Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 461-469.

1. Korrektur
Erstellt am 31.08.1998.

V. Reichsregent und Pfalzgraf | Inhalt | VII. Die Augsburger Kampagne

VI. Vogt und die "Neue Rheinische Zeitung"


"Sîn kumber was manecvalt."
<"Sein Kummer war mannigfaltig">

<461> Vogt erklärt selbst, daß es ihm in dem "Hauptbuch" zu "tun" ist (l.c. p. 162) um "die Entwicklung seiner persönlichen Stellung zu dieser Clique" (Marx und Konsorten). Sonderbarerweise erzählt er nur Konflikte, die er nie erlebt hat, und erlebt er nur Konflikte, die er nie erzählt hat. Seinen Jagdgeschichten muß ich daher ein Stück wirklicher Geschichte gegenüberstellen. Durchblättert man den Jahrgang der "Neuen Rheinischen Zeitung" (1. Juni 1848 bis 19. Mai 1849), so wird man finden, daß während des Jahres 1848 Vogts Name mit einer einzigen Ausnahme weder in den Leitartikeln noch in den Korrespondenzen der "Neuen Rheinischen Zeitung" figuriert. Er findet sich nur in den täglichen Berichten über die Parlamentsdebatten, und der Frankfurter Berichterstatter verfehlte nie, zur großen Genugtuung des Herrn Vogt, den für "die von ihm selbst gehaltenen Reden" erhaschten "Beifall" jedesmal gewissenhaft zu registrieren. Wir sahen, daß, während die rechte Seite zu Frankfurt über die vereinigten Kräfte eines Harlekin wie Lichnowski und eines Clown wie v. Vincke verfügte, die Linke auf die isolierten Schwänke des einzigen Vogt angewiesen war. Wir begriffen, daß er der Aufmunterung bedürfe

"that important fellow the children’s wonder - Signor Punchinelli
<"dieser anmaßende Bursch, das Kinderwunder - Signor Punchinello">

und ließen daher den Frankfurter Berichterstatter ruhig gewähren. Ein Wechsel in der Färbung der Berichte tritt ein nach Mitte September 1848. Vogt, der in den Debatten über den Malmöer Waffenstillstand durch revolutionäre Rodomontaden zum Aufstand provoziert hatte, hintertrieb, soviel an ihm war, im Augenblick der Entscheidung die Annahme der auf <462> der Pfingstweide von der Volksversammlung gefaßten und von einem Teil der äußersten Linken gutgeheißenen Beschlüsse. Nachdem der Barrikadenkampf niedergeschlagen, Frankfurt in ein offenes Heerlager verwandelt und der Belagerungszustand proklamiert war, am 19. September, erklärte sich derselbe Vogt für die Dringlichkeit von Zachariäs Antrag auf Gutheißung der von dem Reichsministerium bisher getroffenen Maßregeln und auf Danksagung an die Reichstruppen. Bevor Vogt die Tribüne bestieg, hatte selbst Venedey gegen die "Dringlichkeit" jener Anträge opponiert und eine solche Diskussion, in solchem Augenblicke, gegen die Würde der Versammlung erklärt. Aber Vogt stand unter Venedey. Zur Strafe setzte ich in den parlamentarischen Bericht hinter das Wort "Vogt" das Wort "Schwätzer", ein lakonischer Wink für den Frankfurter Berichterstatter.

Im nachfolgenden Oktober unterließ Vogt nicht nur, was seines Amts war, die Narrenpritsche zu schwingen über den Häuptern der damals übermütigen und reaktionswütigen Majorität. Nicht einmal den Protest wagte er zu unterzeichnen, den Zimmermann von Spandau im Namen von ungefähr 40 Deputierten gegen das Gesetz zum Schutz der Nationalversammlung am 10. Oktober einbrachte. Dies Gesetz, wie Zimmermann richtig hervorhob, war der schamloseste Eingriff in die durch die Märzrevolution errungenen Volksrechte - Versammlungsrecht, Redefreiheit und Preßfreiheit. Sogar Eisenmann reichte einen ähnlichen Protest ein. Aber Vogt stand unter Eisenmann. Als er sich nun später wieder mausig machte bei Gründung des "Zentral-Märzvereins", erscheint sein Name endlich in einem Artikel der "Neuen Rheinischen Zeitung" (Nummer vom 29. Dezember 1848), worin der "Märzverein" als "unbewußtes Werkzeug der Kontrerevolution" gezeichnet, sein Programm kritisch zerfetzt und Vogt als die eine Hälfte einer Doppelfigur dargestellt wird, wovon Vincke die andre Hälfte bilde. Mehr als ein Jahrzehnt später haben beide "Minister der Zukunft" ihre Zusammengehörigkeit erkannt und die Teilung Deutschlands zum Wahlspruch ihrer Einigung gemacht.

