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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 18, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 472-475.

1. Korrektur.
Erstellt am 04.03.1999

Friedrich Engels

Aus der Internationalen

Geschrieben am 19./20. Juni 1873.


["Der Volksstaat" Nr. 53 vom 2. Juli 1873]

|472| Der "Volksstaat" hat seit längerer Zeit über den Stand der Dinge in der Internationalen Arbeiter-Assoziation weiter nichts gebracht als die offiziellen Veröffentlichungen des Generalrats in New York. Er hat es eben gemacht wie alle andern internationalen Blätter und wie die große Masse der Mitglieder der Assoziation selbst. Während die von der bakunistischen geheimen Allianz geleiteten Organe der Haager Minorität Himmel und Erde in Bewegung setzten, um sich als Vertreter der wirklichen Majorität der Internationalen hinzustellen, die Majorität des Kongresses, den alten Generalrat und besonders Marx in allen Tonarten zu verlästern und zu verleumden und die verkannten Genies aller Nationen um sich zu versammeln, begnügten sich die Angegriffenen damit, ein für allemal den Tatbestand über den Haager Kongreß festzustellen und nur den allergrößten und infamsten Verleumdungen die Tatsachen selbst entgegenzuhalten. Im übrigen verließ man sich auf den gesunden Sinn der Arbeiter und die Aktion des Generalrats, der sich ja auch seinem Posten vollständig gewachsen gezeigt hat.

Das Nachfolgende wird beweisen, daß diese ohne weitere Übereinkunft überall von selbst eingehaltene Handlungsweise ihre Früchte getragen hat.

In England hatten einige englische Mitglieder des letzten Generalrats, denen Marx im Haag - auf Grund aktenmäßiger Beweise und eigenen Eingeständnisses, und ohne daß sie ein Wort der Erwiderung gewagt hätten - die Anklage der Korruption ins Gesicht geschleudert hatte, vorigen Dezember eine Spaltung im Britischen Föderalrat hervorgerufen. Sie traten aus und beriefen einen Separatkongreß, der aus ganzen elf Mann bestand, von |473| denen man nicht einmal zu sagen wagte, ob und welche Sektionen sie verträten. Die elf Mann erklärten sich mit Entrüstung gegen die Haager Beschlüsse und rangierten sich unter das Banner der Sezessionisten; unter ihnen voran zwei Ausländer, Eccarius und Jung. Von da an bestanden zwei Föderalräte, aber mit dem Unterschied, daß der eine, der internationale, fast alle Sektionen hinter sich hatte, während der andre, der sezessionistische, niemand vertrat als seine eignen Mitglieder. Der letztere spielte diese Komödie mehrere Monate lang, ist aber schließlich entschlafen. Mit den englischen Arbeitern, die eine fünfzigjährige Bewegung geschult hat, kann man eben solche Possen nicht aufführen. Dagegen hat am 1. und 2. Juni in Manchester der Kongreß der britischen Internationalen stattgefunden und entschieden Epoche gemacht in der englischen Arbeiterbewegung. Es waren 26 Delegierte gegenwärtig, welche neben einigen kleineren Orten die Hauptmittelpunkte der englischen Industrie vertraten. Der Bericht des Föderalrats unterschied sich von allen früheren derartigen Dokumenten dadurch, daß er - in diesem Lande der angestammten Gesetzlichkeit - für die Arbeiterklasse das Recht in Anspruch nahm, ihre Forderungen mit Gewalt durchzusetzen.

Der Kongreß billigte den Bericht und beschloß: Die rote Fahne ist die Fahne der britischen Internationalen; die Arbeiterklasse beansprucht Rückgabe nicht nur alles Grundeigentums, sondern auch aller Arbeitsmittel überhaupt an das arbeitende Volk; als vorläufige Maßregel wird der achtstündige Normalarbeitstag verlangt; die spanischen Arbeiter werden wegen Errichtung der Republik und Erwählung von zehn Arbeitern in die Cortes beglückwünscht; die englische Regierung wird aufgefordert, die noch gefangenen irischen Fenier sofort zu entlassen. - Wer die Geschichte der englischen Arbeiterbewegung kennt, wird zugeben, daß noch nie ein englischer Arbeiterkongreß #soweitgehende Forderungen gestellt hat. Und jedenfalls ist mit diesem Kongreß und mit dem kläglichen Ende des separatistischen, selbsterfundenen Föderalrats die Stellung der englischen Internationalen entschieden.

