Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1860

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 78-88.

1. Korrektur
Erstellt am 18.09.1998

Karl Marx

Die Lage in der britischen Fabrikindustrie

Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 6016 vom 6. August 1860]

<78> London, 10. Juli 1860

Die Berichte der Fabrikinspektoren, die gerade veröffentlicht worden sind, umfassen nur drei Berichte: Der kürzlich von Herrn Leonard Horner aufgegebene Distrikt ist teils mit dem Distrikt von Sir John Kincaid (Schottland) und teils mit Herrn Redgraves Distrikt vereinigt worden, der jetzt 3.075 Fabriken und Druckereien umfaßt, während Herrn Robert Bakers Distrikt (Irland und einige Teile von England) in seinen alten Grenzen bleibt. Das folgende ist eine allgemeine Zusammenfassung, die die Gesamtzahl der Unfälle zeigt, die den drei Inspektoren während der sechs Monate bis zum 30. April 1860 berichtet wurden:

Durch Maschinen entstandene Unfälle

Erwachsene

Jugendliche

Kinder

zusammen

Ins-
gesamt

m.

w.

m.

w.

m.

w.

m.

w.

Tödliche Unfälle

14

3

7

2

2

2

23

7

30

Amputation der rechten Hand oder des rechten Arms

5

6

3

1

1

-

9

7

16

Amputation der linken Hand oder des linken Arms

4

1

7

3

1

-

12

4

16

Amputation eines Teils der rechten Hand

23

24

29

22

15

7

67

53

120

Amputation eines Teils der linken Hand

16

17

21

18

8

7

45

42

87

Amputation eines Teils des Beins oder des Fußes

5

-

1

-

-

-

6

-

6

<79> Bruch von Gliedern und Knochen des Rumpfes

30

11

43

11

11

4

84

26

110

Hand- oder Beinbruch

39

43

30

37

20

15

89

95

184

Kopf- und Gesichtsverletzungen

20

17

23

29

11

4

54

40

94

Risse, Quetschungen und andere, oben nicht aufgezählte Verletzungen

268

255

315

352

128

66

711

673

1.384

Insgesamt:

424

377

479

465

197

105

1100

947

2.047

Nicht durch Maschinen verursachte Unfälle

Insgesamt:

