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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 18, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 129-137.

1. Korrektur.
Erstellt am 04.03.1999

Karl Marx

Offizieller Bericht des Londoner Generalrats, verlesen in öffentlicher Sitzung des Internationalen Kongresses zu Haag

Geschrieben Ende August 1872.


["Der Volksstaat" Nr. 75 vom 18. September 1872]

|129| Arbeiter! {1}

Seit unserm letzten Kongreß in Basel haben zwei große Kriege das Aussehen Europas verändert - der Deutsch-Französische Krieg und der Bürgerkrieg in Frankreich; ein dritter Krieg ging diesen beiden voraus, begleitete sie und wurde noch nach ihnen fortgesetzt - der Krieg gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation.

Die Pariser Mitglieder {2} der Internationale hatten dem französischen Volke öffentlich und ausdrücklich gesagt: für das Plebiszit stimmen bedeutet nichts anderes, als für den Despotismus im Innern Frankreichs und für den Krieg nach außen stimmen. Man verhaftete sie am Vorabend des Plebiszits, am 29. April 1870, unter dem Vorwand der Teilnahme an einer Verschwörung, die angeblich behufs der Ermordung Louis-Napoleons angestiftet sein sollte. Gleichzeitige Verhaftungen von Mitgliedern der Internationale fanden statt in Lyon, Rouen, Marseille, Brest und anderen Städten. In seiner Erklärung vom 3. Mai 1870 sagte der Generalrat:

"Diese letzte Verschwörung steht ihren beiden Vorgängern grotesken Andenkens würdig zur Seite; die lärmenden Gewaltmaßregeln der französischen Regierung können keinen anderen Zweck haben, als die Zurechtlegung des Plebiszits."

Wir hatten recht gehabt. Wir ersehen jetzt aus den Schriftstücken, die nach dem Sturz der Dezemberregierung von den Nachfolgern derselben |130| veröffentlicht wurden, daß dieses letzte Komplott von der bonapartistischen Polizei selber gewebt worden war. In einem vertraulichen Rundschreiben, welches Ollivier einige Tage vor dem Plebiszit an seine Agenten schickte, schrieb derselbe geradezu vor:

"Man muß die Leiter der Internationalen verhaften; sonst könnte das Plebiszit nicht gut ablaufen."

Nach Schluß der Plebiszit-Komödie wurden die Mitglieder des Pariser Föderalrats allerdings von Louis Bonapartes Richtern verurteilt, aber bloß wegen ihrer Beteiligung an der Internationale und nicht wegen irgendeiner Verwickelung in die Scheinverschwörung. Die bonapartistische Regierung fand es also nötig, den verderblichsten Krieg, der je über Frankreich gekommen ist, einzuleiten durch einen Vorfeldzug gegen die französischen Sektionen der Internationalen Arbeiter-Assoziation. Vergessen wir nicht, daß die Arbeiterklasse Frankreichs sich wie ein Mann erhob, um das Plebiszit zu verwerfen. Vergessen wir ebensowenig, daß die Börsen, die Kabinette, die herrschenden Klassen und die Presse von ganz Europa das Plebiszit feierten als einen glänzenden Sieg des französischen Kaiserreichs über die französische Arbeiterklasse (Adresse des Generalrats über den Krieg, datiert vom 23. Juli 1870).

Wenige Wochen nach dem Plebiszit, als die bonapartistische Presse die Kriegslust im französischen Volke anzufachen begann, erließen die Pariser Internationalen, unbeirrt durch die Regierungsverfolgung, ihren Aufruf vom 12. Juli "An die Arbeiter aller Nationen", worin sie den beabsichtigten Krieg als einen verbrecherischen Unsinn denunzierten, ihren Brüdern in Deutschland sagten,

"ihre Spaltung würde nur den vollständigen Triumph des Despotismus auf beiden Seiten des Rheins zur Folge haben", und erklärten: "Wir, die Mitglieder der Internationale, kennen keine Landesgrenzen."

