Inhaltsverzeichnis Dokumente der Internationalen Arbeiter-Assoziation 1871

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 461-465.

1. Korrektur.
Erstellt am 13.12.1998.

Karl Marx

[Beschlußvorlage des Generalrats über die Section française de 1871]

Nach der Handschrift.
Aus dem Französischen.


Internationale Arbeiterassoziation

Beschluß des Generalrats,
angenommen in der Sitzung vom 7. November 1871

I. EINLEITENDE BEMERKUNGEN

|461| Der Generalrat ist der Meinung, daß die von der Section française de 1871 ausgesprochenen Gedanken über eine herbeizuführende radikale Veränderung jener Artikel der Allgemeinen Statuten, die sich auf die Zusammensetzung des Generalrats beziehen, überhaupt nichts mit der Frage zu tun haben, zu der sie sich äußern soll.

Was die durch besagte Sektion dem Generalrat zugefügten Beleidigungen betrifft, so werden sie von den Föderalräten und Föderalkomitees der verschiedenen Länder ihrem wahren Wert entsprechend beurteilt werden.

Der Rat bemerkt nur:

daß seit dem Baseler Kongreß (vom 6. bis 11. September 1869) noch keine drei Jahre verstrichen sind, wie die besagte Sektion vorsätzlich behauptet;

daß der Rat 1870, am Vorabend des Deutsch-Französischen Krieges, in einem allgemeinen Rundschreiben an alle Föderationen, einschließlich des Föderalrats von Paris, vorgeschlagen hat, den Sitz des Generalrats aus London zu verlegen;

daß die erhaltenen Antworten einstimmig die Beibehaltung des gegenwärtigen Sitzes des Rates und die Verlängerung seiner Vollmachten befürworteten;

daß der Generalrat 1871, sobald es ihm die Ereignisse erlaubten, eine Delegiertenkonferenz einberufen hat, die einzig mögliche Einberufung unter den gegebenen Umständen;

daß auf dieser Konferenz die Delegierten des Kontinents erklärt haben, man befürchte in ihren respektiven Ländern, den internationalen Charakter |462| des Generalrats durch zu zahlreiche Beifügung französischer Flüchtlinge zu gefährden;

daß die Konferenz (siehe ihre "Beschlüsse etc.", XV) "es der Entscheidung des Generalrats überläßt, je nach den Ereignissen, die Zeit und den Ort des nächsten Kongresses oder der ihn etwa ersetzenden Konferenz zu bestimmen".

Was die Anmaßung der obengenannten Sektion anbetrifft, sie verträte ausschließlich "das revolutionäre französische Element", weil zu ihren Mitgliedern ehemalige Vorsitzende von Pariser Arbeitergesellschaften gehören, bemerkt der Rat:

Vorsitzender einer Arbeitergesellschaft gewesen zu sein, kann sicherlich für den Generalrat ein Beweggrund sein, darf aber auf keinen Fall einen Anspruch auf die Zulassung "von Rechts wegen" bedeuten, um dort "das revolutionäre Element" zu vertreten. Denn wenn dem so wäre, hätte der Rat den Herrn Gustave Durand als Mitglied aufnehmen müssen, weil er Vorsitzender der Pariser Goldarbeiter-Vereinigung und in London Sekretär der Section française de 1871 gewesen ist. Übrigens ist es vielmehr die Aufgabe der Mitglieder des Generalrats, die Prinzipien der Internationalen Arbeiterassoziation zu vertreten als die Meinungen und Interessen dieser oder jener Körperschaft.

II. EINWÄNDE DER SECTION FRANÇAISE DE 1871
GEGEN DEN BESCHLUSS DES GENERALRATS VOM 17. OKTOBER,
VORGEBRACHT IN DER SITZUNG DES GENERALRATS VOM 31. OKTOBER

1. Zu der folgenden Stelle des Artikels 2 ihrer Statuten:

"Um Mitglied der Sektion zu werden, muß man den Nachweis über seine Existenzmittel führen, Garantien der Moralität vorlegen usw."

bemerkt die Sektion,

"daß die Allgemeinen Statuten die Sektionen für die Moralität ihrer Mitglieder verantwortlich machen und ihnen demzufolge das Recht zuerkennen, Garantien zu verlangen, wie sie es für nötig halten".