83

30

59

26

21

10

163

66

229

Die Berichte zeugen einmütig von der außergewöhnlichen Geschäftstätigkeit während dieses halben Jahres. Die Nachfrage nach Arbeitskraft war so groß, daß in einigen Industriezweigen das Angebot an Arbeitern ungenügend war. Diese Schwierigkeit herrschte weniger in den Wollfabriken, wo die verbesserte Maschinerie den Fabrikanten gestattete, auf Handarbeit zu verzichten, als in Baumwoll- und Kammgarnfabriken, wo viele Maschinen mangels Arbeitskräften, besonders jüngeren, stillstanden. Um diesem vorübergehenden Mangel an Arbeitskräften zu begegnen, wurden in der Vergangenheit einige üble Methoden angewandt. Wenn in der Kindheit des Fabriksystems die Fabrikanten Mangel an Arbeitskräften hatten, wurden diese unmittelbar durch Gesuche bei den Armenpflegern von entfernten Gemeinden gewonnen, die eine gewisse Anzahl Lehrlinge schickten, Kinder im zarten Alter, welche für eine Reihe von Jahren an die Fabrikanten verdingt wurden. Waren die Kinder erst einmal in die Lehre gegeben worden, dann gratulierten die Armengesetz-Beamten den betreffenden Gemeinden dazu, daß sie sich von unnützen Essern befreit hatten, während die Fabrikanten darangingen, das beste aus dem Handel herauszuschlagen, indem sie die Kinder mit den sparsamsten Mitteln unterhielten und aus ihnen alles herauspreßten, was sie an Arbeitskraft herzugeben imstande waren. Daher hat das erste der Reihe von Fabrikgesetzen, das 1802, im 42. Regierungsjahre Georgs III. (Kapitel 73) durchging, den Titel "An Act for the Preservation of the Health and Morals of Apprentices and other employed in Cotton and other Mills, and Cotton and other Factories" und beabsichtigte nur, die Übel des Lehrlingssystems zu mildern. Da aber <80> Verbesserungen in der Maschinerie gemacht wurden, mangelte es an einer anderen Art von Arbeitskräften, als sich das Geschäft belebte und die Bevölkerung der Nachbarschaft den Spinnereien ihre Arbeitskräfte nicht vollzählig zur Verfügung stellen konnte. Diese Fabrikanten sandten nach Irland und holten irische Familien herüber. Aber Irland hat aufgehört, der Markt zu sein, der auf Verlangen Englands hin den Bedarf an Arbeitskräften decken kann, und die Fabrikanten müssen nun in den Grafschaften im Süden und Westen Englands nach Familien Ausschau halten, die durch die jetzigen Löhne in den nördlichen Grafschaften verlockt werden könnten, auf einem neuen Arbeitsfeld zu beginnen. Agenten sind durch das ganze Land geschickt worden, um die Vorteile auseinanderzusetzen, die den Familien durch den Umzug in die Fabrikdistrikte geboten werden, und sie sind ermächtigt, Vereinbarungen für die Abwanderung nach dem Norden zu treffen. Viele Familien sollen durch diese Agenten auf den Weg geschickt worden sein. Jedoch hat die Übersiedlung eines Mannes mit Frau und Kindern in eine Fabrikstadt den besonderen Nachteil, daß die jüngeren Familienmitglieder, die rasch angelernt werden können und deren Dienste in verhältnismäßig kurzer Zeit nutzbar werden, sehr gefragt sind, während kein besonderer Bedarf an der Arbeitskraft des Mannes und seiner Frau vorliegt, die in der Fabrikarbeit unerfahren sind. Das hat einige Fabrikanten veranlaßt, in einem bestimmten Maße zu dem alten Lehrlingssystem zurückzukehren und mit den Armenbehörden Vereinbarungen über die Arbeit hilfloser Armenkinder für eine festgelegte Zeit zu treffen. In diesen Fällen geben die Fabrikanten den Kindern Unterkunft, Kleidung und Nahrung, zahlen ihnen jedoch keinen regulären Lohn. Mit der Rückkehr zu diesem System scheinen auch die Klagen über seinen Mißbrauch wieder aufgelebt zu sein. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß diese Art der Arbeitskraft nur dann gefragt ist, wenn keine andere beschafft werden kann, denn sie ist sehr teuer. Der gewöhnliche Lohn für einen 13jährigen Jungen würde etwa 4 sh. wöchentlich sein; aber 50 bis 100 solcher Jungen zu beherbergen, zu kleiden, zu beköstigen, für ärztliche Betreuung und geeignete Aufsicht zu sorgen und ein gewisses Entgelt für sie aufzubringen, kann nicht für 4 sh. pro Kopf und Woche geschehen.

Ein Vergleich der 1839 und 1859 für Fabrikarbeiter gezahlten Löhne zeigt die höchst interessante Tatsache, daß die Löhne zumindest nominell gestiegen sind und zwar in den Fabriken, in denen die Arbeitszeit auf 60 Stunden in der Woche beschränkt wurde, während sie mit wenigen Ausnahmen wirklich gesunken sind in den Druckereien, Bleichereien und Färbereien, in denen die Arbeitszeit von Kindern, Jugendlichen und Frauen <81> unbeschränkt ist und wo diese zeitweise 14 und 15 Stunden täglich beschäftigt sind. Die folgenden Aufstellungen beziehen sich auf das Baumwollgewerbe in Manchester und dessen Nachbarschaft:

Wochenlöhne

1839

1859

Arbeitsstunden wöchentlich

69

60

Tätigkeit

sh.

d.

sh.

