MLWerke | 15. Kapitel | Inhalt | Franz Mehring

Seitenzahlen nach: Franz Mehring - Gesammelte Schriften, Band 3. Berlin/DDR, 1960, S. 311-327.
1. Korrektur
Erstellt am 07.11.1999

Franz Mehring: Karl Marx - Geschichte seines Lebens

Anmerkungen


|543| Es entspricht weder dem Wesen noch dem Zwecke dieses Buchs, mit einem gelehrten Apparat bepackt zu werden. Ich beschränke mich deshalb auf einige Fingerzeige, die dem Leser, der sich genauer unterrichten will, die Hauptpfade weisen, von denen er sich leicht in den Nebenpfaden zurechtfinden kann.

In der immer gewaltiger anschwellenden Literatur über Marx sind die biographischen Versuche verhältnismäßig spärlich gesäet. An dürftigen Lebensabrissen hat es zwar nie völlig gefehlt, aber sie pflegten von Irrtümern zu wimmeln und verflachten um so mehr, je häufiger sie sich von einem Buch ins andere schleppten. Erst Engels hat hier einige Ordnung geschaffen, zumal durch die biographische Skizze, die er in Brackes Volkskalender für 1878 veröffentlichte. Noch später hat er im Handwörterbuch für Staatswissenschaften (5, 1130 ff.) den Artikel über Marx geschrieben, der bei aller allgemeinen Zuverlässigkeit nicht frei von einzelnen Irrtümern ist.

Von sonstigen biographischen Beiträgen ist noch bemerkenswert W. Liebknecht, Karl Marx zum Gedächtnis. Ein Lebensabriß und Erinnerungen. Nürnberg 1896, eine Darstellung, die sich wesentlich auf die fünfziger Jahre beschränkt, aber von diesen, bei vielen Ungenauigkeiten im einzelnen, ein prächtiges Bild gibt. Nicht minder, wenn auch in anderer Art, zeichnet sich durch sein Temperament Clara Zetkins - für den Druck erweiterter - Vortrag aus: Karl Marx und sein Lebenswerk, Elberfeld 1913; auf gründlichster Kenntnis der Dinge beruhend, gewinnt er noch besonderen Wert durch den Anhang, einen Leitfaden, der den Leser Schritt für Schritt in die Gedankenwelt einführt, die Marx in seinen Werken erschlossen hat. Dagegen ist eine wertlose Kompilation John Spargo, Karl Marx, his life and works, New York 1910.

Eine Hauptquelle für die Biographie von Marx ist bis 1850 die vierbändige, herkömmlicherweise sogenannte Nachlaßausgabe, obgleich sie längst nicht mehr die einzige Ausgabe aus Marxens Nachlaß ist. (Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle, herausgegeben von F. Mehring, Stuttgart 1902.) Sie hat jetzt ein halbes Menschenalter leidlich durchwettert; einige Kleinigkeiten sind in einem Nachwort zur zweiten Auflage von 1913 verbessert worden. In bemerkenswerter Weise ergänzt ist der erste Band durch Arbeiten Gustav Mayers über die Rheinische Zeitung, die Deutsch-Französischen Jahrbücher und Friedrich Engels, der vierte Band durch |544| fünf Briefe Lassalles an Marx, die Bernstein nachträglich aufgefunden und in der Neuen Zeit 331, 19 veröffentlicht hat. In den Einleitungen und Anmerkungen dieser Ausgabe habe ich aus handschriftlichen und gedruckten Quellen viel biographisches Material niedergelegt, so daß die ersten Kapitel dieses Buches bis zu einem gewissen Grade nur einen Auszug daraus darstellten.

Eine zweite Hauptquelle ist für die beiden Jahrzehnte von 1850 bis 1870 der ebenfalls vierbändige Briefwechsel Marx-Engels. (Der Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx 1844 bis 1883, herausgegeben von A. Bebel und Ed. Bernstein, Stuttgart 1913.) Das monumentale Werk ist auch von gegnerischer Seite mit gebührender Achtung begrüßt worden; von ausführlicheren Besprechungen in der wissenschaftlichen Literatur seien notiert Bernstein im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 38;. G. Mayer in der Zeitschrift für Politik, Band 7; Mehring im Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, Band 5; H. Oncken in den Preußischen Jahrbüchern, Band 155; Schmoller im Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Band 39.