Daß wir den "Märzverein" richtig verstanden, hat nicht nur seine spätere "Entwicklung" gezeigt. Der Heidelberger "Volksbund", der Breslauer "demokratische Verein", der Jenaer "demokratische Verein" usw. wiesen seine zudringlichen Liebesbewerbungen mit Hohn zurück, und diejenigen Mitglieder der äußersten Linken, die ihm beigetreten waren, bestätigten durch ihre Austrittserklärung vom 20. April 1849 unsere Kritik vom 29. Dezember 1848. Vogt jedoch, in stiller Seelengröße, sammelte feurige Kohlen auf unser Haupt, wie man aus folgendem Zitat ersehn wird: "Nr. 243 der 'Neuen Rheinischen Zeitung’, Köln, 10. März 1849. 'Der <463> Frankfurter sog. Märzverein’ der sog. 'Reichsversammlung’ hat die Unverschämtheit, uns folgenden lithographierten Brief zuzusenden:

'Der Märzverein hat beschlossen, daß eine Liste sämtlicher Blätter, welche uns ihre Spalten geöffnet haben, aufgestellt und allen Vereinen, mit welchen wir in Verbindung stehn, mitgeteilt werde, damit durch den gedachten Verein dahin gewirkt werde, daß die bezeichneten Blätter vorzugsweise mit etwa einschlägigen Anzeigen bedacht würden. Indem wir Ihnen die aufgestellte Liste andurch mitteilen, glauben wir nicht nötig zu haben, Sie auf die Wichtigkeit der bezahlten Annoncen eines Blattes als Hauptnahrungsquelle des ganzen Unternehmens aufmerksam zu machen [...] Frankfurt, Ende Februar l849.

Der Vorstand des Zentral-März-Vereins’

Auf der beigefügten Liste dieser Blätter, welche dem Märzverein ihre Spalten geöffnet haben und von den Anhängern des Märzvereins vorzugsweise mit 'einschlägigen Annoncen’ bedacht werden sollen, befindet sich, überdies noch mit einem ehrenden Stern versehn, auch die 'Neue Rheinische Zeitung’. Wir erklären hiermit, [...] daß dem sog. Märzverein niemals die Spalten unsrer Zeitung geöffnet worden sind ... Wenn der Märzverein daher in seinem lithographischen Bericht und wirklich spaltengeöffneten Blättern unsre Zeitung als eins seiner Organe bezeichnet, so ist dies eine simple Verleumdung der 'Neuen Rheinischen Zeitung’ und abgeschmackte Renommage des Märzvereins ...

Auf die schmutzige Bemerkung der profitwütigen, konkurrenzgehetzten Patrioten über die Wichtigkeit der bezahlten Annoncen einer Zeitung als Nahrungsquelle des ganzen Unternehmens haben wir natürlich keine Antwort. Die 'Neue Rheinische Zeitung’ hat sich, wie überhaupt, auch darin stets von den Patrioten unterschieden, daß sie die politische Bewegung nie als Industrieritterzweig oder Nahrungsquelle betrachtet hat."

Kurz nach dieser rauhen Abweisung des von Vogt und Konsorten angebotenen Nahrungsquells wurde die "Neue Rheinische Zeitung" in einer Versammlung des Zentral-Kommerzvereins als Muster "echt deutscher Zerrissenheit" tränenreich erwähnt. Am Schlusse unsrer Erwidrung auf die Jeremiade (Nr. 248 der "Neuen Rheinischen Zeitung") wird Vogt als "kleinuniversitätischer Bierpolterer und verfehlter Reichsbarrot" gekennzeichnet. Er hatte zwar damals (15. März) in der Kaiserfrage noch nicht den Knoblauch gegessen. Allein wir waren ein für allemal klar über Herrn Vogt und konnten daher seinen künftigen Verrat, der ihm selbst noch nicht klar war, als abgemachte Tatsache behandeln.