Maschinisten für die Dampfmaschine

24

-

30

Speicherjungen

7

-

8

Speicherarbeiter

18

-

22

Kremplerei – Kremplerinnen (junge Frauen und Mädchen)

7

-

8

Springer (junge Männer)

11

-

14

Aufseher

25

-

28

Kardierer (14-18jährige Jungen)

6

-

7

Streckwerkerinnen (junge Frauen)

6

6

8

Spinnerei – Spinner an Mulemaschinen

16-18

-

20-22

Knüpfer (Frauen und junge Männer)

8

-

10

Aufseher

20

-

20

Dublierabteilung – Dublierer (Frauen)

7

-

9

Aufsetzer (Mädchen)

4

-

5

Aufseher

24

-

28

Handlanger (junge Männer)

10

-

13

In der Haspelei, der Sengerei und an den mechanischen Webstühlen gab es ebenfalls einen leichten Anstieg der Löhne. Die Voraussagen derer, die die Fabrikarbeiter warnten, daß sie durch die Verkürzung ihrer Arbeitszeit ernste Nachteile haben würden, sind somit völlig widerlegt worden. Vergleichen wir andererseits die Lohnbewegung in jenen Zweigen, wo die tägliche Arbeitszeit gesetzlich unbegrenzt ist:

Kattundruckerei, Färben, Bleichen, 60 Stunden wöchentlich

Wochenlohn (in sh.)

1839

1859

Farbmischer

35

32

Maschinendrucker

40

38

Vorarbeiter

40

40

Formschneider

35

25

Formdrucker

40

28

Färber

18

16

Wäscher und ungelernte Arbeiter

16 bzw. 15

16 bzw. 15

 

<82>

Barchent-Färben, 61 Stunden wöchentlich

Wochenlohn (in sh.)

1839

1859

Bereiter

18

22

Bleicher

21

18

Färber

21

16

Appreteure

21

22

Der bei weitem interessanteste Teil der Berichte von Herrn Alexander Redgrave und Sir John Kincaid bezieht sich auf die Entwicklung und Erweiterung von Kooperativgesellschaften für die Errichtung und den Betrieb von Spinnereien in Lancashire und bis zu einem gewissen Grade auch in Yorkshire. Diese Kooperativgesellschaften, die sich seit der Annahme des Limited Liabilities Act vermehrt haben, sind im allgemeinen aus Arbeitern zusammengesetzt. Jede Gesellschaft hat ein Kapital von 10.000 Pfd.St. und mehr, das in Anteilen zu 5 und 10 Pfd.St. aufgeteilt ist; sie hat das Recht, im bestimmten Verhältnis zum gezeichneten Kapital Mittel aufzunehmen, wobei das geliehene Geld aus kleinen Darlehen besteht, die von Fabrikarbeitern und Personen derselben Klasse aufgebracht werden. In Bury z.B. werden mehr als 300.000 Pfd.St. erforderlich sein, um die kooperativen Spinnereien, die dort erbaut wurden oder werden, arbeitsfähig zu machen. In Baumwollspinnereien sind die Spinner und andere dort beschäftigte Personen häufig Aktionäre derselben Spinnerei; sie arbeiten für Lohn und erhalten Zinsen auf ihre Anteile. In den Baumwollwebereien mieten die Partner häufig Webstühle und arbeiten daran. Das bietet einen Anreiz für die Arbeiter, weil kein größeres Kapital erforderlich ist, um ihnen den Start ihrer eigenen Unternehmung zu ermöglichen. Sie kaufen das Garn fertig für den Webstuhl, weben den Stoff, und der Fabrikationsprozeß ist abgeschlossen; oder sie erhalten das Garn von irgendeinem Fabrikanten, der mit ihnen Geschäfte treibt, und geben ihm das gewebte Fabrikat zurück. Aber dieses kooperative System ist nicht auf das Spinnen und Weben von Baumwolle beschränkt. Es hat sich auf das Geschäft in einer Vielfalt von Konsumtionsmitteln ausgebreitet, wie Mehl, Spezereien, Tuche usw.

