Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1864

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 581-585.

1. Korrektur.
Erstellt am 25.10.1998.

Friedrich Engels

Englands Streitmacht Deutschland gegenüber


["Allgemeine Militär Zeitung" Nr. 27 vom 6. Juli 1864]

|581| Manchester, 27. Juni 1864

Das Unglaubliche ereignet sich: England droht Deutschland mit Krieg! Nach der "United Service Gazette" sind bereits die Befehle abgegangen an das Magazin in Pimlico (London) und das Arsenal in Woolwich, die nötigen Montierungs- und Ausrüstungsstücke für dreißigtausend Mann zum sofortigen Gebrauch in Bereitschaft zu halten, und in wenigen Tagen dürfen wir darauf rechnen, zu hören, daß die Kanalflotte nach dem Sund oder den Belten abgegangen ist. Über die augenblicklich verfügbare Streitmacht Englands klärt uns die "Army and Navy Gazette" auf. In ihrer Nummer vom 25. Juni sagt sie:

"Die Seemacht, welche wir zur Hand haben und sofort die Anker lichten lassen können, ist folgende:

Pf.-
Kraft

Kan.

Tonnen-
Geh.

Mann

" Edgar", Holzschiff

600

71

3.094

810

"Warrior", Panzerschiff

1.250

40

6.109

705

"Black Prince", Panzerschiff

1.250

41

6.109

705

"Prince Consort", Panzerschiff

1.000

35

4.045

605

"Hector", Panzerschiff

800

28

4.089

530

"Defence", Panzerschiff

600

16

3.720

457

"Aurora", Holzfregatte

400

35

2.558

515

"Galatea", Holzfregatte

800

26

3.227

515

"Wolverene", Holzkorvette

400

21

1.703

275

"Research", Panzerschiff

200

4

1.253

135

Enterprise", Panzerschiff

160

4

993

121

Geyser", Holzraddampfer

280

6

1.054

175

"Assurance", Holzschiff

200

4

681

90

|582| "Salamia", Holzraddampfer

250

2

?

65

"Trinculo", Holzkanonenboot

60

2

268

24

Um ferner für die seichten und engen Fahrwasser der Ostsee und der dänischen Küsten besondere und weniger tiefgehende Schiffe zu haben, hat die Admiralität Befehl gegeben, folgende Schiffe seebereit zu machen:

Pf.-
Kraft

Kan.

Tonnen-
Geh.

Mann

"Cordelia", Holzkorvette

150

11

579

130

"Fawn", Holzkorvette

100

17

751

175

"Racer", Holzkorvette

150

11

579

130

Ferner werden in kurzem fertig die neugebauten Schiffe

Pf.-
Kraft

Kan.

Tonnen-
Geh.

Mann

"Achilles", Panzerschiff

1.250

30

6.121

705

"Royal Sovereign", Panzerturmschiff

800

5

3.963

500

"Caledonia", Panzerschiff

1.000

35

4.125

605

"Ocean", Panzerschif

1.000

35

4.047

605

Dazu kommen die zahlreichen Schiffe der Dampfreserve, und endlich die der Küstenwache, worunter 15 Kanonenboote à 60 Pferdekraft und zwei schweren Geschützen."

Diese letzteren, meint die "Army and Navy Gazette" würden einem Feinde so beschwerlich fallen wie Schmeißfliegen einem Pferde; man würde sie nicht abschütteln können. (Als ob die Preußen in der Ostsee nicht auch 22 solcher Schmeißfliegen hätten!)

Soweit die "Arrny and Navy Gazette" über die Flotte. Wir waren voriges Jahr an Bord mehrerer Schiffe der Panzerflotte und haben außerdem ihre Schicksale und Experimentalfahrten genau verfolgt. Es geht daraus hervor, daß keins dieser Panzerschiffe bei stürmischem Wetter hohe See halten kann; der "Prince Consort" ging im Winter im Irischen Kanal beinahe unter bei einem Sturm, den jedes Holzschiff leicht aushielt. Diese Schiffe sind also nur zu einzelnen im voraus bestimmten Unternehmungen (Seeschlachten oder Angriffen gegen Landschanzen) zu brauchen, nach denen sie jedesmal wieder in den Hafen zurückkehren müssen. Zu Blockaden usw. taugen sie nicht. Ihr Panzer ist meist 1/2zöllig, von gewalztem Eisen von verschiedener Güte und nach verschiedenen Methoden aufgelegt; in allen Fällen mit einer zwei Fuß starken Holzunterlage, selbst bei den sonst ganz eisernen Schiffen. Keiner dieser Panzer widersteht dem siebzigpfündigen, vorn flach abgeschnittenen Stahlgeschoß von Whitworth, die meisten |583| derselben auch nicht der siebzigpfündigen Whitworth-Bombe von Stahl und von derselben Form wie das Vollgeschoß. Man gießt in Preußen jetzt gezogene Kanonen von der Bohrung des alten Achtundvierzigpfünders, die der des genannten Whitworth-Geschützes ungefähr gleichkommt. Vorn flach abgeschnittene zylindrische Stahlgeschosse (ohne konische Spitze) aus solchen Kanonen werden diese Panzer durchbohren, selbst wenn ihre hintere Hälfte hohl ist und eine Sprengladung trägt. Diese Sprenggeschosse brauchen keinen Zünder (wie Whitworths Versuche bewiesen haben), wenn sie gegen Eisenpanzer abgeschossen werden; das Durchschlagen durch den Panzer erzeugt einen solchen Hitzegrad, daß die Geschosse weißglühend werden und das Pulver im Innern entzünden.