<464> Von nun an überließen wir übrigens Vogt und Konsorten der Behandlung des jungen, ebenso geistreichen als kühnen Schlöffel, der Anfang März aus Ungarn in Frankfurt angelangt war und uns seitdem über die Unwetter im Reichs-Froschteich berichtete.

Vogt war unterdes so tief gefallen - er selbst hatte natürlich mehr zu diesem Falle beigetragen als die "Neue Rheinische Zeitung" -, daß sogar Bassermann wagen durfte, ihn in der Sitzung vom 25. April 1849 als "Apostat und Renegat" zu brandmarken.

Infolge seiner Beteiligung am Elberfelder Aufstand mußte ein Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung", F. Engels, flüchten, und ich selbst wurde kurz darauf aus Preußen verjagt, nachdem wiederholte Versuche, mich durch Prozesse still zu machen, an den Geschwornen gescheitert waren und das Organ des Staatsstreichs-Ministeriums, die "Neue Preußische Zeitung", wiederholt die "Chimborasso-Frechheit der 'Neuen Rheinischen Zeitung’, wogegen der 'Moniteur’ von 1793 matt erscheine" (s. Nr. 299 der "Neuen Rheinischen Zeitung"), denunziert hatte. Solche "Chimborasso-Frechheit" war am Platz in einer preußischen Festungsstadt und zu einer Zeit, wo die siegreiche Kontrerevolution durch schamlose Brutalität zu imponieren suchte.

Am 19. Mai 1849 erschien die letzte Nummer der "Neuen Rheinischen Zeitung" (Rote Nummer). Solange die "Neue Rheinische Zeitung" existierte, hatte Vogt geduldet und geschwiegen. Wenn ein Parlamentler überhaupt reklamierte, geschah es stets in modester Weise, etwa so:

"Mein Herr! Ich schätze an Ihrem Blatte die scharfe Kritik darum nicht minder, weil sie alle Parteien und alle Personen gleich strenge überwacht." (S. Nr. 219 vom 11. Februar 1849, Wesendoncks Reklamation.)

Eine Woche nach Untergang der "Neuen Rheinischen Zeitung" glaubte Vogt endlich, unter dem Schild parlamentarischer Unverletzlichkeit, die lang vermißte Gelegenheit beim Schopf fassen und den lang in tiefstem Herzen aufgehäuften "Stoff" zur "Kraft" entwickeln zu können. Ein Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung", Wilhelm Wolff, war nämlich als Ersatzmann für einen allegewordenen schlesischen Parlamentler in die "in fortschreitender Auflösung begriffene" Frankfurter Versammlung eingetreten.

Um die folgende Szene in der Sitzung des Parlaments vom 26. Mai 1849 zu verstehn, muß man sich erinnern, daß damals der Aufstand in Dresden und die partiellen Bewegungen in der Rheinprovinz bereits niedergeschlagen waren, die Reichsintervention in Baden und der Pfalz bevorstand, die <465> russische Hauptarmee auf Ungarn zumarschierte, endlich das Reichsministerium von der Versammlung gefaßte Beschlüsse einfach kassiert hatte. Auf der Tagesordnung standen zwei "Proklamationen an das deutsche Volk", die erstere redigiert von Uhland und ausgehend von der Majorität, die andre von dem Zentrum angehörigen Mitgliedern eines Dreißiger-Ausschusses. Es präsidierte der Darmstädter Reh, der nachher Hase ward und sich ebenfalls "ablöste" von der "in voller Auflösung" begriffenen Versammlung. Ich zitiere nach dem offiziellen stenographischen Bericht Nr. 229, 228. Sitzung in der Paulskirche.

