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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 18, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 66-71.

1. Korrektur.
Erstellt am 04.03.1999

Karl Marx

[Erklärung des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation zum Auftreten Cochranes im Unterhaus]

Geschrieben zwischen 13. und 16. April 1872.
Nach dem Flugblatt.
Aus dem Englischen.


|66| Die Heldentaten der Versailler Krautjunker-Versammlung und der Spanischen Cortes, die darauf abzielten, die Internationale zu vernichten, weckten so recht in den Herzen der Vertreter der oberen Zehntausend im britischen Unterhaus den edlen Geist des Nacheiferns. So lenkte am 12. April 1872 Herr B. Cochrane, einer der repräsentativsten Männer, soweit es den Intellekt der oberen Klassen betrifft, die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Worte und Taten dieser schrecklichen Gesellschaft. Da er ein Mensch ist, der vom Lesen nicht viel hält, bereitete er sich auf seine Aufgabe durch eine Inspektionsreise vor, die er im vergangenen Herbst zu einigen der kontinentalen Hauptquartiere der Internationale unternahm, und nach seiner Rückkehr verschaffte er sich eiligst durch einen Brief an die "Times" so was wie einen einstweiligen Schutz seiner Priorität auf dies Thema. Seine Rede im Parlament verrät, was bei jedem anderen Menschen als bewußte und vorbedachte Ignoranz des Gegenstandes, über den er spricht, betrachtet würde. Bis auf eine Ausnahme sind ihm die vielen offiziellen Veröffentlichungen der Internationale unbekannt; an ihrer Stelle zitiert er einen Mischmasch von Auszügen aus unbedeutenden Veröffentlichungen privater Individuen in der Schweiz, für die die Internationale als Körperschaft ebensowenig verantwortlich ist, wie das britische Kabinett für die Rede des Herrn Cochrane. Dieser Rede zufolge

"befand sich die große Mehrheit derjenigen, die der Gesellschaft in England beitraten - ihre Zahl betrug 180.000 -, in völliger Unkenntnis der Prinzipien, die man zu verwirklichen trachtete und die man vor ihnen sorgfältig verborgen hielt, als sie ihren Beitritt erklärten".

Nun sind die Prinzipien, die die Internationale verwirklichen will, in der Präambel zu den Allgemeinen Statuten niedergelegt, und Herr Cochrane schwebt in glücklicher Unkenntnis der Tatsache, daß niemand der |67| Assoziation beitreten kann, ohne diese Prinzipien ausdrücklich anzuerkennen. Und dann heißt es,

"die Assoziation wurde ursprünglich auf den Prinzipien der Trade-Unions gegründet und erhielt damals keinen politischen Charakter".

Nun trägt nicht nur die Präambel zu den ursprünglichen Allgemeinen Statuten einen betont politischen Charakter, sondern die politischen Tendenzen der Assoziation sind ausführlich in der Inauguraladresse dargelegt, die 1864 gleichzeitig mit diesen Statuten veröffentlicht worden ist. Eine andere erstaunliche Entdeckung ist die, daß Bakunin "beauftragt" worden sei, im Namen der Internationale auf die Angriffe Mazzinis zu antworten, was einfach eine Unwahrheit ist. Nach einem Zitat aus der Broschüre Bakunins fährt Herr Cochrane fort:

"Wir mögen über solch bombastischen Unsinn lächeln, doch als diese Schriftstücke von London ausgingen" (von wo sie nicht ausgingen), "war es da verwunderlich, daß ausländische Regierungen in Unruhe gerieten?"

Und ist es da verwunderlich, daß Herr Cochrane zu ihrem Wortführer in England wird? Eine weitere Anschuldigung besteht darin, daß die Internationale gerade mit der Herausgabe einer "Zeitung" in London begonnen habe, was ebenfalls eine Unwahrheit ist. Möge sich jedoch Herr Cochrane damit trösten, daß die Internationale eine große Anzahl eigener Organe in Europa und Amerika und in den Sprachen fast aller zivilisierter Länder besitzt.

