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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 40. Berlin/DDR. 1973. S. 17-45.
1. Korrektur
Erstellt am 15.01.2000

Karl Marx

Hefte zur epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie - Erstes Heft


I. Diogenes Laertius. Zehntes Buch

Exzerpte aus dem zehnten Buch des Diogenes Laertius, enthalten in P. Gassendi: Bemerkungen zum zehnten Buch des Diogenes Laertius. Lyon 1649. Bd. I

I. Diogenes Laertius. Zehntes Buch

Epikur

|17| »[...] dann aber, nachdem er [d.h. Epikur] auf die Bücher des Demokrit gestoßen sei, sei er zur Philosophie gekommen.« S. 10.

(Posidonius, der Stoiker, und Nikolaus und Sotion, behaupten im zwölften der Bücher, die den Titel »Diokleia« tragen:) »Er habe die Lehre des Demokrit von den Atomen und die des Aristipp vom Vergnügen für sein Eigentum ausgegeben.« S. 11.

»[ ... ] denn ich [d.h. Epikur] jedenfalls weiß nicht, was ich als das Gute ansehen soll, wenn ich die Lust am Essen, [die Freuden der Liebe,] die Freuden der Musik und die freudige Bewegung beim Ansehen von Werken der bildenden Kunst beiseite lasse.« S. 12.

»Am meisten schätzte er ... den alten Anaxagoras, obwohl er ihm in manchem widerspricht ... « S. 16.

»Sie [d.h. Epikurs Philosophie] zerfällt also in drei Teile: Kanonik, Physik und Ethik.« [S. 25.]

I. Kanonik

»Im Kanon also sagt Epikur, Kriterien der Wahrheit seien die sinnlichen Wahrnehmungen, die Prolepseis und die Affekte, die Epikureer aber fügen auch noch die Vorstellungen der Einbildungskraft des Verstandes hinzu.« S. 25 u. 26. »Er sagt dies aber auch .... in den ›Hauptlehren‹.« S. 26.

1. »... die sinnlichen Wahrnehmungen seien wahr. Denn jede sinnliche Wahrnehmung ... ist nicht rational und keiner Erinnerung fähig. Denn sie wird weder von sich aus veranlaßt, noch kann sie, von etwas anderem veranlaßt, etwas hinzufügen oder weglassen sowie urteilen oder täuschen.

Nichts kann die sinnlichen Wahrnehmungen widerlegen. Weder widerlegt [die] |19| gleichartige Wahrnehmung die gleichartige wegen der gleichen Gültigkeit (aequipollentiam), noch die ungleichartige die ungleichartige, denn sie urteilen nicht über dasselbe, noch die eine die andere, denn wir richten uns nach allen, noch der Begriff, denn der Begriff hängt ab von den sinnlichen Wahrnehmungen.

Auch daß die sinnlichen Wahrnehmungen eine Realität sind, verbürgt die Wahrheit der sinnlichen Wahrnehmungen. Es ist aber eine Realität, daß wir sehen und hören, genauso wie, daß wir Schmerz empfinden. Daß etwas wahr oder eine Realität ist, bedeutet keinen Unterschied.« S. 26.

»Daher muß man auch über das Unbekannte Angaben aus den Phänomenen zu gewinnen suchen. Denn auch alle Gedanken sind aus den sinnlichen Wahrnehmungen hervorgegangen durch Inzidenz, Analogie, Homogenität und Synthese, wozu auch der Verstand einiges beiträgt.« S. 26[-27].

»Auch die Phantasien der Wahnsinnigen und die Traumvorstellungen sind wahr; denn sie sind eine treibende Kraft; das Nichtexistierende dagegen ist keine treibende Kraft.« S. 27.

II. »Die Prolepsis aber verwenden sie [d.h. die Epikureer] im Sinne von Vorstellung oder richtiger Meinung oder Bewußtsein oder allgemeiner innewohnender Erkenntnis, das heißt Erinnerung an das, was oft von außen her gekommen ist, z.B. daß dieser hier ein Mensch ist. Denn zugleich mit dem Wort Mensch stellen wir uns sofort durch die Prolepsis, geleitet von den sinnlichen Wahrnehmungen, auch seine Gestalt vor. Also wird mit jeder Bezeichnung das ihr ursprünglich Zugrundeliegende evident, und wir könnten nach dem Gesuchten nicht suchen, wenn wir es nicht vorher kennen würden. .... Wir könnten überhaupt nichts benennen, wenn wir nicht vorher durch die Prolepsis seine Gestalt kennen würden. Also sind die Prolepseis evident. Auch die bloße Meinung hängt von einer früheren evidenten Vorstellung ab. Hierauf bezugnehmend äußern wir uns [...] Die Meinung aber nennen sie auch Annahme. Sie sei, sagen sie, bald wahr, bald falsch durch die Hinzufügung oder Weglassung von etwas und Bestätigung oder Widerlegung durch das Evidentsein oder nicht. Denn wenn sie bestätigt oder nicht widerlegt werde, sei sie wahr; wenn sie aber nicht bestätigt oder widerlegt werde, sei sie falsch; daher wurde auch das Abwartende eingeführt; z.B. wenn man abwartet und sich dann dem Turm nähert und feststellt, ob er so, wie er von fern aussieht, auch von nah erscheint.« S. [27-]28.

»Affekte aber, sagen sie, gäbe es zwei, Lust und Schmerz. .... Der eine sei der Natur eigen, der andre fremd; nach ihnen bestimme sich das, was man erstreben, und das, was man fliehen müsse.« S. [28-]29.

»Von den Forschungen bezögen sich die einen auf die Gegenstände, die andern auf das bloße Wort.« S. 29.

