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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 572-610.

Karl Marx

[Zweiter Entwurf zum "Bürgerkrieg in Frankreich"]


1. VERTEIDIGUNGSREGIERUNG.
TROCHU, FAVRE, PICARD, FERRY
ALS DEPUTIERTE FÜR PARIS

|572| Der am 4. September von den Pariser Arbeitern proklamierten Republik jubelte ganz Frankreich ohne eine einzige Stimme des Widerspruchs zu. Ihre Daseinsberechtigung wurde durch einen fünfmonatigen Verteidigungskrieg erkämpft, der sich auf (dessen Zentrum war) den Widerstand von Paris stützte. Ohne diesen Verteidigungskrieg, der im Namen der Republik geführt wurde, hätte Wilhelm der Eroberer das Kaiserreich seines "lieben Bruders" Louis Bonaparte wiederhergestellt. Die Kabale von Advokaten, mit Thiers als Staatsmann und Trochu als General, installierte sich in einem Augenblick der Verwirrung im Hôtel de Ville |Rathaus|, als die wahren Führer der Pariser Arbeiterklasse noch in Bonapartes Gefängnissen saßen und die preußische Armee schon auf Paris marschierte. So tief waren die Thiers, die Jules Favres, die Picards damals von dem Glauben an die historische Führerschaft von Paris durchdrungen, daß sie, um ihren Titel als Regierung der nationalen Verteidigung zu legitimieren, ihren Anspruch ausschließlich darauf gründeten, daß sie 1869 in den Wahlen zum Corps législatif gewählt worden waren.

In unsrer Zweiten Adresse über den letzten Krieg, fünf Tage, nachdem diese Leute an die Macht kamen, sagten wir euch, was sie waren. Wenn sie sich der Regierung bemächtigt hatten, ohne Paris zu fragen, so hatte Paris die Republik trotz ihres Widerstands proklamiert. Und ihr erster Schritt war, Thiers an alle Höfe Europas betteln zu schicken, um dort, wenn mög- |573| lich, ausländische Vermittlung zu erkaufen, wofür die Republik gegen einen König ausgetauscht werden sollte. Paris duldete ihr Regime (Ergreifung der Staatsmacht), weil sie hoch und heilig versicherten, daß diese Staatsmacht allein zum Zweck der nationalen Verteidigung dienen werde. Paris aber konnte nicht ernstlich verteidigt werden (war nicht zu verteidigen), ohne die Arbeiterklasse zu bewaffnen, sie als Nationalgarde zu organisieren und sie durch den Krieg selbst zu schulen. Aber Paris in Waffen, das war die soziale Revolution in Waffen. Der Sieg von Paris über seinen preußischen Belagerer wäre ein Sieg der Republik über die Klassenherrschaft in Frankreich gewesen. In diesem Zwiespalt zwischen nationaler Pflicht und Klasseninteresse zauderte die Regierung der nationalen Verteidigung keinen Augenblick - sie verwandelte sich in eine Regierung des nationalen Verrats. In einem Brief an Gambetta bekannte Jules Favre, daß das, wogegen sich Trochu verteidigte, nicht der preußische Soldat war, sondern der Pariser Arbeiter. Vier Monate nach Beginn der Belagerung, als der Augenblick gekommen schien, das erste Wort von Kapitulation fallenzulassen, redet Trochu, in Gegenwart von Jules Favre und andern Regierungsmitgliedern, die Versammlung der Maires von Paris an wie folgt:

"Die erste Frage, die mir von meinen Kollegen noch am selben Abend des 4. September gestellt wurde, war diese: Kann Paris mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg eine Belagerung durch die preußische Armee aushalten? Ich zögerte nicht, dies zu verneinen. Mehrere meiner hier anwesenden Kollegen werden einstehn für die Wahrheit meiner Worte und für mein Beharren auf dieser Meinung. Ich sagte ihnen, in diesen selben Worten, daß, wie die Dinge lägen, der Versuch, Paris gegen eine preußische Belagerung zu halten, eine Torheit sei. Ohne Zweifel, fügte ich hinzu, eine heroische Torheit, aber mehr wäre es nicht ... Die Ereignisse" (die er selbst leitete) "haben meine Voraussicht nicht Lügen gestraft."

(Diese kleine Rede Trochus wurde nach dem Waffenstillstand von einem der anwesenden Maires, Herrn Corbon, veröffentlicht.) Also: Am selben Abend, an dem die Republik proklamiert wurde, war es Trochus Kollegen bekannt, daß Trochus "Plan" in nichts andrem als der Kapitulation von Paris und von Frankreich [bestand]. Um Paris von seiner "heroischen Torheit" zu kurieren, hatte es sich einer Behandlung mit Dezimierung und Hunger zu unterziehen, die lange genug dauerte, um die Usurpatoren vom 4. September vor der Rache der Dezembermänner zu schützen. Wäre die "nationale Verteidigung" mehr gewesen als ein bloßer Vorwand für die "Regierung", hätten ihre selbsternannten Mitglieder am 5. September abgedankt, Trochus "Plan" öffentlich enthüllt und das Pariser Volk aufgefordert, entweder sofort vor dem Eroberer zu kapitulieren oder die |574| Sache der Verteidigung in seine eignen Hände zu nehmen. Stattdessen erließen die Betrüger großsprechende Manifeste, in denen es hieß, Trochu, "der Gouverneur, wird niemals kapitulieren", und Jules Favre, der auswärtige Minister, "wird nicht einen Stein unsrer Festungen noch einen Fußbreit unsres Gebiets abtreten". Die ganze Zeit der Belagerung hin durch wurde Trochus Plan systematisch ausgeführt. In der Tat rissen die nichtswürdigen bonapartistischen Gurgelabschneider, denen sie den Oberbefehl in Paris anvertraut hatten, in ihrer vertraulichen Korrespondenz schnöde Witze über die wohlverstandene Farce der Verteidigung. (Man sehe z.B. die Korrespondenz von Alphonse-Simon Guiod, Oberkommandant der Artillerie der Verteidigungsarmee von Paris, Großkreuz der Ehrenlegion, an Susane, Divisionsgeneral der Artillerie, die vom "Journal Officiel" der Kommune veröffentlicht wurde.) Bei der Kapitulation von Paris ließen sie die Trugmaske fallen. Die "Regierung der nationalen Verteidigung" enthüllte sich (wiedererstanden) als die "Regierung Frankreichs durch Bismarcks Gefangene" - eine Rolle, die selbst Louis Bonaparte bei Sedan, sogar für einen Menschen seines Schlages, für zu schändlich gehalten hatte. In ihrer wilden Flucht nach Versailles nach dem 18. März ließen die capitulards den aktenmäßigen Beweis ihres Verrats in Paris zurück. Um diesen zu zerstören, sagt die Kommune in ihrem Manifest an die Provinz,

"würden sie nicht davor zurückschrecken, Paris in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, umspült von einem Blutmeer".

Einige der einflußreichsten Mitglieder der Verteidigungsregierung hatten außerdem triftige Privatgründe, um einen solchen Ausgang leidenschaftlich herbeizuführen. Man sehe sich nur Jules Favre, Ernest Picard und Jules Ferry an!

Kurz nach Abschluß des Waffenstillstands veröffentlichte Herr Millière, Abgeordneter für Paris zur Nationalversammlung, eine Reihe authentischer gerichtlicher Aktenstücke zum Beweise, daß Jules Favre, in wilder Ehe lebend mit der Frau eines in Algier wohnenden Trunkenbolds, durch eine höchst verwegne Anhäufung von Fälschungen, die sich über eine lange Reihe von Jahren erstrecken, im Namen der Kinder seines Ehebruchs eine große Erbschaft erschlichen und sich dadurch zum reichen Mann gemacht hatte; und daß, in einem von den rechtmäßigen Erben unternommenen Prozesse, er der Entdeckung nur entging durch die Begünstigung der bonapartistischen Gerichte. Da über diese trockenen gerichtlichen Aktenstücke nicht hinwegzukommen war, auch nicht mit noch so viel rhetorischen |575| Pferdekräften, blieb Jules Favre, mit demselben Heroismus der Selbsterniedrigung, zum erstenmal stumm, bis die Unruhe des Bürgerkriegs ihm gestattete, das Pariser Volk in der Versailler Versammlung als eine Bande "ausgebrochner Sträflinge" in hellem Aufruhr gegen Familie, Religion, Ordnung und Eigentum zu brandmarken!

(Die Pic-Affäre.) Dieser notorische Fälscher war kaum zur Herrschaft gekommen, als er sich mitfühlend beeilte, das Fälscherpaar, Pic und Taillefer, in Freiheit zu setzen, die selbst unter dem Kaiserreich wegen Diebstahl und Fälschung zu den Galeeren verurteilt worden waren. Einer dieser Leute, Taillefer, hatte die Frechheit, nach der Errichtung der Kommune nach Paris hineinzugehn und wurde sofort wieder in die ihm zukommende Unterkunft gesteckt; und dann erzählte Jules Favre ganz Europa, daß Paris alle verbrecherischen Insassen seiner Gefängnisse freiließe!

Ernest Picard, der sich selbst am 4. September zum Minister des Innern der Französischen Republik ernannte, nachdem er vergeblich gestrebt, der Minister des Innern Louis Bonapartes zu werden, ist der Bruder eines gewissen Arthur Picard, eines Individuums, das als Schwindler von der Pariser Börse ausgestoßen (Bericht der Polizeipräfektur vom 31. Juli 1867) und auf eignes Geständnis überführt wurde eines Diebstahls von 300.000 frs., begangen als Direktor eines Zweigbüros der Société générale (siehe Bericht der Polizeipräfektur vom 11. Dezember 1868). Diese beiden Berichte sind noch in der Zeit des Kaiserreichs veröffentlicht worden. Diesen Arthur Picard ernannte Ernest Picard zum Chefredakteur seines "Électeur libre", damit er während der ganzen Belagerung als sein finanzieller Zwischenträger fungiere, der an der Börse die Ernest anvertrauten Staatsgeheimnisse in baren Profit verwandelte und mit den Niederlagen der französischen Armee sicher spekulierte, während die gewöhnlichen Börsenleute durch die gefälschten Nachrichten und offiziellen Lügen, die der "Élcteur libre", das Organ des Innenministers |"L'Électeur libre" war das Organ des Finanzministeriums|, veröffentlichte, irregeleitet wurden. Die ganze Geschäftskorrespondenz zwischen diesem biedern Brüderpaar ist in die Hände der Kommune gefallen. Kein Wunder, daß Ernest Picard, der Joe Miller der Versailler Regierung, bei der ersten Kolonne von Pariser Nationalgardisten, die gefangengenommen und den grausamen Mißhandlungen durch die "Lämmer" Piétris ausgesetzt wurden, "die Hände in den Hosentaschen, von Trupp zu Trupp spazierte und Witze riß".

Jules Ferry, vor dem 4. September ein brotloser Advokat, brachte es |576| fertig, als Maire von Paris während der Belagerung, ein Vermögen für sich aus der Hungersnot herauszuschwindeln, die zum großen Teil die Folge seiner Mißverwaltung war. Die dokumentarischen Beweise sind in den Händen der Kommune. Der Tag, an dem er sich wegen seiner Mißverwaltung zu verantworten haben wird, wird für ihn der Tag des jüngsten Gerichts sein.

Diese Leute sind daher die Todfeinde des arbeitenden Paris, nicht nur als Parasiten der herrschenden Klassen, nicht nur als Verräter an Paris während der Belagerung, sondern vor allem als gemeine Verbrecher, die nur in den Ruinen von Paris, diesem Schwerpunkt der französischen Revolution, hoffen können, ihre tickets-of-leave (1) zu erlangen. Diese Desperados waren gerade die richtigen Leute, um Thiers' Minister zu werden.

2. THIERS. DUFAURE. POUYER-QUERTIER

Im "parlamentarischen Sinn" sind Dinge nur ein Vorwand für Worte, die als Fallstrick für den Gegner, als Hinterhalt gegen das Volk oder als Gegenstand artistischer Schaustellung für den Redner selbst dienen.

Ihr Meister, Herr Thiers, der boshafte Zwerg, hat die französische Bourgeoisie mehr als ein halbes Jahrhundert lang bezaubert, weil er der vollendetste geistige Ausdruck ihrer eigenen Klassenverderbtheit ist. Noch ehe er Staatsmann wurde, hatte er seine Stärke im Lügen als Geschichtsschreiber gezeigt. Begierig, sich zur Schau zu stellen wie alle zwerghaften Menschen, begierig nach Amt und Unterschleif, mit unfruchtbarem Geist, aber lebhafter Phantasie, epikureisch, zweiflerisch, von enzyklopädischer Fähigkeit, die Oberfläche der Dinge zu beherrschen (sich anzueignen) und die Dinge in einen bloßen Vorwand für Gerede zu verwandeln, ein Wortfechter von seltner Begabung für Konversation, ein Schriftsteller von glänzender Flachheit, ein Meister kleiner Staatsschufterei, ein Virtuose des Meineids, ausgelernt in allen niedrigen Kriegslisten, heimtückischen Kniffen und gemeinen Treulosigkeiten des parlamentarischen Parteikampfs; mit nationalen und Klassenvorurteilen an Stelle von Ideen und mit Eitelkeit an Stelle eines Gewissens, stets bereit, einen Rivalen zu verdrängen |577| und auf das Volk zu schießen, um die Revolution zu ersticken; boshaft in der Opposition, gehässig, wenn er an der Macht ist, ohne Skrupel, Revolutionen zu provozieren, - so ist die Geschichte seines öffentlichen Lebens die Chronik der Nöte seines Landes. Während seine Zwergsarme gern im Angesicht Europas das Schwert des ersten Napoleon umherschwangen, dessen historischer Schuhputzer er geworden war, gipfelte seine auswärtige Politik stets in der äußersten Erniedrigung Frankreichs, von der Londoner Konvention von 1841 bis zur Pariser Kapitulation von 1871 und zum jetzigen Bürgerkrieg, den er unter dem Schutz der preußischen Invasion führt. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß einem solchen Menschen die tiefer liegenden Strömungen der modernen Gesellschaft ein Buch mit sieben Siegeln blieben; aber selbst die handgreiflichsten Veränderungen auf der gesellschaftlichen Oberfläche widerstrebten einem Gehirn, dessen ganze Lebenskraft in die Zunge geflüchtet war. Zum Beispiel wurde er nie müde, jede Abweichung von dem veralteten französischen Schutzzollsystem als eine Heiligtumsschändung anzuklagen; die Eisenbahnen verlachte er höhnisch als ein hirnverbranntes Blendwerk, als er Minister Louis-Philippes war; und unter Louis Bonaparte brandmarkte er jede Reform des verfaulten französischen Heerwesens als eine Entheiligung. Mit aller Beweglichkeit seines Talents und der Veränderlichkeit seiner Zielpunkte ist er ständig an die Traditionen der allerfossilsten Routine gekettet gewesen und hat sich niemals in seiner langen öffentlichen Laufhahn einer einzigen, auch nicht der geringsten Maßregel von praktischem Nutzen schuldig gemacht. Nur das Gebäude der alten Welt mag darauf stolz sein, von zwei solchen Leuten wie Napoleon dem Kleinen und dem kleinen Thiers gekrönt zu werden. Die sogenannten Errungenschaften der Kultur erscheinen in einem solchen Menschen nur als die Verfeinerung der Verderbtheit und ... |Hier ist in der Handschrift eine Lücke| des Eigennutzes.

