Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1860
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 14-17.
1. Korrektur
Erstellt am 18.09.1998
Aus dem Englischen.
["New-York Daily Tribune" Nr. 5868 vom 14. Februar 1860]
<14> London, 28. Januar 1860
Der Handelsvertrag mit Frankreich wird dem Unterhaus nicht vor dem 6. Februar vorgelegt werden. Man kann jedoch, trotz Herrn Gladstones feierlicher Warnungen, nach dem, was bei der Adreßdebatte geäußert wurde, was die französischen Zeitungen andeuten und nach den Gerüchten in London und Paris schon eine allgemeine Einschätzung dieses "süßen Wechselkindes" wagen. Am Montag, dem 23. Januar, wurde der Vertrag in Paris ordnungsgemäß unterzeichnet. Rouher, der Handelsminister, und Baroche, ad interim <zeitweiliger> Außenminister, waren die französischen Paten; auf seiten Englands führten Lord Cowley und Herr Cobden diese Funktion aus. Daß Herr Michel Chevalier – der ehemalige Saint-Simonist – die Hand im Spiele hatte und man in ganz Frankreich bedauert, daß Louis-Napoleon nicht den Takt besaß, dieser hervorragenden Persönlichkeit (nämlich Herrn Chevalier) zu gestatten, ihren Namen neben den seines englischen confrère <Amtskollegen> auf den Vertrag zu setzen, ist eine Nachricht, welche diese "hervorragende Persönlichkeit" selbst geruhte, nach London zu senden und in die verschiedenen Freihandelsorgane setzen zu lassen. Was die Zeitungen jedoch nicht wissen, ist, daß Père Enfantin, der ehemalige Hohepriester des Saint-Simonismus, der Hauptakteur auf der französischen Seite war. Ist es nicht einfach erstaunlich, wie diese Saint-Simonisten, angefangen von Père Enfantin bis zu Isaac Pereire und Michel Chevalier, sich in die ökonomischen Hauptstützen des Zweiten Kaiserreiches verwandelt haben! Aber kommen wir auf Herrn Chevaliers "englischen confrère", den ehemaligen Fabrikanten aus Lancashire, zurück, der sich natürlich nicht wenig geschmeichelt fühlte durch die Ehre, eigenhändig seine Unterschrift unter einen <15> internationalen Vertrag setzen zu dürfen. Wenn man bedenkt, daß Verträge auf Gegenseitigkeit und Handelsverträge im allgemeinen, außer den Verträgen mit Barbaren, von den englischen Freihändlern unter Führung von Herrn Cobden stets lauthals als schlimmste und perfideste Form des Schutzzollsystems gebrandmarkt wurden, wenn man ferner bedenkt, daß der jetzige Vertrag, sogar vom Standpunkt der Gegenseitigkeit, ein ziemlich lächerliches Übereinkommen scheint, und würden schließlich die politischen Ziele und Zwecke, welche der Vertrag verschleiern soll, richtig erwogen, könnten die Leute geneigt sein, Herrn Richard Cobden als das unschuldige Opfer einer Palmerstonschen Machenschaft zu bemitleiden. Jedoch gibt es noch eine Kehrseite der Medaille. Herr Cobden erhielt damals, wie allgemein bekannt, von den dankbaren Fabrikanten für seinen Erfolg bei der Durchsetzung der Antikorngesetze ungefähr 60.000 Pfd.St. Herr Cobden investierte den größten Teil in amerikanischen Aktien und verlor infolge der Krise von 1857 fast alles. Die Hoffnungen, die er noch hegte, als er sich auf seine Reise nach den Vereinigten Staaten begab, erwiesen sich als trügerisch. Herr Cobden kehrte als ruinierter Mann nach England zurück. Um zu einer nationalen Subskription aufzurufen, war ein nationaler Vorwand, irgendein Unternehmen notwendig, für das man die Reklametrommel rühren konnte, ein Unternehmen, das Herrn Cobden wieder als Schutzengel des Vereinigten Königreichs erscheinen lassen würde, "der Millionen einfacher Familien Wohlstand und Behaglichkeit sichert" . Der englisch-französische Vertrag nun war gerade das richtige dafür, und wie man aus den Provinzzeitungen ersehen kann, ist eine neue Subskription in Höhe von 40.000 Pfd.St., die den großen Freihandelsapostel für seine amerikanischen Verluste entschädigen soll, im Gange und stößt auf große "Sympathien". Zweifelsohne wäre jedoch, wenn Disraeli zum Beispiel dem Unterhaus einen solchen Vertrag vorgelegt hätte, Herr Cobden an der Spitze der Freihändler aufgestanden, um ein Mißtrauensvotum gegen ein Kabinett zu beantragen, welches versucht, bei der Gesetzgebung in die verhängnisvollsten Irrtümer der unaufgeklärten Vergangenheit zu verfallen.