Epikur an Menoikeus

»Zuerst halte Gott für ein unzerstörbares und glückseliges Wesen, wie es die allgemeine Vorstellung von Gott ist, und schreibe ihm nichts zu, was entweder mit seiner Unzerstörbarkeit nicht in Einklang steht oder sich mit seiner Glückseligkeit nicht verträgt ... « S. 82.

|21| »Denn Götter gibt es. Denn die Vorstellung von ihnen ist evident« (vgl. »die allgemeine Vorstellung von Gott«, consensus omnium, c[onsensus] gentium |Übereinstimmung aller, Übereinstimmung der Völker|), »wie aber die Menge sie sich vorstellt, sind sie nicht; denn sie bleibt ihrer Vorstellung von ihnen nicht treu.

Gottlos aber ist nicht der, welcher mit den Göttern der Menge aufräumt, sondern der, welcher die Vorstellungen der Menge den Göttern andichtet. Denn die Äußerungen der Menge über die Götter sind nicht auf Erfahrung gegründete Vorstellungen, sondern unwahre Vermutungen. Daher glaubt sie auch, daß den Schlechten durch die Götter größte Schäden erwüchsen und den Guten größte Vorteile. Denn völlig von ihren eigenen Tugenden eingenommen, schenken sie denen, die ebenso sind, ihre Gunst und betrachten alles, was nicht so ist, als fremd.« S. 83.

»Gewöhne dich an die Vorstellung, daß der Tod uns nichts angeht, da alles Gute und Schlechte auf Empfindung beruht, der Tod aber Verlust der Empfindung ist.

Daher macht die richtige Erkenntnis, daß der Tod uns nichts angeht, das vergängliche Leben erst lebenswert, indem sie nicht eine ungewisse Zeit hinzugibt, sondern dem Verlangen nach der Unsterblichkeit ein Ende setzt. Denn im Leben ist nichts Furchtbares für den, der richtig begriffen hat, daß im Nichtleben nichts Furchtbares ist. Daher ist töricht, wer sagt, er fürchte den Tod, nicht weil er Leid verursache, wenn er da sei, sondern weil er Leid verursache, wenn er noch bevorstehe. Denn was, wenn es da ist, nicht stört, das verursacht, wenn man es erwartet, bloß eingebildetes Leid. Was allerdings von den Übeln mehr Schauder erregt, der Tod, geht uns nichts an, weil ja, solange wir sind, der Tod nicht da ist, sobald aber der Tod da ist, wir dann nicht mehr sind. Also geht er weder die Lebenden etwas an, noch die Gestorbenen, weil er ja für die einen nicht ist, die andern aber nicht mehr sind.« S. 83 u. 84.

»Wer aber den jungen Mann auffordert, ehrenhaft zu leben, den Greis aber, ehrenhaft zu sterben, ist töricht, nicht nur wegen der Annehmlichkeit des Lebens, sondern auch, weil das Bemühen, ehrenhaft zu leben, und das Bemühen, ehrenhaft zu sterben, ein und dasselbe ist.« S. 84.

»Man muß aber daran denken, daß die Zukunft weder von uns abhängt, noch überhaupt nicht von uns abhängt, damit wir weder auf sie warten wie auf etwas, was unbedingt sein wird, noch die Hoffnung aufgeben wie auf etwas, was überhaupt nicht sein wird.« S. 85.

» ... von den Begierden sind die einen natürlich, die andern eitel; und von den natürlichen die einen notwendig, die andern nur natürlich. Von den notwendigen aber sind die einen zur Glückseligkeit notwendig (wie die zur Befreiung des Körpers von Störungen), die andern zum Leben selbst.« S. 85.

»Denn eine nicht fehlgehende Betrachtung dieser Dinge weiß ... zur Gesundheit des Körpers und zur Ataraxie der Seele zu führen, da dies das Ziel des glückseligen Lebens ist. Tun wir doch alles nur deswegen, damit wir weder Schmerz empfinden, noch in Verwirrung leben. Wenn uns aber dies einmal zuteil geworden ist, legt sich jeder Sturm der Seele, denn der Mensch braucht nicht mehr auf etwas auszugehen, was ihm noch fehlt, und nach etwas anderem zu suchen, wodurch das Wohlergehen seiner Seele und seines Körpers vollkommen |23|* wird. Denn wir brauchen die Lust dann, wenn uns das Fehlen der Lust Schmerz bereitet; wenn wir aber keinen Schmerz empfinden, haben wir die Lust nicht mehr nötig.« S. 85.

»Und deswegen, sagen wir, ist die Lust Anfang und Ende des glückseligen Lebens. Denn diese erkannten wir als erstes und angeborenes Gut, und von ihr gehen wir bei allem Tun und Lassen aus, und auf sie gehen wir zurück, wobei uns dieser Affekt als Richtschnur für die Beurteilung alles Guten dient.« S. [85-]86.

»Und da sie das erste und angeborene Gut ist deshalb wählen wir auch nicht jede Lust; ................

Jede Lust also ist, weil sie eine uns angemessene Natur hat, ein Gut, nicht jede jedoch ist wählenswert; ebenso auch wie jeder Schmerz ein Übel, aber nicht jeder Schmerz in jedem Falle zu meiden ist. Vielmehr muß dies alles durch Abwägen und unter dem Gesichtspunkt der Zuträglichkeit und Unzuträglichkeit entschieden werden. Denn das Gute erweist sich für uns zu gewissen Zeiten als ein Übel, das Übel aber umgekehrt als ein Gut.« S. 86.

»Auch die Selbstgenügsamkeit halten wir für ein großes Gut, nicht auf daß wir uns in jedem Fall mit wenigem bescheiden, sondern damit wir uns, wenn wir nicht die Fülle haben, mit wenigem bescheiden, ehrlich überzeugt, daß diejenigen die Üppigkeit mit der größten Lust genießen, die sie am wenigsten nötig haben, und daß alles Naturgemäße leicht zu beschaffen, der eitle Tand aber schwer zu beschaffen ist.« S. 86.

»[...] Lust ... nennen wir ... weder körperlich Schmerz zu empfinden noch seelisch in Erregung zu sein ...« S. 87.

