MLWerke | Inhalt | Marx/Engels

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 40. Berlin/DDR. 1973. S. 209-235.
1. Korrektur
Erstellt am 15.01.2000

Karl Marx

Hefte zur epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie - Sechstes Heft


[Lucretius. Über die Natur der Dinge]

Buch IV

|209| »[...] die Bilder der Dinge [...]
Die von der Oberfläche der Körper wie Häutchen sich schälen
Und bald hierhin, bald dorthin umher in den Lüften sich treiben.«
V. 34 ff.

»Weil an Gestalt und an Form solch Abbild ähnelt dem Körper,
Aus dem dieses erfließt, wie man sagt, und ins Weite davonfliegt«.
V. 49 f.

»Deshalb müssen auf ähnliche Art auch die Bilder imstand sein,
Unaussprechbare Räume in einem Moment zu durchfliegen,
Erstens, weil ununterbrochen von hinten ein freilich nur kleiner
Antrieb stets die Bilder nach vorne hin stößt und sie vortreibt,
Dann aber auch, weil im Fliegen ihr überaus zartes Gewebe
Leicht sich zu drängen vermag durch alle beliebigen Dinge
Und durch die Räume der Luft, die dazwischen sind, gleichsam zu fließen«.
V. 192 ff.

»[...] muß man gestehen:
Körper uns dringen ins Auge und reizen dabei uns den Sehnerv,
Ständig entströmen in dauerndem Fluß sie gewissen Stoffen,
Wie von den Flüssen die Kühle, die Glut von der Sonne, die Brandung
Sprüht von den Wogen des Meers, das Gemäuer der Küste zerfressend;
Unaufhörlich durchfliegen verschiedene Töne die Lüfte;
Oft auch dringt in den Mund, sobald in der Nähe des Meeres
Wir uns ergehn, der salzige Gischt, und wenn man nur zusieht,
Wie man den Wermut löset zum Mischtrank, schmeckt man das Bittre.
So fließt allenthalben aus allerhand Stoffen der Stoffe
Ständiger Strom und verteilt sich sodann nach jeglicher Seite.
Nirgends gibt es da Ruhe noch Rast im beständigen Flusse.
Denn stets wach ist ja unser Gefühl, und wir können beständig
Alles erblicken und riechen und alle Geräusche vernehmen«.
V. 217 ff.

»Weiter erkennen wir stets: sobald wir im Dunkel betasten
Eine Figur mit der Hand, so ist sie die nämliche, die wir
|211| Auch bei Tag und bei strahlendem Licht besehen. So muß wohl
Tast- und Gesichtsempfindung auf ähnlichen Gründen beruhen.«
V. 231 ff.

»Also man sieht hieraus, daß das Sehen durch Bilder verursacht
Wird
und daß nichts auf der Welt ist ohne die Bilder zu sehen.«
V. 238 f.

»Daher kommt's, daß wir wissen den Abstand jeglichen Urbilds
Einzuschätzen. Je größer die vor uns erschütterte Luftschicht,
Und je länger ihr Strom durch unsere Augen hindurchstreicht,
Desto weiter entfernt erscheint uns ein jegliches Urbild.
Doch dies alles vollzieht sich natürlich so wunderbar schnelle,
Daß wir mit einem Blick die Beschaffenheit sehn und den Abstand.«
V. 251 ff.

»So ist's auch mit dem Bilde des Spiegels. Sobald er es ausschickt,
Bis es zu unseren Augen gelangt, treibt dieses die Luftschicht,
Welche sich zwischen ihm selbst und dem Blicke befindet, nach vorne
Und bringt diese noch eher zu unserer Sinnesempfindung
Als den Spiegel. Indessen, sobald wir auch diesen erblicken,
Langt dies Bild, das im Nu zu dem Spiegel wieder zurückkehrt,
An, und von dort wird es wieder zurück zu den Augen geworfen,
Und so stößt es und wälzt es von neuem weitere Luft vor.
So kommt's, daß wir noch früher die Luft als den Spiegel erblicken
Und dadurch das gespiegelte Bild so weit uns entfernt scheint«.
V. 280 ff.

Buch V

»[...] und es stürzet zusammen,
Was Jahrtausende hielt, die gewaltige Masse des Weltbaus.«
V. 96 f.

»Möge uns mehr die Vernunft als das eigne Erlebnis belehren,
Daß auch die Welt zugrunde kann gehn in klirrendem Einsturz«.
V. 109 f.

»Denn das Ganze natürlich, da dessen Glieder und Teile
Aus erschaffenem Stoffe in sterblichen Formen bestehen,
Stellt in der Regel dem Blicke sich ebenso dar als erschaffen
Und zugleich als vergänglich. Drum [...]
...
[... weiß ich,] daß Himmel und Erde
Einst ihren Anfang hatten und einmal ihr Ende erwarten«.
V. 241 ff.

|213| »Endlich bemerkst du nicht ...
... [...]
Daß die Tempel und Bilder der Götter zermürben und bersten,
Daß nie göttlicher Spruch des Schicksals Grenzen erweitern
Und auch nie das Gesetz der Natur vergewaltigen könne?«
V. 307 ff.