Der folgende Bericht, den Herr Patrick, einer von Sir John Kincaids Unterinspektoren, erstattet hat, enthält einige wertvolle Informationen hinsichtlich des Fortschreitens dieses neuen Systems von Fabrikbesitz, das jedoch, wie ich fürchte, bei der nächsten industriellen Krise einer schweren Prüfung unterzogen werden wird.

<83> "16. Mai 1860

Seit etwa 12 Jahren existiert eine Kooperativgesellschaft in Rochdale unter dem Namen New Bacup and Wardle Commercial Company. Sie ist eine nach dem Joint Stock Companies Act eingetragene Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung. Sie begann ihre Tätigkeit in der Clough House Mill in Wardle bei Rochdale mit dem Recht, ein Kapital von 100.000 Pfd.St. in Aktien von 12 Pfd.St. 10 sh. aufzubringen, von denen 20.000 Pfd.St. eingezahlt wurden. Sie erhöhte es dann auf 30.000 Pfd.St. und baute vor 5 Jahren in der Nähe von Stackstead eine große Fabrik, Far Holme Mill, mit 100 PS Dampfkraft zusätzlich zur Clough House Mill, und in dem halben Jahr, das mit dem letzten Oktober endete, zahlte sie eine Dividende von 44% auf das eingezahlte Kapital."(Herr Patrick berichtet am 11. Juni, daß die New Bacup and Wardle Commercial Company unter dem Namen Far Holme Mill, Bacup, soeben eine weitere Dividende von 48% auf das eingezahlte Kapital angekündigt hat.) "Jetzt hat sie ihr Kapital auf die Summe von 60.000 Pfd.St. erhöht und ihre Far Holme Mill in der Nähe von Stackstead stark erweitert, wobei zwei neue Maschinen von je 40 PS erforderlich sind, die sie gerade aufstellen läßt. Die große Mehrheit der Aktionäre sind Arbeiter, die in der Fabrik arbeiten, aber Lohn als Arbeiter erhalten und mit der Geschäftsführung nichts weiter zu tun haben, als daß sie bei der jährlichen Wahl des geschäftsführenden Ausschusses ihre Stimme abgeben. Ich bin heute vormittag durch die Far Holme Mill gegangen und kann berichten, daß sie, soweit es die Fabrikgesetze betrifft, nicht schlechter geführt wird als jede andere in meinem Distrikt. Obgleich ich den Betreffenden diese Frage nicht gestellt habe, glaube ich, daß sie eine Anleihe mit 5% Zinsen aufgenommen haben.

Es hat in der Nachbarschaft von Bacup etwa sechs Jahre lang eine weitere Gesellschaft gegeben, die unter dem Namen Rossendale Industrial Association lief.

Sie baute eine Fabrik, kam aber, wie mir berichtet wurde, nicht vorwärts, weil es ihr an genügend Betriebskapital mangelte. Auch diese war nach dem Kooperativsystem aufgebaut. Die Firma ist nun in die Rossendale Industrial Company umgewandelt worden und ist eine nach dem Limited Liabilities Act eingetragene Gesellschaft mit der Berechtigung, ein Kapital von 200.000 Pfd.St. aufzunehmen. Für 4.000 Pfd.St. wurden Aktien zu je 10 Pfd.St. ausgegeben, und etwa 4.000 Pfd.St. hat man geborgt. Diese 4.000 Pfd.St. wurden von kleinen Kapitalisten in Beträgen von 150 bis 10 Pfd.St. abwärts geliehen, ohne daß irgendwelche Sicherheiten gegeben wurden. Als diese Kooperativgesellschaft begann, war jeder Aktionär ein Arbeiter. Zusätzlich zu der Wear Mill, die von der Rossendale Industrial Association gebaut worden sein soll, hat sie jetzt von den Herren B. & T. Mum die Irwell Mills in Bacup gekauft und führt nun beide.

