Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1860

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 70-72.

1. Korrektur
Erstellt am 18.09.1998

Friedrich Engels

Die britischen Freiwilligen-Truppen

Geschrieben um den 25. Juni 1860.
Aus dem Englischen.


["New-York Daily Tribune" Nr. 5994 vom 11. Juli 1860, Leitartikel]

<70> Die große Musterung der Freiwilligen, die vor einigen Wochen in London stattfand, lenkte die Aufmerksamkeit auf die Bürgersoldaten Großbritanniens. Die Freiwilligen dürfen nicht mit der Miliz verwechselt werden, die eine besondere Truppe im Dienste Ihrer Majestät darstellt. Am 1. April zählte die Miliz laut Statistik der Regierung 50.000. Davon waren 23.735 zusammengefaßt, wobei England 13.580, Irland 7.471 und Schottland 2.684 stellten. Die Miliz setzt sich aus Vertretern der unteren Klassen, die Freiwilligen aus Angehörigen der Mittelklassen zusammen. Die Behauptung der Londoner "Times", daß in den Reihen der am 22. gemusterten Truppen "alle Klassen vertreten waren", ist nur ein Mittel, um der Sache einen populären Anstrich zu geben. Es sind noch keine drei Monate her, seit eine Deputation achtbarer Metallarbeiter (mechanics) die Behörden aufsuchte, die mit Waffen ausgerüstet werden wollten, um im Falle einer Invasion "ihr Vaterland zu verteidigen". Ihr Gesuch wurde abgelehnt. Die einzigen Arbeiter, die in die Freiwilligen-Korps aufgenommen werden, sind solche, deren Ausrüstung und Unkosten ihre Fabrikherren übernehmen, und bei denen man voraussetzt, daß sie ständig zu Gebote dieser Fabrikherren stehen.

Die Gesamtstärke der britischen Freiwilligen-Truppen beträgt – ungeachtet der höheren Angaben in vielen kürzlich erschienenen statistischen Tabellen – knapp 90.000. Zwar hat Oberst McMurdo bei einem Dinner, das vor einiger Zeit dem St.George-Rifle-Corps gegeben wurde, erklärt, daß es 124.000 für den Dienst registrierte Freiwillige gäbe; als man ihn jedoch drängte, Einzelheiten zu bringen, schloß er in seine Schätzung die halbe Miliz mit ein. Die Zeitungen geben jedes Regiment mit einer nominellen <71> Stärke von 800 bis 1.000 Mann an, während in Wirklichkeit bei einer Truppenparade nur wenige Regimenter mehr als 500 bis 600 aufbringen. Sidney Herbert, dessen Stellung bei den Horse Guards ihn befähigt, als Autorität auf diesem Gebiet zu gelten, stellte im Parlament ein oder zwei Tage vor dem großen Aufmarsch in London fest, daß "auf dem Papier die Streitmacht beträchtliche Zahlen erreicht hat, mit denen jedoch nicht gerechnet werden kann und die beim Appell niemals antworten".

Die Rede, in der sich dieser Passus befindet, erschien in derselben Nummer der "Times", die von dem "großartigen Erfolg" der nationalen Freiwilligen-Musterung berichtet. Doch allein die Hyde-Park-Parade liefert eine treffende Illustration zu der übertriebenen Art, in der die Londoner Presse von solchen Dingen spricht. Die "Times" vom 20. versprach, daß "nicht weniger als 35.000 Mann vor Ihrer Majestät erscheinen würden" . Tom Taylor, der am 21. aus London an den "Manchester Guardian" schrieb, sagt, daß sich über 46.000 in der Metropole befänden. Doch die Gesamtzahl der Soldaten, die an der Königin vorbeimarschierten, betrug nach Oberst McMurdo, der sie schwerlich unterschätzen würde, 18.300. Das ist gewiß keine außergewöhnliche Armee, die übermäßig bejubelt werden müßte. Im Oktober 1803 wurden fast 13.000 gebürtige Londoner in der Uniform der Freiwilligen inspiziert, und um die britische Militärmacht jener Tage mit der von heute zu vergleichen, bringen wir untenstehend eine knappe Übersicht der Freiwilligen-Truppen, die im Januar 1804 registriert waren:

Effektive Gesamtstärke der Mannschaften

341.687

Feldoffiziere

1.246

Hauptleute

4.472

Subalterne

9.918

Stabsoffiziere

1.100

Sergeanten

14.787

Tambours

6.733

insgesamt

379.943

Selbst die 124.000 Mann, auf die England seine jetzige Freiwilligen-Armee zu erhöhen hofft, würden sich neben dieser Aufstellung nicht rühmlich ausnehmen. Auf je zehn Mann der jetzigen tauglichen männlichen Bevölkerung Großbritanniens einer gerechnet – das würde 500.000 Mann ergeben. Es scheint diesen Fakten nach nicht, daß die Engländer – ungeachtet der gegenseitigen Feststellungen der Londoner Journale – begieriger als zuvor geworden sind, zur Verteidigung ihres Vaterlandes zu den Waffen <72> zu greifen. Nach den sorgfältigen Statistiken eines Korrespondenten in der "Army and Navy Gazette" sehen wir, daß die gesamte Miliz und die Freiwilligen-Truppen Englands 50.160 Mann Miliz und 88.400 Freiwillige, also insgesamt 138.560 ausmachen. Von diesen, stellt der Korrespondent der "Gazette" fest, seien im Bedarfsfall mindestens 20.000 aus den verschiedensten Gründen nicht disponibel, so daß 118.560 Mann die Gesamtstärke der Miliz und der Freiwilligen-Truppen Englands bilden.