Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 286-314.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Kavallerie

Geschrieben Anfang März bis etwa 21. Juni 1858.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band IV]

<286> Kavallerie (französisch cavalerie, von cavalier = Reiter, von cheval = Pferd) - ein Truppenkörper zu Pferde. Die Verwendung des Pferdes zum Reiten und die Einführung berittener Truppen in Armeen stammte naturgemäß aus jenen Ländern, in denen das Pferd beheimatet war und wo das Klima und der Graswuchs die Entwicklung all seiner physischen Eigenschaften begünstigten. Während das Pferd in Europa und im tropischen Asien bald zu einem plumpen Tier oder einem im Wachstum zurückgebliebenen Pony degenerierte, erzielte die Zucht Arabiens, Persiens, Kleinasiens, Ägyptens und der Nordküste Afrikas große Schönheit, Schnelligkeit, Gelehrigkeit und Ausdauer. Das Pferd scheint jedoch zunächst nur als Zugtier verwendet worden zu sein; zumindest tritt in der Kriegsgeschichte der Streitwagen viel früher auf als der bewaffnete Reiter. Auf den ägyptischen Denkmälern sind viele Streitwagen zu sehen, aber, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, keine Reiter; und diese Ausnahme stammt wahrscheinlich aus der römischen Zeit. Doch es unterliegt keinem Zweifel, daß die Ägypter mindestens einige Jahrhunderte vor der Eroberung des Landes durch die Perser eine zahlenmäßig starke Kavallerie besaßen; der Befehlshaber dieser Waffengattung wird mehr als einmal unter den wichtigsten Beamten des Hofes genannt. Sehr wahrscheinlich lernten die Ägypter die Kavallerie während ihres Krieges mit den Assyrern kennen, denn auf den assyrischen Denkmälern sind oft Reiter dargestellt, und ihre sehr frühzeitige Verwendung bei den assyrischen Heeren im Kriege ist mit Sicherheit festgestellt worden. Auch der Sattel scheint von ihnen zu stammen. Auf den älteren Skulpturen reitet der Soldat auf dem bloßen Rücken des Tieres; in einer späteren Epoche finden wir eine Art Polster oder Kissen vor und schließlich einen hohen Sattel, ähnlich dem heute überall im Osten gebräuchlichen.

Die Perser und Meder waren bei ihrem Eintritt in die Geschichte Reiter- <287> völker. Obwohl sie den Streitwagen beibehielten und ihm sogar den aus alten Zeiten stammenden Vorrang über die jüngere Waffengattung, die Kavallerie, ließen, erhielt diese durch die große zahlenmäßige Stärke der Berittenen doch eine Bedeutung, die sie in früheren Armeen niemals besessen hatte. Die Kavallerie der Assyrer, Ägypter und Perser war die gleiche, wie sie im Osten noch vorherrscht und wie sie bis in die jüngste Zeit in Nordafrika, Asien und Osteuropa ausnahmslos verwendet wurde, nämlich irreguläre Kavallerie.

Als die Griechen aber ihre Pferde durch Kreuzungen mit den östlichen Rassen so weit verbessert hatten, daß sie für Kavalleriezwecke geeignet waren, begannen sie diese Waffengattung nach einem neuen Prinzip zu organisieren. Sie sind die Schöpfer sowohl der regulären Infanterie als auch der regulären Kavallerie. Sie formierten die Massen der Krieger in festen Einheiten, bewaffneten sie, rüsteten sie zweckentsprechend aus und lehrten sie, gemeinsam zu handeln, sich in Reih und Glied zu bewegen, in einer bestimmten taktischen Formation zusammenzuhalten und so die ganze Wucht ihrer konzentrierten und vorrückenden Masse auf einen bestimmten Punkt der feindlichen Front zu werfen. In dieser Form organisiert, erwiesen sie sich überall den unausgebildeten, schwerfälligen und ungezügelten Haufen überlegen, welche die Asiaten gegen sie führten. Bis zu der Zeit, da die Perser selbst eine Kavallerie mehr regulärer Art gebildet hatten, ist uns kein Beispiel eines Kampfes griechischer Kavallerie gegen persische Reiter bekannt; doch es kann keinen Zweifel darüber geben, daß das Resultat das gleiche gewesen wäre wie bei einem Treffen der Infanterie beider Völker. Kavallerie wurde zunächst nur von den Pferdezucht treibenden Völkern Griechenlands organisiert, z.B. von den Thessaliern und Böotiern; doch sehr bald danach stellten die Athener neben berittenen Bogenschützen für den Vorpostendienst und zum Schwärmen auch eine Einheit schwerer Kavallerie auf. Die Spartaner hatten aus der Elite ihrer Jugend ebenfalls eine berittene Leibgarde gebildet, doch sie setzten in die Kavallerie kein Vertrauen und ließen sie daher im Kampf abgesessen als Infanterie kämpfen.

Die Perser lernten von den Griechen Kleinasiens und auch von den in ihrer Armee dienenden griechischen Söldnern die Formierung regulärer Kavallerie, und zweifellos war ein ansehnlicher Teil der gegen Alexander den Großen kämpfenden persischen Reiterei mehr oder weniger darin geübt, regulär in geschlossenen Abteilungen zu agieren.

Den Makedoniern waren sie jedoch nicht gewachsen. Bei diesem Volk war das Reiten ein für die adligen Jünglinge unerläßlicher Teil ihrer Bildung, und die Kavallerie nahm in ihrer Armee eine erstrangige Stellung ein. Die <288> Kavallerie Philipps und Alexanders bestand aus dem makedonischen und thessalischen Adel sowie aus einigen im eigentlichen Griechenland rekrutierten Eskadronen. Sie setzte sich aus schweren Reitern zusammen - cataphractae -, mit Helm und Brustharnisch, Beinschienen und einem Speer bewaffnet. Gewöhnlich griff sie in geschlossener Formation an, in rechteckiger oder keilförmiger Kolonne, manchmal auch in Linie. Die aus Hilfstruppen bestehende leichte Kavallerie war mehr oder weniger irregulär und diente, wie heute die Kosaken, zum Vorpostendienst und zum Schwärmen.

Die Schlacht am Granikos (334 v.u.Z.) bietet das erste Beispiel eines Treffens, in dem die Kavallerie eine entscheidende Rolle spielte. Die persische Kavallerie war in Angriffsdistanz vor den Furten des Flusses aufgestellt. Sobald die Kolonnenspitzen der makedonischen Infanterie den Fluß überschritten hatten und ehe sie sich entwickeln konnten, fiel die persische Reiterei über sie her und trieb sie ungestüm wieder in den Fluß zurück. Dieses mehrmals mit vollem Erfolg wiederholte Manöver beweist, daß die Perser den Makedoniern reguläre Kavallerie entgegenstellen konnten. Um die Infanterie gerade im Augenblick ihrer größten Schwäche zu überrumpeln, das heißt, wenn sie von einer taktischen Formation zu einer anderen übergeht, muß die Kavallerie fest in der Hand und völlig in der Gewalt ihrer Befehlshaber sein. Irreguläre Truppen sind dazu nicht imstande. Ptolemäus, der die Vorhut der Armee Alexanders befehligte, konnte nicht eher vorankommen, als bis die makedonischen schweren Reiter den Fluß überquert und die Perser in der Flanke angegriffen hatten. Ein langer Kampf folgte, doch die persischen Reiter wurden am Ende in die Flucht geschlagen, da sie in einer einzigen Linie ohne Reserven aufgestellt waren und von den asiatischen Griechen in ihrer Armee schließlich im Stich gelassen wurden.

Die Schlacht von Arbela (331 v.u.Z.) war die ruhmreichste Schlacht für die makedonische Kavallerie. Alexander führte die makedonische Reiterei persönlich an, die den äußersten rechten Flügel seiner Schlachtordnung bildete, während die thessalische Reiterei auf dem linken stand. Die Perser versuchten ihn zu überflügeln; doch im entscheidenden Augenblick brachte Alexander frische Truppen nach vorn, um wiederum die Perser zu überflügeln, die währenddessen eine Lücke zwischen ihrem linker Flügel und dem Zentrum gelassen hatten. Alexander stieß sofort in diese Lücke, trennte den linken Flügel von der übrigen Armee, rollte ihn völlig auf und verfolgte ihn über eine beträchtliche Strecke. Als Alexander dann aufgefordert wurde, seinem eigenen bedrohten linken Flügel zu Hilfe zu kommen, sammelte er seine Reiterei in sehr kurzer Zeit, führte sie hinter das <289> Zentrum des Feindes und griff dessen rechten Flügel im Rücken an. Damit war die Schlacht gewonnen, und seit dem Tage zählt Alexander zu den größten Kavalleriegeneralen aller Zeiten. Als Krönung dieser Tat verfolgte seine Kavallerie den fliehenden Feind so ungestüm, daß seine Vorhut am nächsten Tage 75 Meilen vom Schlachtfeld entfernt stand.

Es ist sehr interessant festzustellen, daß die allgemeinen Grundsätze der Kavallerietaktik damals ebensogut beherrscht wurden wie heute. Infanterie in ihrer Marschformation oder während eines Formationswechsels angreifen; Kavallerie grundsätzlich in den Flanken angreifen; aus jeder Lücke in der feindlichen Linie Nutzen ziehen, indem man sich dort hineinstürzt und dann nach rechts oder links einschwenkt, um die neben einer solchen Lücke stehenden Truppen in der Flanke und im Rücken zu fassen; einen Sieg durch die schnelle und unerbittliche Verfolgung des zerschlagenen Feindes ausnützen - diese Regeln gehören zu den ersten und wichtigsten, die jeder Kavallerieoffizier heute lernen muß. Nach Alexanders Tod hören wir nichts mehr von jener ausgezeichneten Kavallerie Griechenlands und Makedoniens. In Griechenland überwog wieder die Infanterie; auch in Asien wie in Ägypten zerfiel die Reiterei bald.

Die Römer sind niemals Reiter gewesen. Die zahlenmäßig geringe, zu den Legionen gehörende Kavallerie kämpfte lieber zu Fuß. Ihre Pferde waren minderwertig, und die Männer konnten nicht reiten.

