Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 275-282.
1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.
Geschrieben zwischen Anfang Februar und 8. März 1858.
Aus dem Englischen.
["The New American Cyclopædia", Band IV]
<275> Birma oder das Königreich Ava - ein ausgedehnter Staat im Südosten Asiens, jenseits des Ganges, früher viel größer als gegenwärtig. Seine früheren Grenzen waren zwischen 9° und 27° nördlicher Breite; es erstreckte sich in einer Lange von 1.000 Meilen und über 600 in der Breite. Gegenwärtig reicht das Gebiet Birmas von 19° 25' bis 28° 15' nördlicher Breite und von 93° 2' bis 100° 40' östlicher Lange, einen Raum von 540 Meilen in der Länge von Norden nach Süden und 420 Meilen in der Breite mit einer Bodenfläche von etwa 200.000 Quadratmeilen umfassend. Es wird im Westen von der Provinz Aracan begrenzt, die durch den birmesischen Vertrag von 1826 an die Briten abgetreten wurde, und durch die kleinen Staaten Tiperah, Munnipoor und Assam, von denen es durch hohe Gebirgskämme getrennt ist; im Süden liegt die kürzlich durch die Briten erworbene britische Provinz Pegu, im Norden Ober-Assam und Tibet und im Osten China. Die Bevölkerungszahl überschreitet nach Capt. Henry Yule nicht 5.000.000.
Seit der Abtretung Pegus an die Briten hat Birma weder Alluvial-Ebenen noch eine Seeküste, seine südliche Grenze liegt mindestens 200 Meilen von den Mündungen des Irawadi entfernt, und das Land steigt allmählich von dieser Grenze nach dem Norden zu an. Etwa 300 Meilen sind Hochland, und darüber hinaus ist es rauh und gebirgig. Dieses Territorium wird von drei großen Strömen bewässert, dem Irawadi, seinem Nebenfluß, dem Khyen-Dwen, und dem Salwin. Diese Flüsse haben ihre Quellen in der nördlichen Gebirgskette und fließen in südlicher Richtung zum Indischen Ozean.
Obgleich Birma seines fruchtbarsten Territoriums beraubt worden ist, kann man das verbliebene keinesfalls unfruchtbar nennen. In den Wäldern gibt es wertvolles Holz im Überfluß; darunter nimmt Teakholz, das zum Schiffsbau verwendet wird, einen hervorragenden Platz ein. Fast jede der in Indien bekannten Holzarten ist auch in Birma zu finden. Es werden <276> Stocklack von ausgezeichneter Qualität sowie Firnis zur Anfertigung von Lackarbeiten hergestellt. Ava, die Hauptstadt, wird mit einem vorzüglichen Teakholz aus einem 15 Tagereisen entfernten Walde beliefert. Landwirtschaft und Gartenbau befinden sich überall in einem auffallend zurückgebliebenen Zustand, und hätte das Land nicht so reiche Bodenschätze und ein so gleichmäßiges Klima, so wäre der Staat sehr arm. Obst wird überhaupt nicht angebaut, und die Kulturen werden unzulänglich gepflegt. An Gartengemüse werden meist Zwiebeln und Cayenne-Pfeffer angebaut. Auch Yams und süße Kartoffeln sind zu finden, sowie geringe Mengen von Melonen, Gurken und Eierfrüchten. Die jungen Bambussprossen, wilder Spargel und die saftigen Wurzeln verschiedener Wasserpflanzen ersetzen den Einwohnern die kultivierten Gartenfrüchte. Die Früchte des Mangobaums, Ananas, Orangen, Zuckeräpfel, Jackfrüchte (eine Art Brotfrucht), Papaya, Feigen und der Pisang (jener größte Feind der Zivilisation) sind die Hauptfrüchte; sie alle wachsen bei geringer oder ohne Pflege. Die Hauptkulturen sind Reis (der in einigen Gegenden als Zirkulationsmittel benutzt wird), Mais, Hirse, Weizen, verschiedene Hülsenfrüchte, Palmen, Zuckerrohr, Tabak, kurzfaserige Baumwolle und Indigo. Zuckerrohr wird nicht überall angebaut, und die Kunst, daraus Zucker zu machen, ist kaum bekannt, obwohl die Pflanze dem Volke seit langem bekannt gewesen ist. Ein billiger Rohzucker wird aus dem Saft der Palmira-Palme gewonnen, von denen es besonders südlich der Hauptstadt zahlreiche Haine gibt. Indigo wird so schlecht bearbeitet, daß er für den Export völlig ungeeignet ist. Reis im Süden sowie Mais und Hirse im Norden sind die Standardpflanzen. Sesam wird allgemein für das Vieh angebaut. An den Nordhügeln wird die echte Teepflanze Chinas in beträchtlichem Umfang angebaut, aber statt ihn aufzubrühen, wie sie es mit dem chinesischen Tee tun, essen die Eingeborenen sonderbarerweise das Laub mit Öl und Knoblauch. Baumwolle wird hauptsächlich in den trockenen Gebieten der oberen Provinzen angepflanzt.