»Ferner muß alles, was ewig besteht, Trotz bieten den Stößen,
Weil entweder sein Körper durchaus massiv und solid ist
Und nicht duldet, daß irgend etwas von außen sich eindrängt,
Welches die enge Verbindung der Teile zu lockern vermachte,
- Der Art sind, wie ich früher gezeigt, die Atome des Urstoffs
Oder es kann auch etwas in alle Ewigkeit dauern,
Weil es kein Schlag je trifft - so steht's mit dem stofflosen Leeren,
Das kein Stoß je trifft, das unantastbar verharret -,
Oder es gibt auch etwas, das ringsum ohne den Raum ist,
In den sonst sich der Dinge Bestand verflüchtigt und auflöst.
- So ist das ewige All; denn es dehnt sich dort weder nach außen
Zum Entweichen der Dinge ein Raum, noch gibt es da Körper,
Die es durch kräftigen Schlag beim Hineinfall könnten zertrümmern -.«
V. 352 ff.

»So ist weder dem Himmel die Pforte des Todes verschlossen
Noch der Sonne, der Erde, den tiefen Gewässern des Meeres,
Sondern sie lauert darauf mit gewaltig geöffnetem Rachen«.
V. 374 ff.

»Nämlich, es waren natürlich schon damals dem menschlichen Geiste
Herrliche Göttergestalten von wundersam riesigem Wuchse
Teils im Wachen erschienen, jedoch noch öfter im Traume.
Diesen Gestalten nun lieh man Gefühl. Denn sie regten die Glieder,
Wie es wenigstens schien, und sprachen erhabene Worte,
Welche der hehren Gestalt und den riesigen Kräften entsprachen.
Ewiges Leben verliehen sie ihnen, weil ständig der Götter
Bild und Gestalt den Menschen in nämlicher Weise erschienen.
Und vor allem jedoch, weil solche gewaltigen Wesen
Schwerlich besiegbar erschienen durch irgend andere Kräfte.
Drum schien ihnen ihr Leben vor andern besonders begnadet,
Weil auch nicht einen von ihnen die Furcht vor dem Tode bekümmre.
Sahen sie doch in den Träumen, wie Götter so zahlreiche Wunder
Wirkten, wobei sie doch selbst nicht die mindeste Mühe verrieten«.
V. 1168 ff .

Buch VI

|215| Wie der νους |(nous) Nous| des Anaxagoras in Bewegung tritt in den Sophisten (hier wird der νους realiter das Nichtsein der Welt) und diese unmittelbare dämonenhafte Bewegung als solche objektiv wird in dem Daimonion des Sokrates, so wird wieder die praktische Bewegung des Sokrates eine allgemeine und ideelle im Plato, und der νους erweitert sich zu einem Reiche von Ideen. Im Aristoteles wird dieser Prozeß wieder in die Einzelnheit befaßt, die jetzt aber die wirkliche begriffliche Einzelnheit ist.

Wie es in der Philosophiegeschichte Knotenpunkte gibt, die sie in sich selbst zur Konkretion erheben, die abstrakten Prinzipien in eine Totalität befassen und so den Fortgang der graden Linie abbrechen, so gibt es auch Momente, in welchen die Philosophie die Augen in die Außenwelt kehrt, nicht mehr begreifend, sondern als eine praktische Person gleichsam Intrigen mit der Welt spinnt, aus dem durchsichtigen Reiche des Amenthes heraustritt und sich ans Herz der weltlichen Sirene wirft. Das ist die Fastnachtszeit der Philosophie, kleide sie sich nun in eine Hundetracht wie der Kyniker, in ein Priestergewand wie der Alexandriner oder in ein duftig Frühlingskleid wie der Epikureer. Es ist ihr da wesentlich, Charaktermasken anzulegen. Wie uns erzählt wird, daß Deukalion bei Erschaffung der Menschen Steine hinter sich geworfen, so wirft die Philosophie ihre Augen hinter sich (die Gebeine ihrer Mutter sind leuchtende Augen), wenn ihr Herz zur Schaffung einer Welt erstarkt ist; aber wie Prometheus, der das Feuer vom Himmel gestohlen, Häuser zu bauen und auf der Erde sich anzusiedeln anfängt, so wendet sich die Philosophie, die zur Welt sich erweitert hat, sich gegen die erscheinende Welt. So jetzt die Hegelsche.[1]

Indem die Philosophie zu einer vollendeten, totalen Welt sich abgeschlossen hat, die Bestimmtheit dieser Totalität ist bedingt durch ihre Entwicklung überhaupt, wie sie die Bedingung der Form ist, die ihr Umschlagen in ein praktisches Verhältnis zur Wirklichkeit annimmt, so ist also die Totalität der Welt überhaupt dirimiert in sich selbst, und zwar ist diese Diremtion auf die Spitze getrieben, denn die geistige Existenz ist frei geworden, zur Allgemeinheit bereichert, der Herzschlag ist in sich selbst der Unterschied geworden auf konkrete Weise, welche der ganze Organismus ist. Die Diremtion der Welt ist erst total [2], wenn ihre Seiten Totalitäten sind. Die Welt ist also eine zerrissene, die einer in sich totalen Philosophie gegenübertritt. Die Erscheinung der Tätigkeit dieser Philosophie ist dadurch auch eine zerrissene und widersprechend; ihre objektive Allgemeinheit kehrt sich um in subjektive Formen des einzelnen Bewußtseins, in |217| denen sie lebendig ist. Man darf sich aber [durch] [3] diesen Sturm nicht irren lassen, der einer großen, einer Weltphilosophie folgt. Gemeine Harfen klingen unter jeder Hand; Aeols Harfen nur, wenn der Sturm sie schlägt.

