Inhaltsverzeichnis Dokumente der Internationalen Arbeiter-Assoziation 1871

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 287-290.

1. Korrektur.
Erstellt am 13.12.1998.

Friedrich Engels

An den Spanischen Föderalrat der Internationalen Arbeiterassoziation

Nach der Handschrift.
Aus dem Englischen.


|287| London, 13. Februar 1871

Bürger!

Der Generalrat hat mit großer Freude Euren Brief vom 14. Dezember erhalten. Euer voriger Brief vom 30. Juli hat uns ebenfalls erreicht; er war dem Bürger Serraillier, dem Sekretär für Spanien, mit der Weisung übergeben worden, unsere Antwort an Euch weiterzuleiten. Aber der Bürger Serraillier hat sich kurz darauf nach Frankreich begeben, um für die Republik zu kämpfen, und ist dann in Paris mit eingeschlossen worden. Wenn Ihr also auf Euren Brief vom 30. Juli, der sich noch in seinen Händen befindet, keine Antwort erhalten habt, so ist das eine Folge dieser Umstände. Jetzt hat der Generalrat in seiner Sitzung vom 7. d.M. dem unterzeichnenden F. E. vorläufig die Korrespondenz mit Spanien übertragen und ihm Euren letzten Brief ausgehändigt.

Wir haben regelmäßig die spanischen Arbeiterzeitungen erhalten - "La Federacion" aus Barcelona, "La Solidaridad" aus Madrid (bis Dezember 1870), "El Obrero" aus Palma (bis zum Verbot) und vor kurzem "La Revolucion social" aus Palma (nur Nr. 1). Diese Zeitungen haben uns über die Vorgänge in der spanischen Arbeiterbewegung auf dem laufenden gehalten; wir haben mit großer Genugtuung gesehen, daß die Ideen der sozialen Revolution immer mehr zum Gemeingut der Arbeiterklasse Eures Landes werden.

Zweifellos haben die leeren Deklamationen der alten politischen Parteien, wie Ihr sagt, viel zu sehr die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich gelenkt und sind dadurch zu einem großen Hindernis für unsere Propaganda geworden. Das ist in den ersten Jahren der proletarischen Bewegung überall so gewesen. In Frankreich, in England, in Deutschland waren und sind noch heute die Sozialisten genötigt, den Einfluß und die Tätigkeit der |288| alten politischen Parteien zu bekämpfen, mögen es nun aristokratische oder bürgerliche, monarchistische oder sogar republikanische sein. Die Erfahrung hat überall bewiesen: Das beste Mittel, um die Arbeiter von dieser Herrschaft der alten Parteien zu befreien, besteht darin, in jedem Lande eine proletarische Partei mit einer eigenen Politik zu gründen, einer Politik, die sich klar von der der anderen Parteien unterscheidet, weil sie die Bedingungen der Emanzipation der Arbeiterklasse ausdrücken muß. Die Einzelheiten dieser Politik können je nach den besonderen Umständen jedes Landes variieren; da aber die grundlegenden Beziehungen der Arbeit zum Kapital überall die gleichen sind und die Tatsache der politischen Herrschaft der besitzenden Klassen über die ausgebeuteten Klassen überall besteht, werden die Grundsätze und das Ziel der proletarischen Politik identisch sein, zumindest in allen westlichen Ländern. Die besitzenden Klassen, Landaristokraten und Bourgeois, halten das arbeitende Volk in der Knechtschaft nicht nur durch die Macht ihrer Reichtümer, durch die bloße Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital, sondern auch durch die Staatsgewalt, durch die Armee, die Bürokratie und die Gerichte. Es hieße eines der mächtigsten Aktionsmittel - besonders in bezug auf Organisation und Propaganda - preisgeben, wenn wir darauf verzichteten, unsere Gegner auf politischem Gebiet zu bekämpfen. Das allgemeine Wahlrecht gibt uns ein ausgezeichnetes Aktionsmittel in die Hand. In Deutschland, wo die Arbeiter als politische Partei fest organisiert sind, ist es ihnen gelungen, sechs Abgeordnete in die sogenannte nationale Vertretung zu entsenden; und die Opposition, die unsere Freunde Bebel und Liebknecht dort gegen den Eroberungskrieg organisieren konnten, hat im Interesse unserer internationalen Propaganda mächtiger gewirkt, als jahrelange Propaganda durch die Presse und Versammlungen es vermocht haben. Gerade jetzt sind auch in Frankreich Arbeitervertreter gewählt worden, die unsere Grundsätze laut verkünden werden. Bei den nächsten Wahlen wird sich das gleiche in England abspielen.