Die dichten Wälder Birmas sind reich an wilden Tieren, die häufigsten sind der Elefant, das einhornige Nashorn, der Tiger und der Leopard sowie das Wildschwein; außerdem gibt es mehrere Arten Rotwild. Von Vögeln ist der wilde Hahn allgemein; es gibt auch Abarten von Fasanen, Rebhühnern und Wachteln. Haustiere sind der Ochse, das Pferd und der Büffel. Der Elefant wird auch als Zugtier benutzt. Das Kamel ist nicht bekannt. Es gibt zwar einige Ziegen und Schafe, aber um die Zucht kümmert man sich wenig. Esel finden kaum Verwendung. Hunde werden im birmesischen Haushalt nicht gehalten; aber Katzen sind zahlreich. Pferde werden ausschließlich <277> zum Reiten benutzt und sind selten mehr als dreizehn Hände <etwa 1,32 m> hoch. Der Ochse ist das Zug- und Lasttier im Norden, der Büffel im Süden.
An Mineralien wird in den Betten mehrerer Ströme Gold gefunden, das im Sand von den Gebirgen herabgeführt wird. An der chinesischen Grenze, in Bor-twang, werden Silberminen ausgebeutet. Die jährliche Ausbeute an gewonnenem Gold und Silber ist auf annähernd 1.000.000 Dollar geschätzt worden. Im östlichen Teil von Laos ist Eisen im Überfluß vorhanden; es wird aber so primitiv bearbeitet, daß 30-40% des Metalls beim Schmiedeprozeß verlorengehen. Die Erdölbohrungen an den Ufern des Irawadi bringen 8.000.000 lbs. jährlich. Kupfer, Zinn, Blei und Antimon gibt es, wie bekannt ist, in Laos, aber es ist zweifelhaft, ob irgendwelche dieser Metalle in beträchtlichen Mengen gewonnen werden, da die Bevölkerung die Methoden ihrer Gewinnung nicht kennt. Die Berge in der Nähe der Stadt Ava liefern Kalkstein von hervorragender Qualität; reiner Bildsäulen-Marmor wird 40 Meilen von der Hauptstadt entfernt an den Ufern des Irawadi gefunden; Bernstein gibt es in solcher Menge, daß er in Ava zu dem niedrigen Preise von 1 Dollar pro lb. verkauft wird; und Salpeter, Natron, Salz und Kohle sind über das ganze Land weithin verbreitet, obgleich letztere wenig verwandt wird. Das reichlich gewonnene Erdöl wird von allen Schichten Birmas als Brennstoff für Lampen und als Schutzmittel gegen Insekten benutzt. Es wird in Eimern aus engen Brunnenschächten aus einer Tiefe von 210 bis 300 Fuß geschöpft; es quillt aus dem Boden wie ein natürlicher Springbrunnen. Terpentin wird in verschiedenen Teilen des Landes gefunden und in großer Menge nach China exportiert. Der orientalische Saphir, Ruhm, Topas und Amethyst sowie verschiedene Arten gelblich-grüner Beryllen und roter Spinellen werden in zwei Distrikten in den Bachbetten gefunden. Alle Edelsteine mit einem Wert von mehr als 50 Dollar werden von der Krone beansprucht und der Schatzkammer übersandt, außerdem wird es Fremden nicht gestattet, nach den Steinen zu suchen.