Die Bewaffnung der Panzerschiffe besteht durchgehends aus glatten Achtundsechzigpfündern (achtzöllige Kaliber) als Breitseitkanonen und hundertzehnpfündigen Armstrongs (siebenzöllige Kaliber) als Pivotgeschütze an Bug und Heck. Einige dieser Schiffe hatten auch Vierzigpfünder und Siebzigpfünder Armstrongs auf den Breitseiten, doch ist es fraglich, ob diese nicht durch Achtundsechzigpfünder ersetzt werden. Der alte Achtundsechzigpfünder ist ein sehr respektables, solides und für sein Kaliber handliches Geschütz, von sehr guter Wirkung bis auf mindestens zweitausend Schritt und sicher die beste Kanone auf der ganzen englischen Flotte. Dagegen sind die Armstrongschen Hinterladungskanonen sehr unzuverlässig, weil die Züge sich wegen mangelhafter Befestigung des Geschoßbleimantels rasch verbleien und weil namentlich der Kammerverschluß nichts taugt. Er besteht in einem von oben eingesetzten, bis etwas unter den Boden der Bohrung reichenden, viereckigen Eisenstück, welches von hinten durch Anschrauben befestigt wird. Wenn man nun bedenkt, daß bei dem siebenzölligen Kaliber das Geschoß 110 Pfund, das Verschlußstück aber nur 135 Pfund wiegt, so begreift man, daß nach wenigen Schüssen dieses letztere, vom Pulverschleim am richtigen Einpassen verhindert, heraus- und hoch in die Luft fliegen muß, sobald die Explosionsgase es von unten fassen können. Dies geschieht auch regelmäßig, und diese Armstrong-Geschütze sind daher, trotz ihrer sonst guten Treffähigkeit, in der Flotte sehr schlecht angesehen.

Der "Royal Sovereign" wird in seinen vier Kuppeln oder Türmen fünf sehr schwere Kanonen tragen, deren Beschaffenheit noch nicht bekannt. Sein Panzer hat keine Holzunterlage. Ob dies Schiff auf hoher See etwas wert ist, wird sich erst zeigen. Die kleineren und überhaupt die Holzschiffe haben als Breitseitkanonen hauptsächlich glatte Zweiunddreißigpfünder von 9 Fuß 6 Zoll und 10 Fuß |584| Länge, - sehr gute Kanonen, welche bis 1/3 kugelschwere Ladungen gut vertragen, was die Achtundsechzigpfünder nicht tun, und welche daher auch für ihr Kaliber einen sehr sicheren Schuß haben. Doch finden sich auch bei schweren Schiffen einige leichte achtzöllige Bombenkanonen auf den Breitseiten. Die Pivotgeschütze sind entweder achtzöllige glatte von leichterer oder schwererer Konstruktion oder Armstrong-Geschütze von 40, 70 oder 110 Pfund Langgeschoßschwere.