Wolff von Breslau: "Meine Herren! Ich habe mich gegen die Proklamation an das Volk einschreiben lassen, gegen die Proklamation, die von der Majorität verfaßt und hier verlesen worden ist, weil ich sie für durchaus unangemessen den jetzigen Zuständen halte, weil ich sie viel zu schwach finde, geeignet bloß, um als Journalartikel in denjenigen Tagesblättern zu erscheinen, welche die Partei vertreten, von welcher diese Proklamation ausgegangen ist, aber nicht für eine Proklamation an das deutsche Volk. Da nun jetzt noch eine zweite verlesen worden ist, so will ich nur so beiläufig bemerken, daß ich mich gegen diese noch viel mehr erklären würde, aus Gründen, die ich hier nicht anzuführen brauche." (Eine Stimme aus dem Zentrum: "Warum denn nicht?") "Ich spreche nur von der Majoritäts-Proklamation, sie ist allerdings so mäßig gehalten, daß selbst Herr Buß nicht viel dagegen sagen konnte, und das ist doch gewiß die schlimmste Empfehlung für eine Proklamation. Nein, meine Herren, wenn Sie irgend und überhaupt noch einen Einfluß auf das Volk haben wollen, müssen Sie nicht in der Weise, wie es in der Proklamation geschieht, zum Volke sprechen; Sie dürfen da nicht von Gesetzlichkeit, von gesetzlichem Boden u.dgl. sprechen, sondern von Ungesetzlichkeit in derselben Weise wie die Regierungen, wie die Russen, und ich verstehe unter Russen die Preußen, die Östreicher, Bayern, Hannoveraner." (Unruhe und Gelächter.) "Diese sind alle unter dem gemeinsamen Namen Russen zusammengefaßt." (Große Heiterkeit.) "Ja, meine Herren, auch in dieser Versammlung sind die Russen vertreten, Sie müssen ihnen sagen: 'So wie ihr euch auf den gesetzlichen Standpunkt stellt, so stellen wir uns auch darauf.’ Es ist der Standpunkt der Gewalt, und erklären Sie in Paranthese die Gesetzlichkeit dahin, daß Sie den Kanonen der Russen die Gewalt entgegenstellen, wohlorganisierte Sturmkolonnen. Wenn überhaupt eine Proklamation zu erlassen ist, so erlassen Sie eine, in welcher Sie von vornherein den ersten Volksverräter, den Reichsverweser, für vogelfrei erklären." (Zuruf: "Zur Ordnung!" - Lebhafter Beifall von den Galerien,) "Ebenso alle Minister." (Erneuerte Unruhe.) "Oh, ich lasse mich nicht stören; er ist der erste Volksverräter."

Präsident: "Ich glaube, daß Herr Wolff jede Rücksicht überschritten und verletzt hat. Er kann den Erzherzog-Reichsverweser vor diesem Hause nicht einen Volksverräter nennen, und ich muß ihn deshalb zur Ordnung rufen. Die Galerien fordre ich gleich- <466> zeitig zum letztenmal auf, in der geschehenen Weise an der Debatte sich nicht zu beteiligen."

Wolff: "Ich für meinen Teil nehme den Ordnungsruf an und erkläre, daß ich die Ordnung habe überschreiten wollen, daß er und seine Minister Verräter sind." (Von allen Seiten des Hauses der Zuruf: "Zur Ordnung, das ist pöbelhaft.")

Präsident: "Ich muß Ihnen das Wort entziehen."

Wolff: "Gut, ich protestiere; ich habe im Namen des Volks hier sprechen wollen und sagen wollen, wie man im Volke denkt. Ich protestiere gegen jede Proklamation, die in diesem Sinne abgefaßt ist." (Große Aufregung.)

Präsident: "Meine Herren, wollen Sie mir einen Augenblick das Wort geben. Meine Herren, der Vorfall, der sich soeben ereignet hat, ist, ich kann es sagen, der erste, seitdem das Parlament hier tagt." (Es war in der Tat der erste und der einzige Vorfall in diesem Debattierklub.) "Es hat hier noch kein Redner erklärt, daß er mit Absicht die Ordnung, die Grundlage dieses Hauses, habe verletzen wollen." (Schlöffel hatte bei einem ähnlichen Ordnungsruf, in der Sitzung vom 25. April, gesagt: " Ich nehme den Ordnungsruf an und tue es um so lieber, weil ich hoffe, es werde die Zeit bald kommen, in welcher diese Versammlung anderweitig zur Ordnung gerufen wird.")