Aus allem, was gesagt wurde, ist ersichtlich, daß die Birmanen nur geringe Fortschritte in der Ausübung handwerklicher Künste gemacht haben. Der gesamte Prozeß der Baumwollherstehung wird von Frauen durchgeführt; sie benutzen einen einfachen Webstuhl und zeigen verhältnismäßig wenig Kunstsinn und Geschicklichkeit. Porzellan wird aus China importiert; britische Baumwollstoffe werden eingeführt und sogar im Innern wohlfeiler verkauft als die einheimischen Erzeugnisse; obgleich die <278> Birmanen Eisen schmelzen, wird Stahl von Bengalen eingeführt; Seide wird an verschiedenen Orten hergestellt, aber aus chinesischer Rohseide; und während eine sehr große Vielfalt von Waren importiert wird, sind die Exporte verhältnismäßig unbedeutend; jene nach China, mit dem die Birmanen ihren ausgedehntesten Handel führen, bestehen in Rohbaumwolle, Schmuckfedern, hauptsächlich des blauen Nußhähers, eßbaren Schwalbennestern, Elfenbein, den Hörnern des Nashorns und den Geweihen des Rotwilds und einigen geringeren Arten von Edelsteinen. Im Austausch dagegen führen die Birmanen bearbeitetes Kupfer, Schwefelarsen, Quecksilber, Zinnoberrot, Eisenpfannen, Messingdraht, Zinn, Blei, Alaun, Silber, Gold und Blattgold, Steingut, Farben, Teppiche, Rhabarber, Tee, Honig, Rohseide, Samte, chinesische Spirituosen, Moschus, Grünspan, getrocknete Früchte, Papier, Fächer, Schirme, Schuhe und Bekleidung ein. Gold- und Silberschmuck von sehr grober Ausführung wird in verschiedenen Teilen des Landes angefertigt; Waffen, Scheren und Zimmermannswerkzeuge werden in Ava hergestellt; Götzenbilder werden in beträchtlicher Anzahl etwa 40 Meilen von Ava gehauen, wo man einen Berg aus reinem weißer Marmor gefunden hat. Die Währung befindet sich in einem elenden Zustand. Blei, Silber und Gold, alle ungeprägt, bilden das Zirkulationsmittel. Ein großer Teil des Handels vollzieht sich wegen der Schwierigkeiten, die die Ausführung kleiner Zahlungen verursacht, auf dem Wege des Tausches. Die edlen Metalle müssen jedesmal gewogen und geprüft werden, wenn sie in andere Hände übergehen, wofür Bankiers etwa 31/2% fordern. Die Zinsen betragen jährlich 25 bis 60%. Petroleum ist der gebräuchlichste Konsumtionsartikel. Gegen Petroleum werden Salpeter, Kalk, Papier, Lackarbeiten, Baumwoll- und Seidenfabrikate, Eisen - und Messingarbeiten, Zucker, Tamarinde etc. getauscht. Das Yonnet-ni (das Standardsilber de Landes) ist im allgemeinen mit 10-15% Kupfer legiert. Unter 65/100 wird die Legierung nicht als Zahlungsmittel anerkannt; dieser Feinheitsgrad wird in dem für Steuern gezahlten Gelde gefordert.
Die Einkünfte des Reiches ergeben sich aus einer Haussteuer, die dem Dorfe auferlegt wird; die Dorfbehörden schätzen die Hausbesitzer danach entsprechend ihrer Zahlungsfähigkeit ein. Diese Steuer ist sehr verschieden, von 6 Tikals je Hausbesitzer in Prome bis zu 27 Tikals in Tongho. Militärdienstpflichtige, Bauern der königlichen Domäne und Handwerker, die mit öffentlichen Arbeiten betraut sind, sind von dieser Steuer befreit. Die Höhe der Bodensteuer richtet sich nach dem Ernteertrag. Die Tabaksteuer wird in Geld gezahlt; für die übrigen Kulturen werden 5% in Naturalien gezahlt. Die Bauern der königlichen Ländereien zahlen mehr als die Hälfte <279> ihrer Erträge. Fischereihäfen an See und Fluß werden entweder zu einer festgesetzten Gebühr oder gegen einen Anteil vom Fang an getrocknetem Fisch verpachtet. Diese verschiedenen Einkünfte werden durch die Beamten der Krone und für deren Verwendung eingezogen, jeder von ihnen erhält seiner Bedeutung entsprechend einen größeren oder kleineren Distrikt, von dessen Erträgen er lebt. Das königliche Einkommen wird aus dem Verkauf von Monopolen der Krone gewonnen, unter denen das hauptsächlichste Baumwolle ist. Dieses Monopol wird so gehandhabt, daß die Einwohner gezwungen werden, bestimmte Artikel zu festgesetzten niedrigen Preisen an die Beamten der Krone zu liefern, welche sie mit einem enormen Aufschlag verkaufen. So wird Blei durch die Erzeuger zu dem Satze von 5 Tikals je Bis oder 3,6 lbs. abgeliefert, und Seine Majestät verkauft es zu dem Satze von 20 Tikals. Die königlichen Einkünfte belaufen sich, wie behauptet wird, auf etwa 1.820.000 Tikals oder 227.500 Pfd.St. jährlich, wozu ein weiterer Betrag von 44.250 Pfd.St. addiert