»Für all das aber ist Anfang und das höchste Gut die Vernunft; deshalb ist sie auch kostbarer als die Philosophie, aus der alle andern Tugenden stammen, die uns lehren, daß man nicht angenehm leben kann, ohne vernünftig, ehrenhaft [und rechtlich] zu leben [, und daß man nicht vernünftig, ehrenhaft] und rechtlich leben kann, ohne angenehm zu leben. Denn die Tugenden sind mit dem angenehm Leben eng verbunden, und das angenehm Leben ist von ihnen nicht zu trennen.« S. 88.

»Denn wer, meinst du, steht höher als der, der fromm über die Götter denkt und dem Tod gegenüber ganz furchtlos ist, der über das Ziel der Natur nachgedacht und der erfaßt hat, daß das höchste Gut leicht zu erreichen und zu erlangen ist, während aber das schlimmste Übel nur kurze Zeit dauert oder kurze Schmerzen verursacht. Die von einigen als die Allherrscherin eingeführte Notwendigkeit ist nicht die Beherrscherin dessen, behauptet er, von dem einiges zufällig ist, anderes von unserer Willkür abhängt. Die Notwendigkeit ist nicht zu überreden, der Zufall dagegen unstet. Unser Wille aber ist frei; ihm kann sowohl der Tadel als auch das Gegenteil folgen.« S. 88.

»Es wäre besser, dem Mythos über die Götter zu folgen, als Knecht zu sein der Heimarmene der Physiker. Denn jener läßt Hoffnung der Erbarmung wegen der Ehre der Gatter, diese aber die unerbittliche Notwendigkeit. Den Zufall aber, nicht Gott, wie die Menge glaubt, soll er [d.h. der Weise] annehmen ... und nicht eine unsichere Ursache ... Er hält es für besser, unglücklich, aber vernünftig, als glücklich, aber unvernünftig zu sein. Es ist allerdings besser, wenn bei den Handlungen die gute Entscheidung durch die Gunst der Umstände auch zu einer guten Ausführung gelangt.« S. [88-]89.

|25| »[...] und du wirst niemals .... beunruhigt werden, sondern du wirst leben wie ein Gott unter Menschen. Denn ein Mensch, der inmitten unvergänglicher Güter lebt, gleicht nicht einem sterblichen Wesen.« S. 89.

»Alle Mantik widerlegt er in andern Schriften ... Mantik gibt es nicht, aber auch, wenn es sie gibt, dann ist das, was geschieht, nicht uns überlassen ... « [S. 89]

»In der Lustlehre aber weicht er von den Kyrenaikern ab. Diese lassen nämlich die Lust im Ruhezustand nicht gelten, sondern nur die Lust in Bewegung, Epikur aber beide, sowohl die Lust der Seele als auch die Lust des Körpers. ... Da man sich die Lust sowohl in Bewegung als auch im Ruhezustand vorstellen kann. Epikur aber sagt ... folgendes: ›Die Ataraxie und Schmerzlosigkeit nämlich sind Lustempfindungen im Ruhezustand, das Vergnügen und Frohsein sieht man nur in Bewegung wirksam.‹« S. 90.

»Weiter weicht er von den Kyrenaikern hierin ab: Diese halten nämlich die körperlichen Schmerzen für schlimmer als die seelischen ... er aber die seelischen; werde doch das Fleisch nur durch das gequält, was gegenwärtig ist, die Seele aber sowohl durch das Vergangene, wie durch das Gegenwärtige und das Kommende. So seien denn auch Freuden der Seele größer.« S. 90.

»Als Beweis aber dafür, daß die Lust das Ziel sei, dient ihm die Tatsache, daß die Lebewesen, sowie sie geboren sind, von Natur und ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, an der Lust Gefallen fänden, den Schmerz aber ablehnten. Unwillkürlich also fliehen wir den Schmerz ... « [S. 90-91.]

»Wegen der Lust entscheide man sich auch für die Tugenden, nicht um ihrer selbst willen ... er sagt auch, daß die Tugend allein von der Lust untrennbar sei; alles andre lasse sich trennen, wie z.B. menschliche Dinge.« S. 91.

[Hauptlehren]

»Das Glückselige und Unzerstörbare hat weder selbst Lasten zu tragen, noch bürdet es einem andern welche auf; daher kennt es weder Zorn noch Gunst. Denn so etwas gibt es nur bei dem, was schwach ist.

In andern Schriften aber sagt er, daß die Götter nur durch die Vernunft geschaut werden könnten, zwar nicht der Zahl nach bestimmt, doch aber durch Ähnlichkeit (infolge des fortwährenden Herbeiströmens ähnlicher Bilder, die eben hierfür gemacht seien) von menschlichem Aussehen.« S. 91 u. 92.

»Der höchste Gipfel der Lust ist die Ausschaltung allen Schmerzes. Denn wo immer die Lust regiert, da gibt es, solange sie da ist, nicht den Schmerz oder die Trübsal oder beides zusammen.« S. 92.

»Man kann nicht angenehm leben, ohne vernünftig, ehrenhaft und rechtlich zu leben, und nicht vernünftig, ehrenhaft und rechtlich leben, ohne angenehm zu leben.« S. 92.

»Keine Lust ist an sich ein Übel, aber das, was gewisse Lüste erzeugt, verursacht vielfältige Störungen der Lüste.« S. 93.

|In der Handschrift folgt hier ein Zwischenraum von etwa drei Zeilen|

|27| »Wenn sich alle Lust zusammenfände und mit der Zeit eine Geschlossenheit gewänne, wäre diese Verbindung ebenso [vollkommen] |Erklärender Zusatz in Gassendis lateinischer Übersetzung| wie die hauptsächlichsten Teile der Natur und würden die Lustempfindungen nie voneinander verschieden sein.« S. 93.

»Es ist nicht möglich, die Furcht wegen der wichtigsten Dinge zu beseitigen, wenn man nicht weiß, welches das Wesen des Alls ist, sondern bei sich etwas von dem argwöhnt, was den Mythen entspricht. Daher ist es nicht möglich, ohne Physiologie zur reinen Lust zu gelangen.« S. 93[-94].

