MLWerke | Inhalt | Marx/Engels

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 26.2. Berlin/DDR. S. 158-169.
1,5. Korrektur
Erstellt am 30.08.1999

Karl Marx

Theorien über den Mehrwert

Kapitel 10, Artikel 1 bis 3


[ZEHNTES KAPITEL]

Ricardos und A. Smiths Theorie über
den Kostenpreis. (Widerlegung)

[A. Ricardos Theorie über den Kostenpreis]

[1. Zusammenbruch der Theorie der Physiokraten
und die weitere Entwicklung der Ansichten über die Grundrente]

Mit Andersons Satz (z.T. auch bei A. Smith): "Es ist nicht die Rente vom Boden, die den Preis seines Produkts bestimmt, sondern es ist der Preis dieses Produkts, der die Grundrente bestimmt"[1], war die Lehre der Physiokraten über den Haufen geworfen. Der Preis des Agrikuturprodukts und weder dies Produkt selbst noch das Land war damit die Quelle der Rente geworden. Damit fiel die Ansicht, daß die Rente das offspring[2] der ausnahmsweisen Produktivität der Agrikultur, die wieder the offspring der besonderen fertility des soil[3] sein sollte. Denn, wenn dasselbe Quantum Arbeit in einem besonders fruchtbaren Element sich ausübte und daher selbst ausnahmsweise fruchtbar war, so könnte dies sich nur darin aussprechen, daß sie sich in einer verhältnismäßig großen Masse Produkte darstellte und daher der Preis des einzelnen Produkts relativ niedrig wr, nicht aber in dem umgekehrten Resultat, daß der Preis ihres Produkts höher als der andrer Produkte war, worin sich dasselbe Quantum realisierte, und ihr Preis daher außer Profit und Salair, im Unterschied von andren Waren, auch noch eine Rente abwürfe. (A. Smith kehrt zum Teil in seiner Betrachtung der Rente wieder zur physiokratischen Ansicht zurück, nachdem er sie zuvor durch seine urspruungliche Auffassung der Rente als Teil der Surplusarbeit widerlegt oder wenigstens geleugnet hatte.)
 

Diese Beseitigung der physiokratischen Ansicht faßt Buchanan in den Worten zusammen:

[1] Siehr vorl. Band, S.141 - [2] Resultat - [3] Fruchtbarkeit des Bodens

{159}

"Die Vorstellung, daß die Landwirtschaft ein Produkt und daraus entspringend eine Rente hervorbringt, weil Natur und menschliche Tätigkeit bei der Bebauung zusammenwirken, ist bloße Einbildung. Nicht aus dem Produkt entspringt die Rente, sondern aus dem Preis, zu dem das Produkt verkauft wird; und dieser Preis wird nicht erzielt, weil die Natur die Produktion unterstützt, sondern weil es der Preis ist, der die Konsumtion dem Angebot anpaßt."

Diese Ansicht der Physiokraten beseitigt - die aber ihre volle Berechtigung hatte in its deeper sense[1], weil sie die Rente als das einzige Surplus, capitalist und labourers together[2] nur als die salariés[3] des landlords betrachten -, blieben nur folgende Ansichten möglich:

||523| [Erstens:] Die Ansicht, daß Rente aus dem Monopolpreis der Agrikulturprodukte herstammt[4], der Mnopolpreis daher, daß die Grundeigentümer das Monopol des Grund und Bodens besitzen. In dieser Ansicht steht der Preis des Agrikulturprodukts beständig über seinem Wert. Es findet eine surcharge of price[3] statt, und das Gesetz der Warenwerte ist durchbrochen durch das Monopol des Grundeigentums.

Die Rente stammt aus dem Monopolpreis der Agrikulturprodukte, weil die Zufuhr beständig unter dem level[6] der Nachfrage oder die Nachfrage beständig über dem level der Zufuhr steht. Aber warum erhebt sich denn die Zufuhr nicht zu dem level der Nachfrage? Warum gleicht eine additional[7] Zufuhr dies Verhältnis nicht aus und hebt damit, nach dieser Theorie, alle Rente auf? Um dies zu erklären, nimmt Malthus einerseits seine Zuflucht zu der Fiktion, daß die Agrikulturprodukte direkt Konsumenten sih schaffen (worüber später bei seinem Krakeel mit Ricardo), anderseits zur Andersonschen Theorie, weil die additional supply[8] mehr Arbeit kostet, die Agrikultur unfruchtbarer wird. Soweit diese Ansicht daher nicht auf einer bloßen Fiktion beruht, fällt sie mit der Ricardoschen Theorie zusammen. Auch hier steht der Preis über dem Wert, surcharge[9].