Im Süden des Mittelmeerraumes jedoch wurde eine Kavallerie geschaffen, die der Alexanders nicht nur gleichkam, sondern sie sogar in den Schatten stellte. Den karthagischen Feldherren Hamilkar und Hannibal war es gelungen, neben ihren numidischen irregulären Reitern eine erstklassige reguläre Kavallerie aufzustellen und damit eine Waffe zu schaffen, die ihnen fast überall den Sieg sicherte. Die Berber Nordafrikas, zumindest aus den Ebenen, sind bis zum heutigen Tage ein Reitervolk, und das herrliche Berberpferd, das Hannibals Krieger mit einer bisher unbekannten Geschwindigkeit und Vehemenz in die tiefen Massen der römischen Infanterie hineintrug, trägt noch heute die besten Regimenter der ganzen französischen Kavallerie, die chasseurs d'Afrique, und wird von ihnen als das beste Kriegspferd überhaupt anerkannt. Die karthagische Infanterie war der römischen weit unterlegen, sogar nachdem sie von ihren beiden großen Feldherren lange Zeit ausgebildet worden war; sie hätte im Kampf gegen die römischen Legionen nicht die geringste Chance gehabt, wäre sie nicht von jener Kavallerie unterstützt worden, durch die allein sich Hannibal 16 Jahre in Italien behaupten konnte. Als diese Kavallerie aufgerieben war, nicht durch das Schwert des Feindes, sondern durch den ständigen <290> Kräfteverbrauch in so vielen Feldzügen, konnte er sich in Italien nicht mehr halten. Das Gemeinsame an den Schlachten Hannibals und Friedrichs des Großen ist, daß in den meisten Fällen die Kavallerie über erstklassige Infanterie siegte; die Kavallerie hat nie so ruhmreiche Taten vollbracht wie unter diesen beiden großen Feldherren. Wir wissen nicht genau, aus welchem Volk und nach welchen taktischen Grundsätzen Hamilkar und Hannibal ihre reguläre Kavallerie formiert hatten. Doch da ihre numidische leichte Reiterei stets klar von der schweren oder regulären Kavallerie unterschieden wird, können wir schlußfolgern, daß letztere nicht aus Berberstämmen zusammengesetzt war. Sehr wahrscheinlich gehörten ihr viele fremde Söldner und einige Karthager an, die große Masse bestand jedoch sicherlich aus Spaniern; denn die reguläre Kavallerie war in Spanien aufgestellt worden, und selbst zu Cäsars Zeiten gehörten zu den meisten römischen Heeren spanische Reiter. Die Tatsache, daß Hannibal die griechische Zivilisation gut kannte und griechische Söldner und Glücksritter vor seiner Zeit unter der karthagischen Fahne gedient hatten, läßt kaum einen Zweifel zu, daß die Organisation der griechischen und makedonischen schweren Kavallerie die Grundlage für die karthagische war. Schon der erste Zusammenstoß in Italien bewies die Überlegenheit der karthagischen Reiterei. Am Ticinus (218 v.u.Z.) traf der römische Konsul Publius Scipio bei einer Erkundung mit seiner Kavallerie und leichten Infanterie auf die karthagische Kavallerie, die unter Hannibals Führung ähnliche Absichten verfolgte. Hannibal griff sofort an. Die römische leichte Infanterie bildete die erste Linie, die Kavallerie die zweite. Die karthagische schwere Reiterei fiel über die Infanterie her, zersprengte sie und stürzte sich dann sofort von vorn auf die römische Kavallerie, während die numidischen irregulären Reiter diese in der Flanke und im Rücken angriffen. Es war eine kurze Schlacht. Die Römer kämpften tapfer, aber sie hatten keinerlei Aussicht auf Erfolg. Sie konnten nicht reiten; ihre eigenen Pferde überwältigten sie; scheu geworden durch die Flucht der römischen Leichtbewaffneten, die auf die Kavallerie zurückgeworfen wurden und zwischen ihr Schutz suchten, warfen viele Pferde ihre Reiter ab und sprengten die Schlachtordnung. Andere Reiter, die ihrem eigenen reiterlichen Können nicht trauten, waren klug genug abzusitzen und versuchten als Infanterie zu kämpfen. Doch schon waren die karthagischen schweren Reiter mitten unter ihnen, während die unheilbringenden Numider die verwirrte Masse im Galopp umkreisten und jeden Fliehenden niederhieben, der sich von ihr entfernte. Die Römer hatten beträchtliche Verluste, und Publius Scipio selbst wurde verwundet.

<291> An der Trebia gelang es Hannibal, die Römer zum Überschreiten des Flusses zu verleiten, so daß sie mit diesem Hindernis im Rücken kämpfen mußten. Sie hatten ihn kaum überschritten, als Hannibal mit all seinen Truppen gegen sie vorrückte und sie zur Schlacht zwang. Wie die Karthager hatten die Römer ihre Infanterie im Zentrum, doch gegenüber den durch Kavallerie gebildeten beiden römischen Flügeln stellte Hannibal seine Elefanten auf und benutzte seine Kavallerie dazu, beide Flügel des Gegners zu überflügeln und zu umgehen. Gleich zu Beginn der Schlacht wurde die römische Kavallerie, die somit umgangen und zahlenmäßig unterlegen war, völlig geschlagen; aber die römische Infanterie trieb das karthagische Zentrum zurück und gewann an Boden. Die siegreiche karthagische Reiterei griff sie nun von vorn und in der Flanke an; sie zwang die römische Infanterie, auf weiteres Vorgehen zu verzichten, konnte sie aber nicht zerschlagen. Da Hannibal jedoch die Festigkeit der römischen Legion kannte, hatte er 1.000 Reiter und 1.000 ausgesuchte Fußsoldaten unter seinem Bruder Mago auf Umwegen in deren Rücken geschickt. Diese frischen Truppen griffen jetzt an, und es gelang ihnen, die zweite Linie der Römer zu sprengen; doch die erste Linie, 10.000 Mann, schloß sich zusammen, erzwang sich in festen Reihen den Weg durch den Feind und marschierte den Fluß hinunter nach Placentia, wo sie ihn unbehelligt überschritt.

In der Schlacht bei Cannae (216 v.u.Z.) hatten die Römer 80.000 Mann Infanterie und 6.000 Mann Kavallerie, die Karthager dagegen 40.000 Mann Infanterie und 10.000 Mann Kavallerie. Die Kavallerie von Latium bildete den römischen rechten Flügel, der sich am Aufidus hinzog, die Kavallerie der italischen Bundesgenossen stand auf dem linken Flügel, während die Infanterie das Zentrum bildete. Auch Hannibal stellte seine Infanterie im Zentrum auf, dessen beide Flügel die keltischen und spanischen Aufgebote bildeten, während neben ihnen, etwas weiter zurück, seine jetzt nach römischem Muster ausgerüstete und organisierte afrikanische Infanterie stand. Von seiner Kavallerie formierte er die Numider auf dem rechten Flügel, wo die freie Ebene ihnen infolge ihrer überlegenen Beweglichkeit und Schnelligkeit gestattete, den Angriffen der ihnen gegenüberstehenden italischen schweren Reiterei auszuweichen, während die gesamte schwere Kavallerie unter Hasdrubal auf dem linken Flügel dicht am Fluß aufgestellt war. Auf dem linken Flügel der Römer machten die Numider der italischen Kavallerie viel zu schaffen, doch gerade deshalb, weil sie eine irreguläre Kavallerie waren, konnten sie die feste Ordnung der Italiker nicht durch reguläre Angriffe brechen. Im Zentrum trieb die römische Infanterie die Kelten und Spanier bald zurück und formierte sich dann zu einer keil- <292> förmigen Kolonne, um die afrikanische Infanterie anzugreifen. Diese schwenkte jedoch nach innen ein, griff die schwerfällige Masse in Linie an und brach so ihren Ansturm; nunmehr begann die Schlacht zu stagnieren. Doch inzwischen hatte Hasdrubals schwere Reiterei die Niederlage der Römer vorbereitet. Nachdem sie die römische Kavallerie des rechten Flügels ungestüm angegriffen hatte, zerstreute sie diese nach heftigem Widerstand, umging wie Alexander bei Arbela das römische Zentrum, fiel der italischen Kavallerie in den Rücken, zersprengte sie völlig, überließ sie den Numidern als leichte Beute und formierte sich zu einem Generalangriff auf die Flanken und in den Rücken der römischen Infanterie. Das führte die Entscheidung herbei. Die von allen Seiten angegriffene schwerfällige Masse wich zurück, zog sich auseinander, wurde gesprengt und erlag. Noch nie war eine Armee so vollständig vernichtet worden. Die Römer verloren 70.000 Mann, von ihrer Kavallerie entkamen nur 70 Mann. Die Karthager verloren nicht ganz 6.000 Mann, zwei Drittel davon entfielen auf die keltischen Kontingente, die den Anprall des ersten Angriffs der Legionen zu tragen hatten. Von Hasdrubals 6.000 Mann regulärer Reiterei, die die gesamte Schlacht gewonnen hatten, waren nicht mehr als 200 Mann gefallen oder verwundet worden.

Die römische Kavallerie späterer Zeiten war nicht viel besser als die während der Punischen Kriege. Sie war in kleinen Abteilungen den Legionen angegliedert und bildete niemals eine selbständige Waffengattung. Außer dieser Kavallerie bei den Legionen gab es zur Zeit Cäsars spanische, keltische und germanische berittene Söldner, alle mit mehr oder weniger irregulärem Charakter. Keine bei den Römern dienende Kavallerie hat jemals erwähnenswerte Taten vollbracht; diese Waffengattung war so vernachlässigt und unwirksam, daß sogar die parthischen Irregulären von Khorassan von den römischen Armeen stets äußerst gefürchtet wurden.

In der östlichen Hälfte des Imperiums behielt die alte Leidenschaft für Pferde und Reitkunst jedoch ihren Einfluß, und Byzanz blieb bis zur Eroberung durch die Türken der große Pferdemarkt und die Reitschule Europas. Daher sehen wir, daß während des vorübergehenden Wiederauflebens des Byzantinischen Reiches unter Justinian die dortige Kavallerie sich auf einem verhältnismäßig hohen Niveau befand, und der Eunuche Narses soll in der Schlacht bei Capua im Jahre 554 die germanischen Eindringlinge in Italien hauptsächlich mit Hilfe dieser Waffengattung geschlagen haben.

Das Aufkommen einer eroberungslustigen Aristokratie germanischen Ursprungs in allen Ländern Westeuropas führte zu einer neuen Epoche in <293> der Geschichte der Kavallerie. Der Adel wandte sich überall der Reiterei zu und bildete unter der Bezeichnung Geharnischte (gens d'armes) eine Reitertruppe schwerster Art, in der nicht nur die Reiter, sondern auch die Pferde mit Metallharnischen gepanzert waren. Die erste Schlacht, in der eine solche Kavallerie auftrat, war die bei Poitiers, wo Karl Martell 732 die Flut der arabischen Invasion zurückschlug. Die fränkische Ritterschaft unter Eudes, dem Herzog von Aquitanien, durchbrach die Reihen der Mauren und nahm ihr Lager. Doch eine solche Truppe war nicht zur Verfolgung geeignet, und die Araber konnten sich daher unter dem Schutz ihrer unermüdlichen irregulären Reiterei unbehelligt nach Spanien zurückziehen. Diese Schlacht ist der Beginn einer Reihe von Kriegen, in denen die massive, aber schwerfällige reguläre Kavallerie des Westens die beweglichen Irregulären des Ostens mit wechselndem Erfolg bekämpfte. Fast während des ganzen 10. Jahrhunderts kreuzten die deutschen Ritter die Klingen mit den wilden ungarischen Reitern und schlugen sie 933 bei Merseburg sowie 955 am Lech vernichtend durch ihre geschlossene Schlachtordnung. Die spanische Ritterschaft bekämpfte die Mauren, die in ihr Land eingefallen waren, mehrere Jahrhunderte lang und besiegte sie schließlich. Als die abendländischen "schweren Ritter" jedoch während der Kreuzzüge den Kriegsschauplatz in die östliche Heimat ihrer Gegner verlegten, wurden sie ihrerseits geschlagen und in den meisten Fällen völlig vernichtet; weder sie noch ihre Pferde konnten das Klima, die ungeheuer langen Märsche und den Mangel an geeigneter Nahrung und an Futter ertragen.