»Wenn uns nicht bange wäre wegen der Meteore und auch vor dem Tode, ob er uns vielleicht nicht doch etwas anginge, und wir außerdem die Grenzen der Schmerzen und der Begierden zu kennen vermachten, dann brauchten wir keine Physiologie.« S.93.

»Es nützt nichts, sich die Sicherheit gegenüber den Menschen zu schaffen, solange einen die Dinge da droben und die Dinge unter der Erde und überhaupt die Dinge im Unendlichen mißtrauisch machen. Denn die Sicherheit, die man vor den Menschen haben kann, besteht nur eine bestimmte Zeit.« S. 94.

»Dieselbe Sicherheit, die einem aus der Ruhe und aus der Zurückgezogenheit von der Menge erwächst, entsteht durch die Möglichkeit [durch eigene Mäßigung diejenigen Begierden, die nicht notwendig sind] |Erklärender Zusatz in Gassendis lateinischer Übersetzung| zu vertreiben und durch die sehr einfache [und sehr leichte] |Erklärender Zusatz in Gassendis lateinischer Übersetzung| Beschaffbarkeit [der notwendigen Dinge] |Erklärender Zusatz in Gassendis lateinischer Übersetzung|.« S. 94.

»Der Reichtum der Natur ist begrenzt und leicht zu beschaffen; der aber, der leerem Wahn entspringt, geht ins Unendliche.« S. 94.

»Die Lust im Fleische steigert sich nicht mehr, wenn einmal der Schmerz, der in der Entbehrung liegt, beseitigt ist, sondern sie wird nur noch variiert.« S. 94.

»Den Höhepunkt des Denkens (was die Freude betrifft) bedeutet die Ergründung gerade dieser Fragen (und der mit diesen verwandten Fragen), die dem Denken die größten Ängste bereiten.« S. 94.

»Die unendliche Zeit birgt in sich dieselbe Lust wie die endliche, wenn man ihre Grenzen mit der nötigen Einsicht ermißt.« S. 95.

»Dem Fleisch sind zwar die Grenzen der Lust vorgeschrieben, aber das Verlangen nach der unendlichen Zeit hat sie ins Unendliche gerückt; der Verstand aber, der sich das Ziel und die Grenzen des Fleisches deutlich gemacht und die Wünsche betreffs der Ewigkeit ausgelöscht hat, hat uns das vollkommene Leben ermöglicht, und wir brauchen nicht mehr die unendliche Zeit. Und es flieht nicht die Lust, auch nicht, wenn die Umstände den Abschied vom Leben bewirken, das Ende des besten Lebens wie eine Vollendung hinnehmend.« S. 95.

»Das gesetzte Ziel muß man in aller Evidenz, auf die wir unsere Ansichten zurück, führen, stets geistig vor Augen haben; wenn nicht, dann wird alles voll Unordnung und Unruhe sein.« S. 95.

»Wenn du alle sinnlichen Wahrnehmungen bekämpfst, wirst du nichts haben, wonach du dich bei der Beurteilung derjenigen von ihnen, die du für falsch erklärst, richten kannst.« S. 95.

|29| »Wenn du nicht jederzeit all dein Tun auf das Ziel der Natur beziehst, sondern vorher kehrtmachst und (sei es fliehend, sei es etwas erstrebend) dich etwas anderm zuwendest, wird dein Tun mit deinen Worten nicht übereinstimmen.« S. 96.

»Von den Begierden sind die einen natürlich und notwendig, die andern natürlich [und] nicht notwendig, wieder andre weder natürlich noch notwendig, sondern Ausgeburten leeren Wahns.« S. 96.

»Dieselbe Erkenntnis, die uns mit der Zuversicht erfüllt, daß der Schrecken weder ewig noch lange Zeit währt, vermittelt uns die Einsicht, daß in unserer begrenzten Lebenszeit die Sicherheit der Freundschaft am verläßlichsten sei.« S. 97.

Folgende Stellen bilden die Ansicht Epikurs von der geistigen Natur, dem Staate. Der Vertrag, συνθηκη |syntheke|, ist ihm die Grundlage, und konsequent ist auch nur das συμφερον |sympheron|, das Nützlichkeitsprinzip, der Zweck:

»Das natürliche Recht ist ein zum Zwecke des Nutzens getroffenes Übereinkommen, sich gegenseitig weder zu schaden noch schaden zu lassen.« S. 97.

»Für alle Lebewesen, die keine Verträge darüber abschließen konnten, sich gegenseitig weder zu schaden noch schaden zu lassen, gibt es weder Recht noch Unrecht. Ebenso aber ist es auch bei den Völkern, die die Verträge darüber nicht abschließen konnten oder wollten, sich weder zu schaden noch schaden zu lassen.« S. 98.

»Gerechtigkeit ist nicht etwas an sich Seiendes, sondern im gegenseitigen Verkehr, an welchem Ort auch immer, werde ein Vertrag abgeschlossen, sich weder zu schaden noch schaden zu lassen.« S. 98.

»Die Ungerechtigkeit ist nicht an sich ein Übel, sondern dies liegt in der argwöhnischen Furcht, ob sie den hierfür bestellten Gesetzeshütern verborgen bleiben wird. ... Denn ob er [d.h. der Gesetzesübertreter] bis zum Tode verborgen bleiben wird, ist ungewiß.« S. 98.

»Allgemein gilt zwar für alle dasselbe Recht (denn es ist etwas Nützliches in der gegenseitigen Gemeinschaft), aus den speziellen Verhältnissen des Landes und allen möglichen andern Gründen aber ergibt sich, daß nicht für alle dasselbe Recht gilt.« S. 98.