Die Ricardosche Theorie: Es existiert keine absolute Grundrente, sondern nur eine Differentialrente. Auch hier steht der Preis der Agrikulturprodukte, die Rente tragen, über ihrem individuellen Wert, und soweit die Rente überhaupt existiert, existiert sie durch den Überschuß des Preises von Agrikulturprodukten über ihren Wert. Nur widerspricht hier dieser Überschuß des Preises über den Wert nicht der allgemeinen Werttheorie (obgleich das fact bleibt), weil innerhalb jeder Produktionssphäre der Wert der ihr gehörigen Waren nicht bestimmt wird durch den individuellen Wert der Ware,

[1] in ihrem tieferen Sinne - [2] Kapitalist und Arbeiter zusammen - [3] Entlohnten - [4] vgl. vorl. Band, S.28 - [5] Preisauschlag - [6] Niveau - [7] zusätzliche - [8] zusätzliche Zufuhr - [9] Aufschlag

{160}
sondern durch ihren Wert, den sie unter den allgemeinen Produktionsbedingungen der Sphäre hat. Auch hier ist der Preis der Rente tragenden Produkte Monopolpreis, aber Monopol, wie es in allen Sphären der Industrie vorkommt und sich nur in dieser fixiert und daher die vom Surplusprofit unterschiedne Form der Rente annimmt. Auch hier ist es der Überschuß der demand[1] über die supply oder was dasselbe, daß die additional demand nicht befriedigt werden kann durch eine additional supply zu den Preisen, die die original supply[2] hatte, bevor ihre Preise durch den Überschuß der Nachfrage über die Zufuhr wuchsen. Auch hier entsteht die Rente (die Differentialrente) durch Überschuß des Preises über den Wert, Steigen der Preise auf dem beßren Boden über seinen Wert, wodurch die additional supply hervorgerufen wird.

Die Rente ist bloß der Zins des in Grund und Boden versenkten Kapitals[3]. Diese Ansicht hat das mit der Ricardoschen gemein, daß sie die absolute Grundrenteleugnet. Die Differentialrente muß sie zugeben, wenn Grundstücke, auf denen gleich viel Kapital angelegt ist, Renten von verschiedner Größe abwerfen. In der Tat kommt sie daher auf die Ricardosche Ansicht heraus, daß gewisser Boden keine Rente abwirft und daß, wo eigentliche Rente abgeworfen wird, dies Differentialrente ist. Nur kann sie absolut nicht erklären die Rente vom Boden, auf dem kein Kapital angelegt ist, von Wasserfällen, Minen etc. Sie war in der Tat nichts als ein Versuch vom kapitalistischen Standpunkt aus, die Rente gegen Ricardo zu retten - unter dem Namen des Zinses.

Endlich: Ricardo nimmt an, daß auf dem Boden, der keine Rente trägt der Preis des Produkts gleich seinem Wert ist, weil er gleich dem Durchschnittspreis, i.e. Avance + Durchschnittsprofit. Er nimmt also falsch an, daß Wert der Ware gleich Durchschnittspreis der Ware. Fällt diese falsche Voraussetzung, so bleibt die absolute Rente möglich, weil der Wert der Agrikulturprodukte, wie der von einer ganzen großen Kategorie aller andren Waren, über ihrem Durchschnittspreis steht, infolge des Grundeigentums aber nicht, wie bei diesen andren Waren, zum Durchschnittspreis ausgeglichen wird. Diese Ansicht nimmt also mit der Theorie des Monopols an, daß das Grundeigentum als solches mit der Rente zu tun hat; sie nimmt mit Ricardo die Differentialrente an, und sie nimmt endlich an, daß durch die absolute Rente durchaus kein Bruch im Gesetz der Werte vor sich geht.