Diesen Kreuzzügen folgte ein neuer Einfall östlicher Reiter in Europa, der der Mongolen. Nachdem diese Rußland und die polnischen Provinzen überrannt hatten, stießen sie 1241 bei Wahlstatt in Schlesien auf eine vereinigte polnische und deutsche Armee. Nach langem Kampf besiegten die Asiaten die erschöpften gepanzerten Ritter, doch der Sieg war so teuer erkauft, daß er die Kraft der Eindringlinge brach. Die Mongolen drangen nicht weiter vor, hörten infolge ihrer Uneinigkeit bald auf, gefährlich zu sein, und wurden zurückgetrieben.

Das gesamte Mittelalter hindurch blieb die Kavallerie die Hauptwaffe aller Armeen; bei den östlichen Völkern hatte die leichte irreguläre Reiterei diese Stellung schon immer innegehabt; bei den Völkern Westeuropas war in dieser Zeit die von der Ritterschaft gebildete schwere reguläre Kavallerie die Waffe, die jede Schlacht entschied. Diese Vorrangstellung der Berittenen ergab sich weniger aus ihrer eigenen Vortrefflichkeit - denn die Irregulären des Ostens waren zu diszipliniertem Kampf unfähig, und die Regulären des Westens waren in ihren Bewegungen unglaublich schwer- <294> fällig -, sondern war in erster Linie eine Folge der schlechten Qualität der Infanterie. Asiaten wie Europäer verachteten diese Waffengattung; sie setzte sich aus jenen zusammen, die sich kein Pferd leisten konnten, hauptsächlich also aus Sklaven und Leibeigenen. Für die Fußtruppen gab es keine eigene Organisation; ohne Rüstung, mit Spieß und Schwert als die einzigen Waffen, konnten sie wohl hier und da durch ihre tiefgegliederte Formation den wilden, aber undisziplinierten Angriffen östlicher Reiter widerstehen, aber von den unverwundbaren Rittern des Westens wurden sie unweigerlich niedergeritten. Die einzige Ausnahme bildete die englische Infanterie, deren Stärke auf ihrer furchtbaren Waffe, dem Langbogen, beruhte. Der zahlenmäßige Anteil der europäischen Kavallerie dieser Zeit war im Verhältnis zur übrigen Armee sicher nicht so groß, wie er es wenige Jahrhunderte später war oder sogar heute noch ist. Die Ritter waren nicht sehr zahlreich, und wir können feststellen, daß an vielen großen Schlachten nicht mehr als 800 oder 1.000 teilgenommen haben. Doch sie reichten im allgemeinen aus, um mit jeder Anzahl Fußsoldaten fertig zu werden, sobald es ihnen gelungen war, die feindlichen Ritter aus dem Felde zu schlagen. Gewöhnlich kämpften diese Ritter in Linie, in einem Glied; das hintere Glied wurde aus Knappen gebildet, die im allgemeinen eine unvollständigere und weniger schwere Rüstung trugen. Waren diese Linien erst einmal mitten in die Reihen des Gegners eingedrungen, so lösten sie sich bald in einzelne Kämpfer auf, und die Schlacht wurde im unmittelbaren Kampf Mann gegen Mann beendet. Später, als allmählich Feuerwaffen in Gebrauch kamen, wurden tiefgegliederte Formationen gebildet, gewöhnlich Karrees; doch zu jener Zeit waren die Tage des Ritterstandes bereits gezählt.

Während des 15. Jahrhunderts wurde nicht nur die Artillerie auf dem Schlachtfeld eingeführt und ein Teil der Infanterie, die Schützen der damaligen Zeit, mit Musketen bewaffnet, sondern auch der Charakter der Infanterie überhaupt wandelte sich. Diese Waffengattung wurde nun durch Anwerbung von Söldnern gebildet, die den Kriegsdienst zu ihrem Beruf machten. Die deutschen Landsknechte <Landsknechte: in der "New American Cyclopædia" deutsch> und die Schweizer waren solche Berufssoldaten, und sie führten sehr bald regulärere Formationen und taktische Bewegungen ein. In gewisser Beziehung lebte die alte dorische und makedonische Phalanx wieder auf; ein Helm und ein Brustharnisch schützten die Soldaten einigermaßen gegen Lanze und Säbel der Kavallerie; als die schweizerische Infanterie bei Novara (1513) die französische Ritterschaft tatsächlich aus dem Felde schlug, war für solche zwar tapferen, aber <295> schwerfälligen Reiter kein Platz mehr. Nach der Erhebung der Niederlande gegen Spanien finden wir daher eine neue Art der Kavallerie, die Deutschen Reiter <Reiter: in der "New American Cyclopædia" deutsch> (reitres bei den Franzosen), die wie die Infanterie durch Freiwilligenwerbung aufgestellt wurden und mit Helm und Brustharnisch, Schwert und Pistolen bewaffnet waren. Sie waren ebenso schwerfällig wie die heutigen Kürassiere, jedoch weit leichter als die Ritter. Sie bewiesen bald ihre Überlegenheit gegenüber den schweren Rittern. Diese verschwanden jetzt und mit ihnen die Lanze; das Schwert und kurze Feuerwaffen bildeten von nun an die allgemeine Bewaffnung der Kavallerie.

Etwa zur gleichen Zeit (Ende des 16. Jahrhunderts) wurde die hybride Truppengattung der Dragoner eingeführt, zuerst in Frankreich und dann in den anderen Ländern Europas. Mit Musketen bewaffnet, sollten sie je nach den Umständen entweder als Infanterie oder als Kavallerie kämpfen. Ein ähnliches Korps mit der Bezeichnung dimachae hatte Alexander der Große gebildet, aber das war bisher nicht nachgeahmt worden. Die Dragoner des 16. Jahrhunderts hielten sich länger, doch gegen Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sie überall außer dem Namen ihren hybriden Charakter verloren und wurden allgemein als Kavallerie eingesetzt. Das wichtigste Kennzeichen ihrer Formation war, daß sie als erste reguläre Kavallerietruppe überhaupt keine Schutzausrüstung mehr trugen. Zar Nikolaus von Rußland versuchte erneut in großem Umfang, wirklich hybride Dragoner zu schaffen; doch es erwies sich bald, daß sie vor dem Feind stets als Kavallerie eingesetzt werden mußten, und deshalb verwandelte sie Alexander II. sehr bald in gewöhnliche Kavallerie, die ebenso wie die Husaren oder Kürassiere darauf verzichtete, abgesessen zu kämpfen.

Moritz von Oranien, der große niederländische Feldherr, formierte seine Reiter <Reiter: in der "New American Cyclopædia" deutsch> zum erstenmal ähnlich unserer heutigen taktischen Gliederung. Er lehrte sie, Attacken und taktische Manöver in einzelnen Abteilungen und in mehr als einem Glied auszuführen, zu schwenken, haltzumachen, Kolonne und Linie zu bilden sowie in einzelnen Eskadronen und Trupps die Front zu wechseln, ohne in Unordnung zu geraten. So wurde ein Kavalleriegefecht nicht mehr durch einen einzigen Angriff der gesamten Masse entschieden, sondern durch aufeinanderfolgende Angriffe einzelner Eskadronen und Linien, die sich gegenseitig unterstützten. Die Kavallerie Moritz von Oraniens war im allgemeinen 5 Glieder tief aufgestellt. In anderen Armeen kämpfte sie in tiefgestaffelten Formationen, und wo eine Linienformation angewandt wurde, war sie noch 5 bis 8 Glieder tief.

<296> Das 17. Jahrhundert, das mit den kostspieligen Rittern endgültig Schluß gemacht hatte, erhöhte die zahlenmäßige Stärke der Kavallerie in einem gewaltigen Ausmaß. In keiner Armee war der Anteil dieser Waffengattung jemals so groß, im Dreißigjährigen Krieg bestand im allgemeinen jede Armee zu zwei Fünfteln bis nahezu der Hälfte aus Kavallerie, in einzelnen Fällen kamen zwei Reiter auf einen Fußsoldaten. Gustav Adolf steht an der Spitze der Kavalleriekommandeure dieser Zeit. Seine berittenen Truppen bestanden aus Kürassieren und Dragonern, wobei letztere fast immer als Kavallerie kämpften. Auch seine Kürassiere waren viel leichter als die des Kaisers und bewiesen bald ihre unbestreitbare Überlegenheit. Die schwedische Kavallerie war in 3 Gliedern formiert; im Gegensatz zu den Kürassieren der meisten Armeen, deren Hauptwaffe die Pistole war, hatte sie Order, nicht mit dem Schießen Zeit zu verlieren, sondern den Feind mit dem Säbel in der Hand anzugreifen. In dieser Zeit wurde die Kavallerie, die während des Mittelalters im allgemeinen im Zentrum stand, wieder wie im Altertum auf den Flügeln der Armee aufgestellt und dort in 2 Linien formiert.

In England brachte der Bürgerkrieg zwei ausgezeichnete Kavallerieführer hervor. Prinz Ruprecht auf der royalistischen Seite besaß zwar den "Schneid" eines Kavalleriegenerals, aber fast immer ließ er sich zu sehr hinreißen, verlor dann die Gewalt über seine Kavallerie und war von dem unmittelbaren Geschehen vor ihm so gefangengenommen, daß der General in ihm stets hinter dem "kühnen Dragoner" zurücktrat. Auf der anderen Seite war Cromwell, ein weit besserer General, der ebensoviel Schneid besaß, wo es erforderlich war; er behielt seine Soldaten gut in der Hand, hielt stets eine Reserve für unvorhergesehene Ereignisse und entscheidende Bewegungen zurück, verstand zu manövrieren und trug dadurch im allgemeinen den Sieg über seinen hitzköpfigen Gegner davon. Er gewann die Schlachten bei Marston Moor und Naseby nur durch seine Kavallerie.

