Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 304-313.

1. Korrektur
Erstellt am 20.09.1998

Karl Marx

Die amerikanische Frage in England

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 6403 vom 11. Oktober 1861]

<304> London, 18. September 1861

Frau Beecher-Stowes Brief an Lord Shaftesbury hat, ganz gleich, wie seine eigentlichen Verdienste sein mögen, sehr viel Gutes dadurch erreicht, daß er die gegen den Norden eingestellten Organe der Londoner Presse gezwungen hat, die angeblichen Gründe für ihren feindseligen Ton gegenüber dem Norden und ihre schlecht verhüllten Sympathien für den Süden auszusprechen und der Öffentlichkeit vorzulegen. Das wirkt bei Leuten, die großen Abscheu vor der Sklaverei heucheln, recht befremdend. Ihr erster und größter Kummer ist, daß der jetzige amerikanische Krieg "kein Krieg für die Abschaffung der Sklaverei" ist und daß man deshalb vom hochsinnigen Briten, der gewöhnt ist, eigene Kriege zu führen, und der sich für die Kriege anderer Völker nur vom Standpunkt "allgemeiner humanitärer Grundsätze" interessiert, keine Sympathien für seinen Vetter im Norden verlangen kann.

"Vor allem", sagt der "Economist", "ist die Annahme, daß der Streit zwischen Norden und Süden ein Streit um Negerfreiheit einerseits und Negersklaverei andererseits ist, so unverschämt wie unwahr". "Der Norden", sagt die "Saturday Review" "proklamiert nicht die Abolition und hat nie vorgegeben, gegen die Sklaverei zu kämpfen. Der Norden hat nicht das heilige Symbol der Gerechtigkeit gegenüber den Negern als Oriflamme <Kampfbanner> gehißt, sein cri de guerre <Feldgeschrei> ist nicht die bedingungslose Abolition." "Wenn wir", sagt der "Examiner", "über die wirkliche Bedeutung dieser edlen Bewegung betrogen worden sind, wer außer den Föderalisten selbst ist für diesen Betrug verantwortlich?"

<305> Man muß erst einmal dem oben Gesagten zustimmen. Der Krieg ist nicht mit der Absicht unternommen worden, die Sklaverei aufzuheben, und die Regierung der Vereinigten Staaten hat sich selbst größte Mühe gegeben, gegen jeden Gedanken dieser Art zu protestieren. Doch dabei sollte man sich erinnern, daß es nicht der Norden war, der diesen Krieg begann, sondern der Süden; ersterer verteidigte sich nur. Wenn es wahr ist, daß der Norden nach langem Zögern und nachdem er eine Nachsicht gezeigt hatte, wie sie in den Annalen der europäischen Geschichte unbekannt ist, schließlich das Schwert zog, nicht um die Sklaverei zu brechen, sondern um die Union zu schützen, so begann der Süden seinerseits den Krieg mit der lauten Proklamation, daß die "spezielle Institution" das alleinige und hauptsächliche Ziel der Rebellion sei. Der Süden bekannte, für die Freiheit zu kämpfen, andere Menschen zu versklaven; eine Freiheit, die er trotz des Protestes des Nordens durch den Sieg der Republikanischen Partei und die Wahl Lincolns zum Präsidenten als bedroht bezeichnete. Der Kongreß der Konföderierten rühmte sich, daß seine neue Verfassung zum Unterschied zu den Verfassungen Washingtons, Jeffersons und Adams zum ersten Mal die Sklaverei als eine an sich gute Sache anerkannt habe, als ein Bollwerk der Zivilisation und eine göttliche Einrichtung. Während der Norden sich dazu bekannte, nur für die Union zu kämpfen, rühmte sich der Süden des Aufstandes für die Vorherrschaft der Sklaverei. Wenn die Gegner der Sklaverei und das idealistische England sich nicht durch die Erklärung des Nordens angezogen fühlten, wie konnte es dann geschehen, daß sie nicht von den zynischen Bekenntnissen des Südens heftig abgestoßen wurden?

