Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1862
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 570-572.
1. Korrektur.
Erstellt am 25.10.1998.
["Die Presse" Nr. 332 vom 4. Dezember 1862]
|570| London, 29. November 1862
Die Verhandlungen zwischen dem hiesigen Kabinett und der Regierung zu Washington über den Corsair "Alabama" schweben noch, während neue Verhandlungen über die erneuerte Ausrüstung von konföderierten Kriegsschiffen in englischen Häfen bereits begonnen haben. Professor Francis W. Newman, einer der theoretischen Repräsentanten des englischen Radikalismus, veröffentlicht heute im "Morning Star" ein Schreiben, worin er unter anderm sagt:
"Nachdem der amerikanische Konsul zu Liverpool sich bei einem englischen Juristen der Illegalität des 'Alabama' versichert, sendete er Lord John Russell eine förmliche Denunziation ein. Die Kronadvokaten wurden darauf konsultiert und erklärten die Ausrüstung des 'Alabama' ebenfalls für illegal; aber man schleppte die Untersuchung so lange hin, bis der Pirat Gelegenheit gefunden, zu entschlüpfen. In diesem Augenblicke ist eine Flotte von mehr oder minder eisengepanzerten Schiffen in Liverpool fix und fertig, bereit, die amerikanische Blockade gewaltsam zu durchbrechen. Außerdem liegt ein Schwarm piratischer Schiffe auf dem Sprung, dem 'Alabama' in seiner infamen Karriere zu folgen. Wird unsere Regierung ein zweites Mal die Augen zudrücken und den Nachfolgern des 'Alabama' einen Freipaß geben? Ich fürchte es. Herr Gladstone, in seiner Rede zu Newcastle, sagte, er sei unterrichtet, der Rebellenpräsident, dessen Panegyriker er spielte, würde bald eine Flotte besitzen. War dies eine Anspielung auf die Flotte, die seine Liverpooler Freunde gebaut haben? ... Lord Palmerston und Russell sind, wie die Tories, von einem Haß gegen Republikanismus beseelt, der alle Rücksichten und Bedenken durchbricht, während Herr Gladstone, vielleicht der Premierminister der Zukunft, sich offen als den Bewunderer der meineidigen Usurpatoren bekennt, die sich verschworen, um die Sklaverei zu verewigen und zu propagieren."
|571| Unter den heute eingetroffenen Blättern von Amerika ist vielleicht das Organ der Konföderierten, der "Richmond Examiner", das interessanteste. Er bringt einen ausführlichen Artikel über die Situation, wovon ich das Wichtigste in folgendem Auszug zusammenfasse:
"Die außerordentliche und plötzliche Vermehrung der feindlichen Seemacht droht mit düsteren Aussichten. Solch einen Umfang hat diese Waffe erhalten, daß sie in vieler Hinsicht uns gefährlicher scheint als die Landmacht des Feindes. Die Yankees gebieten jetzt über 200 Kriegsschiffe mehr als beim Ausbruch des Krieges. Große Vorbereitungen sind für die See-Operationen während des kommenden Winters gemacht worden, und außer den bereits dienstfähigen Schiffen befinden sich ungefähr 50 eisengepanzerte Kriegsschiffe noch im Bau. Wir haben allen Grund, zu glauben, daß die Yankeeflotte, die unsere Küste während dieses Winters überfallen wird, durch Bewaffnung und Bau der Schiffe ihre Vorgänger bei weitem übertrifft. Die Zwecke der bevorstehenden Expeditionen sind von der höchsten Wichtigkeit. Es gilt die Wegnahme unserer letzten Seehäfen, die Vollendung der Blockade, endlich die Eröffnung von Invasionspunkten in südliche Distrikte, um dort mit Beginn des neuen Jahres die Emanzipationsakte praktisch auszuführen. Es wäre töricht, die Vorteile