[1] Nachfrage - [2] ursprüngliche Zufuhr - [3] vgl. vorl. Band, S.28, 134/135, 140

{161}


[2.] [Ricardos Wertbestimmung durch die Arbeitszeit.
Die historische Berechtigung und die Mängel
seiner Untersuchungsweise]

Ricardo geht aus von der Bestimmung of the relative values (oder exchangeable values) of commodities by "the quantity of labour"[1]. (Wir können am Schluß den verschiednen Sinn, worin R[icardo] value[2] gebraucht, durchgehn. Darauf beruht die Kritik des Bailey, zugleich die Mangelhaftigkeit bei Ricardo.) Der Charakter dieser "labour" wird nicht weiter untersucht. Wenn zwei Waren Äquivalente sind - oder in bestimmter Proportion Aquivalente sind oder, was dasselbe, ungleich groß sind je nach der ||524| Quantität "Arbeit", die sie enthalten - so ist es aber auch klar, daß sie der Substanz nach, soweit sie Tauschwerte sind, gleich sind. Ihre Substanz ist Arbeit. Darum sind sie "Wert". Ihre Größe ist verschieden, je nachdem sie mehr oder weniger von dieser Substanz enthalten. Die Gestalt nun - die besondere Bestimmung der Arbeit als Tauschwert schaffend oder in Tauschwerten sich darstellend - , den Charakter dieser Arbeit untersucht Ric[ardo] nicht. Er begreift daher nicht den Zusammenhang dieser Arbeitmit dem Geld oder, daß sie sich als Geld darstellen muß. Er begreift daher durchaus nicht den Zusammenhang zwischen der Bestimmung des Tauschwerts der Ware durch Arbeitszeit und der Notwendigkeit der Waren zur Geldbildung fortzugehn. Daher seine falsche Geldtheorie. Es handelt sich bei ihm von vornherein nur um die Wertgröße. D.h., daß die Größen der Warenwerte sich verhalten wie die Arbeitsquantitäten, die zu ihrer Produktion erheischt sind. Davon geht Ric[ardo] aus. Er bezeichnet A. Smith ausdrücklich als seinen Ausgangspunkt (ch.I, sectio I).

Die Methode Ric[ardo]s besteht nun darin: Er geht aus von der Bestimmung der Wertgröße der Ware durch die Arbeitszeit und untersucht dann, ob die übrigen ökonomischen Verhältnisse, Kategorien, dieser Bestimmung des Wertes widersprechen oder wie weit sie dieselbe modifizieren. Man sieht auf den ersten Blick sowohl die historische Berechtigung dieser Verfahrungsart, ihre wissenschaftliche Notwendigkeit in der Geschichte der Ökonomie, aber zugleich auch ihre wissenschaftliche Unzulänglichkeit, eine Unzulänglichkeit, die sich nicht nur in der Darstellungsart (formell) zeigt, sondern zu irrigen Resultaten führt, weil sie notwendige Mittel

[1] der relativen Werte (oder Tauschwerte) der Waren durch "die Arbeitsmenge" - [2] Wert - [3] "Arbeit"

{162}
glieder überspringt und in unmittelbarer Weise die Kongruenz der ökonomischen Kategorien untereinander nachzuweisen sucht.

Historisch war diese Untersuchungsweise berechtigt und notwendig. Die politische Ökonomie hatte in A. Smith sich zu einer gewissen Totalität entwickelt, gewissermaßen das Terrain, das sie umfaßt, abgeschlossen, so daß Say sie in einem Schulbuch flach systematisch zusammenfassen konnte. Es kommen zwischen Smith und Ricardo nur noch Detailuntersuchungen vor über produktive und unproduktive Arbeit, Geldwesen, Populationstheorie, Grundeigentum und Steuern. Smith selbst bewegt sich mit großer Naivität in einem fortwährenden Widerspruch. Auf der einen Seite verfolgt er den innren Zusammenhang der ökonomischen Kategorien oder den verborgnen Bau des bürgerlichen ökonomischen Systems. Auf der andren stellt er daneben den Zusammenhang, wie er scheinbar in den Erscheinungen der Konkurrenz gegeben ist und sich also dem unwissenschaftlichen Beobachter darstellt, ganz ebensogut wie dem in dem Prozeß der bürgerlichen Produktion praktisch Befangenen und Interessierten. Diese beiden Auffassungsweisen - wovon die eine in den innren Zusammenhang, sozusagen in die Physiologie des bürgerlichen Systems eindringt, die andre nur beschreibt, katalogisiert, erzählt und unter schematisierende Begriffsbestimmungen bringt, was sich in dem Lebensprozeß äußerlich zeigt, so wie es sich zeigt und erscheint - laufen bei Smith nicht nur unbefangen nebeneinander, sondern durcheinander und widersprechen sich fortwährend. Bei ihm ist dies gerechtfertigt (mit Ausnahme einzelner Detailuntersuchungen, [wie] von dem Geld), da sein Geschäft in der Tat ein doppeltes war. Einerseits der Versuch, in die innre Physiologie der bürgerlichen Gesellschaft einzudringen, anderseits aber zum Teil erst ihre äußerlich erscheinenden Lebensformen zu beschreiben, ihren äußerlich erscheinenden Zusammenhang darzustellen und zum Teil noch für diese Erscheinungen Nomenklatur zu finden und entsprechende Verstandesbegriffe, sie also zum Teil erst in der Sprache und [im] Denkprozeß zu reproduzieren. Die eine Arbeit interessiert ihn so sehr wie die andre, und da beide unabhängig voneinander vorgehn, kommt hier eine ganz widersprechende Vorstellungsweise heraus, die eine, die den innren Zusammenhang mehr oder minder richtig ausspricht, die andre, die mit derselben Berechtigung und ohne irgendein innres Verhältnis - ohne allen Zusammenhang mit der andren Auffassungsweise - den erscheinenden Zusammenhang ausspricht. Die Nachfolger A. Smiths[1] nun, soweit sie nicht die Reaktion älterer, überwundner Auffassungsweisen gegen ihn darstellen,