Die "Saturday Review" hilft sich aus diesem häßlichen Dilemma durch ihren Unglauben an die Erklärungen der Südstaaten selbst. Sie ist weitsichtiger und entdeckt, "daß die Sklaverei sehr wenig mit der Sezession zu tun habe", daß die Erklärungen von Jefferson Davis und seiner Gesellschaft im Gegenteil lediglich "Konventionalismus" seien, von "ungefähr der gleichen Bedeutung wie der Konventionalismus gegenüber geschändeten Altären und entweihter Häuslichkeit, die in solchen Proklamationen immer vorkommen".

Der Vorrat an Argumenten ist auf seiten der gegen den Norden gerichteten Zeitungen sehr dürftig, und in allen finden wir, wie Formeln einer mathematischen Reihe, in bestimmten Abständen und mit sehr geringem Variations- oder Kombinationsvermögen sich ständig wiederholende Sätze.

"Wie denn", ruft der "Economist" aus, "erst gestern war es doch, als bei der ersten Bekanntgabe der Wahl Herrn Lincolns die Sezessionsbewegung begann, ernsthaft <306> Gestalt anzunehmen, daß der Norden dem Süden jede mögliche Sicherheit für die Ausübung und für die Unverletzlichkeit der verhaßten Einrichtung bieten wollte, wenn der Süden in der Union bleiben würde, daß der Norden feierlich jede Einmischungsabsicht abstritt, indem seine Führer einen Kompromiß nach dem anderen im Kongreß vorschlugen, die alle auf der Konzession beruhten, sich nicht in die Sklaverei einzumischen."

"Wie kommt es", sagt der "Examiner", "daß der Norden bereit war, Kompromisse mit den größten Konzessionen an den Süden in bezug auf die Sklaverei einzugehen? Wie kam es, daß im Kongreß eine bestimmte geographische Linie vorgeschlagen wurde, innerhalb der die Sklaverei als notwendige Einrichtung anerkannt werden sollte? Die Südstaaten waren damit nicht zufrieden."

Was der "Economist" und der "Examiner" hätten fragen müssen, war nicht nur, warum der Kompromiß Crittendens und andere Kompromisse im Kongreß vorgeschlagen worden waren, sondern, warum sie nicht durchgekommen sind. Sie möchten diese Kompromißvorschläge so darstellen, als seien sie [nicht] vom Norden angenommen und vom Süden verworfen, sondern in Wirklichkeit von der Partei des Nordens, die Lincolns Wahl durchgesetzt hatte, vereitelt worden. Da deshalb die Vorschläge niemals zu Entschlüssen reiften, sondern immer im Embryostadium der pia desideria <frommen Wünsche> blieben, hatte der Süden natürlich niemals Gelegenheit, zu verwerfen oder einzuwilligen. Wir kommen dem Kern der Frage durch die folgende Bemerkung des "Examiner" näher:

"Frau Stowe sagt: 'Als die Sklavenpartei merkte, daß sie die Union für ihre Zwecke nicht länger gebrauchen könnte, beschloß sie, sie zu vernichten.' Das ist das Eingeständnis dafür, daß die Sklavenpartei bis dahin die Union für ihre Zwecke benutzt hatte, und es wäre schön, wenn Frau Stowe klar zeigen könnte, wo der Norden seinen Widerstand gegen die Sklaverei begann."