»Das, wovon sich herausstellt, daß es für die Bedürfnisse der gegenseitigen Gemeinschaft nützlich ist, das, was als gerecht angesehen wird, das hat das Wesen des Rechts, wenn für alle dasselbe gilt. Wenn aber einer dasselbe bestimmt, es aber nicht zum Vorteil der gegenseitigen Gemeinschaft ausschlägt, so hat dies nicht mehr das Wesen des Gerechten.« S. 99.

»Auch wenn der im Recht liegende Nutzen aufhört, er aber für eine gewisse Zeit der Vorstellung vom Recht entspricht, so war er nichtsdestoweniger zu jener Zeit Recht für die, die sich nicht durch leeres Geschwätz irremachen lassen, sondern auf sehr viele Dinge achten.« S. 99.

»Wo, ohne daß neue Umweltverhältnisse entstanden wären, das, was als Recht angesehen wird, sich in der Praxis als der Vorstellung vom Recht nicht entsprechend erweist, da ist dies kein Recht; wo aber, wenn neue Verhältnisse entstanden sind, dasselbe |31| geltende Recht nicht mehr nützt, da war es doch einst Recht, als es für die gegenseitige Gemeinschaft der Bürger nützlich war; später aber, als es nicht mehr nützlich war, war es kein Recht mehr.« S. 99.

»Wer aus den äußern Umständen so gut als möglich Selbstvertrauen zu gewinnen verstanden hat, der hat sich das Mögliche verschafft, wie etwas, was ihm nicht fremd ist, das nicht Mögliche aber als etwas ihm Fremdes angesehen.« S. 99.

Ende des zehnten Buches des Diogenes Laertius

Epikur an Herodot

»Zuerst nun müssen wir [...] erkennen, was den Worten zugrunde liegt, damit wir etwas haben, worauf wir die Meinungen oder Forschungen oder Zweifel zurückführen und woran wir sie prüfen können und uns nicht alles, ohne daß wir darüber ein Urteil haben, ins Unendliche entgleitet, oder wir bloß leere Worte haben. Denn es ist nötig, daß bei jedem Wort der ursprüngliche Sinn zu erkennen ist und keines Beweises bedarf, wenn wir etwas haben wollen, worauf wir die Forschungen oder Zweifel und Meinungen zurückführen können.« S. 30 u. 31.

Es ist wichtig, daß Aristoteles in seiner Metaphysik dieselbe Bemerkung über die Stellung der Sprache zum Philosophieren macht. Da die alten Philosophen alle von Voraussetzungen des Bewußtseins, die Skeptiker nicht ausgenommen, beginnen, so bedarf es eines festen Haltes. Das sind dann die Vorstellungen, wie sie im allgemeinen Wissen vorhanden sind. Epikur als der Philosoph der Vorstellung ist hierin am genausten und bestimmt daher näher diese Bedingungen der Grundlage. Er ist auch am konsequentesten und vollendet ebenso wie die Skeptiker von der andern Seite die alte Philosophie.

»Ferner müssen wir alles beobachten sowohl auf Grund der sinnlichen Wahrnehmungen als auch einfach auf Grund der Augenblickseingebungen, sei es des Denkens oder welches Kriteriums auch immer, ebenso aber auch auf Grund der vorhandenen Affekte, damit wir etwas haben, womit wir das zu Erwartende und das Unbekannte kennzeichnen können. Ist dies aber geschehen, so muß man über das Unbekannte Überlegungen anstellen.« S. 31.

»[...] das Entstehen aus dem Nichtseienden ist unmöglich; diese Meinung teilen alle, die über die Natur schreiben [...].« Aristoteles. Physik I. Kap. 4. Kommentar des [Jesuiten-]Kollegiums in Coimbra. S[p]. 123[-125].

»[...] in gewisser Weise entsteht etwas einfach aus Nichtseiendem, in andrer Weise aber immer aus Seiendem. Denn das potentiell Seiende, tatsächlich aber Nichtseiende, muß notwendigerweise früher da sein als auf beide Weise Benanntes.« Aristoteles. Vom Werden und Vergehen. Buch I. Kap. 3. Kommentar des Kollegiums in Coimbra. S. 26

|33| [Diogenes Laertius] »[...] das All war immer so, wie es jetzt ist, und wird immer so sein.« S. 31.

»[...] das All ist teils Körper, teils Leere.« [S. 32.]

»[..] von den Körpern sind die einen Zusammensetzungen, die andern das, woraus die Zusammensetzungen bestehen.« S. 32.

»Diese aber sind unteilbar und unveränderlich, wenn nicht alles in das Nichts vergehen soll [...]«. [32-]33. »[...] das All ist unendlich. Denn was begrenzt ist, hat ein Äußerstes [...].« S.33. »[...] das All ist unendlich durch die Vielheit der Körper, durch die Größe des Leeren.« S. 33. (»[...] das Unendliche wird überlegen sein und das Endliche vernichten [...].« Aristoteles. Physik, Buch 3. Kap. 5. K[ommentar des Kollegiums in] C[oimbra]. [Sp.] 487.)

[Diogenes Laertius] »[...] in ihren Gestaltunterschieden sind sie (d.h. die Atome) unbestimmbar.« S. 33[-34].

»Die Atome sind aber in steter Bewegung bis in alle Ewigkeit.« S. 34.

»Einen Anfang hierfür aber gibt es nicht, denn die Atome und das Leere sind von ewig her.« S. 35.

»[...] die Atome besäßen auch keine Qualität außer Gestalt, Größe und Schwere [...]« S. 35. »Auch hätten sie nicht jede beliebige Größe; denn noch niemals sei ein Atom durch Sinneswahrnehmung erschaut worden.« S. 35. »[...] und es gibt unzählige Welten [...].« S. 35. »Es gibt [...] auch Abdrücke von gleicher Gestalt wie die festen Körper, die weit feiner sind als das, was man wahrnehmen kann.« S. 36. »Diese Abdrücke [aber] nennen wir Abbilder.« S. 36. »Dazu kommt, daß die Abbilder in Gedankenschnelle entstehen. Denn das unablässige Abfließen von der Oberfläche der Körper weist keine sichtbaren Zeichen auf, ...« S. 37.