Bei den meisten Armeen blieb in der Schlacht die Feuerwaffe noch das Hauptkampfmittel der Kavallerie, ausgenommen bei den Schweden und Engländern. In Frankreich, Preußen und Österreich wurde die Kavallerie darin ausgebildet, den Karabiner genauso zu gebrauchen wie die Infanterie die Muskete. Sie feuerte vom Pferde aus in Rotten, Zügen, Gliedern etc., wobei die Linie während dieser Zeit stillstand; wenn angegriffen wurde, rückte die Kavallerie im Trab vor, hielt in kurzer Entfernung vor dem Gegner, feuerte eine Salve ab, zog den Säbel und ging dann zur Attacke über. Das wirksame Feuer der langen Infanterielinien hatte jedes Vertrauen zu einem Angriff der Kavallerie erschüttert, die nicht mehr durch den Har- <297> nisch geschützt war; als Folge davon wurde das Reiten vernachlässigt, Bewegungen konnten nicht in schneller Gangart ausgeführt werden, aber selbst bei langsamer Gangart kam es häufig zu Unfällen bei Reiter und Pferd. Bei der Ausbildung saß die Kavallerie meistens ab, und ihre Offiziere hatten überhaupt keine Vorstellung, wie die Kavallerie in der Schlacht geführt werden mußte. Allerdings griffen die Franzosen manchmal mit blanker Waffe an, und Karl XII. von Schweden attackierte, getreu der nationalen Tradition, stets in vollem Galopp, ohne zu feuern, zersprengte Kavallerie und Infanterie und eroberte in einigen Fällen sogar schwache Feldbefestigungen.

Erst Friedrich dem Großen und seinem großen Kavalleriegeneral Seydlitz war es vorbehalten, die berittene Truppe völlig umzugestalten und sie zum Gipfel des Ruhms zu führen. Die preußische Kavallerie, schwere Soldaten auf plumpen Pferden, nur im Schießen ausgebildet, so wie sie Friedrichs Vater <Friedrich Wilhelm I.> seinem Sohn hinterlassen hatte, wurde bei Mollwitz (1741) im Handumdrehen geschlagen. Doch kaum war der erste Schlesische Krieg zu Ende, als Friedrich seine Kavallerie völlig reorganisierte. Schießen und Fußdienst wurden in den Hintergrund gedrängt und dem Reiten mehr Beachtung geschenkt.

"Alle taktischen Manöver sind mit größter Schnelligkeit, alle Schwenkungen in kurzem Galopp auszuführen. Die Kavallerieoffiziere müssen die Leute vor allem zu vollendeten Reitern erziehen, die Kürsssiere müssen ebenso wendig und geschickt zu Pferd sein wie ein Husar und mit dem Gebrauch des Säbels wohlvertraut sein."

Die Männer sollten jeden Tag reiten. Die hauptsächlichen Übungen waren Reiten in schwierigem Gelände, über Hindernisse hinweg, und Fechten zu Pferde. Beim Angriff war der Gebrauch der Schußwaffen gänzlich untersagt, bis die erste und zweite Linie des Feindes völlig gesprengt war.

"Jede Eskadron, die zum Angriff vorgeht, hat den Feind mit blanker Waffe zu attackieren, und kein Kommandeur darf bei Strafe einer entehrenden Kassation seine Truppen feuern lassen; die Brigadegenerale sollen dafür verantwortlich sein. Beim Vorgehen fallen sie zuerst in schnellen Trab und schließlich in vollen Galopp, und zwar in straffer Ordnung; und wenn sie so angreifen, ist Seine Majestät gewiß, daß der Feind immer geschlagen werden wird.

Jeder Kavallerieoffizier sollte immer daran denken, daß nur zwei Dinge nötig sind, den Feind zu schlagen: erstens ihn mit größter Schnelligkeit und vollster Kraft anzugreifen und zweitens seine Flanke zu umgehen."

<298> Diese Abschnitte aus Friedrichs Instruktionen zeigen zur Genüge die völlige Neugestaltung, die er in der Kavallerietaktik durchführte. Er wurde von Seydlitz bestens unterstützt, der ständig die Kürassiere und Dragoner befehligte und solche Soldaten aus ihnen formte, daß - im Ungestüm und in der Geschlossenheit beim Angriff, in der Schnelligkeit der taktischen Manöver, im Bereitsein zu Flankenangriffen und in der Geschwindigkeit beim Sammeln und Neuformieren nach einem Angriff - keine andere Kavallerie der preußischen Kavallerie des Siebenjährigen Krieges je gleichgekommen ist. Die Früchte wurden bald sichtbar. Bei Hohenfriedberg ritt das Dragonerregiment Bayreuth - 10 Eskadronen - den ganzen linke Flügel der österreichischen Infanterie nieder, zersprengte 21 Bataillone, eroberte 66 Fahnen, 5 Kanonen und machte 4.000 Gefangene. Als bei Zorndorf die preußische Infanterie zum Rückzug gezwungen worden war, schlug Seydlitz mit 36 Eskadronen die siegreiche russische Kavallerie aus dem Felde und fiel dann über die russische Infanterie her, die er in einem großen Gemetzel völlig vernichtete. Bei Roßbach, Striegau, Kesselsdorf, Leuthen und in zehn anderen Schlachten verdankte Friedrich den Sieg seiner ausgezeichneten Kavallerie.

Als der französische Revolutionskrieg ausbrach, hatten die Österreicher das preußische System übernommen, die Franzosen jedoch nicht. Die Kavallerie der Franzosen war in der Tat durch die Revolution sehr desorganisiert worden, und zu Anfang des Krieges erwiesen sich die Neuformierungen als fast nutzlos. Als in den Jahren 1792 und 1793 die gute Kavallerie der Engländer, Preußen und Österreicher den neuen französischen Infanterieaufgeboten gegenübertrat, wurden diese fast ausnahmslos geschlagen. Die französische Kavallerie, die es mit solchen Gegnern überhaupt nicht aufnehmen konnte, wurde stets in Reserve gehalten, bis sie sich nach einigen Jahren des Kampfes verbessert hatte. Von 1796 an hatte jede Infanteriedivision Kavallerie zur Unterstützung; doch die gesamte französische Kavallerie wurde bei Würzburg (1796) von 59 österreichischen Eskadronen geschlagen.

Als Napoleon die Geschicke Frankreichs in die Hand nahm, tat er sein möglichstes zur Verbesserung der französischen Kavallerie. Er fand so ziemlich das schlechteste Material vor, das man sich denken konnte. Die Franzosen sind entschieden die schlechtesten Reiter Europas, und ihre Pferde, die gut vor dem Wagen sind, eignen sich nicht für den Sattel. Napoleon selbst war nur ein mittelmäßiger Reiter und schätzte auch bei andern das Reiten gering. Dennoch verbesserte er vieles, und nach dem Lager von Boulogne war seine Kavallerie, zum großen Teil mit deutschen und <299> italienischen Pferden versehen, kein zu verachtender Gegner. Durch die Feldzüge von 1805 und 1806/1807 konnte seine Kavallerie fast alle Reiter der österreichischen und preußischen Armeen in sich aufnehmen; außerdem wurde Napoleons Armee in diesen Feldzügen durch die ausgezeichnete Kavallerie des Rheinbundes und des Großherzogtums Warschau verstärkt. So wurden jene gewaltigen Reitermassen formiert, mit denen Napoleon 1809, 1812 und in der zweiten Hälfte von 1813 operierte, die zwar allgemein als französisch bezeichnet wurden, aber zum großen Teil aus Deutschen und Polen bestanden. Den Küraß, der in der französischen Armee kurz vor der Revolution völlig abgeschafft worden war, führte Napoleon für einen Teil der schweren Kavallerie wieder ein. In allen anderen Dingen blieb die Organisation und Ausrüstung fast dieselbe, abgesehen davon, daß er mit seinen polnischen Hilfstruppen einige mit Lanzen bewaffnete Regimenter leichte Reiterei erhielt, deren Uniform und Ausrüstung bald in anderen Armeen nachgeahmt wurden. Der taktische Einsatz der Kavallerie wurde jedoch von ihm völlig geändert. Entsprechend dem Prinzip, Divisionen und Armeekorps aus allen drei Waffengattungen zusammen aufzustellen, wurde jeder Division oder jedem Korps ein Teil der leichten Kavallerie angegliedert, doch das Gros dieser Waffe und besonders die gesamte schwere Reiterei wurden in Reserve gehalten, um in einem günstigen Augenblick einen großen entscheidenden Schlag auszuführen oder im Notfalle den Rückzug der Armee zu decken. Diese Kavalleriemassen, die plötzlich an einem bestimmten Punkt des Schlachtfeldes erschienen, haben oft entscheidend gewirkt, aber sie haben niemals so glänzende Erfolge errungen wie die Reiter Friedrichs des Großen. Die Ursache dafür ist zum Teil in der veränderten Taktik der Infanterie zu suchen, die hauptsächlich unübersichtliches Gelände für ihre Operationen wählte und die Kavallerie stets im Karree empfing; dadurch wurde es der Kavallerie erschwert, so große Siege zu erringen, wie sie die preußischen Reiter über die langen dünnen Infanterielinien ihrer Gegner erlangt hatten. Es ist jedoch ebenfalls gewiß, daß Napoleons Kavallerie der Friedrichs des Großen nicht ebenbürtig war und daß Napoleons Kavallerietaktik nicht in jedem Falle einen Fortschritt gegenüber der Friedrichs darstellte. Ihr mittelmäßiges Reiten zwang die Franzosen, in verhältnismäßig langsamer Gangart, im Trab oder im leichten, kurzen Galopp, anzugreifen; es gibt nur wenige Beispiele dafür, daß sie in vollem Galopp attackierten. Ihre große Tapferkeit und ihre geschlossenen Reihen machten den gehemmten Angriffsschwung oft genug wett, aber dennoch war ihr Angriff nicht so, daß man ihn heute als gut bezeichnen würde. Das alte System, die feindliche Kavallerie stehend mit dem <300> Karabiner in der Hand zu empfangen, wurde in sehr vielen Fällen von der französischen Kavallerie beibehalten, und in jedem dieser Fälle wurde sie geschlagen. Das jüngste Beispiel dafür lieferte Dannigkow (5. April 1813), wo etwa 1.200 Mann französische Kavallerie so einen Angriff von 400 Preußen erwarteten und trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit vollständig geschlagen wurden. Bei Napoleons Taktik wurde der Einsatz großer Kavalleriemassen zu einer so starren Regel, daß nicht nur die Divisionskavallerie bis zur völligen Wertlosigkeit geschwächt wurde, sondern Napoleon vernachlässigte bei diesen Massen auch oft den aufeinanderfolgenden Einsatz seiner Truppen, einen der wichtigsten Grundsätze der modernen Taktik, der sogar mehr noch für die Kavallerie als für die Infanterie gilt. Er führte den Kavallerieangriff in Kolonne ein und stellte sogar ganze Kavalleriekorps zu einer einzigen riesigen Kolonne zusammen; in solchen Formationen wurde das Herauslösen einer einzelnen Eskadron oder eines Regiments und jeder Versuch zu deployieren völlig unmöglich. Seine Kavalleriegenerale entsprachen ebenfalls nicht den Anforderungen, und selbst der glänzendste unter ihnen, Murat, hätte einem Seydlitz gegenüber nur eine klägliche Figur abgegeben.

