Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 385-387.

1. Korrektur
Erstellt am 31.08.1998.

Inhalt | I. Die Schwefelbande

Vorwort


<385> Unter dem Datum "London, 6. Februar 1860" veröffentlichte ich in der Berliner "Volks-Zeitung", Hamburger "Reform" und andern deutschen Blättern eine Erklärung, die mit den folgenden Worten beginnt:

"Ich zeige hiermit an, daß ich vorbereitende Schritte getan zur Anhängigmachung einer Verleumdungsklage gegen die Berliner 'National-Zeitung wegen der Leitartikel Nr. 37 und Nr. 41 über Vogts Pamphlet: 'Mein Prozeß gegen die Allgemeine Zeitung’. Eine literarische Antwort auf Vogt behalte ich für später vor."

Warum ich beschloß, dem Karl Vogt literarisch, der "National-Zeitung" aber gerichtlich zu antworten, wird man aus der vorliegenden Schrift selbst ersehn.

Im Laufe des Monats Februar 1860 machte ich die Verleumdungsklage gegen die "National-Zeitung" anhängig. Nachdem der Prozeß vier vorläufige Instanzen durchlaufen hatte, erhielt ich am 23. Oktober d.J. die Verfügung des Königl. Preuß. Obertribunals, wodurch mir das Recht der Klage in letzter Instanz abgeschnitten, also der Prozeß niedergeschlagen ward, bevor er zur öffentlichen Verhandlung kam. Fand letztere, wie ich erwarten durfte, wirklich statt, so würde ich das erste Dritteil der vorliegenden Schrift erspart haben. Einfacher Abdruck eines stenographischen Berichts über die Gerichtsverhandlungen hätte genügt, und ich wäre so der höchst widerlichen Arbeit entgangen, Anklagen gegen meine Person beantworten, also von mir selbst sprechen zu müssen. Ich habe das stets so sorglich vermieden, daß Vogt einigen Erfolg von seinen Lügenmärchen erwarten durfte. Indes, sunt certi denique fines <es gibt schließlich gewisse Grenzen>. Vogts von der "National-Zeitung" in ihrer Weise resümiertes Machwerk warf mir eine Reihe infamierender Handlungen vor, die jetzt, nachdem die öffentliche gerichtliche Wider-<386> legung mir definitiv abgeschnitten worden ist, eine literarische Widerlegung erheischen. Aber abgesehn von dieser Rücksicht, die keine Wahl übrigließ, hatte ich andere Motive, Vogts Jagdgeschichten über mich und meine Parteigenossen, da ich einmal darauf eingehn mußte, ausführlicher zu behandeln. Auf der einen Seite das fast einstimmige Triumphgeschrei, womit die sogenannte "liberale" deutsche Presse seine angeblichen Enthüllungen begrüßte. Auf der andern Seite die Gelegenheit, welche die Analyse des Machwerks zur Charakteristik jenes Individuums bot, das eine ganze Richtung repräsentiert.

Die Antwort auf Vogt zwang mich hier und da eine partie honteuse <ein schandbares Kapitel> der Emigrationsgeschichte aufzudecken. Ich mache hierin nur von dem Recht der "Notwehr" Gebrauch. Übrigens kann der Emigration, einige wenige Personen ausgenommen, nichts vorgeworfen werden als Illusionen, die durch die Zeitverhältnisse mehr oder weniger berechtigt waren, und Narrheiten, die aus den außerordentlichen Umständen, worin sie sich unerwartet gestellt fand, notwendig hervorwuchsen. Ich spreche hier natürlich nur von den ersten Jahren der Emigration. Ein Vergleich der Geschichte der Regierungen und der bürgerlichen Gesellschaft, etwa von 1849 bis 1859, mit der gleichzeitigen Geschichte der Emigration wäre die glänzendste Apologie, die für letztere geschrieben werden könnte.

Ich weiß im voraus, daß dieselben gewiegten Männer, die bei dem Erscheinen des Vogtschen Machwerks die Häupter bedenklich über die Wichtigkeit seiner "Enthüllungen" schüttelten, jetzt gar nicht begreifen werden, wie ich meine Zeit mit der Widerlegung solcher Kindereien vergeuden konnte, während die "liberalen" Federfuchser, die in schadenfroher Hast Vogts platte Gemeinheiten und nichtsnutzige Lügen durch die deutsche, schweizerische, französische und amerikanische Presse kolportierten, meine Manier, sie selbst und ihren Helden abzufertigen, frevelhaft anstößig finden werden. But never mind! <Aber das ist mit gleich!>

Der politische sowie der juristische Teil dieser Schrift bedürfen keiner eignen Bevorwortung. Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse bemerke ich nur das eine: Von Männern, die schon vor 1848 miteinander darin übereinstimmten, die Unabhängigkeit Polens, Ungarns und Italiens nicht nur als ein Recht dieser Länder, sondern als das Interesse Deutschlands und Europas zu vertreten, wurden ganz entgegengesetzte Ansichten aufgestellt über die Taktik, die Deutschland bei Gelegenheit des italienischen Kriegs von 1859 Louis Bonaparte gegenüber auszuführen habe. Dieser Gegen- <387> satz der Ansichten entsprang aus gegensätzlichen Urteilen über tatsächliche Voraussetzungen, über die zu entscheiden einer spätern Zeit vorbehalten bleibt. Ich für meinen Teil habe es in dieser Schrift nur mit den Ansichten Vogts und seiner Clique zu tun. Selbst die Ansicht, die er zu vertreten vorgab und in der Einbildung eines urteilslosen Haufens vertrat, fällt in der Tat außerhalb der Grenzen meiner Kritik. Ich behandle die Ansichten, die er wirklich vertrat.

Schließlich spreche ich meinen herzlichen Dank aus für die bereitwillige Hülfe, die mir bei Abfassung dieser Schrift nicht nur von alten Parteifreunden geworden, sondern von vielen mir früher fernstehenden und mir zum Teil jetzt noch persönlich unbekannten Mitgliedern der Emigration in der Schweiz, Frankreich und England.

London, 17. November 1860