Eine dritte Hauptquelle bildet für die Jahre von 1870 bis 1883 der Sorgesche Briefwechsel (Briefe und Auszüge aus Briefen von Joh. Phil. Becker, Jos. Dietzgen, Friedrich Engels, Karl Marx an F. A. Sorge und Andere, Stuttgart 1906). Die Originale der Briefe, samt sonstigem handschriftlichem Material, sind von Sorge der großen New York Public Library überwiesen worden.

Eine Reihe kleinerer Briefwechsel (mit Kugelmann, Weydemeyer, Freiligrath u.a.) werde ich erwähnen, wo ich mich auf sie beziehe. An dieser Stelle will ich nur noch mit lebhaftem Danke der Förderung gedenken, die mir im ganzen Laufe meiner Arbeit Karl Grünbergs Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung gewährt hat. Diese Zeitschrift ist trotz ihrer verhältnismäßigen Jugend, dank der meisterhaften Redaktion ihres Herausgebers, zum Mittelpunkt aller sozialistischen Forschung geworden.(1)

Junge Jahre

Die Prozeßakten, denen ich die genealogischen Notizen über Marx entnommen habe, durfte ich auf der ausgezeichneten Bibliothek der Herren Mauthner und Pappenheim in Wien einsehen. Mehring, Splitter zur Biographie von Karl Marx (Neue Zeit 291,4 mit näheren Einzelheiten über das Abiturientenexamen). Mehring, Die von Westphalen (Neue Zeit 102, 481).

Der Schüler Hegels

Der Brief an die Eltern ist von Eleanor Marx wörtlich mitgeteilt (Die Neue Zeit 161, 4). Junghegelianische Literatur: Köppen, Friedrich der Große und seine Widersacher, Leipzig 1840. Bruno Bauer, Kritische Geschichte der Synoptiker |545| Leipzig 1841. Ruge, Briefwechsel und Tagebuchblätter, Berlin 1886. Doktordissertation (NA 1, 63). Anekdota zur neuesten Philosophie und Publizistik, Zürich 1843. Rheinische Zeitung vom 1. Januar 1842 bis 31. März 1843, in einem vollständigen Exemplar auf der Königlichen Bibliothek in Berlin. Urkundliches, aus den Archiven geschöpftes Material über die Geschichte dieser Zeitung, nebst reichlichen Mitteilungen über die Mauserung der Junghegelianer in die Politik gibt G. Mayer, Die Anfänge des politischen Radikalismus im vormärzlichen Preußen, Zeitschrift für Politik, Band 6. Für die inneren Krisen der Zeitung sind acht Briefe von Wichtigkeit, die Marx an Ruge gerichtet und Bernstein, Juni 1902, in seinen Dokumenten des Sozialismus veröffentlicht hat. Die wichtigsten, von Marx in der Zeitung veröffentlichten Artikel sind jetzt gesammelt (NA 1, 171). Ludwig Feuerbach, Briefwechsel und Nachlaß, Heidelberg 1874.

Das Pariser Exil

Deutsch-Französische Jahrbücher. Das einzige Doppelheft, enthaltend die beiden ersten Lieferungen, ist im März 1844 in Paris erschienen. Der einleitende Briefwechsel sowie die je zwei Beiträge von Marx und Engels jetzt neugedruckt (NA 1, 360). Viel archivalisches Material zur Geschichte der Zeitschrift bietet G. Mayer, Der Untergang der Deutsch-Französischen Jahrbücher und des Pariser Vorwärts (GA, Band 3). Ruge, Aus früherer Zeit, Berlin 1866. Was Marx an der Theorie des Klassenkampfes als sein geistiges Eigentum beanspruchte, entwickelt er in einem Briefe an Weydemeyer vom 5. März 1852. Siehe Mehring, Neue Beiträge zur Biographie von Marx und Engels (Die Neue Zeit 252, 163). Man vergleiche auch Plechanow, über die Anfänge der Lehre vom Klassenkampf (Die Neue Zeit 211, 275) und Rothstein, Verkünder des Klassenkampfes vor Marx (Die Neue Zeit 261, 836). Ein Exemplar des Vorwärts! besitzt die Stadtbibliothek in Wien; der einzige Artikel, den Marx in dem Blatte veröffentlicht hat (NA 2, 41).