[1] In der Handschrift: Ric[ardo]s

{163}
können in ihren Detailuntersuchungen und Betrachtungen ungestört fortgehn und stets A. Smith als ihre Unterlage betrachten, sei es nun, daß sie an den esoterischen oder exoterischen Teil seines Werks anknüpfen oder, was fast immer der Fall, beides durcheinander werfen. Ricardo aber tritt endlich dazwischen und ruft der Wissenschaft: Halt! zu. Die Grundlage, der Ausgangspunkt der Physiologie des bürgerlichen Systems - des Begreifens seines innren organischen Zusammenhangs und Lebensprozesses ist die Bestimmung des Werts durch die Arbeitszeit. Davon geht Ricardo aus und zwingt nun die Wissenschaft, ihren bisherigen Schlendrian zu verlassen und sich Rechenschaft darüber abzulegen, wieweit die übrigen von ihr entwickelten, dargestellten Kategorien - Produktions- und Verkehrsverhältnisse - , Formen dieser Grundlage, dem Ausgangspunkt entsprechen oder widersprechen, wieweit überhaupt die bloß die Erscheinungsformen des Prozesses wiedergebende, reproduzierende Wissenschaft (also auch diese Erscheinungen selbst) der Grundlage entsprechen, auf der der innre Zusammenhang, die wirkliche Physiologie der bürgerlichen Gesellschaft beruht oder die ihren Ausgangspunkt bildet, wie es sich überhaupt mit diesem Widerspruch zwischen der scheinbaren und wirklichen Bewegung des Systems verhält. Dies ist also die große ||525| historische Bedeutung Ricardos für die Wissenschaft, weswegen der fade Say, dem er den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, seinem Ärger Luft machte in der Phrase, que "sous prétexte de l'étendre" (la science), "on l'a poussée dans la vide"[1]. Mit diesem wissenschaftlichen Verdienst hängt eng zusammen, daß Ricardo den ökonomischen Gegensatz der Klassen - wie ihn der innre Zusammenhang zeigt - aufdeckt, ausspricht und daher in der Ökonomie der geschichtliche Kampf und Entwicklungsprozeß in seiner Wurzel aufgefaßt wird, entdeckt wird. Carey (sieh später die Stelle) denunziert ihn daher als Vater des Kommunismus.

"Ricardos System ist ein System der Zwietracht ... es läuft hinaus auf die Erzeugung der Feindschaft zwischen Klassen und Nationen ... Seine Schrift ist das wahre Handbuch des Demagogen, der die Macht anstrebt vermittelst der Landteilung, des Kriegs und der Plünderung." (p.74, 75. H. [C.] Carey, "The Past, the Present, and the Future", Philadelphia 1848.)

Ergibt sich so einerseits die wissenschaftliche Berechtigun und der große geschichtliche Wert der Ric[ardo]schen Untersuchungsweise, so liegt

[1] Daß "man sie" (die Wessenschaft) "unter dem Vorwand, sie zu erweitern, ins Leere gedrängt habe"

{164}
auf der Hand andrerseits die wissenschaftliche Mangelhaftigkeit seines Verfahrens, die sich durch das später Folgende im einzelnen zeigen wird.