Die Prosperität und der Erfolg der New Bacup and Wardle Commercial Company scheinen das Entstehen der neuen Gesellschaften begünstigt zu haben, die jetzt in meiner unmittelbaren Nähe gegründet worden sind und zur Durchführung ihrer Geschäfte große Fabriken einrichten. Eine ist die New-Church Cotton Spinning and Weaving Company; sie ist eingetragen nach dem Limited Liabilities Act und hat die <84> 100.000 Pfd.St. in Aktien von 10 Pfd.St. aufzunehmen, von denen 40.000 Pfd.St. bereits bezahlt sind und 5.000 Pfd.St. auf Hypothek zu 5% geborgt wurden. Diese Gesellschaft hat schon begonnen zu arbeiten, indem sie eine unbenutzte Fabrik mit 40 PS Dampfkraft, die Vale Mill in New-Church, übernommen hat; außerdem baut sie die Victoria-Works, die eine Maschine von 100 PS Dampfkraft benötigen werden. Nach Fertigstellung, was im Februar des kommenden Jahres sein wird, hofft die Kompanie 450 Menschen beschäftigen zu können.

Eine andere Gesellschaft ist die Rawtenstall Cotton Manufacturing Company, ebenfalls mit beschränkter Haftung, mit einem nominellen Kapital von 50.000 Pfd.St. in Aktien von 5 Pfd.St. und der Berechtigung, bis zu 10.000 Pfd.St. zu borgen. Etwa 20.000 Pfd.St. sind bereits eingezahlt, und sie errichtet in Hareholme eine Fabrik, die eine Maschine mit 70 PS Dampfkraft benötigt. Mir ist gesagt worden, daß in diesen beiden Gesellschaften neun Zehntel der Aktionäre aus der Klasse der Fabrikarbeiter kommen.

Es gibt noch eine Kooperativgesellschaft, die während der letzten sechs Monate emporgeschossen ist, nämlich die Old Clough Cotton Company. Diese kaufte von den Herren B. & T. Mum zwei alte Fabriken, die sogenannten Irwell Springs, und arbeitet nach demselben Prinzip wie die anderen; da ich jedoch heute nicht dorthin gehen konnte, bin ich nicht imstande, alle Einzelheiten über sie mitzuteilen. Die Kraft ist mir jedoch mit 13 PS angegeben worden und die Zahl der beschäftigten Arbeiter mit 76, und ich glaube, alle Aktionäre kommen aus der Klasse der Fabrikarbeiter.

Es gibt auch solche Fälle, daß Menschen einen Teil der Fabrik, nämlich ein oder zwei Räume, oder auch manchmal nur den Teil eines Raumes, mieten. Obgleich sie genauso arbeiten wie ihre Arbeiter, sind sie dann Herren dieses Teils, beschäftigen wie jeder Fabrikant Arbeiter und zahlen Löhne, ohne jedoch die von ihnen beschäftigten Arbeiter an ihrem Unternehmen zu beteiligen. Es gab deren seinerzeit viel mehr in Bacup als heute. Einige haben es aufgegeben, während andere Erfolg hatten und entweder selbst Fabriken bauten oder große Gebäude mieteten. Davon gibt es in Rochdale mehr als an irgendeinem anderen Ort in meinem Distrikt."