Wollte man die Dinge so sehen, dann könnte eine von den teetotalers |Abstinenzlern| gegründete internationale Sektion in ihre besonderen Statuten folgenden Punkt einfügen: "Um als Mitglied in die Sektion aufgenommen zu werden, muß man schwören, sich jedes alkoholischen Getränkes zu enthalten." Mit |463| einem Wort, durch die besonderen Statuten der verschiedenen Sektionen könnten die absurdesten und unzusammenhängendsten Aufnahmebedingungen in die Internationale gestellt werden, immer unter dem Vorwand, daß sie "es für nötig halten, auf diese Weise" ihrer Verantwortung für die Unbescholtenheit ihrer Mitglieder gerecht zu werden.

Der Generalrat erklärte in seinem Beschluß I vom 17. Oktober, daß es "Fälle" gibt, "bei denen das Fehlen der Existenzmittel gerade eine Garantie der Moralität sein kann". Er glaubt, daß die Sektion es sich hätte ersparen können, diesen Satz zu wiederholen, indem sie sagt, daß "die Flüchtlinge" durch das "beredte Zeugnis ihres Elends gegen jeden Verdacht geschützt" sind.

Auf die Phrase, daß das "Existenzmittel" der Streikenden die "Streikkasse" sei, muß man vorerst erwidern, daß diese "Kasse" oft fiktiv ist.

Übrigens haben die offiziellen englischen Untersuchungen erwiesen, daß die Mehrheit der englischen Arbeiter, die im allgemeinen besser gestellt sind als ihre Brüder auf dem Kontinent, gezwungen ist - sei es durch Streiks oder Arbeitslosigkeit, sei es durch ungenügende Löhne oder infolge von Zahlungsterminen oder aus anderen Ursachen, unaufhörlich zur Pfandleihe und zu Schulden Zuflucht zu nehmen, "Existenzmittel", deren Nachweis man nicht fordern könnte, ohne sich in unzulässiger Weise in das Privatleben der Bürger einzumischen.

Eins von beiden:

Entweder sucht die Sektion in den "Existenzmitteln" bloß "Garantien der Moralität", und dann erfüllt der folgende Vorschlag des Generalrats seinen Zweck: "Um Mitglied der Sektion zu werden, muß man Garantien der Moralität vorlegen", da der Vorschlag einschließt (siehe Beschluß I vom 17. Oktober), daß "eine Sektion in Zweifelsfällen Informationen über die Existenzmittel als Garantie der Moralität" einholen kann;

oder die Sektion hat in Artikel 2 ihrer Statuten absichtlich außer den "Garantien der Moralität", die zu fordern sie das Recht hat, von dem Nachweis der "Existenzmittel" als Aufnahmebedingung gesprochen; und in diesem Fall bekräftigt der Generalrat, daß "dies eine bürgerliche Neuerung ist, die dem Buchstaben und dem Geist der Allgemeinen Statuten widerspricht".

2. Auf die Ablehnung des folgenden Paragraphen aus Artikel 11 der "Statuten etc." durch den Generalrat:

"Ein Delegierter oder mehrere Delegierte werden in den Generalrat entsandt",

antwortet die Sektion:

|464| "Uns ist keineswegs unbekannt ... daß der Buchstabe der Allgemeinen Statuten ihm" (dem Generalrat) "das Recht gibt, Delegierte zu akzeptieren oder nicht zu akzeptieren."

Das beweist augenscheinlich, daß die Sektion mit dem Buchstaben der Allgemeinen Statuten nicht vertraut ist.

Tatsächlich anerkennen die Allgemeinen Statuten nur zwei Arten der Wahl für den Generalrat - entweder die Ernennung durch den Kongreß oder die Beifügung neuer Mitglieder durch den Rat selbst - und es wird dort überhaupt nicht von der Beifügung oder der Nichtbeifügung von Delegierten der Sektionen oder Gruppen gesprochen.

Die in erster Linie von den Sektionen in London vorgeschlagene Aufnahme von Delegierten ist niemals mehr als eine administrative Maßnahme des Generalrats gewesen, der hiermit von seinem Recht der Beifügung Gebrauch machte (siehe Beschluß II, 2 des Generalrats vom 17. Oktober).