"Meine Herren, ich muß tief beklagen, daß Herr Wolff, der kaum erst Mitglied des Hauses geworden ist, in dieser Weise debütiert" (Reh betrachtet die Sache vom Komödienstandpunkt aus). "Meine Herren! Ich habe den Ordnungsruf gegen ihn ausgesprochen, wegen der starken Verletzung, die er sich erlaubt hat, in betreff der Achtung und der Rücksicht, die wir der Person des Reichsverwesers schuldig sind."

Die Sitzung geht nun ihren Gang fort. Hagen und Zachariä halten lange Reden, der eine für, der andre gegen die Majoritäts-Proklamation. Endlich erhebt sich

Vogt von Gießen: "Meine Herren! Erlauben Sie mir einige Worte, ich will nicht ermüden. Daß das Parlament nicht mehr so ist, wie es in dem vorigen Jahre zusammentrat, meine Herren, das ist vollkommen richtig und wir danken dem Himmel" (der "Köhlergläubige" Vogt dankt dem Himmel!) "dafür, daß es so geworden wird" (jawohl, geworden wird!) "und daß diejenigen, welche an ihrem Volk verzweifelten und welche die Sache des Volks im entscheidenden Moment verrieten, sich von der Versammlung getrennt haben! Meine Herren, ich habe mich zum Worte gemeldet" (also das bisherige Dankgebet war nur Flause), "um den kristallhellen Strom, der aus einer Dichterseele" (Vogt wird seelenhaft) "in diese Proklamation geflossen ist, zu verteidigen" (Stromverteidigung) "gegen den unwürdigen Schmutz, welcher in denselben geworfen oder gegen denselben geschleudert worden ist" (der Strom war ja bereits von der Proklamation absorbiert), "um diese Worte" (der Strom verwandelt sich, wie alles andre bei Vogt, in Worte) "zu verteidigen gegen den Kot, der aufgehäuft worden ist in dieser letzten Bewegung und dort alles zu überfluten und alles zu beschmutzen droht. Ja, meine Herren! Das" (nämlich der Kot) "ist ein Kot und ist ein Schmutz (der Kot ist ein Schmutz!), "den man auf diese Weise" (welche Weise?) "an alles, was nur Reines <467> gedacht werden kann, heranwirft, und ich spreche meine tiefste Entrüstung" (Vogt in tiefster Entrüstung, quel tableau! <was für ein Bild!>) .darüber aus, daß so etwas" (was?) "geschehen konnte."

Und was er spricht, ist - Kot.

Wolff hatte keine Silbe über Uhlands Redaktion der Proklamation gesagt. Er war, wie der Präsident wiederholt erklärt, zur Ordnung gerufen worden, er hatte den ganzen Sturm heraufbeschworen, weil er den Reichsverweser und alle seine Minister für Volksverräter erklärt und das Parlament aufgefordert hatte, sie zu Volksverrätern zu erklären. Aber der "Erzherzog-Reichsverweser", der "abgenutzte Habsburger" (Vogts "Studien", p. 28) und "alle seine Minister" sind für Vogt "alles, was nur Reines gedacht werden kann". Er sang mit Walter von der Vogelweide:

"des fürsten milte ûz ôsterrîche
fröit dem süezen rëgen gelîche
beidiu liute und ouch daz lant."
<"Die Freigebigkeit des Fürsten von Österreich
erfreut, dem milden Regen gleich,
gleichermaßen Leute und Land.">

Stand Vogt damals schon in den später von ihm eingestandenen "wissenschaftlichen Beziehungen" zum Erzherzog Johann? (S. p. 25, Dokumente, "Hauptbuch ".)

Zehn Jahre später erklärte derselbe Vogt in den "Studien", p. 27[/28]:

"So viel ist wenigstens sicher, daß die Nationalversammlung in Frankreich und deren Führer zur Zeit ebenso die Fähigkeiten Louis-Napoleons unterschätzten wie die Führer der Frankfurter Nationalversammlung diejenigen des Erzherzogs Johann und daß jeder der beiden Schlauköpfe in seiner Sphäre [seine Unterschätzer] reichlich für den begangenen Fehler büßen ließ. Wir sind damit weit entfernt, beide auf eine Linie zu stellen. Die entsetzliche Rücksichtslosigkeit usw. usw. (Louis Bonapartes). - Dies alles läßt ihn dem schon alten und abgenutzten Habsburger weit überlegen erscheinen."