Unter der Restauration mit den Republikanern verbündet, schmeichelte sich Thiers bei Louis-Philippe als Spion ein, und als Gefängnisgeburtshelfer spionierte er bei der Herzogin von Berry; im Mittelpunkt seiner Tätigkeit aber standen, als er zum erstenmal eine Ministerstelle erhascht hatte (1834-1835), die Niedermetzelung der aufständischen Republikaner in der rue Transnonain und die Einführung der grausamen Septembergesetze gegen die Presse.

Im März 1840 tauchte er wieder auf als Ministerpräsident und heckte den Plan der Befestigung von Paris aus. Auf den Protest der republikanischen |578| Partei gegen den heimtückischen Anschlag auf die Freiheit von Paris antwortete er:

"Wie? Sie bilden sich ein, daß Festungswerke die Freiheit gefährden könnten? Vor allem verleumden Sie jegliche Regierung, wenn Sie voraussetzen, sie könnte je versuchen, sich durch ein Bombardement von Paris aufrechtzuerhalten, ... sie wäre nach ihrem Sieg hundertmal unmöglicher als vorher."

In der Tat konnte sich keine wie auch immer beschaffene französische Regierung, außer der des Herrn Thiers selber mit seinen ticket-of-leave-Ministern und seiner Versammlung wiederkäuender Krautjunker, zu einer solchen Tat erfrechen! Und dazu in der klassischsten Form: mit einem Teil seiner Befestigungen in der Hand seiner preußischen Eroberer und Beschützer.

Als König Bomba |Ferdinand II.| sich im Januar 1848 an Palermo versuchte, erhob sich Thiers in der Kammer:

"Sie wissen, meine Herren, was in Palermo passiert: Sie alle erbeben vor Schauder" (im 'parlamentarischen' Sinn), "wenn Sie hören, daß 48 Stunden lang eine große Stadt bombardiert worden ist. Von wem? Von einem fremden Feind, in Anwendung des Kriegsrechts? Nein, meine Herren, von ihrer eignen Regierung."

(Wenn es durch ihre eigne Regierung unter den Augen und mit Duldung des auswärtigen Feindes geschehen wäre, wäre selbstverständlich alles in Ordnung gewesen.)

"Und weswegen? Weil die unglückliche Stadt (Hauptstadt) ihre Rechte forderte. Und für die Forderung ihrer Rechte erhielt sie 48 Stunden Bombardement."

(Wenn das Bombardement 4 Wochen und länger gedauert hätte, wäre alles in Ordnung gewesen.)

... "Erlauben Sie mir, an die Meinung von Europa zu appellieren. Es heißt der Menschlichkeit einen Dienst erweisen, wenn man sich erhebt und von der vielleicht größten Tribüne Europas einige Worte der Entrüstung" (jawohl! Worte!) "gegen solche Taten widerhallen läßt ... Als der Regent Espartero, der seinem Lande Dienste geleistet hatte" (was Thiers niemals tat), "Barcelona bombardieren wollte, um einen Aufstand zu unterdrücken, da gab es in allen Teilen der Welt einen allgemeinen Schrei der Entrüstung."

Nun, etwa ein Jahr später wurde dieser zartbesaitete Mann der finstere Einbläser und der wütendste Verteidiger (Apologet) des Bombardements von Rom durch die Truppen der französischen Republik unter dem Kommando des Legitimisten Oudinot.

|579| Wenige Tage vor der Februarrevolution, unwirsch ob der langen Verbannung von der Macht, wozu Guizot ihn verurteilt hatte, und in der Luft die Bewegung witternd, rief Thiers wiederum in der Deputiertenkammer aus:

"Ich gehöre zur Partei der Revolution, nicht allein in Frankreich, sondern in Europa. Ich wünsche, daß die Regierung der Revolution in den Händen gemäßigter Männer bleiben möge ... Aber sollte diese Regierung in die Hände heftiger Leute übergehen, selbst in die von Radikalen, so würde ich darum doch meine Sache nicht im Stich lassen (aufgeben). Ich werde immer zur Partei der Revolution gehören."

Die Februarrevolution kam. Statt das Ministerium Guizot durch das Ministerium Thiers zu ersetzen, wie das Männlein geträumt hatte, ersetzte die Revolution Louis-Philippe durch die Republik. Diese Revolution niederzuschlagen war Herrn Thiers' ausschließliches Geschäft von der Proklamation der Republik an bis zum coup d'état. Am ersten Tage des Sieges versteckte er sich ängstlich, vergessend, daß die Verachtung des Volkes ihn vor dessen Haß rettete. Dennoch hielt er sich, mit seinem altbekannten Mut, von der öffentlichen Bühne fern, bis nach der blutigen Zerschlagung der materiellen Kräfte des Pariser Proletariats durch den Bourgeoisrepublikaner Cavaignac. Dann war die Arena frei für die Aktion von Leuten seiner Art. Seine Stunde hatte wieder geschlagen. Er wurde der leitende Kopf der "Ordnungspartei" und ihrer "parlamentarischen Republik", jener anonymen Herrschaft, in der alle die verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klassen miteinander konspirierten zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, und gegeneinander konspirierten, jede zur Wiederherstellung ihrer eigenen Monarchie.

(Die Restauration war die Herrschaft der aristokratischen Grundbesitzer gewesen, die Julimonarchie die Herrschaft der Kapitalisten, Cavaignacs Republik die Herrschaft der "republikanischen" Fraktion der Bourgeoisie, während unter allen diesen Herrschaften die Bande hungriger Abenteurer, die die bonapartistische Partei bildete, umsonst auf die Plünderung Frankreichs gelauert hatte, die sie zu "Rettern von Ordnung und Eigentum, Familie und Religion" qualifizieren sollte.

Jene Republik war die anonyme Herrschaft der verbündeten Legitimisten, Orleanisten und Bonapartisten mit den Bourgeoisrepublikanern als Anhängsel.)

3. DIE KRAUTJUNKER-VERSAMMLUNG

|580| Wenn die Krautjunker-Versammlung, die in Bordeaux tagte, diese Regierung machte, dann hatte die "Regierung der Verteidigungsmänner" zuvor wohl dafür gesorgt, jene Versammlung zu machen. Zu diesem Zweck hatten sie Thiers auf eine Rundreise durch die Provinzen geschickt als Vorboten der kommenden Ereignisse und um die Überrumplung durch allgemeine Wahlen vorzubereiten. Thiers hatte eine Schwierigkeit zu überwinden. Ganz abgesehen davon, daß die Bonapartisten dem französischen Volk ein Greuel geworden waren, hätten sie, wenn viele von ihnen gewählt worden wären, sofort das Kaiserreich wiederhergestellt und Herrn Thiers und Co. auf eine Reise nach Cayenne geschickt. Die Orleanisten waren zu sehr verstreut, als daß sie ihre eignen Plätze und die leergewordenen Plätze der Bonapartisten hätten ausfüllen können. Daher war es unumgänglich geworden, die legitimistisch Partei zu galvanisieren. Thiers hatte keine Angst vor seiner Aufgabe. Die Legitimisten, unmöglich als Regierung des modernen Frankreichs und daher verächtlich als Nebenbuhler für Amt und Unterschleif - wer konnte als blindes Werkzeug der Konterrevolution besser geeignet sein als die Partei, deren Aktion, in Thiers' Worten, sich immer auf die drei Hilfsquellen: "auswärtige Invasion, Bürgerkrieg und Anarchie" beschränkt hatte. (Rede Thiers' in der Deputiertenkammer am 5. Januar 1833.) Eine ausgewählte Schar der durch die Revolution von 1789 expropriierten Legitimisten hatte ihre Besitztümer dadurch wiedererlangt, daß sie sich für die Bedientenstube des ersten Napoleon anwerben ließen, die Mehrheit jedoch durch die Milliardenentschädigung und die privaten Schenkungen während der Restauration. Sogar ihr Ausschluß von der Teilnahme an der aktiven Politik unter der aufeinanderfolgenden Herrschaft von Louis-Philippe und Napoleon dem Kleinen diente ihnen als Hebel für die Wiederherstellung ihres Reichtums als Grundbesitzer. Von Hof und Repräsentationskosten in Paris befreit, hatten sie in ihren Winkeln der französischen Provinz nur die goldenen Äpfel einzusammeln, die vom Baum der modernen Industrie in ihre châteaux |Herrensitze| fielen, da die Eisenbahnen den Preis für ihren Boden in die Höhe trieben, die von kapitalistischen Pächtern auf ihn angewandte Agronomie sein Produkt vermehrte und der unerschöpfliche Bedarf einer schnell angeschwollenen Sladtbevölkerung erweiterte Märkte für dieses Produkt sicherte. Dieselben sozialen Faktoren, die ihren materiellen Reichtum und ihre Bedeutung als Teilhaber jener Aktienkompanie moder- |581| ner Sklavenhalter wiederherstellten, schirmten sie gegen den Einfluß der modernen Ideen ab und gestatteten ihnen, in ländlicher Unschuld nichts zu vergessen und nichts dazuzulernen. Solche Leute gaben das bloß passive Material ab, mit dem ein Mann wie Thiers arbeiten konnte. Während er die Mission erfüllte, die ihm die Verteidigungsregierung anvertraut hatte, übervorteilte der boshafte Kobold seine Auftraggeber, indem er sich selbst jene Anzahl Wählerstimmen sicherte, die die Verteidigungsmänner aus seinen opponierenden Herren in seine sich offen zu ihm bekennenden Diener verwandeln sollte.

Nachdem so die Fallen für die Wähler gelegt worden waren, wurde das französische Volk von den Pariser capitulards plötzlich aufgefordert, innerhalb acht Tagen eine Nationalversammlung zu wählen, mit der ausschließlicher. Aufgabe, entsprechend den Bedingungen der von Bismarck diktierten Konvention vom 28. Januar über Krieg und Frieden zu entscheiden. Abgesehen von den außerordentlichen Umständen, unter denen die Wahl vor sich ging, ohne Zeit zur Überlegung, mit einer Hälfte von Frankreich unter der Herrschaft der preußischen Bajonette, mit seiner andren Hälfte im geheimen durch die Regierungsintrigen bearbeitet, mit einem von den Provinzen abgeschnittenen Paris, fühlte das französische Volk instinktiv, daß schon die Bedingungen des Waffenstillstands, den die capitulards eingegangen waren, Frankreich keine andere Wahl (Alternative) ließen, als einen Frieden à outrance |um jeden Preis|, und daß für die Bestätigung dieses Friedens die schlechtesten Leute in Frankreich gerade die besten sein würden. Daher die Krautjunker-Versammlung, die in Bordeaux das Licht der Welt erblickte.