Daher auch die außerordentlich sonderbare und notwendig verkehrte Architektonik seines Werks. Das ganze Werk besteht (in der dritten Ausgabe) aus 32 Kapiteln. Davon handeln 14 Kapitel über Steuern, enthalten also nur Anwendung der theoretischen Prinzipien. Das 20. Kapitel "Value and Riches, their Distinctive Properties" ist nichts als Untersuchung über den Unterschied von Gebrauchswert und Tauschwert, also eine Ergänzung zum ersten Kapitel "On Value". Das 24. Kapitel "Doctrine of A. Smith concerning the Rent of Land", ebenso das 28. Kapitel "On the comparative value of gold, corn and labour etc." und das 32. Kapitel "Mr. Malthus's Opinions on Rent" sind bloße Ergänzungen und zum Teil Verteidigung von Ricardos Grundrenttheorie, also bloßer Anhang zu Kapitel II und III, die von der Rente handeln. Das 30. Kapitel "On the Influence of demand and supply on Prices" ist ein bloßer Anhang zum 4. Kapitel "On natural and market price". Einen zweiten Anhang zu diesem Kapitel bildet das 19. Kapitel "On sudden changes in the channels of trade". Das 31. Kapitel "On Machinery" ist bloßer Anhang zum 5. und 6. Kapitel "On Wages" und "On Profits". Das 7. Kapitel "On Foreign Trade" und das 25. "On Colonial Trade sind bloße Anwendung - wie die Kapitel über Steuern - der früher aufgestellten Prinzipien. Das 21. Kapitel "Effects of Accumulation on Profits and Interest" ist ein Anhang zu den Kapiteln über die Grundrente Profite und Arbeitslohn. Das 26. Kapitel "On Gross and Net Revenue" ist ein Anhang zu den Kapiteln über Arbeitslohn, Profite und Rente. Endlich das 27. Kapitel "On Currency and Banks" steht ganz isoliert in dem Werk und bloß weitere Ausführung, z.T. Modifikation der in seinen frühren Schriften über das Geld aufgestellten Ansichten.

Die Ricardosche Theorie ist also ausschließlich enthalten in den ersten 6 Kapiteln des Werks. Wenn ich von dessen fehlerhafter Architektonik spreche, so geschieht es mit Bezug auf diesen Teil. Der andre Teil besteht aus Anwendungen, Erläuterungen und Zusätzen (den Abschnitt über das Geld ausgenommen), die der Natur der Sache nach durcheinandergewürfelt sind und keinen Anspruch auf Architektonik machen. Die fehlerhafte Architektonik in dem theoretischen Teil (den 6 ersten Kapiteln) ist aber nicht zufällig, sondern gegeben durch die Untersuchungsweise Ricardos selbst und die bestimmte Aufgabe, die er seiner Forschung gestellt hatte. Sie drückt das wissenschaftlich Ungenügende dieser Untersuchungsweise selbst aus.

Ch. I handelt "On Value". Es zerfällt wieder in 7 Sektionen. In der ersten Sektion wird eigentlich untersucht: Widerspricht der Arbeitslohn der

{165}
Bestimmung der Warenwerte durch die in ihnen enthaltne Arbeitszeit? In der dritten Sektion wird nachgewiesen, daß das Eingehn von dem, was ich konstantes Kapital nenne, in den Wert der Ware der Wertbestimmung nicht widerspricht und daß Steigen oder Fallen des Arbeitslohns ebensowenig die Warenwerte affiziert. In der 4. Sektion wird untersucht, wieweit die Anwendung von Maschinerie und andrem fixen und dauerhaften Kapital, soweit es in verschiednen Produktionssphären in verschiednem Verhältnis in das Gesamtkapital eingeht, die Bestimmung der exchangeable values[1] durch Arbeitszeit alteriert. In der 5. Sektion wird untersucht, wieweit Steigen oder Fallen der wages[2] die Bestimmung der Werte durch Arbeitszeit modifiziert, wenn in verschiednen Produktionssphären Kapitale von ungleicher Dauerhaftigkeit und verschiedner Umschlagszeit angewandt werden. Man sieht also, in diesem ersten Kapitel sind nicht nur Waren unterstellt - und weiter ist nichts zu unterstellen, wenn der Wert als solcher betrachtet wird - , sondern Arbeitslohn, Kapital, Profit, allgemeine Profitrate selbst, wie wir sehen werden, die verschiednen Formen des Kapitals, wie sie aus dem Zirkulationsprozeß hervorgehn und ebenso der Unterschied von "natural and market price"[3], welcher letztre sogar bei den folgenden Kapiteln, ch. II und III: "On Rent" und "On Rent of Mines", eine entscheidende Rolle spielt. Dies zweite Kapitel "On Rent"||526| - das dritte "On Rent of Mines" ist bloße Ergänzung dazu - wird dem Gang seiner Untersuchungsweise gemäß richtig wieder mit der Frage eröffnet: Widerspricht das Grundeigentum und die Grundrente der Bestimmung der Warenwerte durch die Arbeitszeit?