Doch der Kern der ganzen Rede ist in folgendem enthalten:

"Er sollte in der Lage sein zu zeigen, daß die Kommune und die Internationale Assoziation in Wirklichkeit eins sind und daß die sich in London befindliche" (?) "Internationale Gesellschaft der Kommune den Befehl gegeben habe, Paris niederzubrennen und den Erzbischof dieser Stadt zu ermorden."

Und nun die Beweise: Eugène Dupont stellte als Vorsitzender des Brüsseler Kongresses im September 1868 wahrheitsgemäß fest, daß die Internationale nach einer sozialen Revolution strebe. Und welches ist das geheime Kettenglied zwischen dieser Feststellung Eugène Duponts von 1868 und den Taten der Kommune von 1871? Daß

"Eugène Dupont erst vergangene Woche in Paris verhaftet wurde, wohin er sich von hier auf geheimem Wege begeben hatte. Nun, dieser Herr Eugène Dupont war Mitglied der Kommune und ebenso Mitglied der Internationalen Gesellschaft."

Zum Unglück für diese äußerst zwingende Art der Beweisführung war A[nthime] Dupont, das Mitglied der Kommune, das in Paris verhaftet |68| worden war, nicht Mitglied der Internationale und E[ugène] Dupont, das Mitglied der Internationale, war nicht Mitglied der Kommune. Der zweite Beweis ist, daß Bakunin sagte,

"als der Kongreß zu Genf im Juli 1869 unter seinem Vorsitz zusammentrat: 'Die Internationale erklärt sich als atheistisch.'"

Nun fand aber in Genf im Juli 1869 niemals ein internationaler Kongreß statt; Bakunin hatte nie den Vorsitz auf irgendeinem internationalen Kongreß und war nie beauftragt worden, im Namen desselben Erklärungen abzugeben. Dritter Beweis: Die "Volksstimme", das Organ der Internationale in Wien, schrieb:

"Obwohl die rote Fahne das Symbol weltweiter Liebe ist, mögen sich unsere Feinde davor hüten, daß sie sie nicht in ein Symbol weltweiten Terrors verwandeln."

Mehr als das, die gleiche Zeitung stellte wiederholt in ihren Worten fest, daß der Londoner Generalrat tatsächlich der Generalrat der Internationale, das heißt, ihr delegiertes zentrales Verwaltungsorgan sei. Vierter Beweis: Auf einer der französischen Gerichtsverhandlungen gegen die Internationale machte sich Tolain über die Behauptung des Staatsanwalts lustig, daß

"es für den Präsidenten der Internationale" (den es nicht gibt) "genügte, seinen Finger zu erheben, um sich die ganze Welt Untertan zu machen".

Das verworrene Gehirn des Herrn Cochrane macht aus Tolains Verneinung eine Bestätigung. Fünfter Beweis: Die Adresse des Generalrats über den Bürgerkrieg in Frankreich, aus der Herr Cochrane die Stelle zitiert, die die Repressalien gegen die Geiseln und die Anwendung von Feuer als unter diesen Umständen notwendige Kriegsmaßnahmen rechtfertigt. Da Herr Cochrane die durch die Versailler begangenen Massaker gutheißt, sollten wir nun daraus schließen, daß er sie befohlen hatte, obgleich er sicherlich keiner Mordtat an irgend etwas schuldig ist, es sei denn an Wild? Sechster Beweis:

"Vor dem Brand von Paris fand eine Zusammenkunft zwischen den Führern der Internationale und der Kommune statt."