Immerhin müssen wir unterscheiden zwischen den Orgien des alten Regimes und dem wirklichen historischen Geschäft der Krautjunker. Verwundert darüber, sich als stärkste Fraktion einer ungeheuren Majorität vorzufinden, die aus ihnen selbst und den Orleanisten bestand, mit einem Kontingent von Bourgeoisrepublikanern und einem bloßen Häufchen von Bonapartisten, glaubten sie in Wahrheit an den langerwarteten Advent ihres rückwärtsgewandten tausendjährigen Reichs. Da waren die Fersen auswärtiger Invasion, die Frankreich zu Boden traten, da war der Fall des Kaiserreichs und die Gefangenschaft eines Bonaparte, und da waren sie selber wieder. Das Rad der Geschichte hatte sich sichtlich zurückgedreht bis zu der Chambre introuvable von 1816, mit deren wütenden und leidenschaftlichen Verfluchungen der revolutionären Sintflut und ihren |582| Schrecken, mit ihrer "Enthauptung und Enthauptstadtung von Paris", mit ihrer "Dezentralisierung", die das Netz der Staatsherrschaft zerreißen sollte durch den lokalen Einfluß der châteaux, mit ihren religiösen Predigten und ihren Lehrsätzen vorsintflutlicher Politik, mit [ihrer] Adelstümelei, Geschwätzigkeit, mit ihrer angestammten Gehässigkeit gegen die sich plagenden Massen und mit ihrer œil-de-bœuf-Betrachtung der Welt. Tatsächlich hatten sie aber nur ihre Rolle als Aktionäre der "Ordnungspartei", als Monopoleigentümer der Produktionsmittel zu spielen. Von 1848 bis 1851 hatten sie nur eine Fraktion in dem Zwischenreich der "parlamentarischen Republik" zu bilden, mit dem Unterschied, daß sie damals durch ihre gebildeten und geschulten parlamentarischen Führer, die Berryer, die Falloux, die Larochejaquelein vertreten wurden, während sie jetzt in ihren ländlichen Reihen suchen mußten, so daß sie einen ganz andren Ton in die Versammlung brachten und ihre bourgeoise Wirklichkeit unter feudalen Farben versteckten. Ihre grotesken Übertreibungen (Predigten) dienen nur dazu, den Liberalismus ihrer Banditenregierung hervorzuheben. Verstrickt in eine Machtanmaßung weit über ihre Wahlmandate hinaus, existieren sie nur mit Duldung ihrer selbsternannten Herrscher. Obgleich die auswärtige Invasion von 1814 und 1815 die tödliche Waffe gewesen ist, die die bürgerlichen Emporkömmlinge gegen sie richteten, haben sie in blinder Unvernunft die Verantwortung für diese beispiellose Kapitulation Frankreichs, das ihre bürgerlichen Widersacher dem Fremden ausgeliefert haben, auf sich genommen. Und das französische Volk, erstaunt und beleidigt durch das Wiedererscheinen all der noblen Pourceaugnacs, die es längst begraben glaubte, ist sich bewußt geworden, daß es neben der Revolution des 19. Jahrhunderts, die es machen muß, noch die Revolution von 1789 zu vollenden hat, indem es diese Wiederkäuer dahin treibt, wo alles untaugliche Vieh letztlich hingehört, auf den Schindanger.

5. BEGINN DES BÜRGERKRIEGES.
DIE REVOLUTION DES 18. MÄRZ.
CLÉMENT THOMAS.
LECOMTE.
DIE VENDÔME-AFFÄRE

Die Entwaffnung von Paris hätte einfach als Notwendigkeit der konterrevolutionären Verschwörung in einer umsichtigeren, einen günstigeren Moment abwartenden Weise unternommen werden können, aber als eine |583| Klausel des dringenden Finanzvertrages mit seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft duldete sie keinen Aufschub. Daher mußte sich Thiers an einem coup d'état versuchen. Er eröffnete den Bürgerkrieg, indem er den décembriseur Vinoy an der Spitze eines Haufens Polizeisergeanten und einiger Linienregimenter auf den nächtlichen Raubzug gegen die Höhen des Montmartre ausschickte. Nachdem sein Gauneranschlag am Widerstand der Nationalgarden und an ihrer Verbrüderung mit den Soldaten gescheitert war, teilte Thiers am folgenden Tag in einem an die Mauern von Paris angeschlagenen Manifest den Nationalgarden seinen großmütigen Entschluß mit, ihnen ihre Waffen zu lassen; er zweifle nicht, sie werden sie benutzen, um sich gegen "die Rebellen" an die Regierung anzuschließen. Unter allen 300.000 Nationalgardisten entsprachen nur 300 seinem Aufruf. Die ruhmvolle Arbeiterrevolution des 18. März hatte unbestrittnen Besitz (Herrschaft) von Paris genommen.

Das Zentralkomitee, das die Verteidigung von Montmartre leitete und am frühen Morgen des 18. März als Führer der Revolution hervortrat, war weder ein Notbehelf des Augenblicks noch das Produkt geheimer Verschwörung. Von dem Tage der Kapitulation an, als die Regierung der nationalen Verteidigung Frankreich entwaffnet, sich selbst aber eine Leibwache von 40.000 Soldaten ausbedungen hatte, um Paris niederzuhalten, - von dem Tage an stand Paris auf der Wacht. Die Nationalgarde reformierte ihre Organisation und vertraute ihre Oberleitung einem Zentralkomitee an, das aus den Delegierten der einzelnen Kompanien bestand, meist Arbeitern, mit ihrer Hauptstütze in den Arbeitervorstädten, das aber bald durch die ganze Masse der Nationalgarde, ihre alten bonapartistischen Abteilungen ausgenommen, anerkannt wurde. Am Vorabend des Einmarsches der Preußen in Paris besorgte das Zentralkomitee den Transport nach Montmartre, Belleville und La Villette der von den capitulards verräterischerweise sogar in den von den Preußen zu besetzenden Stadtvierteln zurückgelassenen Kanonen und Mitrailleusen. Es versicherte sich so des Geschützes, das durch die Beiträge der Nationalgarde selbst beschafft, in der Konvention vom 28. Januar amtlich als ihr privates Eigentum anerkannt und in dieser besonderen Eigenschaft ausgenommen worden war von der allgemeinen Ablieferung der Waffen. In der ganzen Zwischenzeit vom Zusammentreten der Nationalversammlung in Bordeaux bis zum 18. März war das Zentralkomitee die Volksregierung der Hauptstadt gewesen, stark genug, um trotz der Aufreizungen der Versammlung, der Gewaltmaßregeln der Exekutive und der drohenden Truppenzusammenziehungen in seiner festen verteidigenden Haltung zu beharren.

|584| Die Revolution vom 4. September hatte die Republik wiederhergestellt. Der hartnäckige Widerstand von Paris während der Belagerung, der die Grundlage des Verteidigungskriegs in den Provinzen bildete, hatte dem fremden Eindringling die Anerkennung der Republik abgerungen, aber ihr Sinn und Zweck wurde erst durch die Revolution des 18. März offenbar, und diese Offenbarung war eine Revolution. Sie sollte die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen der Klassenherrschaft beseitigen, auf denen das System der alten Welt beruht, die das zweite Kaisertum erzeugt hatten und die ihrerseits unter seinem Schutz bis zur Fäulnis herangereift waren. Europa zuckte zusammen wie von einem elektrischen Schlag getroffen. Es schien einen Augenblick zu zweifeln, ob seine neulichen erstaunlichen Haupt-, Staats- und Kriegsaktionen irgendwelche Wirklichkeit besäßen oder ob sie nicht bloße Sinnestäuschungen einer längst verschwundenen Vergangenheit seien.

Die Niederlage, welche Vinoy durch die Nationalgarde erlitten hatte, war nur eine Abfuhr, die der von den herrschenden Klassen ausgeheckten konterrevolutionären Verschwörung erteilt wurde, aber das Volk von Paris verwandelte sofort diesen Zwischenfall seiner Selbstverteidigung in den ersten Akt einer sozialen Revolution. Die Revolution vom 4. September hatte die Republik wiederhergestellt, nachdem der Thron des Usurpators erledigt war. Der hartnäckige Widerstand von Paris während seiner Belagerung, der die Grundlage des Verteidigungskriegs in den Provinzen bildete, hatte dem fremden Eindringling die Anerkennung dieser Republik abgerungen, aber ihr wahrer Sinn und Zweck wurde erst am 18. März offenbar. Sie sollte die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen der Klassenherrschaft beseitigen, auf denen das System der alten Welt beruht, die das zweite Kaisertum erzeugt hatten und die ihrerseits unter seinem Schutz bis zur Fäulnis herangereift waren. Europa zuckte zusammen wie von einem elektrischen Schlag getroffen. Es schien einen Augenblick zu zweifeln, ob seine neulichen erstaunlichen Haupt-, Staats- und Kriegsaktionen irgendwelche Wirklichkeit besäßen und nicht die bloßen blutigen Träume einer längst verschwundenen Vergangenheit seien. Die Spuren des langen Hungers noch auf ihren Zügen, eroberte sich die Pariser Arbeiterklasse direkt unter den Augen der preußischen Bajonette mit einem Schlag den führenden Platz im Kampf für den Fortschritt usw.

In der erhabenen Begeisterung ihrer historischen Initiative setzte die Pariser Arbeiterrevolution ihre Ehre darein, das Proletariat rein zu halten von den Verbrechen, von denen die Revolution und noch mehr die Konterrevolution ihrer natürlichen Obern (Höhern) strotzt.

Clément Thomas, Lecomte etc.

|585| Aber die scheußlichen "Grausamkeiten", die diese Revolution besudelt haben?

Soweit diese Grausamkeiten, die ihr von ihren Feinden zur Last gelegt werden, nicht die bewußte Verleumdung von Versailles oder die scheußliche Ausgeburt des Preßzuavenhirns sind, beziehen sie sich nur auf zwei Tatsachen - die Hinrichtung der Generale Lecomte und Clément Thomas und die Vendôme-Affäre, die wie in ein paar Worten erledigen werden.

Einer der bezahlten Halsabschneider, die für die (verbrecherische Tat) Ausführung des nächtlichen coup de main gegen Montmartre ausgewählt worden waren, General Lecomte, hatte auf der place Pigalle seinen Truppen vom 81. Linienregiment viermal befohlen, auf einen unbewaffneten Haufen zu schießen; als die Truppen sich weigerten, schimpfte er sie wütend aus. Statt Weiber und Kinder zu erschießen, erschossen einige seiner eignen Leute ihn selbst, als er am Nachmittag des 18. März im Park des Château-Rouge gefangengenommen wurde. Die eingewurzelten Gewohnheiten, die der französischen Soldateska unter der Zucht der Feinde der Arbeiter beigebracht worden, verlieren sich selbstredend nicht in demselben Augenblick, wo diese Soldaten zu den Arbeitern übergehn. Dieselben Soldaten richteten auch Clément Thomas hin.

"General" Clément Thomas, ein malkontenter Ex-Wachtmeister, hatte sich in der letzten Zeit der Herrschaft Louis-Philippes bei dem "republikanischen" Blatt "National" anwerben lassen, wo er gleichzeitig die Posten eines Strohmanns (verantwortlicher gérant) und Duellanten ausfüllte. Nachdem die Herren vom "National" die Februarrevolution mißbraucht hatten, um sich ans Ruder zu schwindeln, verwandelten sie ihren alten Wachtmeister in einen "General". Es war dies am Vorabend der Junischlächterei, die er wie auch Jules Favre mitgeplant hatte, und bei der er eine der erbarmungslosesten Henkerrollen übernahm. Dann war es mit seiner Generalschaft plötzlich zu Ende. Er verschwindet, um erst wieder am 1. November 1870 aufzutauchen. Den Tag vorher hatte die Regierung der Verteidigung im Stadthause Blanqui, Flourens und andern Vertretern der Arbeiterklasse feierlich ihr Ehrenwort gegeben, ihre usurpierte Gewalt in die Hände einer frei gewählten Pariser Kommune niederzulegen. Sie brach natürlich ihr Ehrenwort, um die Bretonen Trochus, die an die Stelle der Korsen Louis Bonapartes getreten waren, auf das Volk loszulassen, dessen Schuld darin bestand, daß es an ihre Ehre geglaubt hatte. Herr Tamisier allein weigerte sich, seinen Namen mit einem solchen Wortbruch zu beflecken |586| und erklärte sofort seinen Rücktritt vom Oberkommando der Nationalgarde; "General" Clément Thomas wurde an seine Stelle geschoben. Während seiner ganzen Amtszeit führte er Krieg, nicht gegen die Preußen, sondern gegen die Pariser Nationalgarde; er erwies sich als unerschöpflich in Vorwänden, um ihre allgemeine Bewaffnung zu verhindern; in Anschlägen zur Desorganisation, indem er ihre bürgerlichen Elemente gegen ihre Arbeiterelemente ausspielte; er beseitigte die dem "Plan" Trochus feindlichen Offiziere und löste unter dem Brandmal der Feigheit dieselben proletarischen Bataillone auf, deren Heldenmut jetzt ihren erbittertsten Feinden Bewunderung abringt. Clément Thomas war stolz darauf, seinen alten Juni-Vorrang als persönlicher Feind des Pariser Proletariats wiedererobert zu haben. Noch einige Tage vor dem 18. März legte er dem Kriegsminister Le Flô einen neuen eigenen Plan vor zur Ausrottung "der Blüte der Pariser Kanaille". Als würde er von den Juni-Gespenstern verfolgt, konnte er es sich nicht versagen, nach Vinoys Niederlage als Privatspion auf dem Kampfplatz zu erscheinen!

Das Zentralkomitee versuchte vergebens, diese beiden Verbrecher Lecomte und Clément Thomas vor der wilden Lynchjustiz der Soldaten zu retten, für die es selbst und die Pariser Arbeiter ebenso verantwortlich waren wie die Prinzessin Alexandra für die bei ihrem Einzug in London im Gedränge zu Tode gequetschten Leute. Jules Favre schleuderte mit seinem falschem Pathos seine Flüche gegen Paris, die Mörderhöhle. Die Krautjunker-Versammlung mimte hysterische Verrenkungen von "Empfindsamkeit". Diese Leute vergossen ihre Krokodilstränen immer nur als Vorwand dafür, das Blut des Volkes zu vergießen. Es ist immer ein Lieblingstrick der Ordnungspartei gewesen, mit ehrwürdigen Leichen als Waffen im Bürgerkrieg zu manipulieren. Wie dröhnte Europa 1848 von ihrem Schrei des Entsetzens wegen der Ermordung des Erzbischofs von Paris |Affre| durch die Juni-Insurgenten, während sie durch das Zeugnis eines Augenzeugen, Herrn Jacquemet, des Vikars des Erzbischofs, ganz genau wußten, daß der Bischof von Cavaignacs eignen Soldaten erschossen worden war! Die Briefe des gegenwärtigen Erzbischofs von Paris |Darboy|, eines Mannes, in dem kein Märtyrerblut fließt, an Thiers sind durchdrungen von dem scharfsinnigen Verdacht, daß seine Versailler Freunde durchaus die Leute sind, die sich über seine drohende Hinrichtung trösten würden in dem heißen Wunsch, diese liebenswürdige Prozedur der Kommune anzuhängen! Als jedoch das "Mörder"-Geschrei seine Pflicht getan hatte, tat Thiers es |587| kaltblütig ab, indem er von der Tribüne der Nationalversammlung herab erklärte, daß der "Mord" die private Tat "ganz weniger" dunkler Individuen war.