Der Tiefgang der großen Panzerschiffe ist mindestens 25 Fuß, so daß sie in dieser Beziehung den Linienschiffen und ganz schweren Fregatten gleichzustellen sind. Daher sind sie in engen und seichten Gewässern nutzlos, es sei denn im tiefen Fahrwasser schmaler Buchten und Flußmündungen zur Bekämpfung von Strandbatterien und Küstenforts. Hier sind sie gefährlich, wenn die Geschütze des Verteidigers zu leicht und seine Geschosse nicht von Stahl sind. Ob der preußische gezogene Vierundzwanzigpfünder ihren Panzer mit Stahlgeschossen durchschlagen würde, mag bezweifelt werden. Der gezogene Achtundvierzigpfünder tut es aber jedenfalls, wenn sein Geschoß von Stahl und vorn flach abgeschnitten ist, wenn er eine Ladung von ein Sechstel bis ein Viertel Geschoßschwere vertragen und wenn der Schuß auf sechshundert bis achthundert Schritt abgegeben werden kann. Sieben- bis achtzöllige gezogene Kanonen, die wir ja so leicht aus Kruppschem Gußstahl hergestellt bekommen können, an geeigneten Punkten aufgestellt, selbst in geringer Zahl, würden die schweren englischen Panzerschiffe für unsere Küsten bald genug unschädlich machen. Nur muß das Geschoß von Stahl und zylindrisch, ohne jede konische oder abgerundete Spitze sein, damit es selbst bei schrägem Aufschlag mit der scharfen Kante den Eisenpanzer faßt. Whitworth hat selbst bei einem Einfallswinkel von über fünfzig Grad mit solchen Geschossen die Panzer durchschlagen. Auch sieht man am besten bei so schweren Geschützen ganz ab von allen Hinterladungs-Experimenten; über ein gewisses Kaliber hinaus sind sie sicher vom Übel, und es ist nicht Zeit mehr zu langwierigen Versuchen.

Soviel von der Flotte; hören wir, was die "Army and Navy Gazette" uns von der disponiblen Landarmee zu sagen weiß:

"Kavallerie. 4., 5., 6. Regiment Gardedragoner; 1. und 2. (Dragoner-); 3., 4., 8. (Husaren-); 9. (Ulanen-); 10., 11., 12., 13., 14., 15., 16. (Husaren-) Regiment. Jedes zu 650 Mann inkl. Offiziere, in allem 10.700 Mann.

Artillerie. Zehn reitende Batterien (à sechs Geschützen), 26 Feldbatterien (fahrende) ebenfalls à sechs Geschützen und 25 Festungsbatterien. Im ganzen 216 Feldgeschütze und 13.700 Mann.

Genie. 20 Kompanien und zwei Trainkompanien, im ganzen 2.700 Mann.

|585| Infanterie. Die ersten Bataillone vom 2., 3., 5., 6., 8., 10., 11., 13., 14., 24., 26., 29., 31., 32., 37., 41., 45., 49., 53., 58., 59., 60., 61., 64., 69., 73., 74., 75., 83., 84., 85., 86., 87. Regiment; die zweiten Bataillone vom 1.,12. und 60. Regiment. Dazu kommen die von Amerika unterwegs befindlichen ersten Bataillone vom 21., 39. und 62. Regiment, in allem 39 Bataillone. Nach Abzug der Depotkompanien bleiben pro Bataillon ungefähr 780 Mann zum Ausrücken oder im ganzen 30.000 ausgebildete Leute. Dazu kommen die Depots der ganzen Armee, zusammen an 18.000 Mann als erster Ersatz, endlich die Gardetruppen (1.300 Mann Kavallerie und 6.000 Mann Infanterie).

In allem: Kavallerie 12.000; Artillerie 13.700; Genie 2.700; Infanterie 54.000 Mann, Totalstärke 82.000 Mann. Um aber die Streitmacht festzustellen, welche sofort ausrücken kann, müssen wir erstens die Depots mit 18.000 Mann abziehen, ferner weitere 25 Prozent für Non-Effektive und für Truppen, die im Lande selbst nicht entbehrt werden können. Dann würden uns etwa noch 48.000 Mann wohlgeschulter und kriegsgewohnter Truppen bleiben, bereit, irgendwohin zu gehen und irgend etwas zu tun, falls sie von den Hülfs- und Verwaltungsdepartements gehörig unterstützt werden. Ungefähr die Hälfte dieser Zahl würde eine nächste Reserve von Rekruten bilden. Wie stark die Miliz beim eben beendigten diesjährigen Exerzierkursus versammelt war, wissen wir nicht, doch soll sie zahlreicher sein als 1863, wo sie 10.000 Mann stark bei den Inspektionen auftrat. Die Freiwilligen endlich belaufen sich auf etwa 160.000 Mann."

Soweit die "Army and Navy Gazette". Diese Statistik möge für heute genügen, da wir ohnedies beabsichtigen, Ihren Lesern einen genauen Bericht über die englische Landmacht abzustatten. Darauf aber mögen Ihre deutschen Truppen sich gefaßt machen: Wenn sie mit den Engländern zusammenstoßen, werden sie es mit einem ganz anderen Gegner zu tun haben als mit den zwar braven, aber schlecht geübten und schwerfälligen Dänen.