werden muß, der sich aus gewissen Zöllen ergibt, die in besonderen Distrikten erhoben werden. Diese Gelder erhalten den königlichen Haushalt. Dieses Steuersystem, obgleich despotisch, ist in seinen Einzelheiten ungewöhnlich einfach; und ein weiteres Beispiel der Einfachheit in der Regierungsweise ist die Art, in der die Armee in die Lage versetzt wird, sich selbst zu erhalten oder wie sie letztlich vom Volke erhalten werden muß. Es gibt verschiedene Arten der Anwerbung; in einigen Distrikten wird das Freiwilligen-System angewandt, während in anderen je 16 Familien gezwungen werden, 2 Mann bewaffnet und ausgerüstet zu stellen. Sie sind ferner verpflichtet, diesen Rekruten monatlich 56 lbs. Reis und 5 Rupien zu liefern. In der Provinz Padoung wird jeder Soldat bei 2 Familien einquartiert, die 5 Acres steuerfreies Land erhalten und dem Krieger den halben Ernteertrag und 25 Rupien jährlich zu liefern haben, außerdem Holz und andere unbedeutendere Dinge des täglichen Bedarfs. Der Hauptmann von 50 Mann erhält 10 Tikals (der Tikal ist 11/4 Dollar oder 212 Rupien wert) von je 6 Familien und die Hälfte des Ernteertrages von einer siebenten. Der Bo oder Hundertschaftsführer wird durch die Arbeit von 52 Familien erhalten, und der Bogyi oder Oberst erhebt seinen Sold von seinen eigenen Offizieren und Soldaten. Der birmanische Soldat kämpft unter günstigen Umständen gut, aber der wesentlichste Vorzug eines birmanischen Armeekorps liegt im Fehlen der Impedimente; der Soldat trägt sein Bett (eine Hängematte) an einem Ende seiner Muskete, seinen Kessel am anderen und seine Lebensmittelvorräte (Reis) in einem Tuch um die Hüfte.
Im Körperbau scheinen die Birmanen von derselben Rasse zu sein wie <280> die Einwohner der Länder zwischen Hindustan und China, wobei sie mehr vom Mongolen- als vom Hindu-Typ haben. Sie sind klein, stämmig, gut proportioniert, fleischig, aber beweglich, mit großen Backenknochen, schräg gestellten Augen, brauner, aber niemals sehr dunkler Gesichtsfarbe, grobem, schlichtem, schwarzem Haar und vollerem Bart als ihre Nachbarn, die Siamesen. Major Allen billigt ihnen in einer Denkschrift über die ostindische Regierung Offenheit, einen starken Sinn für das Komische, beträchtliche Hilfsbereitschaft, geringen Patriotismus, aber viel Heimat- und Familienliebe zu, außerdem verhältnismäßig wenig Vorurteil gegen Fremde und eine Bereitschaft, sich die Kenntnis neuer Künste anzueignen, wenn sie nicht mit zuviel geistiger Anstrengung verbunden sind. Sie sind schlaue Händler und haben ein gut Teil eines gewissen Unternehmungsgeistes; sie sind mäßig, haben jedoch geringe Ausdauer; sie verfügen über mehr List als Mut; wenn auch von Natur nicht blutdürstig, haben sie die Grausamkeiten ihrer verschiedenen Könige phlegmatisch ertragen; und ohne von Natur Lügner und Betrüger zu sein, sind sie doch große Prahler und unzuverlässig.
Die Birmanen sind dem Glauben nach Buddhisten und haben die Zeremonien ihrer Religion von der Vermischung mit anderen Religionen freier gehalten, als es sonst irgendwo in Indien und China der Fall ist. Die birmenischen Buddhisten vermeiden in gewisser Hinsicht den Bilderkult, der in China geübt wird, und ihre Mönche sind mehr als gewöhnlich ihren Gelübden der Armut und des Zölibats treu. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts hatten sich von der birmanischen Staatsreligion zwei Sekten oder Abarten des alten Glaubens abgelöst. Die erste von ihnen hatte einen in gewisser Hinsicht dem Pantheismus ähnlichen Glauben, wonach die Gottheit über und durch die ganze Welt und ihre Geschöpfe verbreitet ist, in ihren höchsten Entwicklungsstadien jedoch in den Buddhisten selbst erscheint. Die andere lehnt die Lehre von der Seelenwanderung und die Bilderverehrung sowie das Klostersystem der Buddhisten vollständig ab, sie betrachtet den Tod als die Pforte zu einem ewigen Glück oder Elend, je nach dem Verhalten des Hingeschiedenen und verehrt einen höchsten und alles schaffenden Geist (Nat). Der derzeitige König <Mehendun-Men>, der ein eifriger Anhänger seines Glaubens ist, hat bereits 14 dieser Ketzer öffentlich verbrennen lassen, deren beide Gruppen gleichermaßen ungesetzlich sind. Dessen ungeachtet sind sie laut Capt. Yule sehr zahlreich, huldigen jedoch ihrem Glauben insgeheim.
