sie jetzt ganz außer Frage zu lassen), "und dadurch, daß auf doppeltem Weg dieser Zweck verfolgt wird, dürfte Zeit und Mühe oft unnütz verwendet und dürften Kollisionen kaum zu vermeiden sein."

Nach den bisherigen Antezedentien würde die Kommission gewiß sehr viel "Zeit und Mühe unnütz verwenden", wenn sie sich auf Herrn Kühlwetters Vorschlag mit dem langwierigen Instanzenzuge einließ. Die Kollisionen sind auf diesem Wege ebenfalls viel leichter, als wenn die Kommission direkt <197> mit den Behörden verkehrt und sofort Mißverständnisse aufklären, bürokratische Trotzgelüste niederschlagen kann.

"Es scheint daher (!) in der Natur der Sache zu liegen, daß die Kommission im Einverständnis mit dem Ministerium und unter steter Mitwirkung desselben den Zweck zu erreichen suche."

Immer besser! Eine Kommission, die das Ministerium kontrollieren soll, im Einverständnis mit ihm und unter seiner steten Mitwirkung! Herr Kühlwetter geniert sich nicht, merken zu lassen, wie er es für wünschenswert hält, daß die Kommission unter seiner Kontrolle, nicht er unter der ihrigen stehe.

"Wollte dagegen die Kommission eine isolierte Stellung einnehmen, so müßte die Frage entstehen, ob da die Kommission die Verantwortlichkeit übernehmen will und kann, welche dem Ministerium obliegt. Mit ebensoviel Wahrheit als Geist ist bereits die Bemerkung gemacht worden, daß die Unverletzlichkeit der Deputierten mit dieser Verantwortlichkeit nicht vereinbarlich ist."

Es handelt sich nicht um Verwaltung, sondern bloß um Feststellung von Tatsachen. Die Kommission soll die Vollmacht erhalten, die dazu nötigen Mittel anzuwenden. Das ist alles. Daß sie sowohl wegen nachlässiger, wie wegen übertriebener Anwendung dieser Mittel der Versammlung verantwortlich ist, versteht sich von selbst.

Die ganze Sache hat mit ministerieller Verantwortlichkeit und Deputiertenunverantwortlichkeit ebensowenig [zu] tun wie mit "Wahrheit" und "Geist".

Genug, Herr Kühlwetter legte diese Vorschläge zur Lösung der Kollision unter dem Vorwand der Teilung der Gewalten den Vereinbarern ans Herz, ohne indes einen bestimmten Vorschlag zu machen. Das Ministerium der Tat fühlt sich auf unsicherm Boden.

Wir können auf die weitere Diskussion nicht eingehen. Die Abstimmungen sind bekannt: die Niederlage der Regierung bei der namentlichen Abstimmung, der Staatsstreich der Rechten, die eine bereits verworfene Frage nachträglich noch annahm. Wir haben dies alles schon gegeben. Wir fügen nur hinzu, daß unter den Rheinländern, die gegen die unbedingte Vollmacht der Kommission stimmten, uns folgende Namen auffallen:

Arntz, Dr. jur. Bauerband, Frencken, Lensing, v. Loe, Reichensperger II, Simons und der letzte, aber nicht der geringste, unser Oberprokurator Zweiffel.

Geschrieben von Friedrich Engels.