Die "Ordnungsmänner", die Reaktionäre von Paris, die bei dem Siege des Volkes als dem Wahrzeichen der Vergeltung zitterten, waren sehr verwundert über die Handlungen, die sich von ihren eignen traditionellen Methoden, eine Niederlage des Volkes zu feiern, so seltsam unterschieden. Selbst die Polizeisergeanten fanden, statt entwaffnet und eingesperrt zu werden, die Tore von Paris weit geöffnet, um sicher nach Versailles zu entkommen, während die "Ordnungsmänner" nicht nur unbehelligt blieben, sondern man ihnen sogar erlaubte, sich wieder zu sammeln und die starken Posten mitten in Paris zu besetzen. Sie deuteten natürlich die Nachsicht des Zentralkomitees und die Großmut der bewaffneten Arbeiter als Zeichen bewußter Schwäche. Daher ihr Plan, unter der Maske einer "unbewaffneten" Demonstration das noch einmal zu versuchen, was vier Tage zuvor den Kanonen und Mitrailleusen Vinoys mißlungen war. Von den Stadtvierteln des Wohllebens setzte sich dieser Zug "feiner Herren", alle petits crevés |Stutzer| in ihren Reihen und die Stammgäste des Kaisertums, die Heeckeren, Coëtlogon, Henri de Pène etc. an ihrer Spitze, in Bewegung unter den Rufen: "Nieder mit den Mördern! Nieder mit dem Zentralkomitee! <Es lebe die Nationalversammlung!>" Sie mißhandelten und entwaffneten die Posten der Nationalgarde, auf die ihr Zug stieß. Als sie schließlich in die place Vendôme vordrangen, versuchten sie unter wüstem beleidigendem Geschrei die Nationalgarde aus ihrem Hauptquartier zu vertreiben und ihre Wachen gewaltsam zu durchbrechen. Als Antwort auf ihre Revolverschüsse wurden die regelmäßigen sommations (französisches Äquivalent für das Verlesen der englischen riot acts) an sie gemacht, die sich aber als wirkungslos erwiesen, die Angreifer zum Einhalten zu bringen. Daraufhin kommandierte der General der Nationalgarde |Bergeret| Feuer, und die Aufrührer zerstreuten sich in wilder Flucht. Zwei Nationalgarden tot, acht schwerverwundet, und die Straßen, durch die sich die Aufrührer zerstreuten (die Ausreißer flohen), mit Revolvern, Dolchen und Stockdegen bestreut, geben ein klares Zeugnis des "unbewaffneten" Charakters ihrer "friedlichen" Demonstration. Als am 13. Juni 1849 die Pariser Nationalgarde eine wirklich "unbewaffnete" Demonstration machte, um gegen den räuberischen Angriff französischer Truppen auf Rom zu protestieren, ließ Changarnier, der General der "Ordnungspartei", ihre Reihen niedersäbeln, von der Kaval- |588| lerie zertreten und niederschießen; der Belagerungszustand wurde sofort verhängt, neue Verhaftungen, neue Ächtungen, eine neue Schreckensherrschaft traten ein. Aber die "unteren Klassen" machen das anders. Die Ausreißer vom 22. März wurden weder verfolgt noch auf ihrer Flucht belästigt, noch nachher vom Untersuchungsrichter (juge d'instruction) zur Verantwortung gezogen, so daß sie zwei Tage später imstande waren, sich wieder zu einer "bewaffneten" Demonstration unter Admiral Saisset zusammenzufinden. Sogar nach dem grotesken Fehlschlag dieser ihrer zweiten Erhebung wurde ihnen wie allen anderen Bürgern von Paris gestattet, sich an der Wahlurne bei der Wahl der Kommune zu versuchen. Und als sie in dieser unblutigen Schlacht unterlagen, säuberten sie Paris schließlich von ihrer Gegenwart durch einen ungestörten Auszug, wobei sie die Kokotten, die Faulenzer und andere gefährliche Elemente der Hauptstadt mitnahmen. Die Ermordung "unbewaffneter Bürger" am 22. März ist ein Märchen, das nicht einmal Thiers und seine Krautjunker jemals auszuschlachten wagten und das sie ausschließlich der Bedientenstube der europäischen Tagespresse anvertrauten.

Wenn man an dem Verhalten des Zentralkomitees und der Pariser Arbeiter gegenüber diesen "Ordnungsmännern" vom 18. März bis zu ihrem Auszug etwas auszusetzen hätte, dann ist es ein Übermaß an Mäßigung, das an Schwäche grenzt.

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Und jetzt schaut die Kehrseite der Medaille!

Nach dem Fehlschlag ihrer nächtlichen Überrumplung von Montmartre begann die Ordnungspartei ihren regulären Feldzug gegen Paris Anfang April. Für die Eröffnung des Bürgerkriegs mit Dezembermethoden, für die kaltblütige Niedermetzelung der gefangenen Liniensoldaten und für den schändlichen Mord an unserem tapferen Freund Duval wurde Vinoy, der Ausreißer, von Thiers zum Großkreuz der Ehrenlegion ernannt! Galliffet - der Zuhälter jener Frau, so notorisch durch ihre schamlosen Maskenkostüme bei den Gelagen des zweiten Kaisertums - prahlt in einem amtlichen Manifest mit seiner feigen Ermordung von Pariser Nationalgardisten, die zusammen mit ihrem Leutnant und ihrem Hauptmann überrumpelt und verraten worden waren. Desmaret, der Gendarm, wurde dekoriert, weil er den hochherzigen und ritterlichen Flourens nach Metzgerart in Stücke zerhauen hatte; die "ermunternden" Einzelheiten seines Todes wurden von Thiers der Versammlung mit Behagen triumphierend des breiteren mitgeteilt. Mit schaurig groteskem Frohlocken eines Däumlings, der die Rolle |589| des Timur Tamerlan spielt, verweigert Thiers den "Rebellen" gegen seine Winzigkeit alle Rechte und Gepflogenheiten zivilisierter Kriegführung, sogar das Recht auf "Verbandplätze".

Als die Kommune am 7. April das Dekret über Vergeltungsmaßregeln veröffentlicht hatte, in welchem sie erklärte, daß es ihre Pflicht sei, sich gegen die kannibalischen Taten der Versailler Banditen zu schützen und Aug' um Auge, Zahn um Zahn zu verlangen, da hörte die grausame Behandlung der Gefangenen in Versailles nicht auf, von denen Thiers in einem seiner Berichte sagt:

"niemals war der betrübte Blick ehrlicher Leute auf so entwürdigte Gesichter einer entwürdigten Demokratie gefallen",

aber das Füsilieren der Gefangenen wurde eingestellt. Kaum hatten jedoch Thiers und seine Dezembergenerale gefunden, daß das Dekret der Kommune nur eine leere Drohung war, daß selbst ihre spionierenden Gendarmen, die in Paris, als Nationalgarden verkleidet, abgefangen waren, daß selbst ihre Polizeisergeanten, Träger von Sprengbomben, verschont blieben, so wurde das alte System in großem Umfang wieder angewandt und dauert bis zum heutigen Tag an. Die Nationalgardisten, die sich bei Belle-Epine einer Übermacht von berittenen Jägern ergeben hatten, wurden dann einer nach dem andern vom Rittmeister des Pelotons niedergeschossen; Häuser, in welche Pariser Soldaten und Nationalgardisten geflüchtet waren, wurden von Gendarmen umringt, mit Petroleum übergossen und in Brand gesteckt - die verkohlten Leichen wurden später von der Pariser Ambulanz fortgebracht; die Niedermetzelung von Nationalgardisten, die bei der Redoute von Moulin-Saquet infolge von Verrat in ihren Betten überrascht wurden (Föderierte schlafend in ihren Betten überrascht), die Niedermetzelung (Erschießungen) von Clamart, sofortige Erschießung von Gefangenen, die die Uniform der Linientruppen trugen - alle diese in Thiers' Bericht nachlässig mitgeteilten Großtaten sind nur einige wenige Vorfälle in dieser Sklavenhalter-Rebellion! Aber wäre es nicht lächerlich, Einzelfälle von Grausamkeit aufzuzählen angesichts dieses Bürgerkrieges, der inmitten der Ruinen Frankreichs aus den niedrigsten Beweggründen des Klasseninteresses, angesichts des Bombardements von Paris unter der Schirmherrschaft von Bismarck, unter den Augen seiner Soldaten von den Versailler Verschwörern angezettelt wurde! Die nachlässige Art, in der Thiers in den Berichten über diese Dinge spricht, verletzte selbst die wahrhaftig nicht überempfindlichen Nerven der "Times". Das alles ist jedoch "in Ordnung", wie die Spanier sagen. All die Kämpfe der herrschenden Klassen gegen die produzierenden |590| Klassen, die deren Privilegien bedrohen, sind voll der gleichen Greuel, obgleich keiner ein solches Übermaß an Menschlichkeit seitens der Unterdrückten und nur wenige eine derartige Niedrigkeit ihrer Gegner aufzuweisen haben ... Thiers hat stets an dem alten Grundsatz des fahrenden Rittertums festgehalten, daß jede Waffe erlaubt ist, wenn sie gegen den Plebejer angewandt wird.

"L'Assemblée siège paisiblement" |"Die Versammlung tagt in Frieden weiter"|, - schreibt Thiers an die Präfekten.

Der Zusammenstoß bei Belle-Epine

Der Zusammenstoß bei Belle-Epine, in der Nähe von Villejuif: Am 25. April wurden vier Nationalgardisten von einigen berittenen Jägern umzingelt, die sie aufforderten, sich zu ergeben und die Warfen niederzulegen. Da sie keinen Widerstand leisten konnten, folgten sie der Aufforderung und wurden von den Jägern unbehelligt gelassen. Etwas später kommt ihr Rittmeister, ein würdiger Offizier Galliffets, in vollem Galopp dazu, schießt die Gefangenen einen nach dem ändern mit seinem Revolver nieder und zieht dann mit seinem Trupp ab. Drei Gardisten waren tot, einer, mit Namen Scheffer, schwer verwundet, überlebt und wurde später in das Hospital von Bicêtre gebracht. Dorthin sandte die Kommune einen Ausschuß, um das Zeugnis des Sterbenden aufzunehmen, das der Ausschuß in seinem Bericht veröffentlichte. Als eines der Pariser Mitglieder der Versammlung den Kriegsminister über diesen Bericht interpellierte, erstickte das Geschrei der Krautjunker die Stimme dieses Deputierten, und sie verboten dem Minister zu antworten. Es wäre eine Beleidigung für ihr "ruhmvolles" Heer - nicht etwa Morde zu begehen, sondern davon zu sprechen.

Die Gemütsruhe, mit der diese Versammlung die Greuel des Bürgerkrieges erträgt, wird in einem der Berichte von Thiers an seine Präfekten ausgesprochen: "L'Assemblée siège paisiblement" (ist cœur leger |leichten Herzens| wie Ollivier); und die vollziehende Gewalt mit ihren ticket-of-leave-Männern zeigt durch ihre Festgelage, die von Thiers und an der Tafel deutscher Prinzen abgehalten werden, daß ihre Verdauung nicht einmal durch die Gespenster von Lecomte und Clement Thomas gestört wird.

6. DIE KOMMUNE

|591| Die Kommune war von den Arbeitern Lyons, Marseilles und Toulouses proklamiert worden, nach Sedan. Gambetta tat sein Bestes, um sie niederzuschlagen. Während der Belagerung vor. Paris waren die Immer wiederkehrenden Arbeitererhebungen - die immer wieder unter fadenscheinigen Vorwänden von Trochus Bretonen, diesen würdigen Nachfolgern der Korsen Louis-Napoleons, unterdrückt wurden - ebensoviele Versuche, die Regierung der Betrüger durch die Kommune zu ersetzen. Die Kommune, die schon damals im Bewußtsein des Proletariats stillschweigend heranreifte, war das wahre Geheimnis der Revolution vom 4. September. Daher schreckte das schläfrige Europa im ersten Morgengrauen des 18. März, nach der Niederlage der Konterrevolution, aus seinen Träumen vom preußischen Kaiserreich auf durch den Pariser Donnerruf: "Vive la Commune!" |"Es lebe die Kommune!"|

Was ist die Kommune, diese Sphinx, die den Bourgeoisverstand auf so harte Proben setzt?

In Ihrer einfachsten Konzeption [ist sie] die Form, in der die Arbeiterklasse in ihren gesellschaftlichen Schwerpunkten, in Paris und den anderen Industriezentren, die politische Macht ergreift.

In seiner Proklamation vom 20. März sagte das Zentralkomitee:

"Die Proletarier der Hauptstadt haben, inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, begriffen, daß die Stunde geschlagen hatte, wo sie die Lage retten müssen, dadurch, daß sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eignen Hände nehmen ... Sie haben begriffen, daß es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht war, ihr eignes Geschick in ihre eignen Hände zu nehmen und die politische Macht" (Staatsmacht) "zu ergreifen."

