Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 419-420.

1. Korrektur.
Erstellt am 25.10.1998.

Karl Marx

Krise in der Sklavenfrage


["Die Presse" Nr. 343 vom 14. Dezember 1861]

|419| London, 10. Dezember 1861

In den Vereinigten Staaten ist offenbar ein Krisenpunkt eingetreten mit Bezug auf die Frage, die dem ganzen Bürgerkrieg zu Grunde liegt die Sklavenfrage. General Frémont wird abgesetzt, weil er die Sklaven von Rebellen für frei erklärt. Kurz darauf veröffentlicht die Regierung von Washington eine Instruktion an General Sherman, den Kommandanten der Expedition nach Süd-Carolina, die weiter geht als Frémont, indem sie den flüchtigen Sklaven selbst loyaler Sklavenhalter als Lohnarbeiter zu empfangen und unter Umständen zu bewaffnen verordnet, die "loyalen" Eigentümer durch Aussicht auf spätere Entschädigung vertröstend. Oberst Cochrane geht weiter als Frémont und verlangt die allgemeine Bewaffnung der Sklaven als Kriegsmaßregel. Kriegsminister Cameron billigt öffentlich Cochranes "Meinungen". Der Minister des Innern desavouiert darauf den Kriegsminister im Namen der Regierung. Der Kriegsminister wiederholt seine "Meinung" mit erhöhter Energie auf einem öffentlichen Meeting und erklärt, daß er sie in seinem Bericht an den Kongreß geltend machen werde. General Halleck, Frémonts Nachfolger in Missouri, wie General Dix in Ost-Virginia, treibt die flüchtigen Neger aus dem Kriegslager und verbietet ihr künftiges Erscheinen im Umkreis der von seiner Armee eingenommenen Positionen. General Wool empfängt gleichzeitig die schwarze "Kontrebande" mit offenen Armen in der Festung Monroe; die alten Führer der Demokratischen Partei, Senator Dickinson und Croswell (früher Mitglied der sogenannten demokratischen Regentschaft), erklären in offenen Sendschreiben ihre Übereinstimmung mit |420| Cochrane und Cameron, und Oberst Jennison in Kansas überbietet alle seine militärischen Vorgänger durch eine Anrede an seine Truppen, worin es unter anderm lautet:

"Kein Temporisieren mit Rebellen und denen, die mit ihnen sympathisieren ... Ich habe General Frémont erklärt, daß ich nicht das Schwert ergriffen hätte, glaubte ich, daß die Sklaverei diesen Kampf überleben werde. Die Sklaven von Rebellen werden stets Schutz in diesem Lager finden und mit dem letzten Mann und der letzten Kugel verteidigt werden. Ich will niemand unter meinen Truppen, der nicht Abolitionist ist (I want no men who are not Abolitionists), ich habe keinen Platz für sie und hoffe, dergleichen Leute befinden sich nicht unter uns, denn alle wissen, daß Sklaverei der Grund, die Mitte und die Spitze dieses höllischen Krieges ist ... Sollte die Regierung meine Handlungsweise mißbilligen, so kann sie mein Patent zurückhaben, aber in diesem Falle werde ich auf meine eigene Faust handeln (on my own hoock), sollte ich im Beginn auch nur auf 6 Mann zählen können."

In den Grenzsklavenstaaten, namentlich in Missouri, in minderem Grad in Kentucky usw., löst sich die Sklavenfrage bereits praktisch. Es findet nämlich eine ungeheure Wegfegung des Sklavenelements statt. So sind aus Missouri an 50.000 Sklaven verschwunden, wovon ein Teil weggelaufen, der andere Teil von Sklavenhaltern selbst nach den mehr südlichen Staaten deportiert worden.

Ein höchst wichtiges und charakteristisches Ereignis findet sich sonderbarerweise in keinem einzigen englischen Blatte erwähnt. Am 18. November versammelten sich nämlich die Delegierten von 45 Grafschaften Nord-Carolinas auf der Insel Hatteras, ernannten eine provisorische Regierung, widerriefen die Sezessionsakte und proklamierten die Rückkehr Nord-Carolinas in den Schoß der Union. Die auf dieser Konvention vertretenen Teile Nord-Carolinas sind zur Wahl von Repräsentanten für den Kongreß in Washington zusammenberufen.