<281> Die Frühgeschichte Birmas ist nur wenig bekannt. Das Reich erlangte den Höhepunkt seiner Macht im 11. Jahrhundert, als Pegu die Hauptstadt war. Um den Beginn des 16. Jahrhunderts wurde der Staat in mehrere kleinere und unabhängige Regierungen gespalten, die gegeneinander Krieg führten; und im Jahre 1554, als der König Tschen-bayu-Majyajen die Stadt Ava einnahm, hatte er sich das ganze Tal des Irawadi unterworfen und so gar Siam untertan gemacht. Nach verschiedenen Veränderungen erhob Alompra, der Gründer der gegenwärtigen Dynastie (er starb 1760), noch einmal das Reich zu einer Macht und Ausdehnung, die der früheren ungefähr gleichkam. Von dieser Zeit an haben die Briten davon die fruchtbarsten und wertvollsten Provinzen genommen.
Die Regierungsform von Birma ist reiner Despotismus, der König, dessen einer Titel "Herr über Leben und Tod" ist, verhängt Gefängnis- und Geldstrafen, Folter oder Tod nach seinem erhabenen Willen. Die Regierung wird im einzelnen von dem hlwot-dau oder Staatsrat ausgeübt, dessen Vorsitz der vorher benannte rechtmäßige Thronfolger oder, wenn kein Nachfolger benannt ist, ein Prinz königlichen Geblüts führt. In gewöhnlichen Zeiten setzt sich der Rat aus vier Ministern zusammen, die jedoch keine bestimmten Ressorts haben, sondern so handeln, wie es der Zufall fügt. Sie bilden auch einen hohen Gerichtshof, vor den Prozesse zur endgültigen Entscheidung gebracht werden; und in ihrer persönlichen Eigenschaft haben sie die Macht, Urteile zu fällen in Angelegenheiten, die nicht vor den Kollektivrat gebracht werden. Da sie 10% des Eigentums im Prozeß für die Kosten des Urteils behalten, beziehen sie recht hübsche Einkünfte aus dieser Quelle. Hieraus und aus anderen Eigentümlichkeiten der birmanischen Regierung ist leicht zu ersehen, daß dem Volke selten Gerechtigkeit zuteil wird. Jeder Beamte ist zugleich ein Plünderer, die Richter sind käuflich, die Polizei ist machtlos, Räuber und Diebe sind zahlreich, Leben und Eigentum sind unsicher, und es fehlt jeder Antrieb zum Fortschritt. Nahe der Hauptstadt ist die Macht des Königs furchtbar und tyrannisch. Sie nimmt mit der Entfernung ab, so daß in den entlegeneren Provinzen das Volk den Forderungen des Herrn des weißen Elefanten nur wenig Rechnung trägt, seine eigenen Gouverneure wählt, die vom König bestätigt werden, und der Regierung nur geringen Tribut zahlt. Tatsächlich bieten die an China grenzenden Provinzen das kuriose Schauspiel eines Volkes, das zufrieden unter zwei Regierungen lebt, der chinesischen und der birmanischen, die gleichen Anteil an der Bestätigung der Gouverneure dieser Gebiete haben, aber weise im allgemeinen die gleichen Männer einsetzen. Nichtsdestoweniger haben verschiedene britische Missionen Birma <282> besucht, und obgleich die Missionstätigkeit dort erfolgreicher durchgeführt wurde als irgendwo sonst in Asien, ist das Innere Birmas noch eine vollständige terra incognita, über die moderne Geographen und Kartographen einige wilde Vermutungen gewagt haben, jedoch im einzelnen sehr wenig wissen. - (Siehe "Bericht der 1855 vom Generalgouverneur von Indien an den Hof von Ava gesandten Mission" von Capt. Henry Yule, London 1858).