["New-York Daily Tribune" Nr. 6032 vom 24. August 1860]

II

London, 14. Juli 1860 Nach dem in meinem letzten Artikel über die Fabrikberichte von Sir John Kincaid und Herrn Redgrave gegebenen Resümee habe ich mich noch mit dem Bericht von Herrn Robert Baker, dem Fabrikinspektor für Irland und für einen Teil von Cheshire, Lancashire, Gloucestershire, Yorkshire, Staffordshire, Leicestershire, Herefordshire, Shropshire, Worcestershire <85> und Warwickshire zu beschäftigen. Die Gesamtzahl der Unfälle in Herrn Bakers Distrikt belief sich auf 601, von denen allein 9% sich bei Kindern ereigneten, während 33% Personen über 18 Jahre betrafen. Eine genauere Analyse dieser Unfälle ergibt erstens, daß das Verhältnis der Unfälle zur Zahl der Beschäftigten am größten in jenen Industriezweigen ist, wo die benutzte Maschinerie keiner gesetzlichen Kontrolle unterliegt, und zweitens, daß in den Textilfabriken, wo die gleiche Art von Maschinen benutzt wird, die meisten Unfälle in den größten Spinnereien vorkommen. Bezüglich der Beschäftigung der 198.565 Arbeiter, die zum Distrikt Herrn Bakers gehören, gibt dieser für das letzte halbe Jahr folgende Übersicht:

Beschäftigte Personen

Durch Maschinen verursachte Unfälle

in Baumwollspinnereien

107.106

1 auf 261

in Wollspinnereien

14.982

1 auf 348

in Flachsspinnereien

33.918

1 auf 389

in Seidenspinnereien

33.874

1 auf 2.251

in Kammgarnspinnereien

2.896

1 auf 424

in anderen Fabriken

5.789

keine

In allen diesen Textilfabriken sind die Maschinen gesichert, d.h. mit solchen Vorrichtungen für die Sicherheit der Arbeiter versehen, deren Anwendung durch die Gesundheitsklauseln der Fabrikgesetze vorgeschrieben sind. Wenn wir uns jetzt z.B. Nottingham zuwenden, wo eine große Zahl von Menschen, besonders Kinder, an Maschinen arbeiten, die nicht, wie es das Gesetz verlangt, gesichert sind, werden wir finden, daß im Jahre 1859 dort in den Büchern des General Hospital 1.500 Unfälle und in denen der Armenapotheke 794 Unfälle verzeichnet sind, was insgesamt - bei einer zugrunde gelegten Zahl der Beschäftigten von nicht mehr als 62.583 - 2.294 Menschen ausmacht. Das ergibt eine Unfallziffer innerhalb des Wahlkreises Nottingham von 1 zu 27, ein Verhältnis, mit dem verglichen die Unfälle in den mit Sicherungsvorrichtungen versehenen Textilfabriken fast unbedeutend erscheinen. In Birmingham wiederum, wo man Beschäftigungen jeder Art findet, sowohl mit als auch ohne Verbindung mit Dampfkraft, wo es nur zwei kleine Textilfabriken gibt und wo im allgemeinen kein Zwang für Sicherungsmaßnahmen an den Maschinen besteht, an denen die jungen Arbeiter beschäftigt sind, war das Verhältnis der Unfälle zur Zahl der Beschäftigten 1 zu 34. Der große Vorteil, den die Gesundheitsklauseln der Fabrikgesetze und die allgemeineren Ausführungen zu diesen Bestimmungen mit sich bringen, zeigt sich auch bei einem Vergleich aller <86> Unfälle, die den Inspektoren für die Halbjahre bis zum 31. Oktober 1845 und 30. April 1846 gemeldet wurden, mit denen bis zum Oktober und April 1858 und 1859. In der letzteren Periode betrug die allgemeine Verringerung der Unfälle 29%, obgleich die Zahl der Arbeiter, niedrig geschätzt, um 20% angestiegen war.