Während der Kriege von 1813, 1814 und 1815 hatte die Kavallerietaktik auf seiten der Gegner Napoleons zweifellos Fortschritte gemacht. Obwohl man in starkem Maße nach Napoleons System handelte, Kavallerie in großen Massen in Reserve zu halten und dadurch den größeren Teil der Kavallerie sehr oft völlig aus einem Kampf auszuschalten, versuchte man doch in einer Reihe von Fällen zu Friedrichs Taktik zurückzukehren. In der preußischen Armee lebte der alte Geist wieder auf. Blücher war der erste, der seine Kavallerie kühner und im allgemeinen erfolgreich einsetzte. Der Überfall bei Haynau (1813), wo 20 preußische Eskadronen 8 französische Bataillone niederritten und 18 Kanonen erbeuteten, kennzeichnet einen Wendepunkt in der modernen Geschichte der Kavallerie und bildet einen glücklichen Gegensatz zu der Taktik bei Lützen, wo die Verbündete 18.000 Reiter ausschließlich in Reserve hielten, bis die Schlacht verloren war, obwohl kein günstigeres Kavalleriegelände hätte gefunden werden können.

Die Engländer hatten das System, große Kavalleriemassen zu formieren, niemals übernommen und hatten daher viele Erfolge, obwohl Napier selbst zugibt, daß ihre Kavallerie damals nicht so gut war wie die der Franzosen. Bei Waterloo (wo, nebenbei bemerkt, die französischen Kürassiere ausnahmsweise in vollem Galopp angriffen) wurde die englische Kavallerie ausgezeichnet geführt und war im allgemeinen erfolgreich, ausgenommen dann, wenn sie in ihren Nationalfehler verfiel und der Führung entglitt.

<301> Seit dem Frieden von 1815 hat die napoleonische Taktik wieder der Friedrichs Platz gemacht, obwohl sie in den Reglements der meisten Armeen noch beibehalten wurde. Dem Reiten wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wenn auch noch längst nicht in dem notwendigen Ausmaß. Der Gedanke, den Feind mit dem Karabiner in der Hand zu empfangen, ist verpönt; überall gilt wieder Friedrichs Regel, daß jeder Kavalleriekommandeur die Kassation verdient, der sich vom Feind angreifen läßt, statt selbst anzugreifen. Der Galopp ist wieder die Gangart beim Angriff, und der Angriff in Kolonne ist durch Angriffe in aufeinanderliegenden Linien abgelöst worden; dabei wurde die Kavallerie so aufgestellt, daß ein Flankenangriff möglich war und das Ganze während des Angriffs in einzelnen Teilen manövrieren konnte. Doch vieles bleibt noch zu tun übrig. Größere Beachtung des Reitens, besonders querfeldein, größere Angleichung an den Sattel und Sitz des Jagdreitens, und vor allem Verminderung der vom Pferde zu tragenden Last sind Verbesserungen, die ausnahmslos in jeder Armee gefordert werden.

Wenden wir uns nun nach der Geschichte der Kavallerie ihrer gegenwärtigen Organisation und Taktik zu. Die Rekrutierung der Kavallerie, soweit sie die Soldaten betrifft, unterscheidet sich im großen und ganzen nicht von der Art und Weise, in der sich die anderen Waffengattungen in jedem Lande rekrutieren. In einigen Staaten sind jedoch die Einwohner bestimmter Bezirke für diesen Dienst vorgesehen: so in Rußland die Malorussen (Einwohner Kleinrußlands) und in Preußen die Polen. Österreich rekrutiert die schwere Kavallerie in den deutschen Gebieten und in Böhmen, die Husaren ausschließlich in Ungarn und die Ulanen meist in den polnischen Provinzen. Die Aufbringung der Pferde verdient jedoch besondere Beachtung. In England, wo die gesamte Kavallerie in Kriegszeiten nicht mehr als 10.000 Pferde benötigt, hat die Regierung keine Schwierigkeit, diese zu kaufen. Um der Armee aber solche Pferde zu sichern, die noch nicht eingespannt wurden und etwa bis 5 Jahre alt sind, werden dreijährige Fohlen, meist aus der Yorkshire-Zucht, gekauft und auf Staatskosten in Koppeln gehalten, bis sie zur Verwendung geeignet sind. Der für die Fohlen gezahlte Preis (20 bis 25 Pfund Sterling) und der Überfluß an guten Pferden im Lande machen die britische Kavallerie sicher zur bestberittenen der Welt. In Rußland herrscht ein ähnlicher Überfluß an Pferden, doch ist die Rasse minderwertiger als die englische. Die Remonteoffiziere kaufen die Pferde en gros in den Süd- und Westprovinzen des Reiches, meist von jüdischen Händlern; die untauglichen verkaufen sie wieder und verteilen die Pferde ihrer Farbe entsprechend an die verschiedenen Regimenter (in <302> einem russischen Regiment haben alle Pferde die gleiche Farbe). Der Oberst wird gleichsam als Eigentümer der Pferde angesehen; für eine ihm ausgezahlte feste Summe muß er das Regiment in gut berittenem Zustand halten. Die Pferde sollen 8 Jahre durchhalten. Früher wurden sie aus den großen Gestüten Wolhyniens und der Ukraine bezogen, wo sie in aller Freiheit aufwachsen, doch das Einreiten für Kavalleriezwecke war so schwierig, daß man davon absehen mußte. In Österreich werden die Pferde zum Teil gekauft, aber der größere Teil wird neuerdings von den staatlichen Gestüten geliefert, welche jedes Jahr über 5.000 fünfjährige Kavalleriepferde abgeben können. Im Falle einer außergewöhnlichen Beanspruchung kann sich ein an Pferden so reiches Land wie Österreich auf seine Inlandmärkte verlassen. Preußen mußte vor 60 Jahren fast alle seine Pferde im Ausland kaufen, doch jetzt kann es seine gesamte Kavallerie, Linie wie Landwehr <Landwehr: in der "New American Cyclopædia" deutsch>, aus dem Inland mit Pferden versorgen. Für die Linie werden die Pferde im Alter von 3 Jahren von Remontekommissären gekauft und in Koppeln geschickt, bis sie alt genug für den Dienst sind; pro Jahr werden 3.500 benötigt. Bei der Mobilmachung der Landwehrkavallerie <Landwehrkavallerie: in der "New American Cyclopædia" deutsch> können ebenso wie die Männer alle Pferde im Lande zum Dienst eingezogen werden; es wird jedoch eine Entschädigung von 40 bis 70 Dollar für sie gezahlt. Es gibt dreimal soviel diensttaugliche Pferde im Lande, wie gebraucht werden. Frankreich ist von allen Ländern Europas mit Pferden am schlechtesten dran. Obwohl oft gut und sogar ausgezeichnet für das Gespann, ist die Rasse im allgemeinen ungeeignet für den Sattel. Seit langem bestehen staatliche Gestüte (haras), doch nicht mit dem Erfolg, den andere Gestüte hatten. 1838 konnten sie und die mit ihnen verbundenen Remontekoppeln keine 1.000 gekauften oder aus staatlicher Zucht stammenden Pferde liefern. General Le Roche-Aymon berechnete, daß es in Frankreich insgesamt keine 20.000 für den Kavalleriedienst tauglichen Pferde zwischen 4 und 7 Jahren gäbe. Obwohl die Koppeln und Gestüte neuerdings sehr verbessert worden sind, reichen sie noch immer nicht aus, um die Armee voll zu versorgen. Algerien liefert eine ausgezeichnete Rasse Kavalleriepferde, und die besten Regimenter der Armee, die chasseurs d'Afrique, werden ausschließlich mit ihnen versehen, während die anderen Regimenter kaum welche erhalten. Im Mobilmachungsfalle sind die Franzosen daher gezwungen, im Ausland zu kaufen, manchmal in England, doch meist in Norddeutschland, wo sie nicht die besten Pferde erhalten, obwohl sie jedes Pferd fast 100 Dollar <303> kostet. Viele abgehalfterte Pferde aus deutschen Kavallerieregimentern finden den Weg in die Reihen der französischen, und überhaupt ist die französische Kavallerie mit Ausnahme der chasseurs d'Afrique die am schlechtesten berittene Europas.

Die Kavallerie besteht im wesentlichen aus zwei Arten: der schweren und der leichten Kavallerie. Das eigentliche Unterscheidungsmerkmal der beiden Arten sind die Pferde. Große und starke Pferde können nicht gut mit kleinen, beweglichen und schnellen Pferden zusammenwirken. Die ersteren reagieren im Angriff weniger schnell, doch mit größerer Wucht, die letzteren wirken mehr durch die Schnelligkeit und den Ungestüm ihres Angriffs und sind darüber hinaus weit geeigneter für Einzelkämpfe und Scharmützel, wofür schwere und große Pferde weder beweglich noch intelligent genug sind. Soweit ist eine Unterscheidung notwendig; doch Mode, Phantasie und die Nachahmung gewisser Nationaltrachten haben zahlreiche Unterteilungen und Abwandlungen geschaffen, die im einzelnen zu erwähnen nicht von Interesse ist. Die schwere Kavallerie ist in den meisten Ländern zumindest teilweise mit einem Küraß ausgestattet, der jedoch bei weitem nicht kugelsicher ist; in Sardinien führt das erste Glied eine Lanze. Die leichte Kavallerie ist teils mit Säbel und Karabiner, teils mit Lanzen bewaffnet. Der Karabiner hat einen glatten oder gezogenen Lauf. In den meisten Fällen kommen zur Bewaffnung des Reiters noch Pistolen hinzu, nur die Kavallerie der Vereinigten Staaten trägt den Revolver. Der Säbel ist entweder gerade oder mehr oder weniger gekrümmt, ersterer mehr zum Stoßen, letzterer zum Hauen. Die Frage, ob der Lanze vor dem Säbel der Vorzug zu geben sei, ist noch umstritten. Für den Nahkampf ist der Säbel zweifellos geeigneter, und bei einem Angriff kann die Lanze, selbst wenn sie nicht zu lang und zu schwer ist, um sie überhaupt handhaben zu können, kaum gebraucht werden, aber bei der Verfolgung geschlagener Kavallerie hat sie sich als höchst wirksam erwiesen. Fast alle Reitervölker vertrauen auf den Säbel; selbst der Kosak läßt seine Lanze im Stich, wenn er gegen Tscherkessen kämpfen muß, die ausgezeichnet mit dem Säbel umzugehen verstehen. Die Pistole ist nutzlos, es sei denn bei einem einzelnen Schuß; der Karabiner ist nicht sehr wirksam, selbst mit gezogenem Lauf, und wird niemals einen großen realen Nutzen haben, ehe nicht ein Hinterlader eingeführt wird; der Revolver ist in geübter Hand eine gefährliche Waffe beim Nahkampf; doch die Königin der Waffen für die Kavallerie ist immer noch ein guter, scharfer, handlicher Säbel.