Wer diese geschichtliche Notwendigkeit nicht einsieht, der muß konsequenterweise leugnen, daß überhaupt nach einer totalen Philosophie noch Menschen leben können, oder er muß die Dialektik des Maßes als solche für die höchste Kategorie des sich wissenden Geistes halten und mit einigen unsren Meister falsch verstehenden Hegelianern behaupten, daß die Mittelmäßigkeit die normale Erscheinung des absoluten Geistes ist; aber eine Mittelmäßigkeit, die sich für die reguläre Erscheinung des Absoluten ausgibt, ist selbst ins Maßlose verfallen, nämlich in eine maßlose Prätension. Ohne diese Notwendigkeit ist es nicht zu begreifen, wie nach Aristoteles ein Zeno, ein Epikur, selbst ein Sextus Empiricus, wie nach Hegel die meistenteils bodenlos dürftigen Versuche neuerer Philosophen ans Tageslicht treten konnten.

Die halben Gemüter haben in solchen Zeiten die umgekehrte Ansicht ganzer Feldherrn. Sie glauben durch Vermindrung der Streitkräfte den Schaden wiederherstellen zu können, durch Zersplittrung, durch einen Friedenstraktat mit den realen Bedürfnissen, während Themistokles, als Athen Verwüstung drohte, die Athener bewog, es vollends zu verlassen und zur See, auf einem andern Elemente, ein neues Athen zu gründen.

Auch dürfen wir nicht vergessen, daß die Zeit, die solchen Katastrophen folgt, eine eiserne ist, glücklich, wenn Titanenkämpfe sie bezeichnen, bejammernswert, wenn sie den nachhinkenden Jahrhunderten großer Kunstepochen gleicht. Diese beschäftigen sich, in Wachs, Gips und Kupfer abzudrücken, was aus karrarischem Marmor, ganz wie Pallas Athene aus dem Haupt des Göttervaters Zeus, hervorsprang. Titanenartig sind aber die Zeiten, die einer in sich totalen Philosophie und ihren subjektiven Entwicklungsformen folgen, denn riesenhaft ist der Zwiespalt, der ihre Einheit ist. So folgt Rom auf die stoische, skeptische und epikureische Philosophie. Unglücklich und eisern sind sie, denn ihre Götter sind gestorben, und die neue Göttin hat unmittelbar noch die dunkele Gestalt des Schicksals, des reinen Lichts oder der reinen Finsternis. Die Farben des Tages fehlen ihr noch.

Der Kern des Unglücks aber ist, daß dann die Seele der Zeit, die geistige Monas, in sich ersättigt, in sich selbst nach allen Seiten ideal gestaltet, keine Wirklichkeit, die ohne sie fertig geworden ist, anerkennen darf. Das Glück |219| in solchem Unglück ist daher die subjektive Form, die Modalität, in welcher die Philosophie als subjektives Bewußtsein sich zur Wirklichkeit verhält.

So war z.B. die epikureische, stoische Philosophie das Glück ihrer Zeit; so sucht der Nachtschmetterling, wenn die allgemeine Sonne untergegangen ist, das Lampenlicht des Privaten.

Die andre Seite, die für den Geschichtschreiber der Philosophie die wichtigere ist, ist diese, daß dieses Umschlagen der Philosophie, ihre Transsubstantiation in Fleisch und Blut verschieden ist, je nach der Bestimmtheit, welche eine in sich totale und konkrete Philosophie als das Mal ihrer Geburt an sich trägt. Es ist zugleich eine Erwiderung für diejenigen, die glauben, daß, weil Hegel die Verurteilung des Sokrates für recht, d.h. für notwendig hielt, weil Giordano Bruno auf dem rauchigen Feuer des Scheiterhaufens sein Geistesfeuer büßen mußte, in ihrer abstrakten Einseitigkeit nun schließen, daß z.B. die Hegelsche Philosophie sich selbst das Urteil gesprochen habe. Wichtig aber ist es in philosophischer Hinsicht, diese Seite hervorzukehren, weil aus der bestimmten Weise dieses Umschlagens rückgeschlossen werden kann auf die immanente Bestimmtheit und den weltgeschichtlichen Charakter des Verlaufs einer Philosophie. Was früher als Wachstum hervortrat, ist jetzt Bestimmtheit, was an sich seiende Negativität, Negation geworden. Wir sehn hier gleichsam das curriculum vitae einer Philosophie aufs Enge, auf die subjektive Pointe gebracht, wie man aus dem Tode eines Helden auf seine Lebensgeschichte schließen kann.