Aber das Proletariat kann nicht, wie es die herrschenden Klassen und ihre verschiedenen konkurrierenden Fraktionen nach ihrem Sieg getan haben, den bestehenden Staatskörper einfach in Besitz nehmen und diese fertige Staatsmaschine für seine eigenen Zwecke In Bewegung setzen. Die erste Bedingung für die Erhaltung seiner politischen Macht ist, diese herkömmliche Arbeitsmaschinerie umzuwandeln und als ein Werkzeug der Klassenherrschaft zu zerstören. Diese ungeheure Regierungsmaschine, die den eigentlichen Gesellschaftskörper wie eine Boa constrictor mit dem allgegenwärtigen Netz einer stehenden Armee, einer hierarchischen Bürokratie, einer willfährigen Polizei, der Geistlichkeit und eines servilen Richter -|592| stands umklammert, wurde zuerst in den Zeiten der "absoluten Monarchie als Waffe der entstehenden Bourgeoisgesellschaft in ihren Kämpfen um die Emanzipation vom Feudalismus geschmiedet. Die erste französische Revolution mit ihrer Aufgabe, der freien Entwicklung der modernen Bourgeoisgesellschaft vollen Spielraum zu geben, mußte alle lokalen, territorialen, städtischen und provinziellen Zwingburgen des Feudalismus hinwegfegen und bereitete so gleichzeitig den gesellschaftlichen Boden für den Überbau einer zentralisierten Staatsmacht mit allgegenwärtigen Organen, die sich nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit verzweigen.

Aber die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihren eignen Zweck in Bewegung setzen. Das politische Werkzeug ihrer Versklavung kann nicht als politisches Werkzeug ihrer Befreiung dienen.

Der moderne bürgerliche Staat ist in zwei wichtigen Organen verkörpert, dem Parlament und der Regierung. Die Allmacht des Parlaments hatte während der Periode der Republik der Ordnungspartei, von 1848 bis 1851, ihre eigne Negation hervorgebracht - das zweite Kaisertum -, und das Regime des Kaisertums mit seiner bloßen Posse eines Parlaments, das ist jenes Regime, das jetzt in den meisten großen Militärstaaten des Kontinents in Blüte steht. Die usurpatorische Diktatur des Regierungsapparats, die auf den ersten Blick den Anschein erweckt, daß sie über der Gesellschaft selbst steht, daß sie sich in gleicher Weise über alle Klassen erhebt und alle in gleicher Weise demütigt, ist in Wirklichkeit - wenigstens auf dem europäischen Kontinent - die einzig mögliche Staatsform geworden, in der die aneignende Klasse weiter über die hervorbringende Klasse herrschen kann. Die Versammlung der Geister aller dahingeschiedenen französischen Parlamente, die noch in Versailles spukt, besitzt keine andere reale Kraft, außer der Regierungsmaschine, wie sie vom zweiten Kaisertum geformt wurde.

Der ungeheure Regierungsparasit, der den Gesellschaftskörper mit dem allgegenwärtigen Netz seiner Bürokratie, seiner Polizei, seiner stehenden Armee, seiner Geistlichkeit und seines Richterstands wie eine Boa constrictor umklammert, datiert seine Geburt aus den Zeiten der absoluten Monarchie. Die zentralisierte Staatsmacht hatte zu jener Zeit der entstehenden Bourgeoisgesellschaft als eine mächtige Waffe in ihren Kämpfen um die Emanzipation vom Feudalismus zu dienen. Die französische Revolution des 18. Jahrhunderts, mit ihrer Aufgabe, den mittelalterlichen Schutt grundherrlicher, lokaler, städtischer und provinzieller Vorrechte wegzufegen, mußte auch gleichzeitig den gesellschaftlichen Boden von den letzten Hin- |593| dernissen reinigen, die die volle Entwicklung einer zentralisierten Staatsmacht mit allgegenwärtigen Organen, geschaffen nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit, hemmten. Solcherart trat sie ins Leben unter dem ersten Kaisertum, das selbst wieder erzeugt worden war durch die Koalitionskriege des alten halbfeudalen Europas gegen das moderne Frankreich. Während der nachfolgenden parlamentarischen Herrschaftsformen - der Restauration, der Julimonarchie und der Republik der Ordnungspartei - wurde die oberste Leitung jener Staatsmaschinerie vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellenvergebung einerseits der Zankapfel für die konkurrierenden Fraktionen der herrschenden Klasse; andererseits ging in demselben Maße, wie der ökonomische Fortschritt der modernen Gesellschaft die Reihen der Arbeiterklasse anwachsen ließ, ihr Elend anhäufte, ihren Widerstand organisierte und ihr Streben nach Emanzipation entwickelte, mit einem Wort, wie der moderne Klassenkampf, der Kampf zwischen Arbeit und Kapital, Form und Gestalt annahm, mit der Physiognomie und dem Charakter der Staatsmacht eine auffallende Veränderung vor sich. Die Staatsmacht war immer die Macht zur Behauptung der Ordnung, das heißt der bestehenden Gesellschaftsordnung und daher der Unterordnung und Exploitation der produzierenden Klasse durch die aneignende Klasse gewesen. Aber solange diese Ordnung als unbestreitbare und unumstrittene Notwendigkeit hingenommen wurde, konnte sich die Staatsmacht einen Anschein von Unparteilichkeit geben. Sie hielt die bestehende Unterordnung der Klassen als unveränderliche Ordnung der Dinge und gesellschaftliche Tatsache aufrecht, die seitens der Massen ohne Kampf ertragen und von ihren "natürlichen Obern" ohne Besorgnis ausgeübt wurde. Mit dem Eintritt der Gesellschaft selbst in eine neue Phase, die Phase des Klassenkampfes, mußte sich der Charakter ihrer organisierten öffentlichen Gewalt, der Staatsmacht, ebenfalls verändern (ebenfalls eine bestimmte Veränderung durchmachen) und mehr und mehr ihren Charakter als Werkzeug der Klassenherrschaft entwickeln, als die politische Maschine, die die Unterdrückung der Hervorbringer des Reichtums durch seine Aneigner, die ökonomische Herrschaft des Kapitals über die Arbeit mit Hilfe von Gewalt verewigt. Nach jeder neuen Volksrevolution, die die Leitung der Staatsmaschine von einer Gruppe der herrschenden Klassen auf eine andere übertrug, wurde der unterdrückende Charakter der Staatsmacht stärker entwickelt und rücksichtsloser gebraucht, weil die von der Revolution gegebenen und wie es scheint gesicherten Versprechungen nur durch Anwendung von Gewalt gebrochen werden konnten. Außerdem |594| sanktionierte die durch die aufeinanderfolgenden Revolutionen bewirkte Veränderung die soziale Tatsache, die wachsende Macht des Kapitals, nur politisch, und übertrug daher die Staatsmacht selbst mehr und mehr unmittelbar in die Hände der direkten Gegner der Arbeiterklasse. So übertrug die Julirevolution die Macht aus den Händen der Grundbesitzer in die der großen Fabrikanten (der großen Kapitalisten) und die Februarrevolution in die der vereinigten Fraktionen der herrschenden Klasse, vereinigt in ihrem Gegensatz zur Arbeiterklasse, vereinigt als "Partei der Ordnung", der Ordnung ihrer eigenen Klassenherrschaft. In der Zeit der parlamentarischen Republik wurde die Staatsmacht schließlich das unverhohlne Werkzeug des Krieges, den die aneignende Klasse gegen die produzierenden Volksmassen führt. Aber als unverhohlnes Werkzeug des Bürgerkriegs konnte sie nur in einer Zeit des Bürgerkriegs benutzt werden, und die Lebensbedingung der parlamentarischen Republik war daher die Verlängerung des offen erklärten Bürgerkriegs, die Negation eben der "Ordnung", in deren Namen der Bürgerkrieg geführt wurde. Das konnte nur ein krampfartiger, ein Ausnahmezustand der Dinge sein. Er war unmöglich als normale politische Form der Gesellschaft, unerträglich sogar für die Massen der Bourgeoisie. Als daher alle Elemente des Volkswiderstandes zerbrochen waren, mußte die parlamentarische Republik dem zweiten Kaisertum weichen (ihm Platz machen).

Das Kaisertum, das vorgab, sich auf die produzierende Mehrheit der Nation - auf die Bauern - zu stützen, die anscheinend außerhalb des Klassenkampfes zwischen Kapital und Arbeit stehen (den beiden kämpfenden gesellschaftlichen Kräften gleichgültig und feindlich gegenüberstehen), das die Staatsmacht als eine scheinbar über den herrschenden wie den beherrschten Klassen stehende Gewalt ausnutzte, das beiden einen Waffenstillstand auferlegte (die politische und darum revolutionäre Form des Klassenkampfes zum Schweigen brachte), das die Staatsmacht ihrer offenen Form des Klassendespotismus durch Zerbrechen der parlamentarischen Macht, das heißt der direkten politischen Macht der aneignenden Klassen beraubte, - dieses Kaisertum war die einzig mögliche Staatsform, die der alten gesellschaftlichen Ordnung eine Galgenfrist sichern konnte. Die ganze Welt jauchzte ihm daher zu als dem "Retter der Ordnung", und es war 20 Jahre lang Gegenstand der Bewunderung der Möchtegern-Sklavenhalter in der ganzen Welt. Unter seiner Herrschaft, die zusammenfiel mit der auf dem Weltmarkt durch Kalifornien, Australien und die erstaunliche Entwicklung der Vereinigten Staaten hervorgebrachten Veränderung, setzte eine noch nie dagewesene Periode industrieller Aktivität ein, eine Orgie der |595| Börsenspekulation, Finanzschwindel, Abenteurertum der Aktienkompanien - was alles zur rapiden Zentralisation des Kapitals durch Expropriation der Mittelschicht führte und die Kluft zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse erweiterte. Die ganze Schändlichkeit des kapitalistischen Regimes, dessen innewohnender Tendenz voller Spielraum gegeben war, brach ungehemmt hervor. Gleichzeitig eine Orgie schwelgerischer Ausschweifung, überladnen Prunks, ein Pandämonium aller niedern Leidenschaften der "obern Klassen". Diese schließliche Form der Regierungsmacht war zugleich ihre prostituierteste, eine schamlose Plünderung von Staatsgeldern durch eine Bande von Abenteurern, ein Treibhaus für kolossale Staatsschulden, die Glorie der Prostitution, ein gekünsteltes Leben voller Vorspiegelungen falscher Tatsachen. Die Regierungsmacht mit all ihrem Flitter von oben bis unten im Sumpf erstickend. Der Reifegrad der Verrottung der Staatsmaschine selbst und die Fäulnis des ganzen Gesellschaftskörpers, der unter diesem Regime blühte, wurde bloßgelegt durch die Bajonette Preußens, das selbst vor Begierde brannte, den europäischen Sitz dieses Regimes von Gold, Blut und Schmutz von Paris nach Berlin zu verlegen.

Das war die Staatsmacht in ihrer schließlichen und prostituiertesten Form, in ihrer höchsten und gemeinsten Wirklichkeit, die die Pariser Arbeiterklasse zu überwinden hatte, und von der nur diese Klasse die Gesellschaft befreien konnte. Was den Parlamentarismus betrifft, so war er durch seinen eignen Triumph und durch das Kaisertum umgebracht worden. Alles, was die Arbeiterklasse zu tun hatte, war, ihn nicht wieder ins Leben zu rufen.

Was die Arbeiter zu zerbrechen hatten, war nicht eine mehr oder weniger unvollständige Form der Regierungsmacht der alten Gesellschaft, es war diese Macht selbst in ihrer schließlichen und erschöpfenden Form - das Kaisertum. Der gerade Gegensatz des Kaisertums war die Kommune.

In ihrer einfachsten Konzeption bedeutete die Kommune die einleitende Zerstörung der alten Regierungsmaschine in ihren zentralen Sitzen, in Paris und den andern großen Städten Frankreichs, und ihre Ersetzung durch wirkliche Selbstregierung, die in Paris und den großen Städten, den gesellschaftlichen Schwerpunkten der Arbeiterklasse, die Regierung der Arbeiterklasse war. Durch die Belagerung war Paris die Armee losgeworden, die durch eine hauptsächlich aus Pariser Arbeitern bestehende Nationalgarde ersetzt wurde. Nur dank dieser Lage der Dinge war die Erhebung des 18. März möglich geworden. Diese Tatsache galt es zu einer bleibenden Einrichtung zu machen und das stehende Heer, welches die Regierung gegen das Volk verteidigt, durch die Nationalgarde der großen Städte, das |596| heißt durch das gegen Regierungsusurpation bewaffnete Volk, zu ersetzen. Die Kommune sollte aus den Stadträten der verschiedenen Arrondissements bestehen (da Paris Initiator der Kommune war und zum Muster diente, müssen wir uns auf Paris beziehen), die durch Stimmrecht aller Bürger gewählt, verantwortlich und jederzeit absetzbar waren. Die Mehrzahl dieser Körperschaft würde selbstredend aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse bestehen. Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. Die Polizeibeamten sollten, statt Werkzeuge einer Zentralregierung, Diener der Kommune sein, die wie die Beamten aller andern Verwaltungszweige von der Kommune ernannt werden und jederzeit absetzbar sein mußten; alle Beamten sollten ebenso wie die Mitglieder der Kommune ihre Arbeit für Arbeiterlohn verrichten. Die Richter sollten ebenfalls gewählt, absetzbar und verantwortlich sein. Die Initiative in allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens sollte der Kommune vorbehalten sein. Mit einem Wort, alle öffentlichen Funktionen, sogar die wenigen, die zur Zentralregierung gehören würden, sollten durch kommunale Beamte und daher unter Kontrolle der Kommune ausgeführt werden. Eine der Absurditäten besteht darin, zu behaupten, daß die zentralen Funktionen - nicht die Funktionen der Regierungsgewalt über das Volk, sondern die Funktionen, die durch die lebenswichtigen und allgemeinen Bedürfnisse des Landes erforderlich werden - unmöglich würden. Diese Funktionen würden bestehen, aber die Beamten selbst könnten sich nicht, wie in der alten Regierungsmaschinerie, über die wirkliche Gesellschaft erheben, weil diese Funktionen von kommunalen Beamten und daher stets unter wirklicher Kontrolle auszuführen wären, Die öffentlichen Ämter würden aufhören, ein Privateigentum zu sein, das von einer Zentralregierung an ihre Handlanger verliehen wird. Das stehende Heer und die Regierungspolizei, die Werkzeuge der materiellen Unterdrückung, sollten beseitigt werden. Durch die Auflösung aller Kirchen als besitzende Körperschaften und die Verbannung des Religionsunterrichts aus allen öffentlichen Schulen (zusammen mit der Einführung unentgeltlichen Unterrichts) in die Stille des Privatlebens, um dort von den Almosen der Gläubigen zu leben, durch die Befreiung sämtlicher Unterrichtsanstalten von der Bevormundung und Knechtung der Regierung sollte das geistige Unterdrückungswerkzeug gebrochen werden und die Wissenschaft nicht nur allen zugänglich gemacht, sondern auch von den Fesseln des Regierungsdrucks und des Klassenvorurteils befreit werden. Die Gemeindesteuer sollte von der Kommune bestimmt und erhoben werden, die Steuern für allgemeine staatliche |597| Zwecke von kommunalen Beamten erhoben und von der Kommune selbst für allgemeine Zwecke verausgabt (ihre Auszahlung für allgemeine Zwecke von der Kommune selbst kontrolliert) werden.

