Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 281-284.

1. Korrektur
Erstellt am 20.09.1998

Friedrich Engels

Aldershot und die Freiwilligen

Geschrieben Anfang Mai 1861.
Aus dem Englischen.


["The Volunteer Journal, for Lancashire and Cheshire" Nr. 36 vom 11. Mai 1861]

<281> Der Herzog von Cambridge sagte in seiner Rede beim Dinner der Londoner Schützenbrigade, er würde sich sehr freuen, die Freiwilligen in Aldershot zu sehen. Die einzige Schwierigkeit schien nach seiner Meinung zu sein, wie man sie dorthin bekäme. Wir erlauben uns, einige Vorschläge zu machen, wie diese Schwierigkeit zu überwinden wäre.

Es kann zweifellos nicht in Frage kommen, ganze Freiwilligen-Korps nach Aldershot oder in irgendein anderes Lager zu schicken. Die Art ihrer Zusammensetzung schließt jede Möglichkeit dazu aus. Es gibt keine Kompanie, geschweige denn ein Bataillon, bei dem die Mehrzahl der Angehörigen zur gleichen Zeit auch nur vierzehn Tage für solchen Zweck erübrigen könnte.

Aber wenn wir die Freiwilligen nicht als ganze Korps nach Aldershot bekommen, könnten sie nicht einzeln dorthin gehen und doch eine ganze Menge lernen? Wir meinen, das könnten sie, wenn die Sache so arrangiert wird, daß die Freiwilligen jede Erleichterung erhalten, diese Gelegenheit nutzen zu können.

Wir glauben, daß die große Mehrheit der Freiwilligen sich aus Männern zusammensetzt, die ab und zu für vierzehn Tage im Jahr von ihren alltäglichen Geschäften befreit werden können. Eine ganze Reihe nimmt einen regelmäßigen Urlaub von dieser Dauer oder noch länger. Unter diesen gibt es sicherlich eine beträchtliche Anzahl, die gar nichts dagegen einzuwenden hätte, sondern im Gegenteil einmal Zeit und Geld in Aldershot aufwenden würde, wenn man sie dort aufnähme. So gäbe es überhaupt keine Schwierigkeit, zwischen Mai und Ende September eine unterschiedliche Anzahl von Freiwilligen in Aldershot zu haben, die jedoch während dieser Zeit <282> mindestens die ungefähre Stärke eines Bataillons ausmacht. Wenn wir dann diese variable Anzahl ins Lager bekommen können, wie kann das ausgenutzt werden?

Wir schlagen vor, daß eine Reihe von Baracken oder Zelten für ungefähr 600 Freiwillige errichtet und das Kommando über dieses Freiwilligen-Lager einem Hauptmann, besser noch einem Major von der Linientruppe übergeben wird, den ein Adjutant und ein Feldwebel unterstützen. Das Lager müßte etwa im Mai eröffnet werden, sobald sich eine genügende Anzahl von Freiwilligen eingetragen hat; wenn das Lager voll ist, werden weitere Bewerber zugelassen, soweit für sie Platz ist; alle diese Freiwilligen werden zu einem Bataillon formiert; eine Bluse von vorgeschriebenem Schnitt und vorgeschriebener Farbe sollte über der Oberkleidung getragen werden, um dem Ganzen das Aussehen einer Uniform zu geben. Da sicherlich zu viele Offiziere da sein werden, wird nur die Möglichkeit bestehen, Offiziere vorübergehend als Sergeanten und als Gemeine Dienst tun zu lassen. Weit davon entfernt, dies als Nachteil zu betrachten, halten wir es sogar für einen Vorteil. Kein Freiwilligen-Offizier ist in seiner eigenen persönlichen Exerzierausbildung so sicher, daß solch ein kurzer Abstieg in die Reihe der Gemeinen für ihn nutzlos wäre; man rufe ihm ins Gedächtnis zurück, daß jeder Linienoffizier Jahr für Jahr eine bestimmte Zeit lang das Gewehr schultern muß. Die Verteilung der zeitweiligen Offiziersstellen im Bataillon könnte leicht geregelt werden: die älteren anwesenden Hauptleute könnten beginnen, und danach mögen andere der Reihe nach ihre Posten einnehmen. Der kommandierende Major könnte vielleicht mit gewissen Vollmachten versehen werden, diese Stellen zu besetzen, um einen lebhaften Wetteifer unter den anwesenden Offizieren hervorzurufen. Das sind jedoch Einzelheiten, deren Regelung nur wenig Mühe machen würde, wenn die Idee erst einmal ernsthaft in Betracht gezogen wäre.

Solch ein Bataillon mit seinem wechselnden Bestand würde niemals eine sehr große Leistungsfähigkeit erreichen, und sowohl der kommandierende Major als auch seine Gehilfen hätten kein leichtes Amt. Einen Zweck jedoch würde es erfüllen; daß nämlich in der Freiwilligen-Armee im allgemeinen und unter den Offizieren und Sergeanten im besonderen ein Kern von Männern entwickelt würde, die auf alle Fälle wirklich Soldaten gewesen sind, wenn auch nur für vierzehn Tage. Das mag ein erbärmlich kurzer Zeitraum scheinen, doch wir zweifeln nicht daran, daß jeder beim Verlassen von Aldershot sich wesentlich anders fühlen würde als bei seiner Ankunft. Es besteht ein ungeheurer Unterschied zwischen einer Exerzierübung ein- oder zweimal wöchentlich, nachdem der ganze Tag mit Geschäften und <283> anderen Dingen verbracht worden ist, und einer, wenn auch nur vierzehntägigen Exerzierübung, morgens, mittags und abends in einem Lager. Während dieser vierzehn Tage wird jeder anwesende Freiwillige keiner anderen Beschäftigung als seiner militärischen Ausbildung nachzugehen haben; er wird in seinem Exerzieren in einem Grade gefestigt werden, den kein noch so langes Freiwilligen-Exerzieren, wie es gegenwärtig üblich ist, zu erreichen vermag, und außerdem wird er ein ganz Teil mehr vom Soldatenleben sehen, als er jemals in seinem eigenen Korps zu sehen erwarten könnte, es sei denn, es bezöge zu diesem Zwecke ein Lager. Jeder Freiwillige, der Aldershot verläßt, wird überzeugt sein, daß er in diesen vierzehn Tagen mindestens soviel gelernt hat wie während seines ganzen vorhergegangenen Freiwilligen-Dienstes. In angemessener Zeit wird es dann kaum eine Freiwilligen-Kompanie geben, in der nicht ein oder mehrere Mitglieder in Aldershot gewesen sind; und jeder wird sehen, in welchem Maße solch ein Durchdringen mit besser ausgebildeten Kräften die Festigkeit und auch die militärische Haltung der verschiedenen Korps verbessern wird.