Ihr Aufruf fand ein begeistertes Echo in Deutschland, so daß der Generalrat in seinem Manifest vom 23. Juli 1870 mit Recht sagen konnte:

"Die Tatsache selbst, daß im nämlichen Augenblicke, wo das offizielle Frankreich und das offizielle Deutschland sich in einen brudermörderischen Krieg stürzen, die Arbeiter Frankreichs und Deutschlands einander Friedensbotschaften zusenden, diese große Tatsache, beispiellos in der Geschichte der Vergangenheit, beweist, daß im Gegensatz zur alten Welt mit ihrem sozialen Elend und ihrem politischen Wahnsinn eine neue Gesell- |131| schaff heraufwächst, welche nach außen keine andere Politik haben wird, als den Frieden, weil sie keine andere Politik nach innen kennt, als die Arbeit. Die Bahnbrecher für diese neue Gesellschaft sind die Mitglieder der Internationale."

Bis zur Proklamation der Republik blieben die Mitglieder des Föderalrats unter Schloß und Riegel. Unterdessen wurden täglich die übrigen Mitglieder der Assoziation dem Pöbel als preußische Spione bezeichnet.

Als mit der Kapitulation von Sedan das Zweite Kaiserreich endigte, wie es begonnen hatte, mit einer Parodie, da trat der Deutsch-Französische Krieg in sein zweites Stadium. Er wurde ein Krieg gegen das französische Volk. Nach all den feierlichen Erklärungen, daß es einzig zur Abwehr fremden Angriffs die Waffen ergreife, ließ Preußen jetzt die Maske fallen und proklamierte einen Eroberungskrieg. Von nun an sah es sich genötigt, nicht nur die Republik in Frankreich zu bekämpfen, sondern gleichzeitig die Internationale in Deutschland. Wir können den Verlauf dieses Kampfes hier nur andeuten.

Gleich nach der Kriegserklärung wurde der größte Teil des norddeutschen Bundesgebiets: Hannover, Oldenburg, Bremen, Hamburg, Braunschweig, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern und die Provinz Preußen, in Belagerungszustand versetzt und der milden Herrschaft des Generals Vogel von Falckenstein überliefert. Dieser Belagerungszustand, als Schutz gegen von außen drohende Invasion angekündigt, verwandelte sich sofort in einen Kriegszustand gegen die deutschen Internationalen.

Am Tage nach der Proklamation der Republik in Paris erließ das Braunschweiger Zentralkomitee der deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die eine Abteilung der Internationalen innerhalb der durch die Landesgesetze auferlegten Schranken bildet, ihr Manifest vom 5. September. Es forderte die Arbeiter auf, mit aller Macht der Zerstückelung Frankreichs entgegenzutreten, einen für Frankreich ehrenvollen Frieden und die Anerkennung der französischen Republik zu verlangen. Das Manifest erklärte die beabsichtigte Annexion von Elsaß-Lothringen für ein Verbrechen, dessen Folge die Verwandlung von ganz Deutschland in eine preußische Kaserne sein werde und die Erhebung des Krieges zu einer europäischen Institution. Am 9. September ließ Vogel von Falckenstein die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses verhaften und sie in Ketten 130 deutsche Meilen weit nach Lötzen abführen, einer preußischen Festung |132| an der russischen Grenze, wo ihre schmähliche Behandlung als würdiges Gegenstück diente zur prunkhaften Bewirtung des kaiserlichen Gastes auf Wilhelmshöhe. Da Einkerkerung, Ausweisung von Arbeitern aus dem einen deutschen Staate in den andern, Unterdrückung der Arbeiterblätter, militärische Brutalitäten und Polizeischikanen jeder Art die internationale Avantgarde der deutschen Arbeiterklasse nicht davon abhielten, im Sinne des Braunschweiger Manifestes zu handeln, verbot Vogel von Falckenstein durch einen Ukas vom 21. September alle Versammlungen der Sozialdemokratischen Partei. Dies Verbot ward am 5. Oktober durch einen zweiten Ukas aufgehoben, worin er seinen Polizeispionen schlauköpfig befiehlt, ihm persönlich alle Individuen zu melden, die etwa durch öffentliche Demonstrationen Frankreich in seinem Widerstande gegen die von Deutschland auferlegten Friedensbedingungen ermutigten, damit er solche Leute während der Dauer des Krieges unschädlich mache.