»Es gibt aber auch andere Entstehungsweisen derartiger Naturerscheinungen. Denn nichts von diesen widerspricht den sinnlichen Wahrnehmungen, wenn man auf das, was evident ist, in gewisser Weise achtet, um auch die Eindrücke von außen auf uns zu beziehen.« S. 38.

»Man muß aber auch annehmen, daß, wenn etwas von außen einströmt, wir die Formen sehen und begreifen.« S. 38.

»[...] jeder, sei es mit dem Verstand oder durch sinnliche Wahrnehmung gewonnene, jedoch nicht beurteilte (non judicata) Eindruck ist wahr. Die Täuschung aber und der Irrtum, ob er nun nicht bestätigt oder auch widerlegt wird, steckt immer in dem Hinzugedachten infolge der Bewegung in uns selbst, die zwar mit einem gewissen Vorstellungsbemühen zusammenhängt, aber eine eigene Auffassung hat, durch die die Täuschung entsteht.« S. 39.

»Den Irrtum aber gäbe es nicht, wenn wir nicht auch noch eine gewisse andere Bewegung in uns selbst erfahren würden, die [mit dem Vorstellungsbemühen] zusammenhängt, aber eine eigene Auffassung hat.« S. 39. »Aber durch diese [innere Bewegung, die] mit dem Vorstellungsbemühen [zusammenhängt], aber eine eigene Auffassung hat, entsteht, wenn sie nicht bestätigt oder wenn sie widerlegt wird, die Täuschung; wenn sie aber bestätigt oder nicht widerlegt wird, die Wahrheit.« S. [39-]40.

|35| »Auch das Hören kommt zustande, wenn eine Strömung von dem ausgeht, was Töne etc. erzeugt.« S. 40.

»Und auch vom Geruch muß man annehmen (wie ich vom Gehör gesagt habe) ... « S. 41.

»jede Qualität, die ihnen innewohnt und eigen ist (d.h. den Atomen), worunter die vorgenannten (sc. magnitudo, figura, pondus) |(d.h. Größe, Gestalt, Gewicht) (Bemerkung von Marx)| zu verstehen sind, ist unveränderlich, so wie auch die Atome sich nicht verändern.« S. 41.

»Ferner darf man nicht glauben, daß jede Größe unter den Atomen vertreten sei, damit die Phänomene dem nicht widersprechen; aber einige Größenwechsel muß man annehmen. Denn wenn dies so ist, werden sich auch die Vorgänge bei den Affekten und den sinnlichen Wahrnehmungen besser erklären lassen.« S. [42-]43.

»Außerdem aber darf man nicht glauben, daß im begrenzten Körper zahllose Atome seien und in jeder beliebigen Größe [...].« S. 43.

»[...] muß man eine Bewegung annehmen, die man sich als nach oben ins Unendliche gehend denken muß, und eine, die nach unten geht [...] « S. 45.

Siehe S. 44 Schluß und Anfang Seite 45, wo eigentlich das atomistische Prinzip gebrochen und in die Atome selbst eine innre Notwendigkeit gelegt wird. Da sie irgendeine Größe haben, so muß es etwas Kleineres als sie geben. Dies sind die Teile, aus denen sie zusammengesetzt sind. Diese aber sind notwendig zusammen als eine κοινοτης ενυπαρχουσα |(koinotes enhyparchousa) bestehende Gemeinsamkeit [zu betrachten]|. Die Idealität wird so in die Atome selbst verlegt. Das Kleinste in ihnen ist nicht das Kleinste der Vorstellung, aber es hat Analogie damit, und es wird nichts Bestimmtes dabei gedacht. Die Notwendigkeit und Idealität, die ihnen zukömmt, ist selbst eine bloß fingierte, zufällige; ihnen selbst äußerlich. Erst damit ist das Prinzip der epikureischen Atomistik ausgesprochen, daß das Ideelle und Notwendige nur in sich selbst äußerlicher vorgestellter Form, in der Form des Atoms ist. So weit geht also die Konsequenz Epikurs.

»Ferner müssen die Atome auch gleich schnell sein, wenn sie sich durch den leeren Raum bewegen, ohne auf Widerstand zu treffen.« S. 46.

Wie wir gesehn haben, daß das Notwendige, der Zusammenhang, die Unterscheidung in sich selbst in das Atom verlegt oder vielmehr ausgesprochen wird, daß die Idealität hier nur in dieser sich selbst äußerlichen Form vorhanden ist, so geschieht es auch in Beziehung der Bewegung, welche notwendig zur Sprache kommt, sobald die Bewegung der Atome mit der Bewegung der κατα τας συγκρισεις |(kata tas sygkriseis) zusammengesetzten| Körper, d.i. des Konkreten verglichen wird. Die Bewegung der Atome ist prinzipiell gegen diese |37| absolut, d.i. alle empirischen Bedingungen sind in ihr aufgehoben, sie ist ideell. Überhaupt ist zur Entwicklung der epikureischen Philosophie und der ihr immanenten Dialektik wesentlich dies festzuhalten, daß, indem das Prinzip ein vorgestelltes, in der Form des Seins sich verhaltendes gegen die konkrete Welt ist, die Dialektik, das innere Wesen dieser ontologischen Bestimmungen, als einer in sich selbst nichtigen Form des Absoluten, nur so hervorbrechen kann, daß sie als unmittelbare in notwendige Kollision mit der konkreten Welt geraten und in ihrem spezifischen Verhalten zu derselben es offenbaren, wie sie nur die fingierte, sich selbst äußerliche Form ihrer Idealität sind und vielmehr nicht als Vorausgesetzte, sondern nur als Idealität des Konkreten sind. Ihre Bestimmungen selbst sind so an sich unwahre, sich aufhebende. Es wird nur der Begriff der Welt ausgesprochen, daß ihr Boden das Voraussetzungslose, das Nichts ist. Die epikureische Philosophie ist wichtig wegen der Naivetät, mit welcher die Konsequenzen ausgesprochen werden ohne die moderne Befangenheit.