zu leugnen, die unserm Feind aus der Wegnahme unserer letzten Seehäfen erwachsen müssen, oder solches Mißgeschick leicht abzufertigen mit dem Trost, daß wir immer noch den Feind durch Kriegführung im Innern schlagen können ... Mit Charleston, Savannah und Mobile in der Hand des Feindes, würde die Blockade mit einer Strenge durchgeführt werden, wie sie selbst unsere bisherigen Leiden nicht ahnen ließen. Wir müßten jeden Gedanken aufgeben, eine Flotte auf dieser Seite des Atlantischen Ozeans zu bauen, und der Demütigung uns von neuem unterziehen, unsere Schiffsbauten dem Feind auszuliefern oder selbst zu zerstören. Unser großes System der Eisenbahnverbindungen in den Baumwollstaaten würde mehr oder minder durchbrochen werden, und zu spät würden wir vielleicht die Erfahrung machen, daß der Landkrieg, auf den man so große Hoffnungen baut, unter Umständen fortzuführen wäre, die die Erhaltung, Proviantierung und Konzentrierung großer Armeen untersagten ... Diese unheilvollen Resultate einer Wegnahme unserer Seehäfen verschwinden jedoch vor einer größeren Gefahr, der größten Gefahr dieses Krieges - der Besetzung von Punkten in den Baumwollstaaten, von wo der Feind seinen Emanzipationsplan ausführen kann. Große Anstrengungen werden natürlich gemacht, um diese Lieblingsmaßregel der Abolitionisten vor dem Durchfall zu sichern, und damit der Geist der Rache, den Herr Lincoln bis zum 1. Januar in einer Flasche eingekorkt hat, nicht in harmlosem Sodawassergezisch versause ... Der Versuch wird jetzt an unserer wehrlosesten Seite gemacht; das Herz des Südens soll vergiftet werden ... Vorhersage künftigen Unsterns klingt schlecht in den Ohren der Masse, die blind an die Regierung glaubt, und Renommage für Patriotismus hält ... Wir behaupten nicht, daß Charleston, Savannah und Mobile sich nicht in verteidigungsfähigem Zustande befinden. Es gibt im Süden natürlich ein ganzes Schock militärischer Autoritäten, nach denen jene Häfen uneinnehmbarer als Gibraltar; aber Militärs und ihre Mundstücke haben zu oft unser Volk in falsche Sicherheit gewiegt ... Wir hörten |572| dieselben Redensarten mit Bezug auf New Orleans. Nach der Beschreibung übertrafen seine Verteidigungswerke die von Tyrus gegen Alexander. Nichtsdestoweniger erwachte das Volk eines schönen Morgens, um die feindliche Flagge von seinem Hafen wehen zu sehen ... Der Verteidigungszustand unserer Häfen ist ein Geheimnis der offiziellen Kreise. Aber die Wahrzeichen jüngster Vergangenheit sind nicht tröstlich. Vor einigen Wochen fiel Galveston beinahe ohne Kampf in die Hände des Feindes. Den lokalen Zeitungen war verboten worden, über die Verteidigungsmittel der Stadt zu schreiben. Kein Hilfsschrei ertönte außerdem, der das stumpfe Ohr der Regierung traf. Das Volk wurde nicht aufgeregt. Sein Patriotismus wurde ersucht, unwissend zu bleiben, den Führern zu vertrauen und sich den Dekreten der Vorsehung zu unterwerfen. In dieser Art fiel ein anderer Preis in den Schoß des Feindes ... Die Methode, alle militärischen Angelegenheiten in den Mantel des Geheimnisses zu hüllen, hat schlechte Früchte dem Süden getragen. Sie mag die Kritik totgeschwiegen und die Fehler der Regierung verhüllt haben. Aber sie hat den Feind nicht geblendet. Er scheint immer genau über den Stand unserer Verteidigungswerke unterrichtet, während unser Volk deren Schwache erst dann erfährt, wenn sie in die Hand der Yankees gefallen sind."