"Es bleibt jedoch", so eröffnet er das 2. Kapitel "On Rent", "zu überlegen, ob die Aneignung von Boden und die daraus folgende Entstehung von Rente im relativen Wert der Waren irgendeine Veränderung verursachen wird, unabhängig von der zu ihrer Produktion erforderlichen Quantität Arbeit." (p. 53. "Princ. of Pol. Ec.", 3d edit., Lond. 1821.)

Um nun diese Untersuchung zu führen, führt er nicht nur en passant das Verhältnis von "market price" and "real price" (monetary expression of value[4]) ein, sondern unterstellt die ganze kapitalistische Produktion und seine ganze Auffassung von dem Verhältnis zwischen Arbeitslohn und Profit. Das 4. Kapitel "On Natural and Market price", das 5. "On Wages" und das 6. "On Profits" sind daher nicht nur unterstellt, sondcrn völlig entwickelt in den beiden ersten Kapiteln "On Value" und "On Rent" und

[1] Tauschwerte - [2] Löhne - [3] "natürlichem und Marktpreis" - [4] "Marktpreis" und "wirklichem Preis" (Geldausdruck des Werts)

{166}
ch. III als Appendix zu II. In den spätren 3 Kapiteln werden nur hier und da, soweit sie theoretisch Neues bringen, Lücken ausgefüllt, nähere Bestimmungen nachgeholt, die meist von Rechts wegen schon in I und II ihren Platz finden müßten.

Das ganze Ricardosche Werk ist also enthalten in seinen ersten zwei Kapiteln. In diesen werden die entwickelten bürgerlichen Produktionsverh auml;ltnisse, also auch die entwickelten Kategorien der politischen Ökonomie, konfrontiert mit ihrem Prinzip, der Wertbestimmung, und zur Rechenschaft gezogen, wieweit sie ihm direkt entsprechen oder wie es sich mit den scheinbaren Abweichungen verhält, die sie in das Wertverhältnis der Waren hereinbringen. Sie enthalten seine ganze Kritik der bisherigen politischen Ökonomie, das kategorische Abbrechen mit dem durchgehenden Widerspruch A. Smiths in der esoterischen und exoterischen Betrachtungsweise, und liefern durch diese Kritik zugleich einige ganz neue und überraschende Resultate. Daher der hohe theoretische Genuß, den diese zwei ersten Kapitel gewähren, da sie in gedrängter Kürze die Kritik des in die Breite ausgelaufenen und verlaufnen Alten geben und das ganze bürgerliche System der Ökonomie als einem Grundgesetz unterworfen darstellen, aus der Zerstreuung und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen die Quintessenz herauskonzentrierend. Aber diese theoretische Befriedigung, welche because of their originality[1], Einheit der Grundanschauung, simpleness[2], Konzentriertheit, Tiefe, Neuheit und comprehensiveness[3] diese zwei ersten Kapital gewähren, verliert sich notwendig im Fortgang des Werks. Auch hier werden wir stellenweis durch Originalität einzelner Entwicklungen gefesselt. Aber das Ganze erregt Abspannung und Langeweile. Der Fortgang ist keine Fortentwicklung mehr. Wo er nicht aus eintöniger, formeller Anwendung derselben Prinzipien auf verschiednes, äußerlich hereingeholtes Material besteht oder aus polemischer Geltendmachung dieser Prinzipien, wird nur entweder wiederholt oder nachgeholt, höchstens, in den letzten Teilen, hier und da eine frappante Schlußfolgerung gezogen.

In der Kritik Ricardos müssen wir nun unterscheiden, was er selbst nicht unterschieden hat. [Erstens] seine Theorie des Mehrwerts, die natürlich bei ihm existiert, obgleich er den Mehrwert nicht in seinem Unterschied von seinen besondren Formen, Profit, Rente, Zins fixiert. Zweitens seine Theorie des Profits. Wir werden mit der letztren beginnen, obgleich sie nicht in diesen Abschnitt, sondern in den historischen Anhang zum Abschnitt III gehört.