Was nun die Verteilung der Unfälle auf größere und kleinere Fabriken betrifft, so halte ich folgende von Herrn Baker angeführte Tatsachen für entscheidend: Während des letzten halben Jahres ereigneten sich bei den 758 Baumwollfabriken seines Distrikts, wo 107.000 Personen beschäftigt sind, alle vorkommenden Unfälle in 167 Fabriken, die etwa 40.000 Personen beschäftigen, so daß es in 591 Fabriken, die 67.000 Personen beschäftigen, überhaupt keine Unfälle gab. Ebenso ereigneten sich bei 387 kleineren Spinnereien alle Unfälle in 28 von ihnen; bei den 153 Flachsspinnereien kamen alle Unfälle in 45 Spinnereien vor, und bei 774 Seidenfabriken ereigneten sich alle Unfälle in 14, so daß es in einem großen Teil jedes Arbeitszweiges keine Unfälle durch Maschinen gab, und in jeder Branche ereignete sich die Mehrzahl der Unfälle in den größten Fabriken. Das letztere Phänomen sucht Herr Baker mit zwei Ursachen zu erklären, daß nämlich in den größten Fabriken der Übergang von alten, nicht gesicherten, zu neuen Maschinen verhältnismäßig schleppend und allmählich erfolgt, und daß zweitens in diesen größeren Fabriken die Konzentration der Arbeitskräfte so rapide zunimmt, wie die über solche Unternehmen ausgeübte verantwortungsvolle Kontrolle nachläßt.

"Diese beiden Ursachen", sagt Herr Baker, "wirken sich sehr stark auf die Entstehung von Unfällen aus. Bei der ersteren sind die noch existierenden alten Maschinen, die niemals gesichert gewesen sind und worin noch viele ungesicherte Räder verbleiben, gerade deshalb um so unheilbringender, weil bei der Sicherheit der neuen Maschinen die Gefahr bei den verbliebenen alten vergessen wird; bei der letzteren Ursache indessen führt der ständige Kampf um jede Minute, wobei die Arbeit durch eine unveränderliche Kraft vorangetrieben wird, die mit etwa eintausend Pferdekräften angegeben ist, notwendigerweise zu Gefahren. In solchen Fabriken sind Augenblicke die Elemente des Profits - jedermanns Aufmerksamkeit wird in jedem Augenblick verlangt. Hier kann man, um eine Sentenz Liebigs zu entlehnen, einen ständigen Kampf zwischen Leben und anorganischen Kräften beobachten, wo die geistigen Kräfte dirigieren und die animalischen Kräfte sich bewegen und sich den Umdrehungen der Spindeln anpassen müssen. Sie dürfen nicht langsamer werden, ungeachtet der Anstrengung für sie, sei es durch übermäßige Anspannung oder Hitze; noch dürfen sie für einen Augenblick die Arbeit unterbrechen, auch nicht ihre Aufmerksamkeit auf andere sie umgebende Dinge lenken, denn in jedem Säumen liegt Verlust. So kommt es, daß Finger auf Räder gelegt werden, die als sicher gelten, entweder wegen ihrer Lage oder wegen <87> der Langsamkeit ihrer Bewegung, wenn die Aufmerksamkeit unrichtigerweise anderswohin gerichtet ist. So kommt es, daß Arbeiter, die sich beeilen, eine gewisse Anzahl von Pfunden Garn innerhalb einer gegebenen Zeit zu produzieren, vergessen, unter ihre Maschine nach ihren kleinen 'Piecern' <'Fadenknüpfern'> zu sehen. So treten viele Unfälle wegen der, wie man es nennt, eigenen Sorglosigkeit ein."