Wir erfahren mit Freude, daß Ihr beabsichtigt, uns die Beiträge der Zweigorganisationen Eures Landes zu überweisen; wir werden sie mit Dank entgegennehmen. Überweist sie bitte per Scheck an irgendeinen Londoner Bankier, zahlbar an unseren Schatzmeister John Weston oder in eingeschriebenem Brief an die Adresse des Unterzeichneten, entweder 256, High Holborn, London (Sitz unseres Rats) oder seine Privatwohnung: 122, R[egent's] P[ark] R[oad].

Wir erwarten mit großem Interesse die Statistik Eurer Föderation, die Ihr uns zu senden versprochen habt.

|289| Was den Kongreß der Internationale anbetrifft, so hat es keinen Zweck, daran zu denken, solange der gegenwärtige Krieg andauert. Aber wenn, wie es den Anschein hat, der Friede bald wiederhergestellt sein wird, dann wird sich der Rat unverzüglich mit dieser wichtigen Frage beschäftigen und Eure freundliche Einladung, ihn nach Barcelona einzuberufen, in Erwägung ziehen.

Wir haben noch keine Sektionen in Portugal; es wäre vielleicht für Euch leichter als für uns, Beziehungen zu den Arbeitern dieses Landes anzubahnen. Wenn dem so ist, schreibt uns bitte noch einmal darüber. Ebenso glauben wir, daß es wenigstens für den Anfang besser wäre, wenn Ihr zu den Buchdruckern von Buenos Aires Beziehungen anknüpfen könntet; allerdings solltet Ihr uns später die erzielten Resultate mitteilen. Inzwischen würdet Ihr uns einen angenehmen und der Sache nützlichen Dienst erweisen, wenn Ihr uns eine Nummer der "Anales de la Sociedad tipogr[afica] de B[uenos] A[ires]" zur Kenntnis zuschickt.

Im übrigen schreitet die internationale Bewegung trotz aller Hindernisse weiter voran. In England haben sich gerade jetzt die Zentralräte der Trade-Unions (Trades' Councils) von Birmingham und Manchester und mit ihnen die Arbeiter der zwei wichtigsten Industriestädte des Landes direkt unserer Assoziation angeschlossen. In Deutschland sind wir augenblicklich den gleichen Verfolgungen durch die Regierungen ausgesetzt, wie vor einem Jahr in Frankreich durch Louis Bonaparte. Unsere deutschen Freunde, von denen mehr als fünfzig im Gefängnis, leiden buchstäblich für die internationale Sache; sie sind verhaftet und verfolgt worden, weil sie sich mit allen ihren Kräften der Eroberungspolitik widersetzt und gefordert haben, daß das deutsche Volk sich mit dem französischen Volk verbrüdern soll. In Österreich sind ebenfalls viele unserer Freunde eingesperrt worden, aber die Bewegung schreitet dennoch vorwärts. In Frankreich waren unsere Sektionen überall die Seele und die Kraft des Widerstandes gegen die Invasion; sie haben sich in den großen Städten des Südens der örtlichen Gewalt bemächtigt; und wenn Lyon, Marseille, Bordeaux und Toulouse eine nie dagewesene Energie entwickelt haben, so nur dank der Anstrengungen der Mitglieder der Internationale. In Belgien ist unsere Organisation stark, und unsere belgischen Sektionen haben soeben ihren sechsten Nationalkongreß abgehalten. In der Schweiz scheinen die Meinungsverschiedenheiten, die vor einiger Zeit in unseren Sektionen aufgetaucht waren, im Abflauen begriffen zu sein. Aus Amerika ist uns der Beitritt neuer französischer, deutscher und tschechischer (böhmischer) Sektionen gemeldet worden, und außerdem unterhalten wir weiter brüderliche Beziehungen zu der großen |290| Organisation der amerikanischen Arbeiter, der Arbeiterliga (Labor League).

In der Hoffnung, bald weitere Mitteilungen von Euch zu erhalten, senden wir Euch unseren brüderlichen Gruß.

Für den Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation
F. E.