Da ich das Verhältnis der epikureischen Philosophie für eine solche Form der griechischen Philosophie halte, mag dies hier zugleich zur Rechtfertigung dienen, wenn ich, statt aus den vorhergehenden griechischen Philosophien Momente als Bedingungen im Leben der epikureischen Philosophie voranzustellen, vielmehr rückwärts aus dieser auf jene schließe und so sie selbst ihre eigentümliche Stellung aussprechen lasse.

Um die subjektive Form der platonischen Philosophie in einigen Zügen noch weiter zu bestimmen, will ich einige Ansichten des Herrn Professor Baur aus seiner Schrift »Das Christliche im Platonismus« näher betrachten. So erhalten wir ein Resultat, indem zugleich gegenseitige Ansichten bestimmter geklärt werden.

»Das Christliche des Platonismus oder Sokrates und Christus.« Von D. F. C. Baur. Tübingen. 1837.

Baur sagt Seite 24:

»Sokratische Philosophie und Christentum verhalten sich demnach, in diesem ihrem Ausgangspunkt betrachtet, zueinander wie Selbsterkenntnis und Sündenerkenntnis«.

|221| Es scheint uns, als wenn die Vergleichung von Sokrates und Christus, so dargestellt [4], grade das Gegenteil von dem beweise, was bewiesen werden soll, nämlich das Gegenteil einer Analogie zwischen Sokrates und Christus. Selbsterkenntnis und Sündenerkenntnis verhalten sich allerdings wie Allgemeines und Besondres, nämlich wie Philosophie und Religion. Diese Stellung hat jeder Philosoph, gehöre er der alten oder neuen Zeit an. Das wäre eher die ewige Trennung beider Gebiete als ihre Einheit, allerdings auch eine Beziehung, denn jede Trennung ist Trennung eines Einen. Das hieße weiter nichts, als der Philosoph Sokrates verhält sich zu Christus, wie sich ein Philosoph zu einem Lehrer der Religion verhält. Wird nun gar eine Ähnlichkeit, eine Analogie zwischen der Gnade und der sokratischen Hebammenkunst, der Ironie, hereingebracht, so heißt dies nur den Widerspruch, nicht die Analogie auf die Spitze treiben. Die sokratische Ironie, wie sie Baur auffaßt und wie sie mit Hegel aufgefaßt werden muß, nämlich die dialektische Falle, wodurch der gemeine Menschenverstand nicht in wohlbehäbiges Besserwissen, sondern in die ihm selbst immanente Wahrheit aus seiner buntscheckigen Verknöcherung hineingestürzt wird, diese Ironie ist nichts als die Form der Philosophie wie sie subjektiv zum gemeinen Bewußtsein sich verhält. Daß sie in Sokrates die Form eines ironischen Menschen, Weisen hat, folgt aus dem Grundcharakter und dem Verhältnisse griechischer Philosophie zur Wirklichkeit; bei uns ist die Ironie in Fr. v. Schlegel als allgemeine immanente Formel, gleichsam als Philosophie gelehrt worden. Aber der Objektivität, dem Inhalt nach ist ebensogut Heraklit, der auch den gemeinen Menschenverstand nicht nur verachtet, sondern haßt, ist selbst Thales, der lehrt, alles sei Wasser, während jeder Grieche wußte, daß er vom Wasser nicht leben könnte, ist Fichte mit seinem weltschöpferischen Ich, während selbst Nicolai einsah, daß er keine Welt schaffen könne, ist jeder Philosoph, der die Immanenz gegen die empirische Person geltend macht, ein Ironiker.

In der Gnade dagegen, in der Sündenerkenntnis, ist nicht nur das Subjekt, das begnadigt, zur Sündenerkenntnis gebracht wird, sondern selbst dasjenige, welches begnadigt, und dasjenige, welches aus der Sündenerkenntnis sich aufrichtet, eine empirische Person.

Ist also hier eine Analogie zwischen Sokrates und Christus, so wäre es die, daß Sokrates die personifizierte Philosophie, Christus die personifizierte Religion ist. Allein von einem allgemeinen Verhältnis zwischen Philosophie |223| und Religion handelt es sich hier nicht, sondern die Frage ist vielmehr, wie sich die inkorporierte Philosophie zur inkorporierten Religion verhalte. Daß sie sich zueinander verhalten, ist eine sehr vage Wahrheit oder vielmehr die allgemeine Bedingung der Frage, nicht der besondre Grund der Antwort. Wie nun in diesem Streben, Christliches in Sokrates nachzuweisen, das Verhältnis der voranstehenden Persönlichkeiten, Christus und Sokrates, nicht weiter bestimmt wird als zum Verhältnis eines Philosophen zu dem eines Religionslehrers überhaupt, so bricht dieselbe Leerheit hervor, wenn die allgemeine sittliche Gliederung der sokratischen Idee, der platonische Staat, mit der allgemeinen Gliederung der Idee und [5] Christus als historische Individualität vornehmlich mit der Kirche in Beziehung gebracht wird.[6]

Wenn der Hegelsche Ausspruch, den Baur akzeptiert, richtig ist, daß Plato die griechische Substantialität gegen das einbrechende Prinzip der Subjektivität in seiner Republik geltend machte, so steht ja grade Plato Christus schnurstracks gegenüber, da Christus dies Moment der Subjektivität gegen den bestehenden Staat geltend machte, den er als ein nur Weltliches und so Unheiliges bezeichnete. Daß die platonische Republik ein Ideal blieb, die christliche Kirche Realität erlangte, war noch nicht der wahre Unterschied, sondern verkehrte sich darin, daß die platonische Idee der Realität nachfolgte, während die christliche ihr voranging.