Das Unterdrückungswerkzeug der Regierung und die Gewalt über die Gesellschaft sollte so durch die Beseitigung ihrer bloß unterdrückenden Organe gebrochen werden; und wo sie berechtigte Funktionen zu erfüllen hatte, sollten diese Funktionen nicht von einer über der Gesellschaft stehenden Körperschaft, sondern von den verantwortlichen Dienern dieser Gesellschaft ausgeübt werden.

7. SCHLUSS |Schluß: in der Handschrift deutsch|

Dem kämpfenden, arbeitenden, denkenden Paris, aufgerüttelt von der Begeisterung seiner geschichtlichen Initiative, dem Paris voller heroischer Wirklichkeit, dieser neuen Gesellschaft in ihren Geburtswehen, steht die alte Gesellschaft in Versailles gegenüber, die Welt des traditionellen Trugs und der schmutzigsten Lügen. Ihre wahre Vertreterin ist jene Krautjunker-Versammlung , voll gepfropft mit schwatzenden Ghuls aller verstorbenen Regimes, in denen sich die Klassenherrschaft in Frankreich nacheinander verkörpert hatte; an ihrer Spitze - ein bejahrter Pickelhäring des Parlamentarismus; ihr Säbel - in den Händen der bonapartistischen capitulards, die Paris unter den Augen ihrer preußischen Eroberer bombardieren.

Die unermeßlichen Ruinen, mit denen beim Sturz des Zweiten Kaiserreichs ganz Frankreich bedeckt war, sind für sie nur eine Gelegenheit, den Schutt älterer Ruinen, des Legitimismus und des Orleanismus, auszugraben und an die Oberfläche zu werfen.

Die Flamme des Lebens soll in einer Atmosphäre der Verwesung aller vergangnen Emigrationen brennen. (Die Luft, die sie atmen, ist der Verwesungsgeruch aller vergangnen Emigrationen.)

An ihnen ist nichts Echtes, außer ihrer gemeinsamen Verschwörung gegen das Leben, ihren eigennützigen Klasseninteressen, ihrem Wunsch, vom Leichnam der französischen Gesellschaft zu zehren, außer ihren gemeinsamen Sklavenhalter-Interessen, ihrem Haß auf die Gegenwart und ihrem Krieg gegen Paris.

Alles an ihnen ist Karikatur, angefangen von jenem alten Fossil aus der Zeit von Louis-Philippes Regime, dem Grafen Jaubert, der in der National- |598| versammlung, im Palast Ludwigs XIV., ausrief: "Wir sind der Staat" ("Der Staat sind wir") (tatsächlich sind sie das Gespenst des Staates, des von der Gesellschaft getrennten), bis zu den vor Thiers scharwenzelnden Republikanern, die ihre Versammlungen im Jeu de Paume (Ballspielhaus) abhalten, um ihre Verkommenheit im Vergleich zu ihren Vorgängern von 1789 zu demonstrieren.

An ihrer Spitze Thiers, die überwältigende Mehrheit in zwei Gruppen - die Legitimisten und die Orleanisten - gespalten, im Schwanz die Republikaner "alten Stils". Jede von diesen Fraktionen intrigiert für ihre eigne Restauration; die Republikaner für die Restauration der parlamentarischen Republik - wobei sie ihre Hoffnungen auf die senile Eitelkeit von Thiers setzen, inzwischen jedoch die republikanische Dekoration für seine Herrschaft bilden und durch ihre Anwesenheit den Krieg der bonapartistischen Generale gegen Paris sanktionieren, nachdem sie versucht haben, es in die Arme von Thiers zu locken und es unter Saisset zu entwaffnen! Diese Ritter von der traurigen Gestalt! Die Demütigungen, die sie freiwillig hinnehmen, [zeigen,] wie weit der Republikanismus als eine besondere Form der Klassenherrschaft heruntergekommen ist. Sie meinte Thiers, als er vor den versammelten Maires des Seine-et-Oise-Departements fragte, was sie eigentlich noch wollen: "Stehe denn nicht er, ein einfacher Bürger, an der Spitze des Staates?" Der Fortschritt von 1830 bis 1870 besteht darin, daß damals Louis-Philippe die beste der Republiken war, und heute Louis-Philippes Minister, der kleine Thiers selbst, die beste der Republiken ist.

Dazu gezwungen, ihre eigentliche Sache - den Krieg gegen Paris - mit Hilfe der bonapartistischen Soldaten, Gendarmen und der Polizei, unter dem Kommando der verabschiedeten bonapartistischen Generale zu verrichten, zittern sie vor Angst bei dem Verdacht, daß sie - wie unter ihrem Regime von 1848 bis 1851 - nur das Werkzeug für eine zweite Restauration des Kaisertums schmieden. Die päpstlichen Zuaven, die Vendéer Cathelineaus und die Bretonen Charettes - das ist in Wirklichkeit ihre "parlamentarische" Armee, bloße Wahngebilde einer Armee im Vergleich zur Wirklichkeit des Kaisertums. Während sie schon bei dem Wort Republik in Wut geraten, nehmen sie in deren Namen Bismarcks Diktate an, vergeuden sie in deren Namen die Reste des Reichtums von Frankreich für den Bürgerkrieg, diffamieren sie in deren Namen Paris, bereiten sie in deren Namen Gesetze für eine künftige Ächtung der Rebellen vor und usurpieren in deren Namen die diktatorische Gewalt über Frankreich.

Ihr Rechtstitel ist das allgemeine Stimmrecht, gegen das sie unter ihren eignen Regimes von 1815 bis 1848 stets gekämpft und das sie im Mai 1850 |599| abgeschafft hatten, nachdem es von der Republik trotz ihres Widerstands eingeführt worden war, und das sie jetzt als Hure des Kaisertums hinnehmen, vergessend, daß sie mit ihm das Kaisertum der Plebiszite hinnehmen! Sie selbst sind unmöglich, auch mit dem allgemeinen Stimmrecht.

Sie werfen Paris vor, es revoltiere gegen die nationale Einheit, und ihr erstes Wort war die Enthauptung dieser Einheit durch die Enthauptstadtung von Paris. Paris hat das getan, was sie vorgaben zu wollen, aber es hat es nicht so getan, wie sie es wollten - als reaktionären Traum der Vergangenheit -, sondern als revolutionäre Behauptung der Zukunft. Thiers, der Chauvinist, droht Paris seit dem 18. März mit der "Intervention Preußens", in Bordeaux verlangte er die "Intervention Preußens" und gegen Paris geht er faktisch nur mit den Mitteln vor, die ihm Preußen zugestanden hat. Die Bourbonen waren die Würde selbst im Vergleich zu diesem Pickelhäring des Chauvinismus.

Wie immer der Name ihrer Restauration - im Falle ihres Sieges - sein mag, welch erfolgreicher Prätendent auch immer an ihrer Spitze stehen mag, ihre Wirklichkeit kann nur das Kaisertum sein, die schließliche und unumgängliche politische Herrschaftsform dieser verrotteten Klassen. Wenn es ihnen gelingt, es wiederherzustellen - und wenn irgendeiner ihrer Restaurationspläne Erfolg hat, müssen sie es wiederherstellen -, so können sie nur die Fäulnis der von ihnen vertretenen alten Gesellschaft und das Reifen der neuen Gesellschaft, die sie bekämpfen, beschleunigen. Ihre trüben Augen sehen nur die politische Fassade der verstorbenen Regimes, und sie träumen davon, sie wiederzubeleben, indem sie einen Heinrich V. oder den Grafen von Paris an ihre Spitze stellen. Sie sehen nicht, daß die Gesellschaftskörper, die diese politischen Überbauten trugen, vergangen sind, daß diese Regimes nur möglich waren in den verflossenen Phasen der Entwicklung der französischen Gesellschaft, unter heute schon überholten Bedingungen; und daß diese Gesellschaft in ihrem Verwesungszustand nur noch das Kaisertum - und in ihrem Erneuerungszustand die Republik der Arbeit zulassen kann. Sie verstehen nicht, daß die Zyklen der politischen Formen nur der politische Ausdruck der wirklichen in der Gesellschaft vor sich gegangenen Veränderungen waren.

Die Preußen, die im lärmenden Siegestaumel den Todeskrämpfen der französischen Gesellschaft zuschauen und sie mit der schmutzigen Berechnung eines Shylocks und der unverschämten Roheit der Krautjunker |Krautjunker: in der Handschrift deutsch| ausbeuten, sind selbst bereits gestraft durch die Verpflanzung des Kaisertums |600| auf deutschen Boden. Sie selbst sind dazu verurteilt, in Frankreich die unterirdischen Kräfte freizusetzen, von denen sie zusammen mit der alten Ordnung der Dinge verschlungen werden. Die Pariser Kommune mag fallen, aber die Soziale Revolution, die sie eingeleitet hat, wird triumphieren. Ihre Geburtsstätte ist überall.

[FRAGMENTE]

Die Lügen in Thiers' Berichten

Der ungeheure Trug jenes Versailles, sein verlogenes Wesen konnte nicht besser verkörpert und zusammengefaßt werden als in Thiers, dem professionellen Lügner, für den die "Wirklichkeit der Dinge" nur in ihrem "parlamentarischen Sinn", das heißt als Lüge, existiert.

In seiner Antwort auf den Brief des Erzbischofs leugnet er kaltschnäuzig "die angeblichen Exekutionen und Repressalien (!), die den Versailler Truppen zugeschrieben werden" und läßt diese schamlose Lüge durch eine Kommission bestätigen, die zu eben diesem Zweck von seinen Krautjunkern eingesetzt wird. Er kennt natürlich die triumphierenden Bekanntmachungen darüber, die von den bonapartistischen Generalen selber herausgegeben werden. Aber im "parlamentarischen Sinn" des Wortes existieren sie nicht.

In seinem Rundschreiben vom 16. April über die Beschießung von Paris:

"Wenn einige Kanonenschüsse gefallen sind, so geschah das nicht durch die Versailler Armee, sondern durch einige Insurgenten, die glauben machen wollen, sie schlügen sich, wo sie sich doch nirgends zu zeigen wagen."

Natürlich, Paris bombardiert sich selbst, um die Welt glauben zu machen, es kämpfe!

Später: <"Unsere Artillerie bombardiert nicht, sie kanoniert bloß.">

Thiers' Bulletin über Moulin-Saquet (4. Mai): <"Befreiung von Paris von den scheußlichen Tyrannen, die es bedrücken"> (dadurch, daß man die Pariser Nationalgardisten im Schlaf niedermetzelt).

Den buntscheckigen Haufen von einer Armee - den Abschaum der bonapartistischen Soldateska, von Bismarcks Gnaden aus der Gefangenschaft losgelassen, mit Valentins Gendarmen und Piétris Polizeisergeanten als Kerntrupp, mit den päpstlichen Zuaven, den Chouans Charettes und den Vendéern Cathelineaus als Dekor, das Ganze den ausgerissenen Dezembergeneralen der Kapitulation unterstellt - nennt er "die schönste Armee, |601| die Frankreich je gehabt". Und wenn die Preußen noch immer in St. Denis sitzen, so nur deshalb, weil Thiers sie durch den Anblick dieser "schönsten aller schönen Armeen" schrecken will.

Wenn so die "schönste Armee" aussieht, dann ist der Anachronismus von Versailles "die liberalste und freiestgewählte Versammlung, die es in Frankreich je gegeben hat". Thiers setzt seiner Überspanntheit die Krone auf, indem er den Maires usw. erzählt, daß "er ein Mann ist, der sein Wort nie gebrochen hat"; selbstverständlich hat er sein Wort - im parlamentarischen Sinn - gehalten.

Er ist der wahrste der Republikaner und <"Die Versammlung ist liberaler als er selbst." (Sitzung> vom 27. April.)

An die Maires: <"Sie können sich auf mein Wort verlassen, das ich nie gebrochen habe") - das heißt im nichtparlamentarischen Sinn: das ich nie gehalten habe. <"Die Versammlung ist eine der liberalsten, die es in Frankreich je gegeben hat.")

Er vergleicht sich mit Lincoln und die Pariser mit den rebellischen Sklavenhaltern des Südens. Die Leute aus den Südstaaten wollten die territoriale Trennung von den Vereinigten Staaten - im Interesse der Versklavung der Arbeit. Paris will gerade die Trennung des Herrn Thiers und der von ihm vertretenen Interessen von der Macht - im Interesse der Befreiung der Arbeit.