Aus der folgenden Tabelle kann die Anzahl der im Jahre 1858 von England bei französischen Waren erhobenen Schutzzölle ersehen werden:
Artikel |
Pfd.St. |
Körbe |
2.061 |
Butter |
7.159 |
Porzellan und Porzellanwaren |
1.671 |
<16> Uhren |
3.928 |
Kaffee |
4.311 |
Eier |
19.934 |
Stickerei |
5.572 |
künstliche Blumen |
20.412 |
Obst |
7.347 |
Spitzen |
1.858 |
Stiefel, Schuhe und andere Lederwaren |
8.883 |
Handschuhe |
48.839 |
Musikinstrumente |
4.695 |
Chemisches Öl |
2.369 |
Papiertapeten |
6.713 |
Strohgeflecht für Hüte etc. |
11.622 |
Seide |
215.455 |
Branntwein und andere Spirituosen |
824.960 |
Zucker |
275.702 |
Tee |
14.358 |
Tabak |
52.696 |
Taschenuhren |
14.940 |
Wein |
164.855 |
Die meisten auf diese Weise erhobenen Zölle waren Schutzzölle wie die für Körbe, Uhren, Spitzen, Stiefel, Handschuhe, Seide etc. Andere, wie die Zölle auf Branntwein etc., waren höher als die englische Akzise auf britische Spirituosen und insofern Schutzzölle. Sogar Zölle mit rein fiskalischem Charakter, wie der Zoll auf Wein, könnten von einem konsequenten Freihändler als Schutzzölle betrachtet werden, denn es ist fast unmöglich, bei einer ausländischen Ware Zoll zu erheben, ohne damit irgendeine ähnliche, wenn nicht gleiche Ware auf dem Inlandsmarkt zu schützen. So kann man z.B. einen solchen Zoll auf ausländischen Wein als Schutzzoll für einheimisches Bier betrachten etc. Infolge des gerade abgeschlossenen Vertrages werden alle britischen Zölle auf französische Waren sofort aufgehoben, während die Zölle auf Branntwein, Wein und andere Waren der englischen Akzise angeglichen werden oder den Zöllen, die zur Zeit für ähnliche Waren (z.B. Wein) gültig sind, wenn sie aus den britischen Kolonien eingeführt werden. Andererseits werden die französischen Zolltarifänderungen nicht vor Oktober 1861 vollständig durchgeführt sein, wie man aus folgenden, einem französischen Regierungsorgan entnommenen Angaben ersieht:
<17> 1. Juli 1860 – Aufhebung der Einfuhrzölle auf Baumwolle und Wolle.
1. Juli 1860 – Anwendung des belgischen Zolltarifs auf englische Kohle und Koks.
1. Oktober 1860 - 7 Francs Zoll auf 100 kg Eisen an Stelle der gegenwärtigen Zölle.
31. Dezember 1860 – Herabsetzung der Einfuhrzölle für Maschinen.
1. Juni 1861 – Aufhebung des Einfuhrverbots von Hanfgarn und Hanffabrikaten und Festsetzung von Zöllen, die 30 Prozent nicht übersteigen,
1. Oktober 1861 – Aufhebung aller anderen Einfuhrverbote, die fünf Jahre lang durch Schutzzölle ad valorem <dem Wert nach> ersetzt werden sollen und danach nicht 25 Prozent übersteigen dürfen.
Außer der Herabsetzung des Zolls für englische Kohle auf denselben Betrag, der jetzt für belgische Kohle gezahlt wird, tragen alle scheinbar von Frankreich gemachten Konzessionen einen sehr zweideutigen Charakter. Der Preis für eine Tonne Roheisen erster Güte (Wales) beträgt z.B. gegenwärtig 3 Pfd.St. 10 sh., der französische Zoll für Eisen wird aber fast weitere 3 Pfd.St. betragen. Daß die 30 Prozent Zoll ad valorem auf einfuhrverbotene Waren dem Wesen nach Schutzzölle sind, gibt der Londoner "Economist" zu. Solange die realen oder scheinbaren Zollsenkungen für englische Waren auf spätere Zeiten verschoben werden, spielt die englische Regierung faktisch die Rolle einer Versicherungsanstalt für Louis-Napoleons Macht in dieser Zeit. Das wahre Geheimnis des Handelsvertrags, nämlich, daß "es überhaupt kein Handelsvertrag ist", sondern eine einfache Täuschung, um John Bulls kommerziellen Verstand zu verwirren und einen schlau angelegten politischen Plan zu bemänteln, wurde von Herrn Disraeli während der Adreßdebatte meisterhaft bloßgestellt. Der Kern seiner Enthüllungen war folgender:
"Vor einigen Jahren machte der Kaiser der Franzosen eine Mitteilung ähnlich dem Brief, den er kürzlich an den Minister des Innern richtete, in welcher er die völlige Aufhebung des Schutzzollsystems und die Einführung von Maßnahmen, ähnlich jenen in seinem letzten Manifest, vorschlug. 1856 wurde ein Gesetzentwurf dieses Inhalts dem Corps législatif vorgelegt. Vor seiner Annahme jedoch wurde er den 86 Departementsvertretungen Frankreichs vorgelegt, die alle, mit Ausnahme von sechs, dem Vorschlag zustimmten unter der Bedingung, daß vor Inkrafttreten des neuen Systems eine gewisse Zeit verstreichen sollte. Daraufhin wurde, da der Kaiser mit diesem Vorschlag einverstanden war, sein Beschluß, dieses System zu verwirklichen, in einem öffentlichen Dokument dargelegt und der Juli 1861 als Zeitpunkt des Beginns festgesetzt. Daher war alles, was Frankreich auf Grund dieses Vertrages im Juli 1861 beginnen will, schon im Rechtsgang Frankreichs vorgesehen."