Friedrich Engels

Der junge Engels ist sozusagen neu entdeckt worden durch G. Mayer, Ein Pseudonym von Friedrich Engels (GA, Band 4). Von höchstem Interesse sind die Briefe von Engels an ein paar Jugendfreunde, die Mayer im September- und Oktoberhefte der Neuen Rundschau von 1913 veröffentlicht hat. Hoffentlich erscheint bald die umfassende Darstellung, die Mayer über die literarischen und politischen Anfänge von Engels zu geben beabsichtigt. Engels und Marx, Die Heilige Familie, NA im zweiten Bande, mit eingehendem Kommentar. Engels, Die Lage der arbeitenden Klassen in England, Leipzig 1845.

Das Brüsseler Exil

Von der Polemik, die Marx und Engels gegen Stirner geführt haben, hat Bernstein in seinen Dokumenten des Sozialismus größere Abschnitte mitgeteilt. |546| Über ihre Zusammenhänge mit dem wahren Sozialismus, NA im zweiten Bande. Weitling, Garantien der Harmonie und Freiheit. Mit einer biographischen Einleitung und Anmerkungen von Mehring, Berlin 1908. Proudhon, Correspondance 2, 198. Marx, Das Elend der Philosophie, Stuttgart 1885. Deutsche-Brüsseler-Zeitung, in einem nahezu vollständigen Exemplar auf dem Parteiarchiv; die bedeutendsten Beiträge, die Marx und Engels in ihr veröffentlicht haben, NA im zweiten Bande. Das verhältnismäßig spärliche Material, das sich über den Bund der Kommunisten erhalten hat, ist jetzt gesammelt bei Marx, Enthüllungen über den Kommunistenprozeß in Köln. Mit Einleitung von Engels und Dokumenten. Vierter Abdruck mit Einleitung und Anmerkungen von Mehring, Berlin 1914. Bertrand, Die sozialdemokratische Bewegung in Belgien vor 1848, (Die Neue Zeit 232, 277). Rothstein, Aus der Vorgeschichte der Internationalen (Neue Zeit, Ergänzungheft 17). W. Wolff, Gesammelte Schriften, herausgegeben von Mehring, Berlin 1909. Marx, Lohnarbeit und Kapital. Mit Einleitung von Engels, Berlin 1891. Marx und Engels, Kommunistisches Manifest; die letzte, noch von einem der Verfasser besorgte Ausgabe ist Berlin 1890 erschienen.

Revolution und Gegenrevolution

Neue Rheinische Zeitung, eine Reihe von Leitartikeln daraus, NA im dritten Bande. Mehring, Freiligrath und Marx in ihrem Briefwechsel (Die Neue Zeit, Ergänzungsheft 12). Lassalle und Marx, NA im vierten und BME im zweiten und dritten Bande.

Das Londoner Exil

Revue der Neuen Rheinischen Zeitung. Daraus neu gedruckt Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850. Mit Einleitung von Engels, Berlin 1895; anderes, wie namentlich, neben mehreren Monatsübersichten und Rezensionen, Engels, Die deutsche Reichsverfassungskampagne, NA im dritten Bande. Der Fall Kinkel ist zum ersten Male durch mehrere, aus archivalischen Quellen geschöpfte Aufsätze im Jahrgang 1914 der Preußischen Jahrbücher klargestellt worden. Über das Flüchtlingsleben in London Mehring, Neue Beiträge, die aus dem Briefwechsel Marx-Weydemeyer geschöpft sind. Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Stuttgart 1914. Marx, Enthüllungen.

Engels-Marx

Zu diesem Kapitel, das wesentlich auf BME beruht, erübrigen sich Quellenangaben für die Einzelheiten.