Außer dem Sattel, dem Zaumzeug und dem bewaffneten Reiter hat das Kavalleriepferd einen Mantelsack mit Reservebekleidung, Lagerutensilien, <304> Putzzeug und im Feldzug auch Proviant für den Reiter und Futter für sich selbst zu tragen. Das Gesamtgewicht dieser Last variiert bei den verschiedenen Armeen und Arten der Kavallerie zwischen 250 und 300 Pfund für die schwere Marschausrüstung, ein Gewicht, das ungeheuer erscheint, wenn man vergleicht, was zivile Reitpferde zu tragen haben. Dieses Überladen der Pferde ist der schwächste Punkt jeder Kavallerie. In dieser Hinsicht sind überall große Reformen notwendig. Das Gewicht von Mann und Ausrüstung kann und muß reduziert werden, doch solange das augenblickliche System besteht, muß diese Belastung der Pferde stets berücksichtigt werden, wenn man die Fähigkeiten der Kavallerie in ihrer Leistung und Ausdauer beurteilen will.

Die schwere Kavallerie, die aus kräftigen, doch möglichst leichten Reitern auf starken Pferden besteht, muß hauptsächlich durch die Stärke eines geschlossenen, massiven Angriffs wirken. Dies erfordert Kraft, Ausdauer und ein bestimmtes Körpergewicht, wenn es auch nicht zu groß sein darf, damit die Kavallerie beweglich bleibt. Sie muß schnell in ihren Bewegungen sein, doch nicht mehr, als sich mit bester Ordnung vereinbaren läßt. Sobald die schwere Kavallerie zum Angriff formiert ist, muß sie in erster Linie geradeaus reiten; und was ihr auch in den Weg kommt, muß durch ihren Angriff hinweggefegt werden. Der einzelne Reiter braucht nicht so gut reiten zu können wie bei der leichten Kavallerie, aber er muß sein Pferd völlig in der Gewalt haben und daran gewöhnt sein, streng geradeaus und in fest geschlossener Formation zu reiten. Ihre Pferde müssen folglich für Schenkeldruck weniger empfindlich sein, auch sollen sie die Hinterhand nicht zu weit nach vorn bringen; sie sollen im Trab gut ausgreifen und daran gewöhnt sein, in einem ordentlichen gestreckten Galopp gut zusammenzuhalten.

Die leichte Kavallerie, mit flinkeren Männern und schnelleren Pferden, hat dagegen durch ihre Schnelligkeit und Allgegenwart zu wirken. Was ihr an Gewicht fehlt, muß durch Schnelligkeit und Aktivität wettgemacht werden. Sie wird mit größtem Ungestüm attackieren; doch wenn es günstig erscheint, wird sie eine Flucht vortäuschen, um durch plötzlichen Frontwechsel dem Feind in die Flanke zu fallen. Überlegene Schnelligkeit und Tauglichkeit für den Einzelkampf machen die leichte Kavallerie zur Verfolgung besonders geeignet. Ihre Führer brauchen einen schnelleren Blick und größere Geistesgegenwart als die der schweren Reiterei. Die Männer müssen im einzelnen bessere Reiter sein; sie müssen ihre Pferde völlig in der Hand haben, aus dem Stand in vollen Galopp fallen und sofort wieder auf der Stelle halten, schnell wenden und gut springen können. Die Pferde müssen zäh und schnell sein. Sie müssen weich im Maul sein und gut auf <305> Schenkeldruck reagieren, wendig beim Schwenken und besonders für den kurzen Galopp zugeritten, mit der Hinterhand gut unter sich. Außer schnellen Flanken- und Rückenangriffen, Überfällen und Verfolgungen muß die leichte Kavallerie den Großteil des Vorposten- und Patrouillendienstes für die ganze Armee leisten; Befähigung zum Einzelkampf, dessen Grundlage gute Reitkunst ist, gehört daher zu ihren Hauptvoraussetzungen. In Linie reiten die Männer weniger dicht geschlossen, um stets auf Frontwechsel und andere taktische Manöver vorbereitet zu sein.

Die Engländer besitzen nominell 13 Regimenter leichte und 13 Regimenter schwere Kavallerie (Dragoner, Husaren, Ulanen: nur die 2 Regimenter der Leibgarde sind Kürassiere), doch in Wirklichkeit ist ihre gesamte Kavallerie der Zusammensetzung und Ausbildung nach schwere Kavallerie und unterscheidet sich in der Größe der Soldaten und Pferde wenig voneinander. Für den eigentlichen Dienst der leichten Kavallerie haben sie stets fremde Soldaten benutzt - Deutsche in Europa und eingeborene Irreguläre in Indien. Die Franzosen verfügen über drei Arten: 174 Eskadronen leichte Kavallerie, Husaren und Chasseurs, 120 Eskadronen Linienkavallerie, Ulanen und Dragoner, 78 Eskadronen Reservekavallerie, Kürassiere und Karabiniers. Österreich hat 96 Eskadronen schwere Kavallerie, Dragoner und Kürassiere, sowie 192 Eskadronen leichte Kavallerie, Husaren und Ulanen. Preußen hat bei den Linientruppen 80 Eskadronen schwere Reiterei, Kürassiere und Ulanen, sowie 72 Eskadronen leichte Reiterei, Dragoner und Husaren, wozu im Kriegsfalle 136 Eskadronen Ulanen des ersten Aufgebotes der Landwehr <Landwehr: in der "New American Cyclopædia" deutsch> hinzugerechnet werden können. Das zweite Aufgebot der Landwehrkavallerie wird kaum jemals gesondert aufgestellt werden. Die russische Kavallerie besteht aus 160 Eskadronen schwerer Kavallerie, Kürassiere und Dragoner, und 304 Eskadronen leichter Kavallerie, Husaren und Ulanen. Die Formierung eines Dragonerkorps für Kavallerie- und Infanteriedienst wurde aufgegeben und die Dragoner in die schwere Kavallerie übernommen. Die eigentliche leichte Kavallerie der Russen sind jedoch die Kosaken, von denen sie immer mehr als genug haben für den gesamten Vorposten-, Rekognoszierungs- und irregulären Dienst ihrer Armeen. In der Armee der Vereinigten Staaten gibt es 2 Regimenter Dragoner, 1 Regiment berittene Schützen und 2 Regimenter, die als Kavallerie bezeichnet werden. Es ist empfohlen worden, alle diese Regimenter Kavallerieregimenter zu nennen. Die Kavallerie der Vereinigten Staaten ist faktisch eine berittene Infanterie.

<306> Die taktische Einheit in der Kavallerie ist die Eskadron, die so viel Mann umfaßt, wie ein Kommandeur mit seiner Stimme und durch seinen unmittelbaren Einfluß während der taktischen Manöver unter Kontrolle halten kann. Die Stärke einer Eskadron schwankt zwischen 100 Mann (in England) und 200 Mann (in Frankreich); die der anderen Armeen bewegt sich ebenfalls innerhalb dieser Grenzen. Vier, sechs, acht oder zehn Eskadronen bilden ein Regiment. Die schwächsten Regimenter sind die englischen (400 bis 480 Mann), die stärksten die der österreichischen leichten Reiterei (1.600 Mann). Starke Regimenter werden leicht schwerfällig, zu schwache werden in einem Feldzug sehr bald aufgerieben. So betrug die in 5 Regimentern zu je 2 Eskadronen formierte britische leichte Brigade bei. Balaklawa, knapp zwei Monate nach Eröffnung des Feldzugs, kaum 700 Mann oder gerade halb so viel wie ein einziges russisches Husarenregiment bei Kriegsstärke. Besondere Formationen sind: bei den Briten der Trupp oder die Halbeskadron und bei den Österreichern die Abteilung oder Doppeleskadron, ein Zwischenglied, das es allein einem Kommandeur möglich macht, die starken österreichischen Reiterregimenter zu befehligen.

Bis zur Zeit Friedrichs des Großen war jede Kavallerie mindestens 3 Glieder tief gestaffelt. 1743 formierte Friedrich erstmals seine Husaren 2 Glieder tief, und in der Schlacht bei Roßbach hatte er seine schwere Kavallerie in derselben Weise aufgestellt. Nach dem Siebenjährigen Krieg wurde diese Aufstellung von allen anderen Armeen übernommen und ist jetzt die einzig gebräuchliche. Zu taktischen Manövern ist die Eskadron in 4 Abteilungen unterteilt. Das Schwenken von der Linie in die offene Kolonne der Abteilungen und von der Kolonne zurück in die Linie bildet die hauptsächliche und grundlegende Evolution aller Kavalleriemanöver. Die meisten anderen Evolutionen werden nur angewandt entweder auf dem Marsch (der Flankenmarsch zu dritt etc.) oder in außergewöhnlichen Fällen (die geschlossene Kolonne in Zügen oder Eskadronen). Der Einsatz der Kavallerie in der Schlacht besteht vorwiegend im Kampf Mann gegen Mann; die Anwendung der Schußwaffe spielt bei ihr nur eine untergeordnete Rolle; der Stahl - entweder Säbel oder Lanze - ist ihre Hauptwaffe, und jede Aktion der Kavallerie ist auf den Angriff gerichtet.

So ist der Angriff das Kriterium für alle Bewegungen, taktischen Manöver und Positionen der Kavallerie. Alles, was den Schwung des Angriffs hemmt, ist fehlerhaft. Die Wucht des Angriffs wird dadurch erreicht, daß man alle Kraft von Mann und Pferd auf den Höhepunkt, den Augenblick des unmittelbaren Auftreffens auf den Feind, hinführt. Um dies zu erreichen, muß man sich dem Gegner mit allmählich zunehmender Geschwindigkeit <307> nähern, so daß die Pferde erst kurz vor dem Feind ihre schnellste Gangart anschlagen. Nun ist aber die Ausführung eines solchen Angriffs wohl das Schwierigste, was von der Kavallerie verlangt werden kann. Es ist außerordentlich schwer, beim Heranreiten in schneller werdender Gangart völlige Ordnung und völligen Zusammenhalt zu wahren, besonders, wenn das zu überwindende Gelände nicht ganz eben ist. Hier zeigt sich, wie schwierig, aber auch wie wichtig es ist, streng geradeaus zu reiten, denn wenn nicht jeder Reiter seine Richtung einhält, entsteht in den Gliedern ein Gedränge, das bald vom Zentrum zu den Flanken und von den Flanken zum Zentrum hin- und herflutet; die Pferde werden erregt und unruhig, ihre unterschiedliche Schnelligkeit und ihr unterschiedliches Temperament wirken sich aus, und bald jagt die ganze Linie in einem tollen Durcheinander dahin und zeigt alles andere als jenen festen Zusammenhalt, der allein den Erfolg sichern kann. Kurz vor dem Feind werden dann die Pferde natürlich versuchen auszubrechen, statt in die ihnen gegenüberstehende oder sich bewegende Masse hineinzustürmen, und das müssen die Reiter verhindern, da sonst der Angriff bestimmt scheitert. Der Reiter muß daher nicht nur die feste Entschlossenheit besitzen, in die feindliche Linie einzubrechen, sondern er muß auch völlig Herr über sein Pferd sein. Die Reglements der verschiedenen Armeen enthalten unterschiedliche Regeln für die Art des Vorgehens der angreifenden Kavallerie, doch alle stimmen in dem einen Punkt überein, daß sich die Linie möglichst zuerst im Schritt bewegt, dann im Trab, 300 bis 150 Yard vor dem Feind in kurzem Galopp, allmählich zum gestreckten Galopp übergeht und 20 bis 30 Yard vor dem Feind die schnellste Gangart erreicht. Alle diese Reglements sind jedoch vielen Ausnahmen unterworfen. Die Bodenbeschaffenheit, das Wetter, der Zustand der Pferde etc. müssen bei jedem praktischen Fall in Betracht gezogen werden.

