Da sind sie wieder alle zur Stell
Zum Gala-Abend im Eden-Hotel:
Die Frau Bankier mit Freund und Gemahl,
Herr Fabrikant und der General,
Die Ritter der Feme und die im Talar,
Ein Minister, der früher mal Arbeiter war ...
Heut sind sie wieder alle zur Stelle.
"Prost!" - "Bravo, spiel zur Kapelle!"
Und wimmernd quäkt das Saxophon ...
"Zum Teufel auch! Was ist denn schon?
Was soll denn die Angst in eurem Gesicht?"
"Herr General ... ja wißt Ihr denn nicht?
Heut ist doch der fünfzehnte Januar ...!"
"Ja und?" - "Ihr wißt doch, was Neunzehn hier war!"
Minutenlang Stille. Am Tisch kein Ton.
Und wimmernd quäkt das Saxophon.
"Die Roten im Streik; der Wedding in Flammen!"
Ach was! Wir knallen die Bande zusammen.
"Kopf hoch! He, Ober, bring Sekt! Mach schnell!"
"Prost!" - Gala-Abend im Eden-Hotel.
"Prost!" Gläserklang. "Na, Prost, General!"
Aufspringt der Alte. Wird leichenfahl.
Und beugt sich vor. Und lauscht gespannt.
Der Sektkelch zittert in seiner Hand,
Rollt auf den Teppich, zerschellt, zerklirrt ...
"Da ... da ... hört ..." Er stammelt's verwirrt.
Und brüchig und heiser der Stimme Ton.
Laut wimmernd quäkt das Saxophon ...
Vom Tiergarten her ... da rückt es heran ...
"Ja hört Ihr denn nicht? Sie greifen an!"
Dann, gellend durch Musik und Lärm hindurch:
"Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg!"
Der Geiger klopft ab. Mit einemmal
Totenstille im festlichen Saal.
Nicht Geige, nicht Trommel, nicht Saxophon.
Von draußen, zum Angriff: Fanfarenton!
Da werden sie alle weiß wie die Wand.
Ein Reichswehroffizier kommt hastig gerannt.
Knallt Hacken zusammen. Und schreit wie gehetzt:
"Sie haben das Tiergartenviertel besetzt!"
Und Massenschritt näher! Fanfarenton!
"Die roten Kolonnen! Revolution!"
Die Tür fliegt auf. Man steht wie erstarrt.
Nur fünf Proleten. - Ein Alter spricht hart
Und hebt die Hand: "Wir haben nicht Zeit,
Los, vorwärts, nach unten. Macht euch bereit!
Wir, die Proleten, sind heute zur Stell
Zum Gala-Abend im Eden-Hotel!"
aus: Die Rote Fahne, Nr. 12, 15. Januar 1931
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