Die Sorgen des Krieges nach außen seinem Moltke überlassend, gab der König von Preußen dem Krieg im Innern eine neue Wendung. Er schleuderte am 17. Oktober von Versailles nach Hannover die Kabinettsordre, daß Vogel von Falckenstein seine Lötzener Gefangenen dem Braunschweiger Bezirksgericht leihweise übermachen solle, welches Gericht seinerseits entweder Rechtsgründe für ihre Haft finden oder aber sie in den sicheren Gewahrsam des Schreckengenerals zurückliefern müsse.

Vogel von Falckensteins Maßregelungen wurden natürlich in ganz Deutschland nachgeahmt, während Bismarck in einem diplomatischen Zirkular Europa neckte durch sein Auftreten als entrüsteter Vorkämpfer des Rechts der freien Meinungsäußerung und des freien Versammlungsrechts für - die Friedenspartei in Frankreich. Zur nämlichen Zeit, als er eine frei gewählte Nationalversammlung für Frankreich verlangte, ließ er in Deutschland Bebel und Liebknecht verhaften zur Strafe dafür, daß sie ihm gegenüber die Internationale auf dem norddeutschen Reichstage vertreten hatten, und mit dem Zweck, bei den bevorstehenden Neuwahlen ihre Wiederwahl zu verhindern.

Sein Herr und Meister, Wilhelm der Eroberer, unterstützte ihn durch eine neue Kabinettsordre aus Versailles, die den Belagerungszustand, das heißt die Aufhebung alles bürgerlichen Rechts, für die ganze Wahlperiode verlängerte. In der Tat hielt er den Belagerungszustand in Deutschland noch 2 Monate nach dem Friedensschluß mit Frankreich aufrecht. Die Hartnäckigkeit, womit er auf dem Belagerungszustand im Innern beharrte, und seine wiederholte persönliche Einmischung gegenüber seinen eigenen deutschen Gefangenen bewiesen mitten unter dem Geräusch siegreicher Waffen |133| und unter dem fanatischen Beifallsjubel der gesamten deutschen Bourgeoisie seine Scheu vor der emporwachsenden Partei des Proletariats. Es war dies eine unfreiwillige Huldigung materieller Gewalt vor moralischer Macht.

War der Krieg gegen die Internationale bisher lokalisiert gewesen, zuerst in Frankreich von den Tagen des Plebiszits bis zum Fall des Kaisertums, nachher in Deutschland während der ganzen Zeit des Widerstands der Republik gegen Preußen: so wurde er nach der Erhebung und nach dem Falle der Pariser Kommune allgemein.

Am 6. Juni 1871 erließ Jules Favre sein Zirkular an die auswärtigen Mächte, welches die Auslieferung der Kommunemitglieder {3} als gemeiner Verbrecher verlangte und aufrief zu einem Kreuzzug gegen die Internationale als Feindin der Familie, der Religion, der Ordnung und des Eigentums - so angemessen vertreten in seiner eignen Person. Österreich und Ungarn nahmen das Stichwort sogleich auf. Am 13. Juni wurde eine Razzia angestellt gegen die angeblichen Führer des Pester Arbeitervereins: ihre Papiere wurden mit Beschlag belegt, sie selbst verhaftet und wegen Hochverrats verfolgt. Verschiedene Delegierte der Wiener Internationale, gerade auf Besuch in Pest, wurden nach Wien zu weiterer Maßregelung abgeführt. Beust verlangte und erhielt von seinem Reichsrat noch nachträglich 3.000.000 Gulden

"zu Ausgaben für politische Informationen, die", wie er klagte, "mehr als je unentbehrlich geworden infolge der gefährlichen Ausbreitung der Internationale über ganz Europa".