»Aber auch nicht einmal bei den zusammengesetzten Körpern wird der eine schneller als der andre genannt werden können etc.« S. 46. »[...] man kann nur sagen, daß sie häufig zurückprallen, bis das Kontinuierliche der Bewegung für die Sinne wahrnehmbar wird. Denn das, was wir über das Unsichtbare vermuten, daß nämlich auch die durch Spekulation geschauten Zeiträume das Kontinuierliche der Bewegung enthalten dürften, ist bei derartigen Dingen nicht wahr, da nämlich nur alles, was wirklich wahrgenommen oder auf einen Eindruck hin durch das Denken erfaßt wird, wahr ist.« S. 47.

Zu betrachten, woher das Prinzip der sinnlichen Gewißheit aufgehoben und welche abstrahierende Vorstellung als das wahre Kriterium aufgestellt wird.

» [...] die Seele ist ein aus winzigen Teilchen bestehender Körper, der über die ganze Körpermasse (corpus) verteilt (diffusum) ist [...].« S. 47.

Interessant ist hier wieder der spezifische Unterschied von Feuer und Luft gegen die Seele, um das Adäquate der Seele zum Körper zu beweisen, wo die Analogie angewandt, aber ebenso aufgehoben wird, was überhaupt die Methode des fingierenden Bewußtseins ist; so brechen alle konkreten Bestimmungen in sich selbst zusammen, und ein bloß eintöniges Echo ersetzt die Stelle der Entwicklung.

»Ferner muß man festhalten, daß die Seele die Hauptursache der sinnlichen Wahrnehmung ist. Sie wäre dies nicht, wenn sie nicht von der übrigen Körpermasse gewissermaßen umhüllt wäre. Die übrige Körpermasse aber, die es ihr ermöglicht, diese Ursache zu sein, erhält von ihr auch selbst Anteil an einer derartigen Eigenschaft (jedoch nicht an allem, was jene besitzt). Deshalb hat sie, wenn die Seele entwichen ist, |39| keine sinnliche Wahrnehmung mehr. Denn sie hatte diese Fähigkeit nicht selbst in sich, sondern vermittelte sie einem andern zugleich mit ihr entstandnen Wesen, das dank der bei ihm erreichten Fähigkeit, entsprechend der jeweiligen Erregung, sofort eine sinnliche Wahrnehmung zu erzeugen, wegen der Nachbarschaft (vicinia) und Mitempfindung sowohl sich als auch jener daran Anteil gab [...].« S. 48.

Wie wir gesehn, daß die Atome, abstrakt unter sich genommen, nichts andres sind als seiende, vorgestellte überhaupt, und erst in Kollision mit dem Konkreten ihre fingierte und daher in Widersprüche verwickelte Idealität entwickeln, so weisen sie nach, indem sie die eine Seite des Verhältnisses werden, d.h. indem an Gegenstände herangetreten wird, die an sich selbst das Prinzip und seine konkrete Welt tragen (das Lebendige, Seelenhafte, Organische), daß das Reich der Vorstellung einmal als frei, das andermal als die Erscheinung eines Ideellen gedacht wird. Diese Freiheit der Vorstellung ist also auch bloß eine gedachte, unmittelbare, fingierte, das in seiner wahren Form das Atomistische ist. Beide Bestimmungen können daher verwechselt werden, jedes für sich betrachtet ist dasselbe als das andre, aber auch gegeneinander müssen ihnen, je aus welcher Rücksicht betrachtet wird, dieselben Bestimmungen zugeschrieben werden; die Lösung ist daher wieder der Rückfall in die einfachste erste Bestimmung, daß das Reich der Vorstellung als ein freies fingiert wird. Indem dieser Rückfall hier an einer Totalität geschieht, an dem Vorgestellten, das wirklich an sich selbst das Ideelle hat und es selbst ist in seinem Sein, so ist hier das Atom gesetzt, wie es wirklich ist, in der Totalität seiner Widersprüche, zugleich tritt der Grund dieser Widersprüche hervor, die Vorstellung auch als das freie Ideelle fassen zu wollen, aber selbst nur vorstellend. Das Prinzip der absoluten Willkür erscheint daher hier mit all seinen Konsequenzen. In der untergeordnetsten Form ist dies an sich schon beim Atom der Fall. Indem es viele gibt, so hat das eine an sich selbst den Unterschied gegen die Vielheit, es ist also an sich ein Vieles. Es ist aber zugleich in der Bestimmung des Atoms, also ist das Viele in ihm notwendig und immanent ein Eines, es ist so, weil es ist. Allein es sollte eben in der Welt erklärt werden, wie sie aus einem Prinzip sich frei in Vieles auftut. Was gelöst werden soll, ist also unterstellt, das Atom selbst ist das, was erklärt werden soll. Der Unterschied der Idealität kömmt dann erst durch Vergleichung hinein, für sich sind beide Seiten in derselben Bestimmung, und die Idealität selbst wird wieder darin gesetzt, daß diese vielen Atome äußerlich sich verbinden, daß sie die Prinzipien dieser Zusammensetzungen sind. Prinzip dieser Zusammensetzung ist also das ursprünglich in sich grundlos Zusammengesetzte, d.h. die Erklärung ist das Erklärte selbst, das in die Weite und in den Nebel der |41| fingierenden Abstraktion gestoßen ist. Wie gesagt, in seiner Totalität tritt dies erst bei der Betrachtung des Organischen hervor.