Überhaupt hieße es denn viel richtiger, daß platonische Elemente im Christentum, als christliche im Plato sich finden, besonders da die ältesten Kirchenväter historisch teilweise aus der platonischen Philosophie hervorgingen, z.B. Origenes, Herennius. Wichtig in philosophischer Hinsicht ist, daß in der platonischen Republik der erste Stand der Stand der Wissenden oder Weisen ist. Ebenso verhält es sich mit dem Verhältnisse der platonischen Ideen zum christlichen Logos (S. 38), mit dem Verhältnis der platonischen Wiedererinnerung zur christlichen Erneuerung des Menschen zu seinem ursprünglichen Bilde (S. 40), mit dem platonischen Fall der Seelen und dem christlichen Sündenfall (S. 43), Mythus von der Präexistenz der Seele.

Verhältnis des Mythus zum platonischen Bewußtsein.

Platonische Seelenwandrung. Zusammenhang mit den Gestirnen.

Baur sagt Seite 83:

»Es gibt keine andere Philosophie des Altertums, in welcher die Philosophie so sehr wie im Platonismus den Charakter der Religion an sich trägt«.

|225| Dies soll auch daraus hervorgehn, daß Plato die »Aufgabe der Philosophie« (S. 86) bestimmt als eine λυσις, απαλλαγη, χωρισμος |(lysis, apallage, chorismos) Erlösung, Befreiung, Absonderung| der Seele vom Leibe, als ein Sterben und ein μελεταν αποθνησκειν |(meletan apothneskein) Trachten nach dem Tod|.

»Daß diese erlösende Kraft in letzter Beziehung immer wieder der Philosophie zugeschrieben wird, ist allerdings das Einseitige des Platonismus [...].« S. 89.

Einerseits könnte man den Ausspruch Baurs akzeptieren, daß keine Philosophie des Altertums mehr den Charakter der Religion an sich trägt als die platonische. Allein die Bedeutung wäre nur die, daß kein Philosoph die Philosophie mit mehr religiöser Begeistrung gelehrt habe, daß keinem die Philosophie mehr die Bestimmtheit und die Form gleichsam eines religiösen Kultus hatte. Den intensivren Philosophen, wie Aristoteles, Spinoza, Hegel, hatte ihr Verhalten selbst eine allgemeinere, weniger in das empirische Gefühl versenkte Form, aber deswegen ist die Begeistrung des Aristoteles, wenn er die θεωρια |(theoria) theoretische Erkenntnis| als das Beste, το ηδιστον και αριστον |(to hediston kai ariston) das Angenehmste und Beste|, preist, oder wenn er die Vernunft der Natur in der Abhandlung περι της φυσεως ζωικης |(peri tes physeos zoikes) Über die Natur der Tiere| bewundert, darum ist die Begeistrung Spinozas, wenn er von der Betrachtung sub specie aeternitatis |unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit|, von der Liebe Gottes oder der libertas mentis humanae |Freiheit des menschlichen Geistes| spricht, darum ist die Begeistrung Hegels, wenn er die ewige Verwirklichung der Idee, den großartigen Organismus des Geisteruniversums entwickelt, gediegner, wärmer, dem allgemeiner gebildeten Geist wohltuender, darum ist jene Begeistrung zur Ekstase als ihrer höchsten Spitze, diese zum reinen idealen Feuer der Wissenschaft fortgebrannt, darum war jene nur die Wärmflasche einzelner Gemüter, diese der beseelende Spiritus weltgeschichtlicher Entwicklungen.

Kann man daher auch einerseits zugeben, daß grade in der christlichen Religion als der höchsten Spitze rel[igiöser] Entwicklung mehr Anklänge an die subjektive Form der platonischen Philosophie sich finden müssen als an die andrer alter Philosophien, so muß umgekehrt aus demselben Grunde ebensogut behauptet werden, daß in keiner Philosophie der Gegensatz des Religiösen und Philosophischen sich deutlicher aussprechen könne, weil hier die Philosophie in der Bestimmung der Religion, dort die Religion in der Bestimmung der Philosophie erscheint.

Ferner, die Aussprüche des Plato von der Erlösung der Seele etc. beweisen gar nichts, denn jeder Philosoph will die Seele von ihrer empirischen Verschränkung befreien; das Analoge mit der Religion wäre nur der Mangel |227| an Philosophie, nämlich dies als die Aufgabe der Philosophie zu betrachten, während es bloß die Bedingung zur Lösung derselben, bloß der Anfang des Anfangs ist.