Von da an verfiel die Arbeiterklasse in Österreich-Ungarn einer wahren Schreckensherrschaft. Selbst in den letzten Todeskrämpfen klammert die österreichische Regierung sich noch ängstlich fest an ihr altes Vorrecht, den Don Quixote der europäischen Reaktion zu spielen.

Wenige Wochen nach Jules Favres Zirkular schlug Dufaure seiner Junkerkammer ein jetzt zu Recht bestehendes Gesetz {4} vor, wonach es ein Verbrechen ist, der Internationalen Arbeiter-Assoziation anzugehören oder auch nur ihre Prinzipien zu teilen.

Als Zeuge vor der Junkerkommission über Dufaures Gesetzvorschlag prahlte Thiers, daß das Gesetz seinem eignen gescheiten Hirn entsprungen sei. Er zuerst habe die unfehlbare Panazee entdeckt, daß man die Internationale behandeln müsse, wie die spanische Inquisition die Ketzer behandelt hat. Aber sogar in diesem Punkt steht's schlecht mit seinem Anspruch |134| auf Originalität. Lange bevor er zum Gesellschaftsretter ernannt worden war, war die wahre Jurisprudenz, die den Internationalen von der herrschenden Klasse gebührt, von den Wiener Gerichtshöfen festgestellt. Am 26. Juli 1870 wurden die hervorragendsten Männer der österreichischen Arbeiterpartei wegen Hochverrats zu mehreren Jahren schweren Kerkers mit einem Fasttag in jedem Monat verurteilt. Folgendes waren die Urteilsgründe:

"Die Gefangenen geben selbst zu, das Programm des deutschen Arbeiterkongresses zu Eisenach (1869) angenommen und darnach gehandelt zu haben. Dies Programm schließt das Programm der Internationale ein. Die Internationale bezweckt die Emanzipation der Arbeiterklasse von der Herrschaft der besitzenden Klasse und von politischer Abhängigkeit. Diese Emanzipation ist unverträglich mit den bestehenden Einrichtungen des österreichischen Staats. Also, wer die Grundsätze des internationalen Programms annimmt und verbreitet, begeht eine vorbereitende Handlung zum Umsturz der österreichischen Regierung und ist demnach des Hochverrats schuldig."

Am 27. November |1871| wurde das Urteil über die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses gefällt. Es wurden ihnen Gefängnisstrafen von verschiedener Dauer auferlegt. In den Motiven bezog sich der Gerichtshof ausdrücklich auf die Begründung des Wiener Urteils als auf einen Präzedenzfall.

In Pest wurden die Angeklagten des Arbeitervereins, nachdem sie beinahe ein Jahr lang ähnliche schmachvolle Behandlung erduldet, wie die britische Regierung sie den Feniern angetan hatte, am 22. April 1872 vor Gericht gestellt. Hier verlangte der Staatsanwalt die Anwendung der in Wien festgestellten Jurisprudenz. Der Gerichtshof sprach jedoch frei.

In Leipzig wurden den 27. Mai 1872 Bebel und Liebknecht zu 2 Jahren Festungshaft verurteilt wegen vorbereitender Handlungen zum Hochverrat.

Die Begründung war dieselbe wie die des Wiener Urteils. Nur wurde in diesem Falle die Jurisprudenz der Wiener Richter bestätigt durch den Wahrspruch sächsischer Geschworenen.