Dies ist genauso wahr, wie der Bericht, der kürzlich in der italienischen Presse zirkulierte und der besagte, daß der Generalrat der Internationale seinen so aufrichtig und innig geliebten Alexander Baillie Cochrane auf eine Inspektionsreise nach dem Kontinent entsandt hätte, der über das Gedeihen der Organisation äußerst zufriedenstellende Berichte gäbe und feststellte, daß sie 17 Millionen Mitglieder zähle. Abschließender Beweis:

|69| "In dem Dekret der Kommune, das die Zerstörung der Säule auf der Place Vendôme anordnete, ist die Zustimmung der Internationale kundgetan."

Nichts dergleichen wird in dem Dekret gesagt, obwohl die Kommune zweifellos wußte, daß die ganze Internationale in aller Welt diesem Beschluß ihre Zustimmung geben würde.

So sieht also laut "Times" der unwiderlegbare Beweis für die Behauptungen Cochranes aus, daß auf direkte Anweisung des Londoner Generalrats der Internationale der Erzbischof von Paris |Georges Darboy| getötet und Paris in Flammen gesetzt wurde. Vergleicht man seinen zusammenhanglosen Wortschwall mit dem Bericht des Herrn Sacaze in Versailles über das Gesetz gegen die Internationale, und man wird den noch immer bestehenden Abstand zwischen einem französischen Krautjunker und einem britischen Dogberry verstehen lernen.

Von Herrn Cochranes fidus Achates, Herrn Eastwick, sollten wir mit Dante sagen: "Sieh ihn an und geh weiter", aber da ist seine unsinnige Behauptung, daß die Internationale verantwortlich sei für "Le Père Duchêne" des Herrn Vermersch, den der gebildete Herr Cochrane Vermuth nennt.

Ist es ein reines Vergnügen, einen Gegner wie Herrn Cochrane zu haben, so ist es ein schmerzliches Unglück, sich der Gönnerschaft des Herrn Fawcett, soweit man sie so nennen kann, unterziehen zu müssen. Wenn er auch kühn genug ist, die Internationale gegen Gewaltmaßnahmen zu verteidigen, die die britische Regierung zwar nicht ergreifen wird, weil sie es weder wagt noch daran sehr interessiert ist, so besitzt er gleichzeitig jenes Pflichtgefühl und jenen hohen moralischen Mut, die ihn nötigen, über die Internationale sein höchstes professorales Verdammungsurteil zu fällen. Unglücklicherweise sind die angeblichen Lehren der Internationale, die er angreift, nichts als Erfindungen seines armen Gehirns.

"Der Staat", so sagt er, "sollte dies und das tun und Geld für die Ausführung aller Projekte der Internationale auftreiben. Der erste Punkt des Programms lautete, daß der Staat den ganzen Grund und Boden sowie alle Produktionsinstrumente aufkaufen und an das Volk zu einem gerechten und angemessenen Preis verpachten sollte."

Was den Aufkauf des Grund und Bodens durch den Staat unter gewissen Bedingungen und seine Verpachtung an das Volk zu einem gerechten und angemessenen Preis betrifft, so möge sich Herr Fawcett mit seinem theoretischen Lehrer Herrn John Stuart Mill und seinem politischen Chef Herrn John Bright einigen. Der zweite Punkt "schlägt vor, daß der Staat |70| die Arbeitszeit regulieren sollte". Das geschichtliche Studium unseres Professors erstrahlt hell, wenn er die Internationale zum Autor der britischen Fabrik- und Werkstättengesetze macht, und seine wirtschaftliche Tüchtigkeit zeigt sich gleich günstig in seiner Wertschätzung dieser Gesetze. Dritter Punkt:

"Daß der Staat unentgeltliche Erziehung ermöglichen sollte."

Was sind solche allgemein bekannten Tatsachen, wie das Bestehen unentgeltlicher Erziehung in den Vereinigten Staaten und in der Schweiz und ihre wohltätigen Ergebnisse im Vergleich mit den düsteren Prophezeiungen des Professor Fawcett? Vierter Punkt:

"Daß der Staat an Genossenschaften Kapital verleihen sollte."