Endlich ist es kein Mangel Platos, keine Einseitigkeit, wenn er diese erlösende Kraft in letzter Beziehung der Philosophie zuschreibt, sondern es ist die Einseitigkeit, welche ihn zu einem Philosophen und keinem Glaubenslehrer macht. Es ist nicht Einseitigkeit der platonischen Philosophie, sondern das, wodurch sie einzig und allein Philosophie ist. Es ist das, wodurch er die eben gerügte Formel von einer Aufgabe der Philosophie, die nicht sie selbst wäre, wieder aufhebt.

»Hierin also, in dem Bestreben, dem durch Philosophie Erkannten eine von der Subjektivität des Einzelnen unabhängige [objektive] Grundlage zu geben, liegt auch der Grund, warum Plato gerade dann, wenn er Wahrheiten entwickelt, die das höchste sittlich-religiöse Interesse haben, sie zugleich auch in mythischer Form darstellt.« S. 94.

Ob wohl auf diese Weise irgend etwas bestimmt ist? Enthält diese Antwort nicht inklusive als Kern die Frage nach dem Grund dieses Grundes? Es fragt sich nämlich, wie kommt es, daß Plato das Bestreben fühlte, dem durch Philosophie Erkannten eine positive, zunächst mythische Grundlage zu geben? Ein solches Bestreben ist das Verwunderungswürdigste, was von einem Philosophen gesagt werden kann, wenn er die objektive Gewalt nicht in seinem Systeme selbst, in der ewigen Macht der Idee findet. Aristoteles nennt daher das Mythologisieren Kenologisieren.

Äußerlich kann man die Antwort hierauf in der subjektiven Form des platonischen Systems, der dialogischen nämlich, finden und in der Ironie. Was Ausspruch eines Individuums ist und als solcher sich geltend macht, im Gegensatz gegen Meinungen oder Individuen, das bedarf eines Halts, wodurch die subjektive Gewißheit zur objektiven Wahrheit wird.

Allein es fragt sich weiter, warum dies Mythologisieren in den Dialogen sich findet, die vorzugsweise sittlich-religiöse Wahrheiten entwickeln, während der rein metaphysische »Parmenides« frei davon ist, es fragt sich, warum die positive Grundlage eine mythische und ein Anlehnen an Mythen ist?

Und hier springt der hüpfende Punkt des Eies. In den Entwicklungen bestimmter, sittlicher, religiöser oder selbst naturphilosophischer Fragen, wie im »Timäus«, langt Plato nicht aus mit seiner negativen Auslegung des Absoluten, da ist es nicht genügend, alles in den Schoß der einen Nacht, worin, wie Hegel sagt, alle Kühe schwarz sind, zu versenken; da greift Plato zur positiven Auslegung des Absoluten, und ihre wesentliche, in ihr selbst gegründete Form ist der Mythus und die Allegorie. Wo das Absolute auf der einen Seite, die abgegrenzte positive Wirklichkeit auf der andern |229| steht und das Positive dennoch erhalten werden soll, da wird es zum Medium, wodurch das absolute Licht scheint, da bricht sich das absolute Licht in ein fabelhaftes Farbenspiel, und das Endliche, Positive deutet ein andres als sich selbst, hat in sich eine Seele, der diese Verpuppung wunderbar ist; die ganze Welt ist eine Welt der Mythen geworden. Jede Gestalt ist ein Rätsel. Auch in neuster Zeit ist dies wiedergekehrt, durch ein ähnliches Gesetz bedingt.

Diese positive Auslegung des Absoluten und ihr mythisch-allegorisches Gewand ist der Springquell, der Herzschlag der Philosophie der Transzendenz, einer Transzendenz, die zugleich wesentliche Beziehung auf die Immanenz hat, wie sie wesentlich dieselbe zerschneidet. Hier ist also allerdings Verwandtschaft platonischer Philosophie, wie mit jeder positiven Religion, so vorzugsweise mit der christlichen, die die vollendete Philosophie der Transzendenz ist. Hier ist also auch einer der Gesichtspunkte, aus denen eine tiefere Anknüpfung des historischen Christentums an die Geschichte der alten Philosophie bewerkstelligt werden kann. Mit dieser positiven Auslegung des Absoluten hängt es zusammen, daß dem Plato ein Individuum als solches, Sokrates [7], der Spiegel, gleichsam der Mythus der Weisheit war, daß er ihn den Philosoph des Todes und der Liebe nennt. Damit ist nicht gesagt, daß Plato den historischen Sokrates aufhob; die positive Auslegung des Absoluten hängt zusammen mit dem subjektiven Charakter der griechischen Philosophie, mit der Bestimmung des Weisen.

Tod und Liebe sind die Mythe von der negativen Dialektik, denn die Dialektik ist das innre einfache Licht, das durchdringende Auge der Liebe, die innre Seele, die nicht erdrückt wird durch den Leib der materialischen Zerspaltung, der innre Ort des Geistes. Der Mythus von ihr ist so die Liebe; aber die Dialektik ist auch der reißende Strom, der die Vielen und ihre Grenze zerbricht, der die selbständigen Gestalten umwirft, alles hinabsenkend in das eine Meer der Ewigkeit. Der Mythus von ihr ist daher der Tod.