Krimkrieg und Krise

Für dies Kapitel habe ich, da es bereits gedruckt war, nicht mehr benutzen können Marx und Engels, Gesammelte Schriften 1852 bis 1862, herausgegeben von N. Rjasanow, Stuttgart 1917. Zwei Bände, die bis Ende 1855 reichen, aber bereits über tausend Druckseiten umfassen; noch zwei Bände sollen folgen. |547| Doch ist der biographische Quellenwert der bereits erschienenen Bände so gering, daß ich meinen Text weder zu berichtigen noch zu ergänzen habe. Im allgemeinen wird der Eindruck nur verstärkt, daß die Tätigkeit für die New-York Daily Tribune nicht der leichteste Teil des Martyriums gewesen ist, das Marx zu tragen gehabt hat; daß Dana nicht der eigentliche Besitzer der Zeitung, sondern nur der Sklavenvogt der wirklichen Besitzer Greeley und MacEkrath gewesen ist, wird nicht jeden Leser zu der Schlußfolgerung des Herausgebers veranlassen, daß Dana sich trotz allem Marx gegenüber korrekt benommen habe. Marx hat in zehnjährigem Verkehr niemals eine Ahnung davon gehabt, daß Dana nur sein mitfühlender Leidensgenosse gewesen ist. Die Aufsätze und Artikel von Marx und Engels, die N. Rjasanow in den beiden Bänden gesammelt hat, sind von sehr verschiedenem Wert: teils runden sie als Nebenwerke die großen wissenschaftlichen Leistungen ihrer Verfasser gefällig und geistreich ab, teils - und namentlich im zweiten Bande - gehören sie zu der »eigentlichen Zeitungskorrespondenz«, mit deren Wiederbelebung Marx und Engels am unzufriedensten sein würden. Über Urquhart, Harney, Jones und die sonstigen persönlichen Beziehungen dieses Kapitels siehe BME - G. Mayer, Zwei unbekannte Briefe von Marx an Lassalle (aus dem Jahre 1855) in der Frankfurter Zeitung vom 10. August 1913. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1859.

Dynastische Umwälzungen

Engels, Po und Rhein; Savoyen, Nizza und der Rhein, zwei Abhandlungen, herausgegeben von Bernstein, Stuttgart 1915. Lassalle, Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens, Berlin 1892. Vogt, Mein Prozeß gegen die Allgemeine Zeitung, Genf 1859. Marx, Herr Vogt. Briefwechsel mit Lassalle, Freiligrath, Weydemeyer und nicht zuletzt BME.

Die Anfänge der Internationalen

Die ältere Literatur über die Internationale (Testut, Villetard usw.) ist ganz überholt; gelegentlich benutzbar, unter nötiger Vorsicht, Rudolf Meyer, Emanzipationskampf des vierten Standes, Berlin 1874. Einen Versuch zur wissenschaftlichen Darstellung des großen Bundes hat erst Jaeckh, Die Internationale, Leipzig 1904, unternommen. Ursprünglich eine Gelegenheitsarbeit, eine Denkschrift zum vierzigsten Geburtstage der Internationalen, ist der schmale Band heute noch lehrreich zu lesen, und nur in einem, freilich wesentlichen Punkte veraltet: in der einseitig-schroffen Aburteilung aller nicht marxistisch denkenden Elemente und namentlich Bakunins. Jaeckh hatte die Ränke der Utin und die Schwänke der Borkheim nicht genügend durchschaut und verließ sich allzusehr auf die Allianzbroschüre. Neben der Schrift Jaeckhs sind die sechs Jahrgänge (1866 bis 1871) des Vorboten, den Joh. Philipp Becker in Genf herausgab, noch immer der beste Wegweiser durch die Geschichte der Internationalen. Über Schweitzers angebliche Verräterei verliere ich im Texte natürlich |548| kein Wort mehr. Siehe Schweitzer, Politische Aufsätze und Reden, herausgegeben von Mehring, Berlin 1912. G. Mayer, J. B. von Schweitzer und die Sozialdemokratie, Jena 1909. Ein gutes Bild von Schweitzers Person und Politik gibt auch H. Laufenberg, Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgegend, Hamburg 1911. Bebel, Aus meinem Leben 2. Band, 1 bis 137 (Die Periode des Herrn von Schweitzer), wiederholt nur die alten, inzwischen längst widerlegten Beschuldigungen, ohne sich mit den Widerlegungen kritisch auseinanderzusetzen. Über die Konferenz der Internationalen in London 1865 siehe M. Bach, Die Neue Zeit 201, 549. Briefe von Karl Marx an L. Kugelmann, Die Neue Zeit 202,26.