Wenn bei einem Angriff Kavallerie gegen Kavallerie beide Seiten wirklich aufeinanderstoßen, was bei weitem der ungewöhnlichste Fall bei Kavallerietreffen ist, haben die Säbel während des Zusammenpralls selbst wenig Nutzen. Hier ist es die Wucht der einen Masse, welche die andere zum Wanken bringt und zerschmettert. Das moralische Element, die Tapferkeit, wird hier sogleich in materielle Gewalt umgewandelt; die tapferste Eskadron wird mit dem größten Selbstvertrauen, mit größter Entschlußkraft, Schnelligkeit, ensemble und mit größtem Zusammenhalt weiterreiten. Daher kommt es, daß keine Kavallerie Großes leisten kann, wenn sie nicht viel "Schneid" dabei aufweist. Doch sobald sich die Reihen der einen Seite auflösen, treten die Säbel und mit ihnen das reiterliche Können des einzelnen <308> in Aktion. Zumindest ein Teil der siegreichen Truppe muß seine taktische Formation ebenfalls aufgeben, um mit dem Säbel die Früchte des Sieges zu ernten. So entscheidet der erfolgreiche Angriff zugleich das Treffen; aber wenn der Sieg nicht durch die Verfolgung und durch den Einzelkampf genutzt wird, wäre er verhältnismäßig wertlos.

Gerade diese ungeheure Überlegenheit der Seite, die ihre taktische Geschlossenheit und Formation bewahrt hat, über die Seite, die sie verloren hat, erklärt, warum es für irreguläre Kavallerie, sei sie noch so gut und zahlreich, unmöglich ist, reguläre Kavallerie zu schlagen. Es besteht kein Zweifel, daß, im Hinblick auf das individuelle Können beim Reiten und Säbelfechten, keine reguläre Kavallerie an die Irregulären der Reitervölker des Ostens jemals herangekommen ist, und dennoch hat die allerschlechteste europäisch reguläre Kavallerie sie im Felde stets geschlagen. Von der Niederlage der Hunnen bei Châlons (451) bis zum Sepoyaufstand von 1857 gibt es nicht ein einziges Beispiel, wo die ausgezeichneten, doch irregulären Reiter des Ostens ein einziges Regiment reguläre Kavallerie im eigentlichen Angriff geschlagen hätten. Ihre ungeordneten Schwärme, die ohne Zusammenwirken und Geschlossenheit angreifen, können eine feste, sich schnell bewegende Masse nicht beeindrucken. Ihre Überlegenheit kann sich nur dann erweisen, wenn die taktische Formation der Regulären aufgelöst ist und der Kampf Mann gegen Mann einsetzt; doch das wilde Anrennen der Irregulären gegen ihre Gegner kann nicht zu diesem Erfolg führen. Nur wenn reguläre Kavallerie in der Verfolgung ihre Linienformation aufgegeben und sich in Einzelkämpfe verwickelt hatte, ist es vorgekommen, daß die Irregulären sie geschlagen haben, indem sie plötzlich kehrtmachten und den günstigen Augenblick ausnutzten; tatsächlich hat sich schon seit den Kriegen der Parther und Römer die gesamte Taktik der Irregulären gegen Reguläre fast nur auf diese Kriegslist beschränkt. Hierfür gibt es kein besseres Beispiel als das der Dragoner Napoleons in Ägypten, die, zweifellos die schlechteste reguläre Kavallerie der damaligen Zeit, stets die Mamelucken, die glänzendsten aller irregulären Reiter, besiegten. Napoleon sagte von ihnen, 2 Mamelucken wären 3 Franzosen entschieden überlegen; 100 Franzosen wären 100 Mamelucken gleichwertig; 300 Franzosen würden im allgemeinen 300 Mamelucken besiegen, und 1.000 Franzosen würden in jedem Fall 1.500 Mamelucken schlagen.

Wie groß aber auch die Überlegenheit derjenigen Kavallerietruppe bei einem Angriff sein mag, die ihre taktische Formation am besten bewahrt, so ist es doch offensichtlich, daß selbst eine solche Truppe nach einem erfolgreichen Angriff in ziemliche Unordnung geraten sein muß. Der Erfolg <309> das Angriffs ist nicht an jedem Punkt gleich groß; viele Kavalleristen werden unvermeidlich in Einzelkämpfe verwickelt oder verfolgen den Gegner; nur ein verhältnismäßig kleiner Teil, der meist zum zweiten Glied gehört. bleibt annähernd in Linie. Das ist der gefährlichste Augenblick für die Kavallerie; eine kleine Abteilung frischer Soldaten, gegen sie geworfen, würde ihr den Sieg aus der Hand reißen. Das Kriterium einer wirklichen guten Kavallerie ist daher schnelles Sammeln nach einem Angriff, und gerade in diesem Punkt zeigen nicht nur junge, sondern auch bereits erfahrene und tapfere Truppen Mängel. Die britische Kavallerie, die die feurigsten Pferde reitet, entgleitet besonders leicht der Führung und hat fast überall schwer dafür gebüßt (z.B. bei Waterloo und Balaklawa).

Wenn zum Sammeln geblasen worden ist, wird die Verfolgung im allgemeinen einigen Abteilungen oder Eskadronen überlassen, die speziell oder durch allgemeine Reglements für diese Aufgabe vorgesehen sind, während sich das Gros der Truppen neu ordnet, um gegen alle unerwarteten Ereignisse gewappnet zu sein. Denn das Durcheinander nach einem Angriff, selbst in den Reihen der Sieger, reizt den Gegner geradezu, stets eine Reserve bereit zu haben, die bei einem Mißerfolg des ersten Angriffs vorgeschickt werden kann; deshalb ist es immer das oberste Gesetz in der Kavallerietaktik gewesen, niemals mehr als einen Teil der verfügbaren Truppen auf einmal einzusetzen. Dieser allgemeine Einsatz von Reserven erklärt den wechselvollen Charakter großer Kavallerieschlachten, wo die Welle des Sieges hin- und zurückflutet und jede Seite wechselseitig geschlagen wird, bis die letzten verfügbaren Reserven das Gewicht ihrer festen Ordnung gegen die in Unordnung geratenen, hin- und herwogenden Massen ins Feld führen und das Treffen entscheiden.

Ein weiterer sehr wichtiger Umstand ist die Geländebeschaffenheit. Keine Waffengattung ist so vom Gelände abhängig wie die Kavallerie. Schwerer, nachgiebiger Boden verlangsamt den gestreckten Galopp zum kurzen; ein Hindernis, das ein einzelner Reiter ohne Umstände nehmen würde, kann die Ordnung und den Zusammenhalt der Linie auflösen, und ein Hindernis, das für frische Pferde leicht zu nehmen wäre, läßt Tiere stürzen, die ohne Futter seit dem frühen Morgen getrabt und galoppiert sind. Auch kann ein unvorhergesehenes Hindernis dadurch, daß es den Ansturm unterbricht und so einen Fronten- und Formationswechsel nach sich zieht, die gesamte Linie den Flankenangriffen des Gegners aussetzen. Ein Beispiel dafür, wie Kavallerieattacken nicht geritten werden dürfen, war Murats großer Angriff in der Schlacht bei Leipzig. Er formierte 14.000 Reiter zu einer tiefgegliederten Masse und stürmte gegen die russische <310> Infanterie vor, deren Angriff auf das Dorf Wachau gerade zurückgeschlagen worden war. Die französische Reiterei näherte sich im Trab, in etwa 600 bis 800 Yard Entfernung von der Infanterie der Verbündeten fiel sie in kurzen Galopp; durch den nachgiebigen Boden waren die Pferde bald ermüdet, und bis sie die Karrees der russischen Infanterie erreicht hatten, war der Angriffsschwung verausgabt. Nur einige sehr geschwächte Bataillone wurden niedergeritten. Die Masse der Kavallerie galoppierte an den anderen Karrees vorbei durch die zweite Infanterielinie, ohne irgendeinen Schaden anzurichten, und traf schließlich auf eine Reihe Teiche und Moräste, die ihrem Vordringen Halt geboten. Die Pferde waren völlig ausgepumpt, die Reiter in Unordnung, die Regimenter durcheinander und der Führung entglitten; in diesem Zustand wurden sie von zwei preußischen Regimenter und den Gardekosaken - insgesamt weniger als 2.000 Mann - in den Flanken überrascht und sämtlich in völliger Verwirrung wieder zurückgetrieben. In diesem Falle gab es weder eine Reserve für unvorhergesehene Ereignisse, noch hatte man die Gangart und die Entfernung richtig berücksichtigt; das Ergebnis war eine Niederlage.