Sie ist so der Tod, aber zugleich das Vehikel der Lebendigkeit, der Entfaltung in den Gärten des Geistes, das Schäumen in den sprudelnden Becher von punktuellen Samen, aus welchen die Blume des einen Geistesfeuers hervorsprießt. Plotinus nennt sie daher das Mittel zur Seele, zur unmittelbaren Vereinung απλωσις |(haplosis) Einfachmachen| der mit Gott, ein Ausdruck, in dem beides und zugleich die θεωρια |(theoria) theoretische Erkenntnis| des Aristoteles mit der Dialektik des Plato vereint sind. Wie aber diese Bestimmungen in Plato und Aristoteles gleichsam |231| prädeterminiert, nicht aus immanenter Notwendigkeit entwickelt sind, so erscheint ihre Versenkung in das empirisch einzelne Bewußtsein bei Plotin als Zustand, der Zustand der Ekstase.

Ritter (in seiner »Geschichte der Philosophie alter Zeit«, Erster Teil, Hamburg 1829) spricht mit einer gewissen widrig moralischen Schöntuerei über den Demokrit und Leukipp, überhaupt über die atomistische Lehre (später ebenso über den Protagoras, Gorgias etc.). Es ist nichts leichter, als den Genuß seiner moralischen Vortrefflichkeit sich an jedem Stoffe zu geben; am leichtesten an den Toten. Selbst Demokrits Vielwissen wird zu einem moralischen Vorwurf (S. 563), es wird davon gesprochen,

»wie grell der höhre, Begeisterung heuchelnde Schwung der Rede gegen die niedrige Gesinnung, welche seiner Ansicht des Lebens und der Welt zugrunde liegt, abstechen mußte«[8]. S. 564.

Das soll doch keine historische Bemerkung sein! Warum soll grade die Gesinnung der Ansicht und nicht vielmehr umgekehrt die bestimmte Weise der Ansicht und Einsicht seiner Gesinnung zugrunde gelegen haben? Das letztere Prinzip ist nicht nur historischer, sondern auch das einzige, wodurch die Betrachtung der Gesinnung eines Philosophen Platz in der Geschichte der Philosophie nehmen darf. - Wir sehn da, was als System sich uns auseinandergelegt, in der Gestalt geistiger Persönlichkeit, wir sehn gleichsam den Demiurgos lebendig in der Mitte seiner Welt stehn.

»Von gleichem Gehalt ist auch der Grund des Demokritos, daß ein Ursprüngliches, Ungewordnes angenommen werden müsse, denn die Zeit und das Unendliche seien ungeworden, so daß, nach ihrem Grunde zu fragen, heißen würde, den Anfang des Unendlichen suchen. Man kann hierin nur ein sophistisches Abweisen der Frage nach dem ersten Grunde aller Erscheinungen erblicken.« S. 567.

Ich kann in dieser Erklärung Ritters bloß ein moralisches Abweisen der Frage nach dem Grund dieser demokritischen Bestimmung erblicken; das Unendliche ist im Atom als Prinzip gesetzt, das liegt in dessen Bestimmung. Nach einem Grund derselben fragen, würde [9] allerdings seine Begriffsbestimmung aufheben.

»Nur eine physische Beschaffenheit legte Demokrit den Atomen bei, die Schwere [8] ... Man kann auch hierin das mathematische Interesse wiedererkennen, welches die Anwendbarkeit der Mathematik auf die Berechnung des Gewichts zu retten sucht.« S. 568.

|233| »Daher leiteten die Atomisten die Bewegung auch von der Notwendigkeit ab, indem sie sich diese als die Grundlosigkeit der in das Unbestimmte zurückgehenden Bewegung dachten.« S.570.

»Demokrit aber behauptet, daß gewisse Abbilder den Menschen sich nahen (begegnen): von diesen seien einige wohltuend, andre schädlich einwirkend; daher bittet er auch, daß ihm vernunftbegabte Abbilder begegnen. Diese seien aber groß und riesenhaft und zwar schwer zerstörbar, nicht aber unzerstörbar, sie verkünden den Menschen die Zukunft, seien sichtbar und geben Laute von sich. Von der Vorstellung dieser Abbilder ausgehend, vermuteten daher die Alten, daß es einen Gott gebe [...].« Sextus Empiricus. Gegen die Mathematiker. S. 311.

»Aristoteles aber sagte, daß die Vorstellung von den Göttern in den Menschen aus zwei Elementen entstanden sei, aus den seelischen Vorgängen und aus den Himmelserscheinungen. Aus den seelischen Vorgängen wegen der im Schlaf entstehenden göttlichen Begeisterung der Seele und den Weissagungen. Denn, sagt er, wenn beim Schlafen die Seele selbständig wird, dann legt sie die eigne Natur ab, hat Vorahnungen und sagt die Zukunft voraus. ... Deswegen nun, sagt er, haben die Menschen vermutet, daß Gott etwas ist, was von sich aus der Seele ähnlich sei und das Verständigste von allem. Aber auch aus den Himmelserscheinungen.« a.a.O. S.311 f.