Das Kapital

Was sich an Bruchstücken für einen vierten Band vorfand, der die Geschichte der Theorie enthalten sollte, hat Kautsky, Theorien über den Mehrwert, Stuttgart 1904, zusammengestellt und veröffentlicht. Die Popularisationen des Kapitals sind sämtlich veraltet, schon weil sie sich auf den ersten Band beschränken; eine »Volksausgabe« dieses Bandes hat Kautsky, Stuttgart 1914, herausgegeben. Die gewaltige Literatur über das klassische Werk zeichnet sich mehr durch ihren Umfang als durch ihren Inhalt aus, was nicht nur von den Gegnern gilt. Am nächsten dem Vorbilde kommt durch Fülle der Kenntnisse, Glanz der Sprache, logische Schärfe der Untersuchung, Unabhängigkeit der Denkarbeit, und zugleich über seine Grenzen hinaus die wissenschaftliche Erkenntnis erweiternd, Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus, Berlin 1913. Die Art, wie dies Werk namentlich von den sogenannten Austromarxisten (Eckstein, Hilferding usw.) heruntergerissen wurde, gehört zu den Glanzleistungen des Marxpfaffentums.

Die Internationale auf der Höhe

Für dies und das folgende Kapitel ist neben BME und dem Vorboten namentlich die bakunistische Literatur zu berücksichtigen. Michel Bakounine, Œuvres, t. I-VI, Paris 1907 bis 1913. James Guillaume, L'Internationale. Document et Souvenirs, t. I-IV, Paris 1905 bis 1910, Max Nettlau, Bakunin und die Internationale in Italien bis zum Herbst 1872 (GA 2, 275); derselbe, Bakunin und die Internationale in Spanien 1868 bis 1873 (GA 4, 243); derselbe, Bakunin und die russische revolutionäre Bewegung von 1868 bis 1873 (GA 5, 357). Brupbacher, Marx und Bakunin, München 1913. Wenn ich die Unentbehrlichkeit dieser Literatur für die Geschichte der Internationalen betone, so nicht in den Sinne, als ob sie lautere Wahrheit und Weisheit enthalte; im Gegenteil ist sehr zu bedauern, daß ihre Autoren die Gerechtigkeit, die sie mit Recht für Bakunin beanspruchen, nicht für Marx aufzubringen wissen. Aber auch in der Geschichtschreibung hat das alte Wort seine Geltung, daß eines Mannes Rede keines Mannes Rede sei und man beide hören solle. Ein verdienstliches Schriftchen |549|* ist Steklow, Michail Bakunin, Stuttgart 1913; der Verfasser ist ein echter Marxist, aber eben deshalb verlangt er von der deutschen Sozialdemokratie, endlich dem Andenken Bakunins gerecht zu werden. Die Konfidentielle Mitteilung ist wörtlich abgedruckt in den Briefen an Kugelmann (Die Neue Zeit 202, 472).

Der Niedergang der Internationalen

Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, mit Einleitung von Engels, Berlin 1891, enthält die drei Adressen der Internationalen über den Krieg und die Kommune. Briefliche Äußerungen von Marx über die Kommune (Die Neue Zeit 201, 708). Die spärlichen Reste des Briefwechsels, den Marx während des Aufstandes selbst mit Mitgliedern des Kommunerats gepflogen hat (Die Neue Zeit 291, 734). Mémoire présenté par la Fédération jurassienne de l'Association Internationale des Travailleurs à toutes les Fédérations de l'Internationale. Sonvillier 1871. Les prétendues Scissions dans l'Internationale. Circulaire privé du Conseil général de l'Association Internationale des Travailleurs. Genève 1872. M. Bach, Die Spaltung in der englischen Internationalen (Die Neue Zeit 212, 21). Ein Complot gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation. Braunschweig 1874 (die sogenannte Allianzbroschüre).