Man sollte erwarten, daß der "Examiner" und die anderen Orakel der öffentlichen Meinung in England sich mit der neusten Geschichte selbst genügend vertraut gemacht hätten, um Frau Stowes Informationen über diese äußerst wichtigen Punkte nicht zu brauchen. Der zunehmende Mißbrauch der Union durch die Sklavenmächte, der durch das Bündnis mit der nordamerikanischen Demokratischen Partei bewirkt wurde, ist sozusagen die allgemeine Formel der Geschichte der Vereinigten Staaten seit Beginn dieses Jahrhunderts. Die andauernden Kompromißmaßnahmen bezeichnen die stufenweisen Übergriffe, durch die die Union mehr und mehr zum <307> Sklaven der Sklavenhalter wurde. Jeder dieser Kompromisse bezeichnet eine neue Anmaßung des Südens, eine neue Konzession des Nordens. Zugleich wurde keiner der ununterbrochenen Siege des Südens ohne vorhergegangene heiße Schlacht mit einer der antagonistischen Kräfte des Nordens errungen, die unter verschiedenen Parteinamen mit verschiedenen Parolen und unter verschiedenen Farben auftraten. Wenn das wirkliche und endgültige Resultat jedes einzelnen Kampfes auch zugunsten des Südens ausfiel, so mußte doch der aufmerksame Beobachter der Geschichte sehen, daß jedes neue Vordringen der Sklavenmacht ein Schritt vorwärts zu ihrer endgültigen Niederlage war. Selbst zu der Zeit des Missouri-Kompromisses waren die gegnerischen Kräfte so gleichmäßig ausbalanciert, daß Jefferson, wie wir aus seinen Memoiren ersehen, fürchtete, daß die Union in Gefahr sei, durch diesen verderblichen Antagonismus auseinanderzufallen. Die Anmaßungen der Sklavenhaltermächte erreichten ihren Höhepunkt, als durch die Kansas-Nebraska-Bill zum ersten Male in der Geschichte der Vereinigten Staaten - wie Herr Douglas selbst gestand - jede gesetzliche Schranke der Ausbreitung der Sklaverei auf dem Territorium der Vereinigten Staaten niedergerissen wurde; als später ein nordamerikanischer Kandidat seine Nominierung zum Präsidenten durch das Versprechen an die Union erkaufte, in Kuba ein neues Herrschaftsgebiet für die Sklavenhalter zu erobern oder zu kaufen; als später durch die Dred-Scott-Entscheidung die Ausbreitung der Sklaverei durch die Föderativmacht als Gesetz der amerikanischen Verfassung proklamiert wurde, und schließlich, als der afrikanische Sklavenhandel de facto in größerem Maßstab als zu den Zeiten seines legalen Bestehens wieder ins Leben gerufen wurde. Doch gleichlaufend mit diesem durch die sträfliche Nachsicht der Demokratischen Partei des Nordens ermöglichten Höhepunkt der Übergriffe des Südens gab es unmißverständliche Zeichen, daß die entgegengesetzte Tätigkeit des Nordens solche Intensität angenommen hatte, daß sich das Machtverhältnis bald wenden mußte. Der Kansas-Krieg, die Bildung der Republikanischen Partei und die große Stimmenzahl, die für Herrn Frémont während der Präsidentschaftswahlen von 1856 abgegeben wurde, waren viele handgreifliche Beweise dafür, daß der Norden genügend Energien gesammelt hatte, um die Abirrungen zu berichtigen, denen unter dem Druck der Sklavenbesitzer die Vereinigten Staaten ein halbes Jahrhundert ihrer Geschichte ausgesetzt waren, und sie zu den wahren Grundsätzen ihrer Entwicklung zurückzuführen. Abgesehen von jenen politischen Erscheinungen gab es eine deutliche statistische und ökonomische Tatsache, die anzeigte, daß der Mißbrauch der föderativen <308> Union durch die Interessen der Sklavenhalter den Punkt erreicht hatte, von dem sie entweder gewaltsam oder de bonne grâce <aus freien Stücken> zurückweichen mußten. Diese Tatsache war die Entwicklung des Nordwestens, die gewaltigen Anstrengungen, die seine Bevölkerung von 1850 bis 1860 gemacht hatte, und der neue, stärkende Einfluß, den sie auf das Schicksal der Vereinigten Staaten haben mußte.