Die Rache, welche die bonapartistischen Generale, die Gendarmen und Chouans an Paris üben, ist im Klassenkrieg gegen die Arbeit unausbleiblich, aber in der kleinen Nebenkomödie seiner Berichte verwandelt Thiers sie in einen Vorwand, um sein Idol, den ersten Napoleon zu karikieren und macht sich zum Gespött Europas mit seiner dreisten Versicherung, daß die französische Armee durch ihren Krieg gegen die Pariser das Ansehen wiedergewonnen hat, das sie im Krieg gegen die Preußen verloren hatte. Der ganze Krieg erscheint so als bloßes Kinderspiel, damit ein Zwerg, der darüber entzückt ist, daß er seine eignen, von seiner eignen Armee unter seinem eignen geheimen Oberkommando ausgefochtenen Schlachten zu beschreiben hat, seiner kindlichen Eitelkeit freien Lauf lassen kann.

Und seine Lügen erreichen den Höhepunkt, wenn es um Paris und die Provinzen geht.

Paris, das in Wirklichkeit seit zwei Monaten "die schönste Armee, die Frankreich je gehabt", trotz der geheimen Hilfe der Preußen in Schach hält, sehnt sich in der Tat nur danach, daß Thiers es von seinen "scheuß- |602| lichen Tyrannen" befreit, und daher kämpft es gegen ihn, obwohl es nur aus einer Handvoll Verbrechern besteht.

Thiers wird nicht müde, die Kommune als eine Handvoll von Sträflingen, ticket-of-leave-men, als Abschaum hinzustellen. Paris kämpft gegen ihn, weil es durch ihn von "den affreux |scheußlichen| Tyrannen, die es bedrücken", befreit werden will. Und diese "Handvoll" Desperados hält seit zwei Monaten die vom unbesiegbaren Mac-Mahon geführte und von Thiers' napoleonischem Genius beflügelte "schönste Armee, die Frankreich je gehabt", in Schach!

Der Widerstand von Paris sei also keine Realität, aber Thiers' Lügen über Paris sind eine.

Nicht zufrieden damit, Thiers durch ihre Taten zu widerlegen, haben alle lebenskräftigen Schichten von Paris zu ihm gesprochen, um ihn aus seiner Lügenwelt herauszuholen - aber vergeblich.

"Man darf die Pariser Bewegung keineswegs mit der Überrumplung von Montmartre verwechseln, die nur ihr Anlaß und Ausgangspunkt war: diese Bewegung ist allgemein und wurzelt tief im Bewußtsein von Paris; sogar der größte Teil derer, die sich aus dem einen oder andern Grund fernhalten (abseits stehen), verneinen durchaus nicht deren soziale Rechtmäßigkeit."

Wer sagte ihm das? Die Delegierten der Syndikatskammern, die im Namen von 7-8.000 Kaufleuten und Industriellen sprechen. Sie gingen nach Versailles, um es ihm persönlich zu sagen. Ebenso die Liga der republikanischen Union, ebenso die Freimaurerlogen durch ihre Delegierten und ihre Demonstrationen. Er aber bleibt dabei.

In seinem Bericht über Moulin-Saquet (4. Mai):

"300 Gefangene gemacht ... der Rest der Insurgenten ist gelaufen, <was er laufen konnte, 150 Tote und Verwundete auf dem Schlachtfeld zurücklassend ... Das ist der Sieg, den die Kommune in ihren Berichten feiern kann. Paris wird in kurzem befreit sein von seinen schrecklichen Tyrannen, die es bedrücken>."

Aber das kämpfende Paris, das wirkliche Paris ist nicht sein Paris. Sein Paris an sich ist eine parlamentarische Lüge. "Das reiche, das faulenzende, das kapitalistische Paris", das kosmopolitische Bordell, das ist sein Paris, das ist das Paris, das ihn zurückhaben will. Das wirkliche Paris ist das Paris der "vile multitude" |"schoflen Menge"|. Das Paris, das seinen Mut bei der "friedlichen Kundgebung" und Saissets wilder Flucht zeigte, das sich jetzt in Versailles, in Rueil, in Saint-Denis und Saint-Germain-en-Laye drängt, gefolgt von den Kokotten, die an den "Männern der Familie, der Religion, der Ord- |603| nung" und vor allem "des Eigentums" hängen, das Paris der müßigen Klassen, das Paris der francs-fileurs, die sich damit belustigen, die Kämpfe durchs Fernglas zu betrachten, das den Bürgerkrieg nur als ein angenehmes Zwischenspiel empfindet, - das ist das Paris des Herrn Thiers, ganz wie die Emigration von Koblenz das Frankreich des Herrn de Calonne war und wie die Emigration von Versailles das Frankreich des Herrn Thiers ist.

Wie das Paris, das durch Thiers, seine Krautjunker, décembriseurs und Gendarmen von der Kommune befreit werden will, eine Lüge ist, ebenso auch seine "Provinz", die durch ihn und seine Krautjunker von Paris befreit werden will.

Vor dem endgültigen Abschluß des Friedensvertrags in Frankfurt forderte er die Provinzen auf, ihre Bataillone der Nationalgarden und Freiwilligen nach Versailles zum Kampf gegen Paris zu schicken. Die Provinz weigerte sich rundweg. Nur die Bretagne sandte eine Handvoll Chouans, "die unter der weißen Fahne fochten, jeder mit dem Herzen Jesu in weißem Linnen auf der Brust, und deren Schlachtruf war: 'Vive le roi!'" Frankreichs Provinz hört so auf seine Aufforderungen, daß er gezwungen ist, sich gefangene französische Truppen von Bismarck auszuborgen, sich der päpstlichen Zuaven zu versichern (der wirklichen bewaffneten Vertreter seines Provinzfrankreichs) und 20.000 Gendarmen sowie 12.000 Polizeisergeanten zum Kern seiner Armee zu machen.

Trotz der Lügenmauer, der geistigen und polizeilichen Blockade, durch die er Paris von den Provinzen abzuzäunen (zu trennen) versuchte, überschwemmten ihn die Provinzen, statt ihm Bataillone für seinen Krieg gegen Paris zu schicken, mit so vielen Abordnungen, die auf Friedensschluß mit Paris bestanden, daß er sich weigerte, sie weiter persönlich zu empfangen. Der Ton der von den Provinzen gesandten Adressen, von denen die meisten den sofortigen Abschluß eines Waffenstillstands mit Paris, die Auflösung der Versammlung, "weil ihr Mandat abgelaufen ist", und die Gewährung der von Paris geforderten munizipalen Rechte vorschlugen, war so offensiv, daß Dufaure sie in seinem "Zirkular gegen die Versöhnung" an die Präfekten beschimpft. Andererseits erhielten die Krautjunker-Versammlung und Thiers nicht eine einzige Billigungsadresse seitens der Provinzen.

Aber der grand défi |große Fehdebrief|, mit dem die Provinzen auf Thiers' "Lüge" über die Provinzen antworteten, waren die Gemeinderatswahlen vom 30. April, die unter seiner Regierung auf der Grundlage eines Gesetzes seiner Versammlung durchgeführt wurden. Aus allen den (rund) 700.000 Gemeinde- |604| räten, gewählt in den 35.000 noch im verstümmelten Frankreich verbliebenen Gemeinden, setzten die vereinigten Legitimisten, Orleanisten und Bonapartisten nicht 8.000 durch! Die Nach- und Stichwahlen waren noch feindseliger! Das zeigte klar, wie weit die durch Überrumplung und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gewählte Nationalversammlung Frankreich, Frankreichs Provinz, Frankreich minus Paris repräsentiert!

Aber der Plan, nach Bordeaux eine Versammlung der Delegierten der Gemeinderäte aus den großen Provinzstädten einzuberufen, die Thiers auf Grund seines Gesetzes von 1834 und des bonapartistischen Gesetzes von 1855 verbot, zwang ihn, offen zuzugeben, daß "seine Provinzen" ebenso eine Lüge sind, wie "sein" Paris. Er klagt die Provinzen an, dem "treulosen" Paris zu gleichen, begierig darauf aus zu sein, "die Grundlagen für Kommunismus und Rebellion zu legen". Und wieder erhielt er die Antwort durch die kürzlichen Resolutionen der Gemeinderäte von Nantes, Vienne, Chambéry, Limoux, Carcassonne, Angers, Carpentras, Montpellier, Privas, Grenoble usw., in denen der Friedensschluß mit Paris verlangt wird, sie alle bestehen auf

"der unbedingten Bestätigung der Republik und der Anerkennung der kommunalen Rechte; all das versprachen", wie der Gemeinderat von Vienne erklärt, "die am <8. Februar Gewählten in ihren Zirkularen, als sie noch Kandidaten waren. Um den auswärtigen Krieg zu beenden, hat sie" (die Nationalversammlung) "Preußen zwei Provinzen abgetreten und fünf Milliarden versprochen. Was müßte sie erst tun, um dem Bürgerkrieg ein Ende zu machen?">

(Ganz im Gegenteil: Die zwei Provinzen sind nicht ihr "privates" Eigentum, und was die versprochenen 5 Milliarden betrifft, so ist die Sache gerade die, daß sie vom französischen Volk und nicht von ihnen bezahlt werden sollen.)

Wenn daher Paris den Provinzen auch mit vollem Recht vorwerfen könnte, daß sie sich auf friedliche Demonstrationen beschränken und ihm keine Hilfe leisten gegen alle die Kräfte der Regierung ..., so hat die Provinz Thiers und der Versammlung in höchst unzweideutiger Art und Weise auf die Lüge, daß sie die Provinzen verträten, geantwortet; sie hat erklärt, daß "ihre Provinz" ebenso eine Lüge ist, wie ihr ganzes Dasein Heuchelei und Betrug ist.

Der Generalrat ist stolz auf die hervorragende Rolle, die die Pariser Sektionen der Internationale in der ruhmvollen Revolution von Paris gespielt haben. Es ist nicht so, wie sich einige Schwachköpfe einbilden, daß die Pariser oder irgendeine andere Sektion der Internationale ihr |605| mot d'ordre |ihre Direktive| von einem Zentrum erhielt. Aber da die Blüte der Arbeiterklasse in allen zivilisierten Ländern der Internationale angehört und von ihren Ideen durchdrungen ist, wird sie bestimmt überall in den Bewegungen der Arbeiterklasse die Führung übernehmen.

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Von dem Tage der Kapitulation an, als die aus Bismarcks Gefangenen bestehende Regierung Frankreich an Bismarck ausgeliefert, aber als Gegengabe die Erlaubnis bekam, eine Leibwache zurückzubehalten zu dem ausdrücklichen Zwecke, Paris niederzuhalten, - von dem Tage an stand Paris auf der Wacht. Die Nationalgarde reorganisierte sich und vertraute ihre Oberleitung einem Zentralkomitee an, das durch alle Kompanien, Bataillone und Batterien der Hauptstadt, einige der alten bonapartistischen Abteilungen ausgenommen, erwählt war. Am Vorabend des Einmarsches der Preußen in Paris besorgte das Zentralkomitee den Transport nach Montmartre, Belleville und La Villette der von den capitulards verräterischerweise in den von den Preußen zu besetzenden Stadtteilen zurückgelassenen Kanonen und Mitrailleusen. |Dieser Absatz und der ganze folgende Text steht auf drei einzelnen Seiten der Handschrift, die nicht paginiert sind; vor dem nächsten Absatz steht in deutscher Sprache: Seite 9|

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Das bewaffnete Paris war das einzige ernstliche Hindernis auf dem Wege der konterrevolutionären Verschwörung. Paris mußte also entwaffnet werden. In bezug auf diesen Punkt war die Versammlung von Bordeaux die Aufrichtigkeit selbst. Wäre das rasende Gebrüll ihrer Krautjunker nicht hörbar genug gewesen, die Überantwortung von Paris, das von Thiers dem Triumvirat des décembriseur Vinoy, des bonapartistischen Gendarmen Valentin und des Jesuitengenerals Aurelle de Paladines auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wurde, hätte auch den letzten Zweifel hinsichtlich des Endzwecks, der Entwaffnung von Paris, unmöglich gemacht. Aber wenn ihr Zweck offen zugegeben wurde, so war der Vorwand, unter dem diese abscheulichen Verbrecher den Bürgerkrieg einleiteten, die schamloseste, die frechste (schreiendste) Lüge. Das Geschütz der Pariser Nationalgarde, sagte Thiers, gehört dem Staat und muß dem Staat wieder abgegeben werden. Die Tatsache war diese: Von dem Tage der Kapitulation an, als Bismarcks Gefangene Frankreich an Bismarck ausgeliefert, aber sich selbst eine zahlreiche Leibwache ausbedungen hatten zu dem ausdrücklichen Zwecke, Paris niederzuhalten, - von dem Tage an stand Paris auf der Wacht. Die Nationalgarde reorganisierte sich und vertraute ihre Ober- |606| leitung einem Zentralkomitee an, das durch ihre ganze Masse, einige der alten bonapartistischen Abteilungen ausgenommen, erwählt war. Am Vorabend des Einmarsches der Preußen in Paris besorgte ihr Zentralkomitee den Transport nach Montmartre, Belleville und La Villette der von den capitulards verräterischerweise in den von den Preußen zu besetzenden Stadtteilen zurückgelassenen Kanonen und Mitrailleusen. Dies Geschütz war durch die Beiträge der Nationalgarde selbst beschafft worden. Als ihr privates Eigentum war es amtlich anerkannt in der Konvention vom. 28. Januar und in dieser besonderen Eigenschaft ausgenommen worden von der allgemeinen Ablieferung der der Regierung gehörenden Waffen an den Sieger. Und Thiers erfrechte sich, den Bürgerkrieg einzuleiten unter dem verlogenen Vorwand, das Geschütz der Nationalgarde sei Staatseigentum!