Es ist hier der Ort, mit einigen Worten auf den Totschlagversuch einzugehen, den K. Kautsky und N. Rjasanow an diesem Buch noch in seinem embryonalen Zustande unternommen haben.

Obgleich einige ketzerische Äußerungen über Lassalle mir bereits eine öffentliche Warnung Kautskys wegen »Marxfeindschaft« und eines angeblich an Frau Lafargue begangenen »Vertrauensbruchs« zugezogen hatten, hielt ich öffentlich an meinem biographischen Plane fest und besaß sogar die Verwegenheit, in dem damals von mir redigierten Feuilleton der Neuen Zeit - siehe Die Neue Zeit 312, 985 - das Buch Brupbachers über Marx und Bakunin anzuzeigen, ohne es nach Strich und Faden herunterzureißen. Ich tadelte an dem Buche zwar manche Ausfälle und Ungerechtigkeiten gegen Marx, erklärte es aber insoweit für ein »nützliches und verdienstliches Werk«, als es eine Reihe von ungerechten Vorwürfen beseitige, die von Marx und den Marxisten, wobei ich mich selbst keineswegs ausnahm, gegen Bakunin erhoben worden seien. Der sachliche Kern meiner Besprechung war die Ausführung, die Internationale sei an der Erfüllung einer großen historischen Mission untergegangen, also eines ungleich ehrenvolleren Todes gestorben, als an den elenden Intrigen gewissenloser Demagogen.

Damit war nun aber auch mein Maß voll, und N. Rjasanow erließ gegen meine armen sechs Seiten jenes Pamphlet von mehr als zehnfachem Umfange, dem Kautsky bereitwillig die Spalten der Neuen Zeit geöffnet hat. (N. Rjasanow, Sozialdemokratische Flagge und anarchistische Ware. Nr. 5, 7, 8, 9, 10 und 13. 32. Jahrgang, 1. Band.) Natürlich ging Rjasanow mit keiner Silbe auf meine sachlichen Ausführungen ein; selbst die zwei oder drei Irrtümer, die er |550| mir nachweisen wollte, indem er mir entweder die Worte im Munde verdrehte oder einen sachlich gleichgültigen Flüchtigkeitsfehler maßlos aufblähte, hatten nicht das mindeste mit dem zu tun, worauf es mir ankam. Zweck der Übung war, mich als einen Menschen hinzustellen, dem es sowohl an Kenntnissen wie an Urteilsfähigkeit und namentlich an gutem Willen fehle, um in Sachen Marx überhaupt mitzureden. Mein Bild wurde sozusagen als zinnoberrot gekleckste Fratze an der Jahrmarktsbude aufgehängt, und davor stand der Marktschreier: Sehet hier ein Scheusal!