In der Schweiz geht es den Sonderbündlern nicht besser. Man weiß, daß die Jura-Föderation von jeher die Seele aller Sonderbündlerei in der Internationalen war. Schon auf dem Haager Kongreß erklärten ihre Delegierten, sie verträten die wahre Majorität der Internationalen und würden das auf dem nächsten Kongreß beweisen. Aber kommt Zeit kommt Rat, auch für Leute, die das Maul voll nehmen. Am 27. und 28. April hielt die Jura-Föderation ihren Kongreß in Neuchâtel. Aus den Verhandlungen geht hervor, daß die Föderation elf Schweizer Sektionen zählt, von denen neun |474| vertreten waren. Wie es mit diesen elf Sektionen steht, wie stark sie sind usw., darüber sagt der Bericht des Ausschusses kein Wort; dagegen erklärt er, daß sozusagen die ganze Internationale sich ihrer Sonderbündelei angeschlossen habe. Danach wird also diese enorme Majorität auf dem nächsten allgemeinen Kongreß erscheinen und die Haager Beschlüsse umwerfen? Nein, das gerade nicht. Im Gegenteil, derselbe Ausschuß schlägt vor - was natürlich von diesen "autonomen" Delegierten sofort angenommen wird: Damit der neue Kongreß nicht wieder in die gefährlichen Irrwege des Haager Kongresses gerate, sollen die sonderbündlerischen Föderationen einen eignen Kongreß in irgendeiner Schweizer Stadt abhalten und keinen Kongreß anerkennen, den etwa der New-Yorker Generalrat berufen möchte.

Der Haager Kongreß hat den Generalrat ausdrücklich beauftragt, die Schweizer Stadt zu bestimmen, in der der nächste Kongreß stattfinden soll. Der Beschluß der Jura-Föderation bedeutet also weiter nichts als einen neuen, hinter großtönenden Phrasen versteckten Rückzug.

In der Tat, es war Zeit für diese Herren, sich den Rücken zu decken. Am 1. und 2. Juni - fatale Tage für die Sonderbündler - war der schweizerische Arbeiterkongreß zu Olten. Auf 80 Delegierte waren ganze fünf Jurassier da. Es wurde vorgeschlagen, einen zentralisierten Schweizer Arbeiterbund zu stiften.

Die fünf Jurassier dagegen schlugen ein künstlich verklausuliertes Föderativsystem vor, das die ganze Organisation wirkungslos gemacht haben würde. Da sie in einer hoffnungslosen Minorität waren, legten sie sich, wie im Haag, darauf, den ändern die Zeit zu vertrödeln. Den ganzen Sonntag verlor der Kongreß mit der Debatte über diese sogenannte "Prinzipienfrage". Endlich fand sich die Majorität, ganz wie im Haag, genötigt, diesen langstieligen Rednern den Mund zu stopfen, um nur zur Arbeit zu kommen. Am Montag wurde einfach beschlossen, einen zentralisierten Bund zu stiften, worauf die fünf Prediger, nach Vorlesung einer nichtssagenden Erklärung, den Saal verließen und sich nach Hause begaben. Und diese Leute, in ihrem eigenen Lande so vollständig Null, beteuern seit Jahren ihren Beruf, die Internationale zu reorganisieren!

Aber Unglück kommt nie allein. In Italien, wo die Anarchisten der Sonderbündelei augenblicklich das große Wort führen, hatte einer der ihrigen, Crescio von Piacenza, sein neues Blatt: "L'Avvenire Sociale" (Die soziale Zukunft) an Garibaldi geschickt, den diese Herren fortwährend als einen der ihrigen in Anspruch nehmen. Das Blatt war voll von Zorngeschrei |475| gegen das, was sie "das Autoritätsprinzip" nennen, das nach ihrer Ansicht die Wurzel alles Übels ist. Darauf antwortete Garibaldi:

"Lieber Crescio! Herzlichen Dank etc. Ihr wollt in Eurer Zeitung der Lüge und Sklaverei den Krieg machen, das ist ein ganz schönes Programm. Aber ich glaube, das Autoritätsprinzip zu bekämpfen, ist einer der Fehler der Internationalen, welcher ihre Fortschritte hindert. Die Pariser Kommune ist gefallen, weil in Paris keine Autorität, sondern nur noch Anarchie war."

Der alte Freiheitskämpfer, der in dem einen Jahr 1860 mehr ausgerichtet als alle Anarchisten je in ihrem Leben versuchen werden, weiß den Wert der Disziplin um so mehr zu schätzen, als er seine Streitkräfte stets selbst disziplinieren mußte und dies nicht tat wie die offiziellen Soldaten, durch Drillen, stetige Drohung des Erschießens, sondern vor dem Feind.

Leider sind wir noch nicht am Ende mit der Aufzählung der Mißfälle, die den Sonderbündlern zugestoßen sind. Es fehlte ihnen nur noch eins, und auch dies ist ihnen passiert. Der "Neue", dessen Polizeinase schon seit längerer Zeit an diesen Urstörern der Internationalen einen gewissen süßen Geruch entdeckt hatte, tritt jetzt ganz auf ihre Seite. In seiner Nr. 68 findet er, daß der von den - aus der Internationalen tatsächlich ausgetretenen - Belgiern entworfene Statutenentwurf ganz seinen Ansichten entspricht und stellt seinen Anschluß an die Sonderbündler in Aussicht. Damit sind alle unsre Wünsche erfüllt. Wenn Hasselmann und Hasenclever auf dem Sonderbundeskongreß erscheinen, so erhält dieser Sonderbund seinen wahren Charakter. Rechts Bakunin, links Hasenclever und in der Mitte die unglücklichen Belgier, die man an der Nase ihrer proudhonistischen Phrasen herumführt!


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