Zu bemerken ist, daß, wie die Seele etc. untergeht, nur einer zufälligen Mixtur ihr Dasein verdankt, damit überhaupt ausgesprochen ist die Zufälligkeit aller dieser Vorstellungen, z.B. Seele etc., die, wie sie im gewöhnlichen Bewußtsein keine Notwendigkeit haben, bei Epikur auch als zufällige Zustände substantiiert werden, die als gegeben aufgefaßt, deren Notwendigkeit, die Notwendigkeit ihrer Existenz, nicht nur nicht bewiesen, sondern im Gegenteil als nicht beweisbar, als nur mögliche bekannt werden. Das Verharrende dagegen ist das freie Sein der Vorstellung, das erstens das ansichseiende Freie überhaupt, zweitens aber als der Gedanke der Freiheit des Vorgestellten eine Lüge und Fiktion, daher ein in sich selbst inkonsequentes Ding, ein Schattenbild ist, eine Gaukelei. Es ist vielmehr die Forderung der konkreten Bestimmungen der Seele etc. als immanenter Gedanke. Das Verharrende und das Große des Epikur ist, daß er den Zuständen keinen Vorzug vor den Vorstellungen gibt und sie ebensowenig zu retten sucht. Das Prinzip der Philosophie bei Epikur ist, die Welt und den Gedanken als denkbar, als möglich nachzuweisen; sein Beweis und das Prinzip, woraus dies nachgewiesen und wohin zurückgeführt wird, ist wieder die für sich seiende |»für sich seiende« in der Handschrift anscheinend gestrichen| Möglichkeit selbst, deren natürlicher Ausdruck das Atom, deren geistiger der Zufall und die Willkür ist. Näher zu betrachten ist, wie Seele und Körper alle Bestimmungen austauschen und jedes dasselbe ist wie das andre im schlechten Sinne, daß überhaupt weder eine noch die andre Seite begriffsmäßig bestimmt ist. S. 48 Schluß und S. 49 Anfang: Epikur steht darin über den Skeptikern, daß bei ihm nicht nur die Zustände und Vorstellungen in nichts zurückgeführt, sondern daß ihre Aufnahme, das Denken über sie und das Räsonieren über ihre Existenz, das von einem Festen beginnt, ebenfalls ein nur Mögliches ist.

»Das Unkörperliche denkt die Vorstellung nicht: ihre Vorstellung davon ist das Leere und leer. Der leere Raum aber kann weder handeln noch leiden, sondern ermöglicht durch sein Dasein nur den Körpern eine Bewegung.« S. 49. »So schwatzen die, die sagen, die Seele sei unkörperlich.« S. [49-]50.

Die Stelle S. 50 und Anfang 51 zu untersuchen, wo Epikur über die Bestimmungen der konkreten Körper spricht und das Atomistische umzustoßen scheint, indem er sagt:

|43| »[...] daß der ganze Körper überhaupt aus all dem sein spezifisches Wesen erhält; nicht als ob er eine Zusammensetzung hieraus wäre, wie z.B. wenn aus den Atomansammlungen selbst ein größeres Gebilde entstanden ist ... sondern nur, wie gesagt, daß er aus all dem sein spezifisches Wesen erhält. Und alle diese erfordern spezifische Erwägungen und Beurteilungen, wobei aber stets das Ganze gesehen und keineswegs getrennt werden darf, sondern als Ganzes begriffen, die Bezeichnung Körper erhält.« S. 50 u. 51.

»Ferner begegnen den Körpern oft auch nicht spezifische Akzidenzien, unter denen allerdings einige unsichtbar und unkörperlich sind. Damit machen wir denn, indem wir dieses Wort so verwenden, wie es am häufigsten gebraucht wird, deutlich, daß die Akzidenzien weder die Natur des Ganzen haben, die wir als Ganzes zusammengefaßt Körper nennen, noch die [der] spezifischen Qualitäten, ohne die ein Körper undenkbar ist.« S. 51.

»[...] man muß sie für das halten, als was sie erscheinen, nämlich als zufällige Attribute des Körpers, die den Körper aber weder selbst begleiten, noch auch die Funktion eines selbständigen Wesens haben; sondern man sieht sie so, wie die sinnliche Wahrnehmung selbst ihre Eigenart erscheinen läßt.« S. 52.

Daß die Repulsion mit dem Gesetze des Atoms, dem Ausbeugen von der graden Linie gesetzt sei, hat Epikur auf das bestimmteste im Bewußtsein. Daß dies nicht in dem oberflächlichen Sinn zu nehmen, als wenn die Atome nur so in ihrer Bewegung sich treffen können, spricht Lucretius wenigstens aus. Nachdem er in der oben zitierten Stelle gesagt:

Ohne dies clinamen atomi |Ausbeugen der Atome| sei weder »offensus natus, nec plaga creata« |»Begegnung noch Stoß möglich«|, heißt es bald darauf:

»Endlich, wenn immer sich schließt die Kette der ganzen Bewegung
Und an den früheren Ring sich der neue unweigerlich anreiht,
Und die Atome nicht weichen vom Lote und dadurch bewirken
jener Bewegung Beginn, die des Schicksals Bande zertrümmert,
Das sonst lückenlos schließt die unendliche Ursachenkette:
Freiheit« etc.

V. 251 ff. Buch II.

Hier ist eine andere Bewegung statuiert, in der sich die Atome treffen können, als die durch das clinamen bewirkte. Ferner ist sie bestimmt als das absolut Deterministische, also Aufheben des Selbst, so daß jede Bestimmung ihr Dasein in ihrem unmittelbaren Anderssein, dem Aufgehobensein, was gegen das Atom die grade Linie ist, findet. Erst aus dem clinamen |45| geht die selbstische Bewegung hervor, die Beziehung, die ihre Bestimmtheit als Bestimmtheit ihres Selbst und nicht eine andre hat.

Lukrez mag diese Ausführung aus Epikur geschöpft haben oder nicht. Dies tut nichts zur Sache. Was sich in der Entwicklung der Repulsion ergeben, daß das Atom als die unmittelbare Form des Begriffs sich nur in der unmittelbaren Begriffslosigkeit vergegenständlicht, dasselbe gilt von dem philosophischen Bewußtsein, dem dieses Prinzip sein Wesen ist.

Dies dient zugleich zur Rechtfertigung, wenn ich eine total verschiedne Einteilung von der des Epikur getroffen habe.


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