In Kopenhagen verhaftete man am 8. Mal dieses Jahres die drei Mitglieder des Zentralkomitees Brix, Pio und Geleff, und zwar weil sie ihren festen Entschluß bekundet hatten, trotz eines Polizeiverbotes eine Versammlung unter freiem Himmel abzuhalten. Nach der Verhaftung wurde ihnen mitgeteilt, daß die sozialistischen Ideen an sich schon mit dem Bestehen des dänischen Staates unvereinbar seien und daß deshalb die bloße |135| Verbreitung derselben ein Verbrechen gegen die dänische Verfassung ausmache. Immer wieder die Jurisprudenz des Wiener Gerichtshofes. Die Angeklagten sind jetzt noch in Untersuchungshaft.

Die belgische Regierung, vorteilhaft bekannt durch ihre sympathische Antwort auf Jules Favres Auslieferungsverlangen, beeilte sich, ihrer Deputiertenkammer durch Malou eine heuchlerische Nachdrucksausgabe des Dufaureschen Gesetzes vorzulegen.

Seine Heiligkeit Papst Pius IX. sagte in einer Anrede an eine aus Schweizer Katholiken bestehende Deputation:

"Eure Regierung, welche republikanisch ist, hält sich für verpflichtet, ein schweres Opfer für das, was man Freiheit nennt, zu bringen. Sie gewährt einer Anzahl von Leuten der schlimmsten Sorte das Asylrecht, sie duldet jene Sekte der Internationalen, welche ganz Europa behandeln möchte, wie sie Paris behandelt hat. Diese Herren von der Internationale, die gar keine Herren sind, sind zu fürchten, weil sie für die Rechnung des ewigen Feindes Gottes und der Menschen arbeiten. Was hat man davon, wenn man sie beschützt! Man muß für sie beten."

Erst hängt sie, dann betet für sie!

Unterstützt von Bismarck, Beust und Stieber, kamen die Kaiser von Österreich und Deutschland Anfang September 1871 in Salzburg zusammen, um eine heilige Allianz - so hieß es - gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation zu stiften:

"Solch' eine europäische Allianz", erklärte Bismarcks Privatmoniteur, die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung", "ist die einzig mögliche Rettung des Staats, der Kirche, der Gesittung, mit einem Wort alles dessen, was die europäischen Staaten konstituiert."

Bismarcks wirklicher Zweck war natürlich, sich Allianzen für einen bevorstehenden Krieg mit Rußland zu sichern, und die Internationale wurde Österreich nur vorgehalten, wie man einem Stier ein Stück rotes Zeug vorhält.

Lanza unterdrückte die Internationale in Italien durch ein einfaches Dekret. Sagasta erklärte sie in Spanien für außerhalb des Gesetzes; vielleicht hoffte er sich so mit dem englischen Geldmarkte auf einen bessern Fuß zu stellen.

Die russische Regierung, seit der Emanzipation der Leibeigenen auf das gefährliche Auskunftsmittel angewiesen, heute dem populären Andrängen {5} furchtsame Konzessionen zu machen, um sie morgen wieder zurückzunehmen, fand in dem allgemeinen Hetzruf gegen die Internationale einen |136| Vorwand zur Verschärfung der Reaktion im Innern. Im Auslande hoffte sie hinter die Geheimnisse der Assoziation zu kommen. Es gelang ihr in der Tat, einen Schweizer Richter zu finden, der in Gegenwart eines russischen Spions eine Haussuchung vornahm in der Wohnung Utins, eines russischen Internationalen und früheren Redakteurs der Genfer "Égalité", des Organs unserer Schweizer Romanischen Föderation. Die republikanische Regierung der Schweiz selbst wurde nur durch die Agitation der Schweizer Internationalen daran verhindert, Flüchtlinge der Kommune an Thiers auszuliefern.

Schließlich bewies die Regierung des Herrn Gladstone, außerstande in Großbritannien einzuschreiten, wenigstens ihren guten Willen durch den Polizeiterrorismus, den sie in Irland gegen unsere in der Bildung begriffene Sektionen ausübte, und durch den Befehl an ihre auswärtigen Vertreter, Informationen über die Internationale einzuziehen.