War das nun alles ein geheimes Kapitel der Geschichte? War "das Eingeständnis" Frau Beecher-Stowes nötig, um dem "Examiner" und den anderen politischen Illuminaten der Londoner Presse die sorgfältig verborgene Wahrheit aufzudecken, daß "die Sklavenpartei die Union bis zu dieser Zeit für ihre eigenen Zwecke benutzt hatte"? Ist es der Fehler des amerikanischen Nordens, daß die englischen Presseleute durch den heftigen Zusammenprall der antagonistischen Kräfte plötzlich überrascht wurden, deren Reibereien die treibende Kraft der Geschichte eines halben Jahrhunderts sind? Ist es die Schuld der Amerikaner, daß die englische Presse fälschlich das für eine an einem einzigen Tag ausgebrütete phantastische Laune hält, was in Wirklichkeit das herangereifte Ergebnis langjährigen Kampfes ist? Die Tatsache allein, daß die Bildung und Entwicklung der Republikanischen Partei in Amerika von der Londoner Presse kaum bemerkt wurde, spricht Bände für die Hohlheit ihrer Tiraden gegen die Sklaverei. Nehmen wir zum Beispiel die beiden Antipoden der Londoner Presse, die Londoner "Times" und "Reynolds's Weekly Newspaper" das große Organ der angesehenen Klassen und das einzig verbliebene Organ der Arbeiterklasse. Erstere veröffentlichte, kurz bevor Buchanans Karriere zu Ende ging, eine sorgfältig ausgearbeitete Apologetik seiner Staatsführung und eine verleumderische Schmähschrift gegen die republikanische Bewegung. Reynolds seinerseits war während des Aufenthalts Buchanans in London einer seiner Günstlinge und hat seit dieser Zeit keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ihn herauszustreichen und seine Gegner herabzusetzen. Wie kam es, daß die Republikanische Partei, deren Programm auf dem erwähnten Antagonismus gegenüber den Eingriffen des Sklavenhaltersystems und dem Mißbrauch der Union durch die Sklavenhalterinteressen basierte, im Norden siegte? Wie kam es weiterhin, daß die große Mehrheit der Demokratischen Partei des Nordens ihre alten Verbindungen mit den Führern der Sklavenhalter beiseite schob, die Traditionen eines halben Jahrhunderts in den Wind schlug, große Handelsinteressen und größere politische Vorurteile opferte, der jetzigen republi- <309> kanischen Führung zu Hilfe eilte und ihr mit offener Hand Leute und Geld anbot?

Anstatt diese Fragen zu beantworten, ereifert sich der "Economist":

"Können wir vergessen, daß die Abolitionisten im Norden und im Westen gewöhnlich ebenso wütend verfolgt und schlecht behandelt wurden, wie im Süden? Kann man leugnen, daß der Eigensinn und die Gleichgültigkeit, um nicht zu sagen die Unaufrichtigkeit der Washingtoner Regierung Jahre hindurch das Haupthindernis waren, welches unsere Bemühungen um die wirksame Unterdrückung des Sklavenhandels an der Küste Afrikas zunichte machte, wobei ein gewaltiger Teil der Klipper, die sich gerade mit diesem Handel befaßten, mit Kapital aus dem Norden gebaut worden waren, Kaufleuten aus dem Norden gehörten und mit Seeleuten aus dem Norden bemannt waren?"

Das ist tatsächlich ein Meisterstück der Logik. England, der Gegner der Sklaverei, kann mit dem Norden, der den verheerenden Einfluß der Sklavenhaltermacht zerbricht, nicht sympathisieren, weil es nicht vergessen kann, daß der Norden, als er diesem Einfluß noch unterworfen war, den Sklavenhandel unterstützte, die Abolitionisten niederschrie, und daß seine demokratische Ordnung durch das Vorurteil der Sklavenschinder befleckt wurde. England kann mit Lincolns Leitung nicht sympathisieren, weil es Buchanans Leitung mißbilligen mußte. Es muß notwendigerweise die jetzige Bewegung der Wiedererweckung des Nordens böse schmähen, muß diejenigen, die im Norden mit dem in den republikanischen Grundsätzen gebrandmarkten Sklavenhandel sympathisieren, ermuntern. Es muß mit der Sklavenhaltermacht des Südens kokettieren, die ein eigenes Reich errichtete, weil man in England nicht vergessen kann, daß der Norden von gestern nicht der Norden von heute ist. Die Notwendigkeit, seine Haltung durch solche winkelzügigen Old-Bailey-Vorwände zu rechtfertigen, zeigt mehr als alles andere, daß der gegen den Norden gerichtete Teil der englischen Presse durch verborgene Motive getrieben wird, die zu niedrig und feige sind, um offen ausgesprochen zu werden. Da es eines der Lieblingsmanöver der englischen Presse ist, der jetzigen republikanischen Führung die Taten ihrer Prosklaverei-Vorgänger vorzuwerfen, bemüht sie sich sehr, dem englischen Volk einzureden, daß der "New-York Herald" als das einzige Organ anzusehen ist, das die Meinung des Nordens authentisch wiedergibt. Nachdem die Londoner "Times" die Linie in dieser Richtung angegeben hat, bleibt die servum pecus <sklavische Herde> der <310> anderen gegen den Norden gerichteten Organe, ob groß oder klein, dabei, in dasselbe Horn zu stoßen. So sagt der "Economist":

"Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung gab es genug New-Yorker Zeitungen und New-Yorker Politiker, die die Kämpfenden ermunterten, da sie jetzt große Armeen im Feld hatten, diese nicht gegeneinander, sondern gegen Großbritannien einzusetzen; den inneren Streit, einschließlich des Sklavenproblems, beizulegen und ohne Ankündigung mit überwältigenden Kräften in das britische Territorium einzufallen."

