Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 421-422.
1. Korrektur.
Erstellt am 25.10.1998.
Geschrieben am 13. Dezember 1861.
["Die Presse" Nr. 346 vom 17. Dezember 1861]
|421| Die Nachricht über das Schicksal des "Harvey Birch" und den Aufenthalt des Kreuzers "Nashville" im Hafen von Southampton traf am 29. November zu New York ein, scheint aber nicht den Sensationsspektakel hervorgerufen zu haben, auf den man hier in gewissen Kreisen ebensosehr rechnete, wie man ihn von anderer kriegsfeindlicher Seite befürchtete. Schlagwelle brach diesmal an Schlagwelle. New York war nämlich gerade aufgewühlt von den Vorkämpfen zur Mayorswahl für den 3. Dezember. Der Gesandte der "Times" in Washington, Herr Russell, der sein keltisches Talent durch gemachtes Engländertum verdirbt, affektiert achselzuckende Verwunderung über diesen Mayorswahltumult. Herr Russell schmeichelt natürlich dem Wahn des Londoner Cockney, daß eine Mayorswahl zu New York dieselbe altmodische Alfanzerei wie eine Lordmayorswahl zu London. Der Londoner Lordmayor hat bekanntlich mit dem größten Teil Londons nichts zu schaffen. Er ist der nominelle Regent der City, ein Fabelwesen, das seine Realität durch Produktion guter Schildkrötensuppen bei Festschmausen und schlechter Urteile in Polizei-Übertretungsfällen zu beweisen trachtet. Ein Londoner Lordmayor ist eine Staatsperson nur noch in der Phantasie Pariser Vaudeville- und Faitsdivers-Schreiber |Allerwelts-Schreiber|. Der Mayor von New York ist dagegen eine reale Macht. Im Beginn der Sezessionsbewegung war der bisherige Mayor, der berüchtigte Fernando Wood, auf dem Sprung, New York zur unabhängigen städtischen Republik zu proklamieren, natürlich im Einverständnis mit Jefferson Davis. Sein Plan scheiterte an der Energie der Republikanischen Partei der Empire-City.
|422| Am 27. November hielt Karl Sumner von Massachussets, Mitglied des amerikanischen Senats, wo er zur Zeit der Kansas-Affäre von einem südlichen Senator mit Stockschlägen insultiert ward, vor einem zahlreichen Meeting im Cooper-Institute zu New York einen brillanten Vortrag über den Ursprung und die geheimen Triebfedern der Sklavenhalterrebellion. Am Schlusse seiner Rede faßte das Meeting den folgenden Beschluß:
"Die von General Frémont aufgestellte Doktrin über die Emanzipation der Sklaven von Rebellen, ebenso die späteren Äußerungen von General Burnside, Senator Wilson, Georg Bancroft (dem berühmten Geschichtsschreiber), Oberst Cochrane und Simon Cameron, in welchen die eventuelle Ausrottung der Sklaverei als der Ursache der Rebellion angedeutet wird, bekunden eine moralische, politische und militärische Notwendigkeit. Nach dem Urteil dieses Meetings sympathisiert der öffentliche Geist des Nordens jetzt durchaus mit jedem praktischen Plane, der zur Ausrottung dieses Nationalübels vorgeschlagen werden mag, und betrachtet es ein solches Resultat als den einzig konsequenten Ausgang dieses Kampfes zwischen Zivilisation und Barbarei."
Die "New-York Tribune" bemerkt in bezug auf Sumners Rede unter anderm:
"Herrn Sumners Anspielung auf die im Kongreß bevorstehenden Debatten über die Sklavenfrage ruft die Hoffnung wach, daß jener Körper endlich verstehen wird, wo die Schwäche des Südens und die Kraft des Nordens wirklich liegen, und daß er zu dem entscheidenden Mittel greifen wird, wodurch allein die Rebellion rasch und definitiv überwältigt werden kann."
In einem Privatbriefe von Mexiko heißt es unter anderm:
"Der englische Gesandte spielt den warmen Freund der Administration des Präsidenten Juárez ... Mit den spanischen Intrigen wohlbekannte Personen versichern, daß General Marquez von Spanien aus den Auftrag erhalten hat, die zerstreuten Kräfte der Kirchenpartei wieder zu sammeln, sowohl ihre mexikanischen als spanischen Elemente. Diese Partei soll dann die bald darzubietende Gelegenheit benützen, um von ihrer katholischen Majestät einen König für den Thron von Mexiko zu erflehen. Zu dieser Stelle soll ein Onkel der Königin bereits auserkiest sein. Da der Mann alt ist, würde er im natürlichen Lauf der Dinge bald von der Bühne abtreten, und da jede Klausel zur Ernennung seines Nachfolgers vermieden werden soll, werde Mexiko so an Spanien zurückfallen - so daß in Mexiko dieselbe Politik wie in Haiti siegen würde."