Aber alle Unterdrückungsmaßregeln, die der vereinigte Regierungsverstand von Europa auszuklügeln imstande war, verschwinden vor dem Verleumdungskrieg, den die Lügenkraft der zivilisierten Welt unternahm. Apokryphe Geschichten und Geheimnisse der Internationale, schamlose Fälschung von öffentlichen Dokumenten und Privatbriefen, Lärmtelegramme usw. folgten rasch aufeinander; alle Schleusen der Verleumdung, die der käuflichen Bourgeoispresse zur Verfügung standen, wurden auf einmal geöffnet und ließen eine Sündflut von Niedertracht los, die den verhaßten Feind ersäufen sollte. Dieser Verleumdungskrieg findet nicht seinesgleichen in der Geschichte, so wahrhaft international ist der Schauplatz, auf dem er spielt, und so vollständig ist das Einverständnis, womit die verschiedensten Parteiorgane der herrschenden Klassen ihn führen. Nach dem großen Brande von Chicago kündigte denselben der Telegraph an, rund um die Erde, als die höllische Tat der Internationale, und es ist in der Tat wunderbar, daß man den Orkan, der Westindien verwüstete, nicht ihrem dämonischen Einwirken zuschrieb.

In früheren öffentlichen Jahresberichten hat der Generalrat gewöhnlich eine Übersicht über den Fortschritt der Assoziation seit dem vorhergehenden Kongreß gegeben. Ihr, Arbeiter {6}, werdet die Gründe würdigen, welche uns veranlassen, dieses Mal abweichend zu verfahren. Zudem werden vielleicht die Berichte der Delegierten von verschiedenen Ländern - und sie wissen am besten, wie weit sie gehen können - diesen Mangel ergänzen. Wir beschränken uns auf die Angabe, daß seit dem Baseler Kongreß und |137| namentlich seit der Konferenz in London im September 1871 die Internationale Boden gefaßt hat unter den Irländern in England und in Irland selbst, in Holland, Dänemark und Portugal, daß sie sich in den Vereinigten Staaten fest organisiert hat und daß Verzweigungen bestehen in Buenos Aires, Australien und Neuseeland.

Der Unterschied zwischen einer Arbeiterklasse ohne Internationale und einer Arbeiterklasse mit einer Internationalen Assoziation zeigt sich am schlagendsten, wenn wir auf 1848 zurückblicken. Langer Jahre bedurfte es, bis die Arbeiter selbst das Werk ihrer eigenen Vorkämpfer in der Juniinsurrektion von 1848 erkannt. Die Pariser Kommune wurde sofort begrüßt durch den Jubelruf des Proletariats aller Länder.

Ihr, die Abgeordneten der Arbeiterklasse, versammelt euch, um die streitbare Organisation eines Bundes zu befestigen, dessen Zweck die Emanzipation der Arbeit ist und die Ausrottung der Nationalkämpfe. Fast in demselben Augenblick versammeln sich in Berlin die gekrönten Würdenträger der alten Welt, um neue Ketten zu schmieden und neue Kriege auszuhecken.

Es lebe die Internationale Arbeiter-Assoziation!


Textvarianten

{1} In "La Liberté" und "The International Herald": Bürger! <=

{2} In "La Liberté" und einigen anderen Zeitungen beginnt dieser Satz mit den Worten: Zu einem Zeitpunkt, als das Kaiserreich von Frankreich verlangte, seine Existenz durch ein neues Plebiszit zu segnen, hatten die Pariser Mitglieder <=

{3} In "La Liberté" und "The International Herald": Kommuneflüchtlinge <=

{4} In "La Liberté" und "The International Herald": ein Gesetz, das jetzt in Kraft ist <=

{5} In der "Égalité": der Volksmeinung <=

{6} In "La Liberté" und "The International Herald": Bürger <=


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