Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1870

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 266/267.

1. Korrektur.
Erstellt am 13.12.1998.

Karl Marx/Friedrich Engels

[Über Karl Blind]

Geschrieben zwischen dem 22. und 30. August 1870.
Nach der Handschrift.
Aus dem Englischen.


|266| Der Artikel sollte nicht mit "Prinz N[apoleon] etc." überschrieben sein, sondern mit "Ich". Für jede einzelne Verwendung des Namens Pr[inz] Nap[oleon] wird das Pronomen "Ich" mindestens zwanzigmal gebraucht, abgesehen von dessen abgewandelten Fällen und abgeleiteten Formen. Was in diesem Artikel über Pr. Nap. gesagt wird, ist schon des öfteren gedruckt worden, und was über das " Ich" gesagt wird, darüber wurde in England ach schon so viel berichtet, gedruckt und veröffentlicht, wie die Besitzer und Herausgeber von eingegangenen und bestehenden Sonntagsblättern zu ihrem Leidwesen wissen.

Ihrer Vorwände beraubt, bringt die Zeitung eine neue Version der alten Geschichte des Herrn Blind: Wie Karl Blind durch verschiedene widrige Umstände leider verhindert war, den Lauf der Geschichte zu verändern. Zuerst kommt die oft wiederholte Legende, mit der er vor allem hausieren geht, wie er von der sterbenskranken provisorischen Regierung des süddeutschen Aufstands von 1849 in diplomatischer Mission angeblich zu der damaligen Regierung der Französischen Republik, in Wirklichkeit jedoch zu der revolutionären Regierung Ledru-Rollin geschickt worden sei, die, wie man erwartete, in Kürze durch eine Volksbewegung eingesetzt werden würde. Doch o weh! Die Regierung, die ihn geschickt hatte, wurde von den Preußen ohne viel Federlesens ins Schweizer Exil gejagt und die Demonstration vom 13. Juni, welche die Regierung, bei der er wirklich akkreditiert war, einsetzen sollte, wurde ebenso ohne viel Federlesens auseinandergejagt. Er hatte das Glück, von einer reichlich grotesken Mission, mit der er von einer toten Regierung an eine ungeborene Regierung beauftragt worden war, durch die bestehende französische Regierung befreit zu werden, die ihn am 13. Juni bei der "friedlichen" Demonstration der erregten Pariser Nationalgarde verhaftete und schließlich des Landes verwies. Wäre die Regierung, die ihn geschickt hatte, am Leben geblieben, |267| und wäre die Regierung, zu der er in Wirklichkeit geschickt wurde, ins Leben gerufen worden, was hätte Karl Blind nicht alles tun können! Dadurch, daß er sich von irgend jemand in Baden an irgend jemand in Paris eine Mission besorgte, hat Blind es auf "diplomatische Weise" verstanden, der leisesten Möglichkeit einer riskanten Begegnung mit der herannahenden preußischen Armee auszuweichen. Auf alle Fälle hat er etwas getan.{1}

Im Jahre 1870 bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges, bestand wieder die Möglichkeit, daß Italien sich mit Frankreich verbünden könnte. Doch Karl Blind war auf der Wacht. "Hätte König V[iktor] E[manuel] etc." (Seite 519). Doch wieder handelte es sich um die Mission einer nicht bestehenden Regierung an eine andere nicht bestehende Regierung. Louis-Napoleon weigerte sich, Rom Viktor Emanuel zu überlassen. Dadurch zwang er letzteren, die von den Franzosen besetzte Stadt zu nehmen und machte so auch ein Bündnis zwischen Italien und Frankreich unmöglich. Wieder wurden die Dienste und Angebote des Karl Blind, was sie auch immer wert gewesen sein mögen, abgelehnt. Und so mußte sich dieser ewige Diplomat in partibus, anstatt den Lauf der Geschichte zu verändern, mit dem "wärmsten Dank" Mazzinis begnügen.

Unwillkürlich muß man sich dabei an den Prahlhans erinnern, der, als er in einen Krawall verwickelt wurde, ausrief: "Haltet mich zurück, Freunde, sonst werde ich eine furchtbare Tat vollbringen." Zum Unglück für die Welt, doch vielleicht zum Glück für Herrn Karl Blind hindert ihn immer dann, wenn er im Begriffe ist, in den Vordergrund des historischen Geschehens zu treten, irgendein ungünstiger Umstand daran, jene "furchtbare Tat" zu vollbringen, die ihn unsterblich machen sollte.

Hoffen wir, daß dies die letzte gelahrte Abhandlung zumindest in englischer Sprache ist, die Karl B. über K. B. für K. B. geschrieben hat.


Textvarianten

{1} Diese beiden letzten Sätze hat Marx geschrieben. Auf der ersten Seite der Engelsschen Handschrift schrieb Marx noch eine andere Variante an den Rand: "Dadurch, daß er rechtzeitig diese Scheinmission ins Ausland übernahm, hat Blind es verstanden, jeder Begegnung mit den damals in Baden einfallenden preußischen Truppen auszuweichen." <=