Noch in derselben Sitzung ließ Wolff den Vogt durch den Abgeordneten Würth aus Sigmaringen auf Pistolen fordern, und als besagter Vogt seine Haut dem Reich zu erhalten beschloß (1), ihm körperliche Züchtigung an- <468> drohn. Als Wolff aber, beim Herausgehn aus der Paulskirche, Karl den Kühnen von zwei Damen flankiert fand, brach er in helle Lache aus und überließ ihn seinem Schicksal. Obgleich ein Wolf, dessen Zähne und Herz wölfisch sind, ist Wolff jedoch ein Lamm gegen das schöne Geschlecht. Die einzige, sehr harmlose Rache, die er nahm, war ein Artikel in der "Revue der Neuen Rheinischen Zeitung" (Aprilheft 1850, p. 73), betitelt "Nachträgliches aus dem Reich", worin es mit Bezug auf den Ex-Reichsregenten also lautet:

"In diesen kritischen Tagen war das Zentralmärztum gar fleißig. Vor dem Abzug aus Frankfurt hatte es schon den Märzvereinen und dem deutschen Volke in einer Ansprache zugerufen: "Mitbürger! Die elfte Stunde hat geschlagen!’ Zur Herbeischaffung eines Volksheeres erließ es nun von Stuttgart aus eine neue Proklamation 'an das deutsche Volk’, und siehe da, der Zeiger der Zentralmärzuhr stand noch auf dem alten Fleck, oder es war ihr, wie der Uhr am Freiburger Münster, die Zahl XII ausgebrochen. Genug, es heißt in der Proklamation abermals: 'Mitbürger! Die elfte Stunde hat geschlagen!’ Oh, hätte sie doch früher und wenigstens damals, als der Zentralmärzheld Karl Vogt in Nürnberg zu seiner und der ihn fetierenden Heuler Befriedigung die fränkische Revolution abwiegelte (2), an und zugleich durch eure Köpfe geschlagen ... Im Freiburger Regierungsgebäude schlug die Regentschaft ihre Büros auf. Der Regent Karl Vogt, zugleich Minister des Auswärtigen und Inhaber vieler andrer Ministerien, nahm sich auch hier das Wohl des deutschen Volkes angelegentlichst zu Herzen. Nach langen Tag- und Nachtstudien hatte er eine ganz zeitgemäße Erfindung, 'Reichsregentschafts-Pässe’, zustande gebracht. Die Pässe waren einfach; schon lithographiert und gratis zu haben, so viel ihrer das Herz begehrte. Sie hatten nur den kleinen Fehler, nur in der Vogtschen Kanzlei gültig zu sein und respektiert zu werden. Vielleicht findet später ein oder das andre Exemplar in der Kuriositätensammlung eines Engländers seinen Platz."

Wolff folgte nicht dem Vorbild Greiners. Statt "nach dem Erscheinen" der "Revue" sogleich nach Amerika abzureisen", harrte er noch ein Jahr lang des Land-Vogts Rache in der Schweiz.


Fußnoten von Marx

(1) Kobes I. erzählt in dem schon erwähnten Pamphlet von Jacobus Venedey: "Als Karl Vogt in der Sitzung, in welcher Gagern den Gabriel Rießer nach dessen Kaiserrede umarmte, ... den Abgeordneten Zimmermann ... mit Spottpathos und lautem Schreien in der Paulskirche umarmte, habe ich ihm zugerufen: 'Laß die Gassenbubenstreiche.’ Da hat Vogt geglaubt, mich mit einem herausfordernden Schimpfworte beleidigen zu müssen, und als ich dafür persönlich von ihm Rechenschaft forderte, hat er, nach langem Hin- und Hergehen eines Freundes, den Mut gehabt, für die Beleidigung nicht einzustehn." (p. 21, 22, l.c.) <=

(2) Vogt rechtfertigte später seine Nürnberger Heldentat mit den Worten: "Es hätten ihm die Garantien für seine persönliche Sicherheit gefehlt." <=