[1] wegen ihrer Originalität - [2] Einfachheit - [3] gedrängten Kürze

{167}


[3.] [Ricardos Konfusion in der Frage
des "absoluten" und "relativen" Werts.
Sein Unverständnis der Wertformen]



Zuvor noch einige Bemerkungen darüber, wie Ric[ardo] die Bestimmungen der "value" durcheinanderwirft. Baileys Polemik gegen ihn beruht darauf. Sie ist aber auch wichtig für uns.

Zuerst nennt Ricardo den Wert "value in exchange"[1] und bestimmt ihn mit A. Smith als "the power of purchasing other goods"[2]. (p. 1, "Principles".) Dies ist der Tauschwert, wie er zunächst erscheint. Dann geht er aber zu der wirklichen Bestimmung des Werts:

"Es ist die verhältnismäßige Menge der durch Arbeit erzeugten Waren, welche ihren gegenwärtigen oder früheren relativen Wert bestimmt." (l.c. p. 9.)

"Relative value" heißt hier nichts als die durch die Arbeitszeit bestimmte exchangeable value. Aber relative value kann auch einen andren Sinn haben, sofern ich nämlich den Tauschwert einer Ware im Gebrauchswert einer andren ausdrücke, z.B. den Tauschwert von Zucker im Gebrauchswert Kaffee.

"Zwei Waren verändern ihren relativen Wert, und wir möchten wissen, bei welcher von ihnen die Veränderung tatsächlich eingetreten ist." (p. 9.)

Which variation?[3] Diese "relative value" nennt Ricardo später auch "comparative value"[4]. (p. 448 sq.) Wir wollen wissen, in welcher Ware "die Variation" stattgefunden hat? Das heißt, die Variation des "Werts", der oben relative value hieß. Z.B., 1 Pfd. Zucker = 2 Pfd. Kaffee. Später 1 Pfd. Zucker = 4 Pfd. Kaffee. Die "Variation", die wir wissen wollen, ist ob die für den Zucker oder die für den Kaffee "nötige Arbeitszeit" sich verändert, ob der Zucker 2mal mehr[5] Arbeitszeit als früher kostet oder der Kaffee zweimal weniger[6] Arbeitszeit als früher, und welche dieser "variations" in der zu ihrer resp. Produktion nötigen Arbeitszeit diese Variation in ihrem Austauschverhältnishervorgebracht hat. Diese "relative oder comparative value" von Zucker und Kaffee - das Verhältnis, worin sie sich austauschen - ist also verschieden von der relative value im ersten Sinn. Im ersten Sinn ist die relative value des Zuckers bestimmt durch die Masse Zucker, die in einer bestimmten Arbeitszeit ||527| produziert werden kann.

[1] "Tauschwert" - [2] "die Fähigkeit, andere Waren zu kaufen" - [3] Welche Veränderung? - [4] "komparativen Wert" - [5] in der Handschrift: weniger - [6] in der Handschrift: mehr

{168}
Im zweiten Fall drückt die relative value von Zucker [und Kaffee] aus das Verhältnis, worin sie gegeneinander ausgetauscht werden, und die Wechsel in diesem Verhältnis können durch einen Wechsel der "relative value" im ersten Sinn im Kaffee oder im Zucker resultieren. Das Verhältnis, worin sie sich gegeneinander austauschen, kann dasselbe bleiben, obgleich ihre "relative values" im ersten Sinn gewechselt haben. 1 lb. Zucker kann nach wie vor = 2 lbs. Kaffee sein, obgleich die Arbeitszeit zur Produktion des Zuckers und des Kaffees um das Doppelte gestiegen oder um die Hälfte abgenommen hat. Variations in ihrer comparative value, d.h. wenn der Tauschwert von Zucker in Kaffee und vice versa ausgedrückt wird, werden sich nur dann zeigen, wenn ihre variations in ihrer relative value im ersten Sinn, d.h. durch die Arbeitsquantität bestimmten values ungleich changiert haben, also comparative changes stattgefunden haben. Absolute changes - wenn sie das ursprüngliche Verhältnis nicht ändern, also gleich groß sind und nach derselben Richtung vorgehn, werden keine Variation in den comparative values hervorbringen - auch nicht in den Geldpreisen dieser Waren, da der Wert des Gelds, sollte er changieren, für beide gleichmäßig changiert. Ob ich daher die Werte zweier Waren in ihren eignen wechselseitigen Gebrauchswerten ausdrücke oder in ihrem Geldpreis, beide Werte in dem Gebrauchswert einer dritten Ware darstelle, sind diese relative oder comparative values oder Preise dieselben und die changes in denselben zu unterscheiden von ihren relative values im ersten Sinn, d.h. soweit sie nichts ausdrücken als Wechsel der zu ihrer eignen Produktion erheischten, also in ihnen selbst realisiertenArbeitszeit. Die letztre relative value erscheint also als "absolute value", verglichen mit den relative values im zweiten Sinn, im Sinn der realen Darstellung des Tauschwerts einer Ware im Gbrauchswert der andren oder im Geld. Daher kommt denn auch bei Ricardo für die "relative value" im ersten Sinn der Ausdruck "absolute value" vor.