Die Beschlagnahme des Geschützes sollte nur als vorbereitende Maßnahme zur allgemeinen Entwaffnung der Pariser Nationalgarde und damit der Entwaffnung der Revolution vom 4. September dienen. Aber diese Revolution war der gesetzliche Zustand Frankreichs geworden. Ihre Republik war im Wortlaut der Kapitulation vom Sieger anerkannt, nach der Kapitulation war sie von den fremden Mächten anerkannt worden; in ihrem Namen war die Nationalversammlung berufen. Die Revolution der Pariser Arbeiter vom 4. September war der einzige Rechtstitel der Nationalversammlung in Bordeaux und ihrer vollziehenden Gewalt. Ohne sie hätte die Nationalversammlung sofort dem durch allgemeines Stimmrecht erwählten und gewaltsam von der Revolution zersprengten Corps législatif Platz machen müssen. Thiers und seine ticket-of-leave-men hätten verhandeln müssen wegen eines Geleitscheines und Garantien gegen eine Reise nach Cayenne. Die Nationalversammlung mit ihrer Vollmacht, den Frieden mit Preußen abzumachen, war nur ein Zwischenfall in der Revolution. Ihre wahre Verkörperung war das bewaffnete Paris, das die Revolution gemacht hatte, das um ihretwillen eine fünfmonatige Belagerung mit ihren Schrecken der Hungersnot ausgehalten und das in seinem trotz Trochus "Plan" verlängerten Widerstand die Grundlage eines gewaltigen Verteidigungskriegs in den Provinzen geliefert hatte. Und nun wurde Paris von den rebellischen Sklavenhaltern von Bordeaux in roher, beleidigender Weise aufgefordert, entweder seine Waffen niederzulegen und anzuerkennen, daß die Volksrevolution vom 4. September keinen ändern Zweck gehabt hatte, als die einfache Übertragung der Staatsmacht aus den Händen Louis Bonapartes und seiner Günstlinge in die seiner monarchistischen Nebenbuhler - oder vorzutreten als der selbstopfernde Vorkämpfer Frankreichs, das vor |607| seinem Untergang nur gerettet und wiedergeboren werden konnte durch den revolutionären Umsturz der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die das Kaisertum erzeugt hatten und die unter seiner schützenden Obhut zur äußersten Fäulnis herangereift waren. Paris, noch abgezehrt von fünfmonatiger Aushungerung, zauderte keinen Augenblick. Es beschloß heldenmütig, alle Gefahren des Widerstandes gegen die französischen Verschwörer auszuhalten, direkt unter den Augen der vor seinen Toren liegenden preußischen Armee. Aber in ihrem äußersten Abscheu gegen den Bürgerkrieg beharrte die Volksregierung von Paris, das Zentralkomitee der Nationalgarde, in ihrer bloß verteidigenden Haltung, trotz der Aufreizungen der Versammlung, der Eingriffe der vollziehenden Gewalt und der drohenden Truppenzusammenziehungen in und um Paris.

Am Morgen des 18. März wurde Paris geweckt von den Donnerrufen:

"Vive la Commune!" Was ist die Kommune, diese Sphinx, die den Bourgeoisverstand auf so harte Proben setzt?

"Die Proletarier der Hauptstadt", sagte das Zentralkomitee in seinem Manifest vom 18. März, "haben, inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, begriffen, daß die Stunde geschlagen hat, wo sie die Lage retten müssen, dadurch, daß sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eignen Hände nehmen ... Sie haben begriffen, daß es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, ihr eignes Geschick in ihre eignen Hände zu nehmen und die politische Macht zu ergreifen."

Aber die Arbeiterklasse kann nicht, wie es die konkurrierenden Faktionen der aneignenden Klasse in den Stunden ihres Sieges getan haben, die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen.

Die zentralisierte Staatsmacht mit ihren allgegenwärtigen Organen - stehende Armee, Polizei, Bürokratie, Geistlichkeit und Richterstand, Organe, geschaffen nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit - stammt aus den Zeiten der absoluten Monarchie, wo sie der entstehenden Bourgeoisgesellschaft als eine mächtige Waffe in ihren Kämpfen um die Emanzipation vom Feudalismus diente. Die französische Revolution des 18. Jahrhunderts fegte den Schutt grundherrlicher, lokaler, städtischer und provinzieller Vorrechte weg und reinigte so den gesellschaftlichen Boden von seinen letzten mittelalterlichen Hindernissen, die dem Überbau des Staats im Wege gestanden. Sie erhielt ihre letzte Form unter dem ersten Kaisertum, das erzeugt worden war durch die Koalitionskriege des alten, halbfeudalen Europas gegen das moderne Frankreich. Während der nachfolgenden parlamentarischen Herrschaftsformen wurde |608| der Besitz der Regierungsmacht vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellenvergebung nicht nur der Zankapfel für die konkurrierenden Faktionen der herrschenden Klassen. Ihr politischer Charakter änderte sich gleichzeitig mit den ökonomischen Veränderungen der Gesellschaft. In dem Maß, wie der Fortschritt der Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte und vertiefte, in demselben Maß erhielt die Regierungsmacht mehr und mehr den Charakter einer nationalen Gewalt des Kapitals über die Arbeit, einer politischen Gewalt, dazu organisiert, die soziale Unterdrückung zu erzwingen, den Charakter einer bloßen Maschine der Klassenherrschaft. Im Gefolge jeder Volksrevolution, die einen neuen Fortschritt auf dem Wege (in der Entwicklung) (im Verlauf) des Kampfes der Klassen (Klassenkampfes) bezeichnet, tritt der unterdrückende Charakter der Staatsmacht erbarmungsloser und unverhüllter hervor. Die Julirevolution übertrug die Lenkung der Staatsmaschinerie von dem Grundbesitzer auf den Kapitalisten und damit von dem entfernten auf den unmittelbaren Gegner der Arbeiter. Daher bezieht die Staatsmacht gegenüber der Arbeiterklasse eine klarer ausgedrückte Position der Feindseligkeit und Unterdrückung. Die Februarrevolution hißt die Fahne der "sozialen Republik" und beweist so von Beginn an, daß die wahre Bedeutung der Staatsmacht enthüllt ist, daß ihr Vorwand - die bewaffnete Gewalt zum Schutz des öffentlichen Wohls, die Verkörperung der allgemeinen Interessen der Gesellschaft zu sein, indem sie sich über die konkurrierenden privaten Interessen erhebe und sie in ihre jeweiligen Sphären verweise - widerlegt ist; daß ihr Geheimnis - nämlich ein Werkzeug des Klassendespotismus zu sein - bloßgelegt ist, daß die Arbeiter die Republik nicht mehr als eine politische Spielart des alten Systems der Klassenherrschaft wollen, sondern als revolutionäres Mittel, um die Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen. Angesichts der Drohung der "sozialen Republik" fühlt die herrschende Klasse instinktiv, daß die anonyme Herrschaft der parlamentarischen Republik in eine Aktienkompanie ihrer konkurrierenden Faktionen verwandelt werden kann, während die vergangenen Monarchien schon allein durch ihren Namen den Sieg der einen und die Niederlage der andern Faktion, die Vorherrschaft der Interessen des einen Teils der herrschenden Klasse über die Interessen des andern Teils, des Grundbesitzes über das Kapital - oder des Kapitals über den Grundbesitz - zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz zur Arbeiterklasse hat die bisher herrschende Klasse, in welchen spezifischen Formen sie sich die Arbeit der Massen auch aneignen mag, ein und dasselbe ökonomische Interesse: die Versklavung der Arbeit aufrecht- |609| zuerhalten und ihre Früchte zu ernten, entweder auf direktem Wege als Grundbesitzer und Kapitalist, oder auf indirektem Wege als Staatsparasiten des Grundbesitzers und des Kapitalisten - jene "Ordnung" der Dinge zu erzwingen, in welcher die hervorbringende Masse, die "vile multitude", als bloße Quelle für den Reichtum und die Herrschaft der "höhern Klassen" dient. Darum schließen sie sich zusammen, die Legitimisten, Orleanisten, Bourgeoisrepublikaner und die bonapartistischen Abenteurer, begierig, sich als Verteidiger des Eigentums - vor allem des von ihnen gestohlenen - zu erweisen, und verschmelzen zur "Ordnungspartei", dem praktischen Ergebnis der vom Proletariat unter den begeisterten Rufen nach der "sozialen Republik" durchgeführten Revolution. Die parlamentarische Republik der Ordnungspartei ist nicht nur die Schreckensherrschaft der herrschenden Klasse: die Staatsmacht wird in ihrer Hand das unverhohlne Werkzeug des Bürgerkriegs des Kapitalisten und des Grundbesitzers, ihrer Staatsparasiten, gegen die revolutionären Bestrebungen des Hervorbringers.

Unter den monarchischen Regimes werden die Unterdrückungsmaßnahmen und die von den jeweiligen Regierungen verkündeten Grundsätze von den Fraktionen der herrschenden Klassen, die nicht an der Macht sind, vor dem Volk diffamiert; die oppositionellen Kreise der herrschenden Klasse sind bestrebt, das Volk an ihren Parteifehden zu interessieren, indem sie seine eigenen Interessen ansprechen, wobei sie sich in der Pose von Volkstribunen geben, die auf der Wiederherstellung der Volksfreiheiten bestehen. Aber in der anonymen Herrschaft der Republik, in der die Unterdrückungsmethoden der vergangenen Regimes miteinander verschmelzen (die die Werkzeuge der Unterdrückung den Arsenalen aller vergangenen Regimes entnimmt) und erbarmungslos angewandt werden, feiern die verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse eine Orgie des Renegatentums. Mit zynischer Unverschämtheit bestreiten sie die früher gemachten Versprechungen, treten ihre "sogenannten" Grundsätze mit Füßen, verdammen die Revolutionen, die sie im Namen dieser Grundsätze selbst provoziert haben, und verdammen sogar den Namen der Republik, obgleich nur deren anonyme Herrschaft genügend Raum bietet, sie in den gemeinsamen Kreuzzug gegen das Volk einzubeziehen.

So ist diese grausamste Form der Klassenherrschaft zugleich die abscheulichste und empörendste Form der Klassenherrschaft. Indem sie die Staatsmacht nur als Werkzeug des Bürgerkriegs benutzt, kann sie diese Macht nur behalten, wenn sie den Bürgerkrieg verewigt. Mit parlamentarischer Anarchie an ihrer Spitze, von unaufhörlichen Intrigen jeder Fraktion |610| der Partei der "Ordnung" gekrönt, deren jede die Restauration ihres jeweiligen Lieblingsregimes anstrebt, im offenen Krieg gegen den ganzen Gesellschaftskörper außerhalb ihres eignen engen Kreises - wird die Herrschaft der Partei der Ordnung zur unerträglichsten Herrschaft der Unordnung. Nachdem sie in ihrem Krieg gegen die Masse des Volkes alle Mittel seines Widerstandes gebrochen und es hilflos dem Säbel der vollziehenden Gewalt ausgeliefert hat, wird die Partei der Ordnung selbst und ihre parlamentarische Herrschaftsform durch den Säbel der vollziehenden Gewalt von der Bühne entfernt. Diese parlamentarische Republik der Ordnungspartei kann daher nur ein Zwischenreich sein. Ihr natürliches Ergebnis ist das Regime des Kaisertums, ganz gleich das wievielte Kaisertum es sein mag. Die Staatsmacht in der Form des Kaisertums mit dem Säbel als Zepter gibt vor, sich auf die Bauern zu stützen, auf jene große Masse der Produzenten, die scheinbar außerhalb des Klassenkampfes zwischen Arbeit und Kapital stehen; es gibt vor, die Arbeiterklasse zu retten, indem es den Parlamentarismus bricht und mit ihm die direkte Unterwürfigkeit der Staatsmacht unter die herrschenden Klassen; es gibt vor, die herrschenden Klassen zu retten durch die Unterdrückung der arbeitenden Klassen, ohne diese zu beleidigen; es verspricht - wenn auch nicht öffentliches Wohl, so doch wenigstens nationalen Ruhm. Und daher wird es als "Retter der Ordnung" proklamiert. Wie verletzend es auch für den politischen Stolz der herrschenden Klasse und ihrer Staatsparasiten sein mag, das Kaisertum erweist sich als das tatsächlich der Bourgeois-"Ordnung" adäquate Regime, da es allen Orgien ihrer Industrie, allen Schändlichkeiten ihrer Spekulationen und allem überladnen Glanz ihres Lebens vollen Spielraum gibt. Der solcherart scheinbar sich hoch über die bürgerliche Gesellschaft erhebende Staat wird gleichzeitig selbst die Brutstätte aller Fäulnis dieser Gesellschaft. Die äußerste Verrottung dieses Staates und die Verrottung der von ihm zu rettenden Gesellschaft wurde bloßgelegt durch die Bajonette Preußens; aber dieses Regime des Kaisertums ist in einem solchen Grad die unvermeidliche politische Form der "Ordnung", das heißt der "Ordnung" der Bourgeoisgesellschaft, daß sogar Preußen seinen Mittelpunkt in Paris nur deshalb zu beseitigen schien, um ihn nach Berlin zu verlegen.

Das Kaisertum ist nicht wie seine Vorgänger - die legitime Monarchie, die konstitutionelle Monarchie und die parlamentarische Republik - einfach eine der politischen Formen der Bourgeoisgesellschaft, es ist zugleich ihre prostituierteste, ihre vollendetste und ihre schließliche politische Form. Es ist die Staatsmacht der modernen Klassenherrschaft, zumindestens auf dem europäischen Kontinent.


Fußnoten von Friedrich Engels

(1) In England gibt man gemeinen Verbrechern nach Verbüßung des größern Teils ihrer Haft häufig Urlaubsscheine, mit denen sie entlassen und unter Polizeiaufsicht gestellt werden. Diese Scheine heißen tickets-of-leave und ihre Inhaber ticket-of-leave-men. [Anmerkung von Engels zur deutschen Ausgabe des "Bürgerkriegs in Frankreich" von 1871.] <=