»Epikur aber glaubt, daß die Menschen die Vorstellung von Gott den sich im Schlafe einstellenden Phantasievorstellungen entnommen haben. Denn, sagt er, da im Schlaf große und menschenähnliche Abbilder erscheinen, nahmen sie an, daß es auch in Wirklichkeit irgendwelche derartige menschenähnliche Götter gebe.« S. 312 a.a.O.

»[...] Epikur läßt, wie einige meinen, was die große Masse betrifft, Gott bestehen, was aber die Natur der Dinge angeht, keineswegs.« S. 319 a.a.O.

a) Seele. S. 321. Gegen die Mathematiker.

»[...] Aristoteles sagte, der Gott sei unkörperlich und die Grenze des Himmels, die Stoiker aber, er sei ein Lufthauch, der auch das häßlich Aussehende durchdringe, Epikur, er habe Menschengestalt, Xenophanes, er sei ein empfindungsloser Ball . ... ›das Glückselige und Unzerstörbare‹, sagt Epikur, ›übe weder selbst Tätigkeiten aus, noch gebe es andern welche auf‹.« S. 155. Pyrrhonische Hypotyposen. Buch III.

»Dem Epikur aber, der die Zeit als Akzidens der Akzidenzien bestimmen will (συμπτωμα συμπτωματων |(symptoma symptomaton)|), kann außer vielem andern entgegnet werden, daß alles, was irgendwie als Substanz sich verhält, zu der Zahl der Substrate, der zugrunde liegenden Subjekte gehört; was aber akzidentell genannt wird, keine Konsistenz besitzt, da es nicht getrennt ist von den Substanzen. Denn es gibt keinen Widerstand (αντιτυπια |(antitypia)|) außer dem widerstehenden Körper, kein Nachgeben (ειξις |(heixis)|) (Weichen) außer dem Weichenden und dem Leeren etc.« [Gegen die Mathematiker. Buch IX. S. 417.]

|235| »Deshalb zwingt auch Epikur, da er sagt, man müsse sich den Körper denken als Zusammensetzung von Größe und Gestalt, Widerstand und Schwere, dazu, sich den existierenden Körper aus nicht existierenden Körpern zu denken ... Daher müssen, damit die Zeit vorhanden sei, Akzidenzien sein; damit aber die Akzidenzien vorhanden sind, muß ein zugrunde liegender Umstand da sein, ist aber kein zugrunde liegender Umstand vorhanden, dann kann auch nicht die Zeit vorhanden sein«.

»Also wenn dieses die Zeit ist, Epikur aber sagt, ihre Akzidenzien seien die Zeit«

(unter diesen αυτων |(auton) ihre| ist zu verstehn ημερα, νυξ, ωρα, κινησις, μονη, παθος, απαθεια |(hemera) Tag, (nyx) Nacht, (hora) Stunde, (kinesis) Bewegung, (mone) Aufenthalt, Ruhe, (pathos) Leidenschaft, Affekt, (apatheia) Leidenschaftslosigkeit, Affektlosigkeit| etc.),

»dann wird nach Epikur die Zeit selbst ihr eignes Akzidens sein.« S.420 u. 421. Gegen die Mathematiker.

Ist der epikureischen Naturphilosophie nun auch nach Hegel (siehe Gesamtausgabe, Band 14, S. 492) kein großes Lob beizulegen, wenn man den objektiven Gewinn als Maßstab der Beurteilung geltend macht, so ist von der andren Seite, nach welcher historische Erscheinungen keines solchen Lobes bedürfen, die offne, echt philosophische Konsequenz zu bewundern, mit welcher der ganzen Breite nach die Inkonsequenzen seines Prinzips an sich selbst ausgelegt werden. Die Griechen werden ewig unsre Lehrer bleiben wegen dieser grandiosen objektiven Naivetät, die jede Sache gleichsam ohne Kleider im reinen Lichte ihrer Natur, sei es auch ein getrübtes Licht, leuchten läßt.

Unsre Zeit vor allem hat selbst in der Philosophie sündhafte Erscheinungen hervorgetrieben, behaftet mit der größten Sünde, der Sünde gegen den Geist und die Wahrheit, indem eine versteckte Absicht hinter der Einsicht und eine versteckte Einsicht hinter der Sache sich logiert.


[1] Anschließend gibt Marx diesen Absatz in Lateinisch wieder <=

[2] »total« nicht eindeutig zu entziffern <=

[3] Lesung »aber [durch]« unsicher <=

[4] Nach »dargestellt« gestrichen: schon in der Wurzel eine ganz beliebige, ganz äußerliche Beziehung sei. Sie deutet allerdings auf einen richtigen Unterschied, aber auf keine Gleichheit <=

[5] In der Handschrift: die <=

[6] Daran schließt sich folgender durch mehrere Vertikalstriche getilgter Absatz: Sogleich wird der wichtige Umstand übersehn, daß Platos Republik ein von ihm erzeugtes Produkt, die Kirche dagegen etwas total von Christus Verschiednes ist. <=

[7] In der Handschrift nach »Sokrates« eine Lücke von etwa drei Zeilen <=

[8] Hervorhebungen von Marx <=

[9] In der Handschrift: wäre <=


Pfad: »../me/me40«


MLWerke | Inhalt | Marx/Engels