Der "Economist" weiß sehr genau, daß die Bemühungen des "New York Herald", die von der Londoner "Times" eifrig unterstützt wurden, die Vereinigten Staaten in einen Krieg mit England hineinzuziehen, lediglich beabsichtigten, den Erfolg der Sezession zu sichern und die Bewegung zur Wiederbelebung des Nordens zunichte zu machen.

Doch wird von der gegen den Norden eingestellten englischen Presse eine Konzession gemacht. Der "Saturday"-Snob berichtet uns:

"Was bei Lincolns Wahlen streitig war und was die heftige Erregung beschleunigte, war lediglich die Beschränkung der Institution der Sklaverei auf Staaten, in denen jene Einrichtung bereits besteht."

Und der "Economist" bemerkt:

"Es ist tatsächlich wahr, daß das Ziel der Republikanischen Partei, die Lincoln wählte, darin bestand, das Ausbreiten der Sklaverei in die unbesiedelten Gebiete zu verhindern ... Es mag wahr sein, daß ein vollständiger und sicherer Erfolg des Nordens ihm ermöglichen würde, die Sklaverei auf die fünfzehn Staaten zu beschränken, die sie bereits eingeführt haben und so zur eventuellen Beseitigung dieses Systems führen kann - obwohl dies mehr wahrscheinlich als gewiß ist."

Im Jahre 1859, anläßlich John Browns Harper's Ferry-Expedition, veröffentlichte genau derselbe "Economist" eine Serie sorgfältig ausgetüftelter Artikel mit der Absicht, zu beweisen, daß infolge eines ökonomischen Gesetzes die amerikanische Sklaverei zu allmählichem Untergang verurteilt sei, von dem Zeitpunkt an, wenn sie sich nicht mehr auszudehnen imstande ist. Jenes "ökonomische Gesetz" wurde von den Sklavenhaltern sehr gut verstanden.

"In fünfzehn Jahren", sagt Toombs, "muß ohne größeres Anwachsen des Sklaventerritoriums entweder geduldet werden, daß die Sklaven vor den Weißen fliehen, oder die Weißen müssen vor den Sklaven fliehen."

Die Beschränkung der Sklaverei auf ihr gesetzmäßiges Gebiet, wie sie von den Republikanern proklamiert wird, war die klare Grundlage, auf der die Gefahr der Sezession zuerst im Repräsentantenhaus am 19. Dezember <311> 1859 geäußert wurde. Herr Singleton (Mississippi) fragte Herrn Curtis (Iowa), "ob die Republikanische Partei niemals zulassen würde, daß der Süden noch einen Fußbreit Sklavengebiet erhalte, solange er in der Union bleibe", und da Herr Curtis bejahte, sagte Herr Singleton, das würde die Union auflösen. Sein Rat an Mississippi war, je früher es aus der Union austrete, um so besser. "Die Herren sollten sich erinnern, daß Jefferson Davis unsere Streitkräfte in Mexiko führte, und er lebe immer noch, um eventuell die Armee des Südens zu führen." Ganz abgesehen von dem ökonomischen Gesetz, das die Ausbreitung der Sklaverei zu einer Lebensbedingung der Aufrechterhaltung in ihrem konstitutionellen Bezirk macht, haben sich die Führer des Südens über die Notwendigkeit, ihre politische Macht über die Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten, niemals etwas vorgemacht. John Calhoun erklärte in der Verteidigung seiner Vorschläge am 19. Februar 1847 vor dem Senat deutlich, "daß der Senat der einzige Ausgleich der Kräfte sei, der dem Süden in der Regierung geblieben ist", und daß die Bildung neuer Sklavenstaaten notwendig geworden sei, "um das Gleichgewicht der Kräfte im Senat zu erhalten". Außerdem könne die Oligarchie der 300.000 Sklavenbesitzer ihren Einfluß bei sich nicht wahren, ohne ihren weißen Plebejern den Köder zukünftiger Eroberungen innerhalb und außerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten hinzuwerfen. Wenn daraufhin, nach dem Orakel der englischen Presse, der Norden zu dem festen Entschluß gekommen war, die Sklaverei auf ihre bestehenden Grenzen zu beschränken und sie so auf verfassungsmäßigem Wege zu liquidieren, genügte das nicht, um die Sympathien des Sklavereigegners England zu erringen?