Die außerordentlichen Umstände, die den Rat dazu führten, diesen Modus der Beifügung anzuwenden, werden in seinem Beschluß vom 17. Oktober hinreichend erläutert.

In demselben Beschluß (II, 3) erklärt der Rat seine Bereitschaft, Delegierte der Section française de 1871 unter den gleichen Bedingungen zuzulassen wie die anderen Delegierten der Londoner Sektionen. Aber er wird keine Forderung ernst nehmen, die entgegen den Allgemeinen Statuten ein Privileg für diese Sektion sein würde.

Dadurch, daß die Section française de 1871 in Artikel 11 ihrer Statuten folgenden Paragraphen: "Ein Delegierter oder mehrere Delegierte werden in den Generalrat entsandt", einfügt, beansprucht sie die Delegierung zum Generalrat als ein auf die Allgemeinen Statuten begründetes Recht. Sie tat so, als ob sie von ihrem imaginären Recht so überzeugt sei, daß sie sogar vor ihrer Anerkennung durch den Generalrat (siehe Artikel VI der Verwaltungsbeschlüsse des Baseler Kongresses) nicht gezögert hat, am 17. Oktober "von Rechts wegen" zwei Delegierte mit "gebundenen Mandaten", die von 20 Sektionsmitgliedern sanktioniert worden waren, zur Sitzung des Generalrats zu entsenden. Schließlich besteht sie in ihrem letzten Schreiben von neuem auf "der Pflicht und dem Recht, Delegierte zum Generalrat zu entsenden".

Die Sektion sucht in der Stellung des Bürgers Herman beim Generalrat einen Präzedenzfall zur Rechtfertigung ihrer Ansprüche. Sie tut so, als wüßte sie nicht, daß Bürger Herman auf Empfehlung eines belgischen Kongresses vom Rat kooptiert wurde und daß er dort keineswegs eine Sektion von Lüttich vertritt.

|465| 3. Auf die Weigerung des Generalrats, folgenden Absatz der Statuten der Section etc. zuzulassen:

"Jedes Mitglied der Sektion verpflichtet sich, keine andere Delegierung in den Generalrat anzunehmen als die seiner Sektion",

antwortet die Sektion:

"Wir beschränken uns darauf, zu erwidern, daß wir ein besonderes Reglement haben; unsere Vereinbarungen betreffen nur uns und gehen nur uns etwas an; und diese Forderung widerspricht keineswegs den Allgemeinen Statuten, die in dieser Hinsicht schweigen."

Es ist schwer zu verstehen, wie Statuten, die in bezug auf das Recht der Delegierung zum Generalrat schweigen, zu den Bedingungen dieser Delegierung beredt sein können. Leichter zu verstehen ist jedoch, daß die besonderen Reglements einer Sektion nur für sie Gültigkeit haben. Aber man darf nicht zulassen, daß diese besonderen Reglements einer Sektion "nur sie betreffen und angehen". Denn wenn zum Beispiel der Generalrat den Artikel 11 der Statuten der Section française de 1871 annehmen würde, wäre er gezwungen, ihn in die Statuten aller anderen Sektionen aufzunehmen; und dieser Artikel, verallgemeinert, würde völlig das dem Rat laut den Allgemeinen Statuten zustehende Recht der Beifügung annullieren.

Aus diesen Gründen:

I. hält der Generalrat seinen Beschluß vom 17. Oktober 1871 voll und ganz für gültig.

II. Falls dieser Beschluß bis zur Sitzung des Rats vom 21. November nicht angenommen werden sollte, werden seine korrespondierenden Sekretäre beauftragt, den Föderalräten oder Föderalkomitees der verschiedenen Länder, oder in Ermangelung solcher, den lokalen Gruppen folgendes zur Kenntnis zu bringen: die "Statuten der Section française de 1871", das Mandat der Delegierten der besagten Sektion, welches dem Generalrat in seiner Sitzung vom 17. Oktober mitgeteilt wurde, den Beschluß des Generalrats vom 17. Oktober, die Antwort der Section française de 1871, die dem Generalrat in seiner Sitzung vom 31. Oktober mitgeteilt wurde, und diesen endgültigen Beschluß des Generalrats vom 7. November.

London, 7. November 1871

Im Namen und im Auftrag des Generalrats