Für diese Rolle eignete sich Rjasanow nun gewiß aufs trefflichste. Er ist ein Meister des Stils, den er seinem bewunderten Borkheim abgeguckt hat, und den Marx einmal treffend schildert: »Wenn er die Feder in die Hand nimmt - wehe! Aller Takt und Geschmack fehlt ihm. Zudem alle erforderliche Vorbildung. Er gleicht den Wilden, die sich das Gesicht zu verschönern glauben, wenn sie es mit allen möglichen schreienden Farben tätowieren. Banalität und Kladderadatsch springen ihm immer zwischen die Beine. Fast jede Phrase setzt sich bei ihm instinktiv die Schellenkappe auf.« Und bei Rjasanow keineswegs bloß instinktiv. Kann er eine Grimasse nach seinem Geschmack schneiden, so wird dieser »ernste Forscher« wie er sich und seinesgleichen mit Vorliebe nennt, zum plumpen Fälscher. Um in seinem Pamphlet einige schlechte Witze gegen mich vom Stapel zu lassen, mußte er mich mit verantwortlich machen für einige Artikel, die Borkheim im Sommer 1869 in der Zukunft von Guido Weiß gegen Bakunin gerichtet hat. Nun bringt Rjasanow ein Zitat von mir bei, worin ich sage, daß ich in jungen Jahren der Redaktion der Zukunft angehört hätte, aber in demselben Atemzuge als Zeit meines Eintritts den Januar 1870 angebe. Diese Zeitbestimmung wirft Rjasanow fein säuberlich in den Papierkorb, dagegen saugt er sich die Behauptung aus den Fingern, daß ich am 25. Juni 1869 - ausgerechnet an diesem Tage - einen Artikel in der Zukunft veröffentlicht hätte. So hat er durch eine kleine Unterschlagung und eine kleine Fälschung freies Feld gewonnen und kalauert munter darauf los über den »grünen Jungen«, den ich im Sommer 1869, wo ich noch nicht in den entferntesten Beziehungen zur Zukunft stand, in deren Redaktion gespielt haben soll. Und solche Hanswurstereien, die jede bürgerliche Zeitschrift als Waffe gegen sozialdemokratische Schriftsteller verschmäht haben würde, nimmt Kautsky unbesehen in Die Neue Zeit auf, deren fleißigster Mitarbeiter ich seit zwanzig Jahren gewesen war.

Doch nun zu den Anklagen dieser Ciceros gegen Catilina! Gleich auf der ersten Seite werde ich beschuldigt, in meiner Rezension Brupbachers die »faulste Ware« verhökert und die Gefahr heraufbeschworen zu haben, »daß unter sozialdemokratischer Flagge in die Parteiliteratur alle die Beschuldigungen eingeschmuggelt werden, die bisher von anarchistischer Seite gegen Engels und Marx, Bebel und Liebknecht vorgebracht wurden, die Beschuldigungen der Verleumdungssucht, der unverschämten Lügenhaftigkeit, der Fälschungen, Unterschlagungen, unerhörter Verirrungen des Moralgefühls«. Wenn diese Gefahr auf der ersten Seite des Pamphlets aber erst »droht«, so ist sie auf der |551| zweiten schon eingetreten, und ich habe »die großen Toten mit moralisch verzierten und pharisäisch verbrämten Schmähungen überschüttet«. Meine ärgste Missetat ist dann, daß ich Marx als größten Denker der modernen Arbeiterbewegung abtun und an seine Stelle Bakunin als echten Heiland schieben will oder wie die Schellenkappe klingelt: »Marx als Claudius, Bakunin als Hamlets Vater, die deutsche Sozialdemokratie als Königin und Mehring als Hamlet, der ihr jetzt wieder einreden will, sie solle den schlechteren Teil hinauswerfen und um so reiner mit der andern Hälfte leben.« Von diesen tragischen Höhen steigt Rjasanow dann freilich wieder in das vertrautere Gebiet der Clownspäße herab, indem er mir vorwirft, ich sei vertrauensvoll auf den »ekelerregenden« Leim der Brupbacher und Guillaume gekrochen, wonach die Marxsche Internationale nichts als ein Schein gewesen sei, »hinter dem sich eine ruchlose Bande gewissenloser und moralisch stumpfsinniger Jesuiten versteckte«.