Doch scheinen die englischen Puritaner wirklich nur durch einen ausdrücklichen Abolitionskrieg zufriedengestellt werden zu können.

"Da das", sagt der "Economist", "nun kein Krieg für die Emanzipation der Negerrasse ist, auf welcher anderen Grundlage sollen wir wirklich mit der Sache der Föderierten so warm sympathisieren?"

"Es gab eine Zeit", sagt der "Examiner" "da unsere Sympathien beim Norden waren, weil wir dachten, daß er sich wirklich ernsthaft gegen die Einmischung der Sklavenstaaten stemmte" und daß er "die Emanzipation als eine gerechte Maßnahme für die schwarze Rasse" vertrat.

Jedoch werden wir in denselben Nummern, in denen diese Zeitungen uns erzählen, daß sie mit dem Norden nicht sympathisieren könnten, weil sein Krieg kein Abolitionskrieg sei, informiert, daß "das rücksichtslose Mittel, die Negeremanzipation zu proklamieren und die Sklaven zu einem allgemeinen Aufstand aufzurufen", eine Sache sei, "deren bloße Vorstellung <312> schon abstoßend und schrecklich ist," und daß "ein Kompromiß dem Erfolg, der mit solchen Kosten und mit einem solchen Verbrechen befleckt erkauft wurde, weit vorzuziehen" sei.

So ist das englische Verlangen nach einem Abolitionskrieg nur Gewäsch. Der Pferdefuß schaut aus den folgenden Sätzen heraus:

"Schließlich", meint der "Economist", "gibt der Morill-Tarif uns das Recht, unsere Dankbarkeit und unsere Sympathie zu zeigen, oder ist die Gewißheit, daß im Fall eines Triumphes des Nordens dieser Tarif auf die ganze Republik ausgedehnt würde, ein Grund, uns so geräuschvoll um sein Gelingen zu bemühen?"

"Die Nordamerikaner", sagt der "Examiner", "nehmen in Wirklichkeit nichts anderes ernst als einen selbstsüchtigen Schutztarif ... Die Südstaaten hatten es satt, durch den Schutztarif des Nordens der Früchte ihrer Sklavenarbeit beraubt zu wer den."

Der "Examiner" und der "Economist" kommentieren sich gegenseitig, Letzterer ist ehrlich genug, schließlich zu bekennen, daß für ihn und seine Anhänger die Sympathie lediglich eine Zollfrage sei, während ersterer den Krieg zwischen Süden und Norden zu einem Zollkrieg reduziert, zu einem Krieg zwischen Schutzzoll und Freihandel. Vielleicht weiß der "Examiner" nicht, daß selbst die Nichtigkeitserklärer von Süd-Carolina 1832, wie General Jackson bezeugt, den Schutzzoll nur als einen Vorwand für die Sezession brauchten; doch sollte selbst der "Examiner" wissen, daß die jetzige Rebellion nicht auf die Annahme des Morrill-Tarifs wartete, um auszubrechen. Tatsächlich hätte der Süden nicht darüber klagen können, um die Früchte seiner Sklavenarbeit durch den Schutzzoll des Nordens beraubt worden zu sein, wenn man bedenkt, daß von 1846 bis 1861 ein Freihandelstarif eingeführt worden war.