Während des letzten halben Jahres waren alle Textilfabriken, ausgenommen die Seidenfabriken, in Irland und in den englischen Distrikten des Herrn Baker sehr gewinnbringend. Das einzige Hindernis, das die verschiedenen Industriezweige in Grenzen gehalten zu haben scheint, war die zunehmende Knappheit an Rohmaterial. Im Baumwollgewerbe wurde die Errichtung von neuen Spinnereien, die Entwicklung von neuen Systemen der Erweiterung und die Nachfrage nach Arbeitskräften in früheren Zeiten nie übertroffen. Nichts war auffallender als die neuen Maßnahmen, die der Suche nach Rohmaterial dienten. So ist in Nachahmung der Baumwoll-Lieferungs-Assoziation von Lancashire eine Flachs-Lieferungs-Assoziation in Belfast gegründet worden. Während sich in den fünf Jahren bis einschließlich 1853 der Durchschnittsimport von Flachs zuzüglich der Flachsernte von Irland auf 113.409 t jährlich belief, betrug er in den letzten fünf Jahren, einschließlich 1858, nur 101.672 t, was einer Verringerung von 12.000 t jährlich gleichkommt, bei einem gestiegenen jährlichen Exportwert von 1.000.000 Pfd.St. Der Preis für Wolle, der schon während der Periode, über welche sich die letzten Fabrikberichte erstreckten, über dem Durchschnitt lag, ist seitdem ununterbrochen gestiegen. Die rapide Erweiterung der Wollfabrikation und die gestiegene Nachfrage nach Hammelfleisch sowohl in Großbritannien als auch in den Kolonien können als permanente Ursachen für dieses Ansteigen der Wollpreise angesehen werden. Als zufällige Ursache, die den üblichen Anfall an Wolle zu verringern droht, kann der besondere Charakter der Jahreszeit betrachtet werden; viele Schafe sind im Winter wegen schlechten oder ungeeigneten Futters eingegangen, und viele Lämmer sind während des Frühjahrs infolge Kälte, Mangel an Nahrung und durch eine Krankheit, die in wenigen Stunden zum Tode führte, umgekommen.

Das einzige Gewerbe, das während der letzten sechs Monate infolge des Abschlusses des englisch-französischen Handelsvertrages und der Befürchtungen um die Auswirkungen der ausländischen Konkurrenz ernstlich gehemmt wurde, ist die Seidenfabrikation. Der dadurch ausgeübte Druck nahm allmählich zu, so daß in dem Augenblick, da ich diesen Artikel <88> schreibe, mehr als 13.000 Weber allein in Coventry ohne Beschäftigung sind, weil alle Webstühle stillstehen. Diese Krise ist um so bedauerlicher, als in Coventry - wie ich in einem Artikel über die Fabrikberichte bemerkte - eine Anzahl von Cottage-Seidenfabriken aus dem Boden geschossen waren, in denen die Arbeiter ihre eigenen Familien beschäftigten mit hier und da ein paar gemieteten Arbeitern. Diese Seidenfabriken hatten seit Anfang 1860 an Zahl beträchtlich zugenommen. Sie sind in der Tat eine Wiederkehr der früheren häuslichen Fabrikanten, nur unter Hinzufügung von Dampfkraft, aber ganz verschieden von dem neuen Kooperativsystem von Lancashire und Yorkshire. In ihnen ist der Hausherr der Meister und der Weber sowie der Pächter der Dampfkraft zugleich; bisweilen ist er auch der Brotherr für seine Familie und für andere Arbeitskräfte. Er hat entweder seine zwei Webstühle ganz und gar gekauft oder auf Kredit genommen und zahlt soundso viel wöchentlich für sie; oder er hat sie gepachtet, wahrscheinlich von seinem Hausbesitzer, der ein Bauherr und Spekulant ist. Er pachtet außerdem die benötigte Dampfkraft. Es heißt, daß heute der Unterschied zwischen der so auf dem Webstuhl des Webers geleisteten Arbeit und der Arbeit des Meisters ebenso groß ist wie etwa zwischen dem französischen und dem englischen Seidenband. Es ist jedoch vorauszusehen, und Herr Robert Baker scheint diese Vermutung in seinem Bericht zu teilen, daß diese häusliche Arbeit, kombiniert mit der Anwendung von mechanischer Kraft, nicht imstande sein wird, kommerzielle Erschütterungen auszuhalten. Wahrscheinlich wird der englische Fabrikant, um seinem französischen Rivalen gewachsen zu sein, gezwungen werden, zur Investierung von Kapital in großem Umfang zurückzukommen, was die Cottage-Seidenfabriken, die vor seiner eigenen Tür mit ihm konkurrieren, vernichten wird.