Allerdings werden mir auch zwei mildernde Umstände zugebilligt: erstens eine grandiose Unwissenheit, »oberflächliche Bekanntschaft mit dein Gegenstand und totale Unkenntnis der einschlägigen Literatur, soweit sie nicht deutsch ist«, und zweitens Gewissensbisse, die mich bedrückten, weil ich Bakunin noch ärger als selbst die Utin und Konsorten verlästert haben soll, eine Behauptung, die Rjasanow nur auf ein von ihm gefälschtes Zitat zu stützen vermag. Er verschweigt nämlich, daß ich an der von ihm angezogenen Stelle meiner Parteigeschichte Bakunin dagegen verwahre, aus rein persönlichen Gründen mit Marx angebunden zu haben, und daß ich Bakunins anarchistische Theorien aus seinem Bildungs- und Lebensgange erkläre, aber meine hinzugefügte Bemerkung, soviel sei freilich auch richtig, daß persönlicher Ehrgeiz und persönliche Eifersucht bei Bakunins Kampf gegen Marx »mitgespielt« hätten, druckt Rjasanow mit gesperrter Schrift ab. Nun gebe ich diese Bemerkung gern preis, nach allem, was seitdem an neuem Quellenmaterial über Bakunin veröffentlicht worden ist, aber daß ich um ihretwillen zur Beschwichtigung meines Gewissens Bakunin zum ersten Geisteshelden des Sozialismus gemacht haben soll, ist eine gewiß geistreiche, jedoch entschieden unrichtige Annahme Rjasanows. Und wenn er gar meint, jene meine Bemerkung sei das Ärgste an Lästerung, was an Bakunin verübt worden sei, so muß Rjasanow entweder seine Lieblinge Borkheim und Utin nicht kennen - was von einem so »ernsten Forscher« doch nicht anzunehmen ist - oder der Mann ist wirklich nicht mehr recht bei Troste.

Die kleine Blütenlese würde schon ausreichen als Beweis dafür, daß ich zum Biographen von Marx tauge wie der Esel zum Lautenschlagen, wenn es sonst mit ihr seine Richtigkeit hat. Ob es aber mit ihr seine Richtigkeit hat, kann der Leser dieses Buches sofort erkennen, wenn er einen Blick in das dreizehnte und vierzehnte Kapitel wirft. Denn diese beiden Kapitel sind die eingehende und gründliche Ausführung der flüchtigen Skizze, die ich in der Anzeige des Brupbacherschen Buches entworfen hatte. Mein in den Augen des Marxpfaffentums unsühnbares Verbrechen besteht erstens darin, daß ich, wie es die Pflicht jedes Historikers ist, bei der Darstellung des Streites zwischen Bakunin und Marx |552| nicht nur die marxistischen, sondern auch die bakunistischen Zeugen abgehört habe, und zweitens darin, daß ich, wie es die Pflicht wenigstens jedes marxistischen Historikers ist, die Geschichte der Internationalen nicht als Tragikomödie aufgefaßt habe, in der ein nichtswürdiger Intrigant einen makellosen Helden stürzt, sondern als eine große geschichtliche Erscheinung, deren Aufstieg wie deren Niedergang sich nur aus großen historischen Zusammenhängen erklären läßt.

Doch nunmehr genug von dem Marxpfaffentum, das Kautsky selbst inzwischen genügend gekennzeichnet hat durch seine Wetterfahnenpolitik vom 4. August 1914 und seine famose Entdeckung, daß die Internationale »im wesentlichen ein Friedensinstrument«, aber »kein wirksames Werkzeug im Kriege« sei.

Das letzte Jahrzehnt

Lafargue, Persönliche Erinnerungen an Karl Marx, Die Neue Zeit 91, 10. Marx, Programmbrief, Die Neue Zeit 91, 561. Ein ähnlicher Brief von Engels bei Bebel, Aus meinem Leben 22, 318. Stecklow, Die bakunistische Internationale nach dem Haager Kongreß, Die Neue Zeit, Ergänzungsheft 18. Marx über den Orientkrieg, BS 156 und im Anhange zu Liebknecht, Zur orientalischen Frage, Leipzig 1878. Über die Streitigkeiten in den ersten Jahren des Sozialistengesetzes, BS und Bebel, Aus meinem Leben. Der letzte Brief von Frau Marx, BS 151. Über letzte Krankheit, Tod und Bestattung Engels, BS 186 und im Züricher Sozialdemokraten vom 22. März 1883.


Fußnoten von Franz Mehring

(1) NA: Nachlaßausgabe. BME: Briefwechsel Marx/Engels. BS: Sorges Briefwechsel. GA: Grünbergs Archiv. <=


Pfad: »../fm/fm03«
Verknüpfte Dateien: »../../css/format.css«


MLWerke | 15. Kapitel | Inhalt | Franz Mehring