Der "Spectator" charakterisiert in seiner letzten Nummer die geheimen Gedanken einiger gegen den Norden eingestellten Organe in folgender überraschender Art:

"Was halten denn diese Organe nun wirklich für wünschenswert zur Rechtfertigung ihres Vorwandes, alles auf die unerbittliche Logik der Tatsachen zu schieben? Sie behaupten, daß die Spaltung gerade deshalb wünschenswert sei, weil sie, wie wir gesagt haben, der einzig mögliche Schritt zu einer Beendigung dieses 'grundlosen und brudermörderischen Streites' ist, sowie aus anderen Gründen, die sie als passende Begründung für die moralischen Forderungen des Landes erfunden haben, weil der Ausgang der Ereignisse bereits klar ist. Diese Gründe werden natürlich nur als Hintergedanke angeführt und sind ein bescheidener Versuch 'für die Rechtfertigung des Waltens Gottes über den Menschen' in dem Augenblick, wo die unvermeidliche Notwendigkeit bereits unverkennbar geworden ist. Man fand heraus, daß es ein sehr großer Vorteil für die Staaten wäre, in rivalisierende Gruppen gespalten zu werden. Sie würden ihren gegen- <313> seitigen Groll zügeln, des anderen Macht neutralisieren, und wenn England mit einem oder mehreren von ihnen in Streit geraten sollte, so wird uns schon der Argwohn der feindlichen Gruppen eine Hilfe sein. Das wird, bemerken sie nachdrücklich, eine sehr vorteilhafte Lage ergeben, denn es wird uns von der Angst befreien und die politische 'Konkurrenz' herausfordern, jene große Sicherung der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit unter den Staaten selbst.

So liegt der Fall - sehr nachdrücklich bemerkt - bei der großen Gruppe der mit dem Süden Sympathisierenden, die jetzt bei uns entsteht. Ins Englische übersetzt - und es schmerzt uns, daß die englische Meinung über einen solchen Gegenstand so aussieht, daß sie einer Übersetzung bedarf - bedeutet es, daß wir das augenblickliche große Ausmaß dieses 'brudermörderischen Krieges' bedauern, da er später in einem fürchterlichen Kampf eine Serie chronischer kleinerer Kriege, Erregungen und Eifersüchteleien unter den Gruppen der rivalisierenden Staaten hervorrufen kann. Die eigentliche Wahrheit ist, und gerade das unenglische Fühlen charakterisiert diese Wahrheit, obwohl in gefällige Phrasen gehüllt, sehr deutlich, daß rivalisierende Gruppen der amerikanischen Staaten nicht in Frieden und Harmonie miteinander leben können. Der Zustand einer unheilvollen Feindseligkeit aus denselben Ursachen, die den jetzigen Streit hervorgerufen haben, wäre dann chronisch. Man behauptete, die verschiedenen Gruppen der Staaten hätten verschiedene Zollinteressen. Diese verschiedenen Zollinteressen wären die Quelle ständiger Kleinkriege, wenn die Staaten einmal getrennt wären, und die Sklaverei, die Wurzel des ganzen Streites, würde die Quelle unzähliger Feindseligkeiten, Zwistigkeiten und Kampagnen sein. Unter den rivalisierenden Staaten könnte nie wieder ein stabiles Gleichgewicht hergestellt werden. Und doch wird behauptet, daß diese Aussicht auf einen langen, unaufhörlichen Streit die günstige Lösung der großen Frage, die jetzt zur Entscheidung steht, sei. Der einzige wirkliche Grund, weshalb das ganze günstig beurteilt wird, ist der, daß, während der augenblickliche große Konflikt eine wiederhergestellte und stärkere politische Einheit ergeben kann, die Alternative der großen Anzahl kleiner Streitereien einen schwachen und geteilten Kontinent zum Ergebnis hätte, den England nicht zu fürchten braucht.

Wir leugnen nicht, daß die Amerikaner die Saat dieses bedauernswerten und jämmerlichen Zustandes durch die unfreundliche und prahlerische Haltung, die sie England gegenüber so oft zeigten, selbst gesät haben, doch wir müssen sagen, daß unsere Gefühle niedrig und verächtlich sind. Wir sehen, daß in einer hinausgeschobenen Lösung keine Hoffnung auf einen tiefen und dauernden Frieden für Amerika besteht, sondern daß es eine Rückwärtsentwicklung und einen Zerfall der amerikanischen Nation in streitsüchtige Sippen und Stämme bedeutet, und doch erheben wir unsere Hände voll Schrecken gegen den jetzigen 'brudermörderischen' Streit, da er Aussichten zu einer endgültigen Lösung in sich trägt. Wir raten ihnen, eine Zukunft zahlloser kleiner Streitereien, die ebenso brudermörderisch und wahrscheinlich weit mehr demoralisierend wären, vorzuziehen, da letzteres uns vom Stachel der amerikanischen Konkurrenz befreien würde."