Wenn in dem obigen Beispiel 1 lb. Zucker nach wie vor dieselbe Arbeitszeit kostet wie vorher, hat seine "relative value" im ersten Sinn nicht variiert. Kostet aber der Kaffee 2mal weniger Arbeit so hat die value of Zucker in Kaffee ausgedrückt variiert, weil die "relative value" im ersten Sinn, des Kaffees variiert hat. Die relative values von Zucker und Kaffee erscheinen so verschieden von ihren "absolute values" und dieser Unterschied zeigt sich, weil auch die comparative value des Zuckers z.B. nicht variiert hat im Vergleich mit Waren, deren absolute values dieselben geblieben.

"Die Untersuchung, auf die ich des Lesers Aufmerksamkeit lenken möchte, bezieht sich auf die Wirkung der Veränderungen in dem relativen Wert der Waren und nicht in ihrem absoluen Wert." (p. 15.)

{169}
Diese "absolute" value nennt Ric[ardo] auch sonst "real value"[1] oder value schlechthin (p. 16 z.B.).

Sieh Baileys ganze Polemik gegen Ricardo in:

"A Critical Dissertation on the Nature, Measures, and Causes of Value; chiefly in reference to the writings of Mr.Ricardo and his followers. By the Author of Essays on the Formation and Publication of Opinions", London 1825. (Sieh auch von demselben: "A Letter to a Polit. Economist; occasioned by an article in the Westminster Review etc." Lond. 1826.) dreht sich teils um diese verschiednen Momente in der Begriffsbestimmung des Werts, die bei Ricardo nicht entwickelt sind, sondern nur faktisch vorkommen und durcheinander laufen, und worin Bailey nur "Widersprüche" findet. Zweitens [ist Bailey] gegen die "absolute value" oder "real value" im Unterschied von der comparative value (oder relative value im zweiten Sinn).

"Anstatt," sagt Bailey in der erst angeführten Schrift, "den Wert als ein Verhältnis zwischen zwei Dingen anzusehen, betrachten sie" (Ricardo and his followers[2]) "ihn als ein positives Resultat, das durch eine bestimmte Menge von Arbeit produziert wird." (l.c. p. 30.)
Sie betrachten "den Wert als etwas Immanentes und Absolutes". (l.c. p. 8.)

Der letzte Vorwurf geht aus Ricardos mangelhafter Darstellung hervor, weil er den Wert der Form nach gar nicht untersucht - die bestimmte Form, die die Arbeit als Substanz des Werts annimmt - , sondern nur die Wertgrößen, die Quantitäten dieser abstrakt allgemeinen und in dieser Form gesellschaftlichen Arbeit, die den Unterschied in den Wertgrößen der Waren hervorbringen. Sonst hätte Bailey gesehn, daß die Relativität des Wertbegriffs keineswegs dadurch aufgehoben wird, daß alle Waren, soweit sie Tauschwerte sind, nur relative Ausdrücke der gesellschaftlichen Arbeitszeit sind und ihre Relativität keineswegs nur in dem Verhältnis besteht, worin sie sich gegeneinander austauschen, sondern in dem Verhältnis aller derselben zu dieser gesellschaftlichen Arbeit als ihrer Substanz.

Es ist, wie wir weiter sehn werden, dem Ricardo vielmehr umgekehrt vorzuwerfen, daß er diese "real" oder "absolute value" sehr oft vergißt und nur an den "relative" oder "comparative values" festhält.

||528| Also:

[1] "realen Wert" - [2] und seine Anhänger


Pfad: »../me/me26«


MLWerke | Inhalt | Marx/Engels