Der Angriff kann in verschiedenen Formationen durchgeführt werden. Die Taktiker unterscheiden den Angriff en muraille <in gerader Linie>, wenn die Eskadronen der angreifenden Linie keine oder nur sehr geringe Abstände voneinander haben; den Angriff mit Intervallen, bei dem die Eskadronen 10 bis 20 Yard voneinander entfernt sind; den Angriff en échelon <stufenweise gestaffelt>, wobei die Eskadronen nacheinander, von dem einen Flügel angefangen, zum Angriff vorgehen und daher den Feind nicht gleichzeitig, sondern nacheinander erreichen - diese Form kann noch verstärkt werden durch eine Eskadron in geöffneter Kolonne an der äußersten Flanke hinter der Eskadron, die den ersten échelon bildet -, und schließlich den Angriff in Kolonne. Diese letzte Angriffsart steht in wesentlichem Gegensatz zu allen vorangegangenen, die sämtlich nur Abwandlungen des Angriffs in Linie sind. Die Linie war bis Napoleon die allgemeine und grundlegende Form aller Kavallerieattacken. Im ganzen 18. Jahrhundert finden wir, daß Kavallerie nur in einem einzigen Falle in Kolonne angriff, wenn sie sich nämlich durch einen sie umzingelnden Feind durchschlagen mußte. Doch Napoleon, dessen Kavallerie sich aus zwar tapferen Soldaten, aber schlechten Reitern zusammensetzte, mußte die taktischen Mängel seiner berittenen Truppen durch ein neues Verfahren ausgleichen. Er begann seine Kavallerie in tiefen Kolonnen zum Angriff zu schicken, wodurch er die ersten Glieder zum Vorwärtsreiten zwang und <311> zugleich eine weit größere Zahl Reiter auf den gewählten Angriffspunkt warf, als er es bei einem Linienangriff hätte tun können. Das Bestreben, mit Massen zu operieren, wurde bei Napoleon während der Feldzüge, die dem von 1807 folgten, zu einer Art fixen Idee. Er klügelte Kolonnenformationen aus, die einfach widernatürlich waren, aber an denen er, da sie 1809 zufällig zum Erfolg geführt hatten, in den späteren Feldzügen festhielt und dadurch manche Schlacht verlor. Er bildete Kolonnen aus ganzen Infanterie- oder Kavalleriedivisionen, indem er entfaltete Bataillone und Regimenter hintereinander aufstellte. Dies wurde zuerst mit der Kavallerie 1809 bei Eggmühl praktiziert, wo 10 Kürassierregimenter in Kolonne angriffen, als Front 2 deployierte Regimenter, denen 4 gleiche Linien in Abständen von etwa 60 Yard folgten. Infanteriekolonnen aus ganzen Divisionen wurden bei Wagram gebildet, wobei ein deployiertes Bataillon hinter dem anderen stand. Gegenüber den langsam und methodisch vorgehenden Österreichern jener Zeit mochten solche Manöver nicht gefährlich gewesen sein, doch in allen späteren Feldzügen und gegen aktivere Gegner endeten sie mit einer Niederlage. Wir haben gesehen, welch jämmerliches Ende der große Angriff Murats bei Wachau in der gleichen Formation nahm. Der katastrophale Ausgang des großen Infanterieangriffs d'Erlons bei Waterloo wurde dadurch verursacht, daß man diese Formation anwandte. Für die Kavallerie erscheint die Monsterkolonne besonders ungeeignet, da sie die wertvollsten Reserven in einer einzigen schwerfälligen Masse bindet, die, einmal in Bewegung, unwiederbringlich der Kommandogewalt entgleitet und, welchen Erfolg sie auch vorn erreichen mag, stets kleineren, gut geführten Abteilungen ausgeliefert ist, die gegen ihre Flanken geworfen werden. Mit den Kräften für eine derartige Kolonne könnten eine zweite Linie und ein oder zwei Reserven aufgestellt werden, deren Angriffe vielleicht anfangs keine solche Wirkung haben, aber durch ihre Wiederholung schließlich bessere Ergebnisse bei geringeren Verlusten erreichen würden. Tatsächlich ist in den meisten Heeren diese Form des Angriffs in Kolonne entweder aufgegeben worden, oder sie ist lediglich als theoretische Kuriosität erhalten geblieben, während in der Praxis starke Kavallerieeinheiten in mehreren Linien aufgestellt werden, die in Abständen angreifen und sich während eines längeren Treffens gegenseitig unterstützen und entlasten. Napoleon hat außerdem als erster seine Kavallerie zu großen Truppenkörpern, aus mehreren Divisionen bestehend, zusammengefaßt, zu sogenannten Kavalleriekorps. Um die Befehlsübermittlung in einer großen Armee zu vereinfachen, ist eine solche Organisation der Reservekavallerie äußerst notwendig; doch wenn sie auf dem Schlachtfeld beibehalten wurde, wenn diese <312> Korps als Ganzes operieren mußten, hat sie niemals angemessene Ergebnisse gebracht. Tatsächlich war diese Organisation eine der Hauptursachen für jene fehlerhafte Formierung von Monsterkolonnen, die wir bereits erwähnt haben. In den heutigen europäischen Armeen wird das Kavalleriekorps im allgemeinen beibehalten, und im preußischen, russischen und österreichischen Heer sind sogar Musterformationen und allgemeine Regeln für das Operieren eines solchen Korps auf dem Schlachtfeld aufgestellt worden, die sämtlich auf der Bildung einer ersten und zweiten Linie und einer Reserve basieren, wozu noch Hinweise für die Placierung der reitenden Artillerie kommen, die einer solchen Truppe angeschlossen ist.

Bisher haben wir vom Kavallerieeinsatz nur soweit gesprochen, wie er sich gegen die Kavallerie richtet. Doch eine der Hauptaufgaben dieser Waffengattung in der Schlacht, ja ihre hauptsächliche Verwendung in der heutigen Zeit, ist ihr Einsatz gegen Infanterie. Wir haben gesehen, daß die Infanterie des 18. Jahrhunderts kaum jemals in der Schlacht gegen die Kavallerie Karrees gebildet hatte. Sie erwartete den Angriff in Linie, und wenn die Attacke gegen eine Flanke gerichtet war, schwenkten einige Kompanien en potence <hakenförmig> zurück, um ihr entgegenzutreten. Friedrich der Große lehrte seine Infanterie, niemals Karrees zu bilden, es sei denn, ein isoliertes Bataillon wird durch Kavallerie überrascht; wenn es in einem solchen Falle ein Karree gebildet hatte,

"kann es direkt auf die feindliche Reiterei losmarschieren, sie wegjagen und unbekümmert um ihre Angriffe in Richtung auf sein Ziel weitermarschieren".

Die dünnen Infanterielinien jener Zeit begegneten dem Kavallerieangriff voll Vertrauen in die Wirkung ihres Feuers und schlugen ihn oft genug zurück; doch wenn sie ins Wanken gerieten, wie bei Hohenfriedberg und Zorndorf, war das Unheil nicht wieder gutzumachen. Heute, da die Kolonne die Linie in vielen Fällen ersetzt hat, besteht die Regel, daß die Infanterie stets da, wo es möglich ist, die Kavallerie in Karrees empfängt. Es gibt zwar eine Fülle von Beispielen aus Kriegen unserer Tage, wo eine tüchtige Kavallerie eine in Linie formierte Infanterie überrascht hat und vor ihrem Feuer fliehen mußte, doch diese Beispiele bilden die Ausnahme. Die Frage ist nun, ob Kavallerie wirklich in der Lage ist, Infanteriekarrees zu sprengen. Die Meinungen darüber sind geteilt; doch es scheint allgemein anerkannt zu sein, daß unter gewöhnlichen Bedingungen eine tüchtige, einsatzfähige Infanterie, die nicht durch Artilleriefeuer zerrüttet worden ist, <313> sehr große Aussicht auf Erfolg gegenüber der Kavallerie hat, während eine entschlossene Kavallerie gegenüber jungen Fußsoldaten, deren Energie und Standhaftigkeit durch einen schweren Kampftag, durch hohe Verluste und langandauernden Beschuß nachgelassen haben, größte Erfolgsaussichten hat. Es gibt Ausnahmen, wie den Angriff der deutschen Dragoner bei Garcia Hernandez (1812), wo jede der 3 Eskadronen ein kampfstarkes französisches Karree zersprengte, doch in der Regel wird es ein Kavalleriekommandeur nicht für ratsam erachten, seine Leute gegen eine solche Infanterietruppe vorzuschicken. Bei Waterloo konnten Neys großartige Attacken mit der Masse der französischen Reservekavallerie auf Wellingtons Zentrum die englischen und deutschen Karrees nicht zum Wanken bringen, weil diese Truppen, durch den Hügelrücken gut gedeckt, sehr wenig unter der vorangegangenen Kanonade gelitten hatten und fast sämtlich unversehrt waren. Solche Angriffe sind daher nur für das letzte Stadium einer Schlacht geeignet, wenn die Infanterie durch aktiven Einsatz und durch untätiges Warten unter konzentriertem Artilleriefeuer schon ziemlich zerrüttet und erschöpft ist. In solchen Fällen, wie bei Borodino und Ligny, wirken Kavallerieangriffe entscheidend, besonders wenn sie, wie in diesen beiden Fällen, durch Infanteriereserven unterstützt werden.

Wir können hier nicht auf die verschiedenartigen Aufgaben eingehen, die der Kavallerie auf Vorposten, auf Patrouillen, beim Eskortieren etc. gestellt werden mögen. Einige Worte über die allgemeine Taktik der Kavallerie mögen jedoch am Platze sein. Da die Infanterie mehr und mehr zur Hauptkraft der Schlachten geworden ist, sind die Manöver der berittenen Truppe notwendigerweise denen der Infanterie mehr oder weniger untergeordnet. Und da die moderne Taktik auf dem Zusammenwirken und der gegenseitigen Unterstützung der drei Waffengattungen beruht, ergibt sich daraus, daß zumindest für einen Teil der Kavallerie jeder selbständige Einsatz völlig außer Frage steht. Deshalb ist die Kavallerie einer Armee immer in zwei verschiedene Truppenkörper aufgeteilt: in die Divisionskavallerie und die Reservekavallerie. Erstere besteht aus Reitern, die den verschiedenen Infanteriedivisionen und -korps angeschlossen sind und dem gleichen Kommandeur unterstehen. Im Kampf ist es ihre Aufgabe, jeden günstigen Augenblick, der sich ihnen bietet, zu ihrem Vorteil auszunützen oder ihre eigene Infanterie herauszuhauen, wenn diese von überlegenen Kräften angegriffen wird. Ihr Einsatz ist naturgemäß begrenzt, und ihre Stärke reicht nicht aus, irgendwie selbständig zu handeln. Die Reservekavallerie, das Gros der Kavallerie bei der Armee, operiert in der gleichen untergeordneten Stellung der gesamten Infanterie der Armee gegenüber wie die Divisions- <314> kavallerie im Verhältnis zur Infanteriedivision, der sie angehört. Demzufolge wird die Reservekavallerie zurückgehalten, bis sich ein günstiger Augenblick für einen wirkungsvollen Schlag bietet, entweder um einen großen Infanterie- oder Kavallerieangriff des Gegners zurückzuschlagen oder um seinerseits einen entscheidenden Angriff vorzutragen. Aus dem oben Festgestellten geht hervor, daß die Reservekavallerie im allgemeinen am besten während der letzten Stadien einer großen Schlacht eingesetzt wird; dann kann sie jedoch entscheidend sein und ist es auch oft gewesen. So gewaltige Erfolge, wie sie Seydlitz mit seiner Reiterei errungen hat, sind heute völlig ausgeschlossen, aber dennoch sind die meisten großen Schlachten der heutigen Zeit sehr stark beeinflußt worden durch die Rolle, die die Kavallerie dabei gespielt hat.

Die große Bedeutung der Kavallerie liegt jedoch in der Verfolgung. Infanterie, von Artillerie unterstützt, braucht die Kavallerie nicht zu fürchten, solange sie Ordnung wahrt und standhaft bleibt, doch sobald sie einmal ins Wanken gerät, ganz gleich aus welchem Grunde, wird sie die Beute der Berittenen, die gegen sie geführt werden. Vor Pferden kann man nicht davonlaufen; selbst auf schwierigem Gelände können gute Reiter vorankommen, und die energische Verfolgung einer geschlagenen Armee durch die Kavallerie ist immer der beste und einzige Weg, sich den Sieg völlig zu sichern. Welchen Vorrang die Infanterie im Kampf auch gewonnen haben mag, so ist die Kavallerie doch eine unentbehrliche Waffengattung und wird es auch immer bleiben; heute wie früher kann keine Armee das Kampffeld mit wirklichen Erfolgsaussichten betreten, wenn sie nicht über eine Kavallerie verfügt, die sowohl reiten als auch kämpfen kann.