Hier gibt es einen kleinen Irrtum; Herr Fawcett verwechselt die Prinzipien der Internationale mit den Forderungen Lassalles, der vor der Gründung der Internationale starb. Er war es, der den Präzedenzfall der Staatsanleihe beschwor, die sich die britischen Großgrundbesitzer unter dem Vorwand landwirtschaftlicher Verbesserungen und vermittels des Parlaments so großzügig selbst gewährt hatten. Fünfter Punkt:

"Um den Dingen die Krone aufzusetzen, wurde vorgeschlagen, daß die gesamten Einkünfte des Landes durch eine gestaffelte Eigentumssteuer aufgebracht werden sollten."

Es ist gar zu arg, die Forderungen des Herrn Robert Gladstone und seiner Liverpooler bürgerlichen Finanzreformatoren zur "Krone" der Internationale zu machen!

Dieser große Vertreter der politischen Ökonomie, Herr Fawcett, dessen Anspruch auf wissenschaftlichen Ruhm ausschließlich darauf beruht, daß er Herrn John Stuart Mills Kompendium der politischen Ökonomie für Schulkinder vulgarisierte, gesteht, daß "die vor 25 Jahren mit Zuversicht gemachten Voraussagen" (der Freihändler) "durch Tatsachen widerlegt worden wären".

Gleichzeitig glaubt er an seine Fähigkeit, er könne die gigantische proletarische Bewegung unserer Tage beschwichtigen, indem er immer wieder und in einer immer mehr verwässerten Form dieselben abgestandenen Phrasen wiederholt, durch die diese falschen Voraussagen vor 25 Jahren gestützt wurden. Es ist zu hoffen, daß seine geheuchelte Verteidigung der Internationale, die in Wirklichkeit eine demütige Entschuldigung für seine früheren vorgeblichen Sympathien mit den arbeitenden Klassen darstellt, die Augen der englischen Arbeiter öffnen wird, die noch immer von dem |71| Sentimentalismus beeindruckt sind, unter dem Herr Fawcett bisher seine wissenschaftliche Nichtigkeit zu verbergen suchte.

Wenn nun Herr B. Cochrane den politischen Intellekt und Herr Fawcett die ökonomische Wissenschaft des britischen Unterhauses repräsentiert, wie steht dann dieser "angenehmste aller Londoner Klubs" im Vergleich mit dem amerikanischen Repräsentantenhaus da, das am 13. Dezember 1871 ein Gesetz über die Errichtung eines arbeitsstatistischen Büros annahm und erklärte, daß dieses Gesetz auf ausdrücklichen Wunsch der Internationalen Arbeiterassoziation angenommen worden sei, was das Haus als eine der bedeutendsten Tatsachen der Gegenwart ansähe?

Der Generalrat:

R. Applegarth, A. Arnaud, M. Barry, M. J. Boon, F. Bradnick, G. H. Buttery, F. Cournet, P. Delahaye, Eugène Dupont, W. Hales, Hurliman, Jules Johannard, C. Keen, Harriet Law, F. Leßner, Lochner, C. Longuet, Marguerite, C. Martin, Zevy Maurice, H. Mayo, G. Milner, Ch. Murray, Pfänder, J. Rozwadowski, V. Regis, J. Roach, Rühl, G. Ranvier, Sadler, Cowell Stepney, A. Taylor, W. Townshend, E. Vaillant, J. Weston, De Wolfers, F. J. Yarrow

Korrespondierende Sekretäre:

Leo Frankel, für Österreich und Ungarn; A. Herman, Belgien; T. Mottershead, Dänemark; A. Serraillier, Frankreich; Karl Marx, Deutschland und Rußland; C. Rochat, Holland; J. P. Mac Donnel, Irland; F. Engels, Italien und Spanien; Walery Wróblewski, Polen; Hermann Jung, Schweiz; J. G. Eccarius, Vereinigte Staaten; Le Moussu, für die französischen Sektionen in den Vereinigten Staaten

J. Hales, Generalsekretär

London, 17. April 1872


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