Wir haben angenommen, daß der Ausbildungskursus für jeden Freiwilligen vierzehn Tage dauern soll, einfach deshalb, weil fast jeder die Möglichkeit finden dürfte, diese kurze Zeit zu erübrigen. Aber nichts sollte dem entgegenstehen, daß solchen Freiwilligen, die es sich leisten können, erlaubt wird, einen ganzen Monat im Lager zu bleiben.

Selbstverständlich würden sich die Freiwilligen im Lager selbst zu versorgen haben. Die Regierung müßte Zelte und Lagerutensilien bereitstellen und könnte vielleicht eine Regelung für die Ausgabe von Lebensmittelrationen treffen, die von den Männern zu bezahlen wären. Auf diese Weise würde die Sache, ohne dem Lande nennenswerte Kosten zu verursachen, für die Freiwilligen billig sein und alles mehr einem regulären Lagerleben entsprechen.

Wir zweifeln nicht daran, daß die Freiwilligen, wäre das Experiment erst einmal durchgeführt, sofort erfreut darauf eingehen würden; das Bataillon würde immer in voller Stärke gehalten werden, und vielleicht würde sich bald die Notwendigkeit für ähnliche Bataillone in anderen Lagern oder in Aldershot ergeben. Wenn der Überschuß an Offizieren sehr beträchtlich wäre, könnte in einem der Lager ein spezielles "Offiziersbataillon" mit einer etwas längeren Ausbildungszeit formiert werden, und wir glauben, solch ein Bataillon würde seinen Zweck für mindestens eine Saison wohl erfüllen.

Es gibt jedoch noch eine andere Form, die Lager und die Linientruppen überhaupt für Freiwilligen-Offiziere nutzbar zu machen, nämlich solche Offiziere für eine gewisse Zeit Bataillonen der regulären Armee zuzuteilen. <284> Das kann geschehen, ohne daß die Offiziere zu weit von ihrem Wohnort entfernt werden. Während dieser Zeit (sagen wir einen Monat) hätten die Freiwilligen-Offiziere Dienst zu tun, als ob sie wirklich im Regiment stünden. Zweifellos könnten Mittel und Wege gefunden werden, die es gestatten, wenigstens einen Freiwilligen-Offizier solch einem Bataillon zuzuteilen, ohne in irgendeiner Weise die Obliegenheiten und die Stellung der Linienoffiziere zu beeinträchtigen, die den Freiwilligen gegenüber stets die denkbar beste Gesinnung gezeigt haben. Wenn dieser Vorschlag aufgegriffen werden sollte, würden wir es für ratsam halten, nur solche Freiwilligen-Offiziere den Linientruppen zuzuteilen, die in dieser oder jener Weise gezeigt haben, daß sie imstande sind, Nutzen daraus zu ziehen. Der Freiwilligen-Offizier soll bei den Linientruppen nicht die Anfangsgründe erlernen, sondern soll sein Wissen festigen und vervollkommnen; er soll Dinge lernen, die er in seinem Korps nicht lernen kann.

Unsere beiden Vorschläge - die Bildung variabler Bataillone in den Lagern und die Genehmigung, qualifizierte Freiwilligen-Offiziere einen Monat lang in der Linie Dienst tun zu lassen - haben hauptsächlich die Ausbildung der Offiziere im Auge. Wir wiederholen immer und immer wieder, daß die Offiziere die schwache Seite der Freiwilligen-Armee darstellen; wir fügen hinzu, daß es nun für alle einleuchtend sein muß, daß das gegenwärtige System der Freiwilligen-Ausbildung nicht die Offiziere als Gesamtheit leistungsfähig machen kann und daß deshalb neue Instruktionsmittel gefunden werden müssen, wenn die Streitkraft sich nicht nur nicht zurückentwickeln, sondern sich verbessern soll.

Wir tragen diese Vorschläge nur zu dem Zweck vor, um die Aufmerksamkeit auf diese Frage zu lenken. Wir haben nicht die Absicht, der Öffentlichkeit einen festgelegten Plan vorzulegen, der in allen Einzelheiten ausgearbeitet ist, alle Eventualitäten berücksichtigt und ausgereift ist, um sofort in die Praxis umgesetzt zu werden. Das wäre die Angelegenheit anderer, wenn die Sache ernsthaft in Betracht gezogen würde. Aber wir möchten sagen, daß die ganze Freiwilligen-Bewegung ein Experiment war, und wenn die Leute nicht bereit sind, noch ein wenig weiter zu experimentieren, um den geeigneten Weg zur Verbesserung der neuen Armee, die sich aus diesem Experiment ergeben hat, herauszufinden, so muß die Bewegung schließlich zum Stillstand kommen.

F.E.