Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 272-274.
1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.
Geschrieben um den 24. Februar 1858.
Aus dem Englischen.
["The New American Cyclopædia", Band III]
<272> Brescia - eine Provinz der Lombardei, begrenzt von Bergamo und Tirol im Norden, Verona und Mantua im Westen, Cremona im Süden, Lodi und Bergamo im Osten. Fläche: 1.300 Quadratmeilen; Einwohnerzahl 350.000. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist für die auserlesensten Erzeugnisse günstig, und einer der wichtigsten Wirtschaftszweige ist der Seidenhandel; jährlich werden 1.000.000 Pfund Seide hergestellt; die Anzahl der Seidenmanufakturen beträgt 27 und der Seidenwebereien 1.046. Etwa 70.000 lbs. vorzüglicher Wolle werden jährlich erzeugt, und es gibt nicht weniger als 45 Wollmanufakturen, 40 Fabriken von Woll- und Baumwollwaren, 13 Tuchfabriken, 27 Gold-, Silber- und Bronzewaren-, 12 Eisenwaren- und Porzellanfabriken, 7 Druckereien, 137 Eisenhüttenwerke und Werke zur Verhüttung anderer Metalle (Brescia-Stahl genießt Weltruf) und 77 Feuerwaffen- und Rüstungsfabriken, deren hervorragende Erzeugnisse Brescia in früheren Zeiten den Namen l'Armata <die Waffenschmiede> eintrugen. Butter, Käse, Weizen Mais, Heu, Flachs, Kastanien, Öl und Wein tragen zusätzlich zum Wohlstand bei. Der Handel der Provinz vollzieht sich hauptsächlich in der Hauptstadt gleichen Namens.
Die Stadt (ehemals Brixia) hat eine Bevölkerung von 40.000 und liegt an den Flüssen Mella und Garza, am Fuße eines Hügels. Die starke Burg auf dem Gipfel des Hügels wurde in früheren Zeiten Falke der Lombardei genannt. Die Stadt ist solide gebaut, freundlich und belebt, wegen ihrer zahlreichen Springbrunnen bekannt, von denen es, außer einigen 100 in Privathäusern, nicht weniger als 72 auf den Straßen und Plätzen gibt. Die alte Kathedrale und die anderen Kirchen enthalten viele Gemälde der großen italienischen Meister. Die neue Kathedrale oder Duomo Nuovo wurde 1604 begonnen, aber das Kuppelgewölbe wurde erst 1825 vollendet. Der <273> Hauptschmuck der Kirche von Santa Afra ist Tizians "Ertappte Ehebrecherin". Es gibt insgesamt über 20 Kirchen, die alle wegen ihrer Kunstschätze bekannt sind. Zu den bemerkenswerten öffentlichen Gebäuden gehört der Palazzo della Loggia auf der Piazza Vecchia, der als Rathaus gedacht war und dessen schöne Fassade sehr unter dem Bombardement im April 1849 gelitten hat. Den Palazzo Tosi schenkte Graf Tosi der Stadt, er enthält unter vielen berühmten Bildern den berühmten "Heiland" von Raffael. Die Bildergalerien in den Palästen Averoldi, Fenaroli, Lecchi, Martinengo und in anderen Palästen sind gleichfalls wegen ihrer Kunstschätze bekannt. Eine ganze Straße, Il Corso del Teatro, hat die Fronten der zweiten Etagen mit biblischen, mythologischen und historischen Malereien geschmückt. Die Biblioteca Quirinina, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts von Kardinal Quirini gegründet wurde, enthält an die 80 000 Bände und außerdem eine umfangreiche Sammlung seltener Manuskripte und Gegenstände des Altertums. Das einzigartigste Denkmal Brescias ist der Friedhof (Campo Santo), der schönste in Italien, 1810 angelegt; er besteht aus einem Vorplatz, um den die Gräber und eine Reihe von Zypressen halbkreisförmig angelegt sind. Brescia ist der Sitz der Provinzialregierung, eines Bistums, eines Handelsgerichts und anderer Gerichtshöfe. Es hat verschiedene Wohltätigkeitseinrichtungen, ein theologisches Seminar, 2 Gymnasien, ein Lyzeum, einen botanischen Garten, ein Antiquitätenkabinett und ein Kabinett für Naturgeschichte, eine Landwirtschaftsgesellschaft, mehrere Akademien, die Philharmonie ist eine der ältesten in Italien, ein Kasino, ein schönes Theater und einen großen Marktplatz außerhalb der Stadt für die jährliche Messe - eine Zeit großer Geschäftigkeit und Freude. Die Wochenzeitschrift von Brescia heißt "Giornale della provincia Bresciana". Ein römischer Marmortempel wurde 1822 in der Nähe ausgegraben. Brescia ist durch die Eisenbahn mit Verona und anderen italienischen Städten verbunden.
Man nimmt an, daß die Stadt von den Etruskern gegründet wurde. Nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums wurde sie von den Goten geplündert und ging später in die Hände der Franken über. Otto der Große erhob sie in den Rang einer freien Reichsstadt, aber die Streitigkeiten zwischen den Guelfen und Ghibellinen wurden für die Stadt eine Quelle der Unruhe. Nachdem sie eine Zeitlang unter der Herrschaft der Herren von Verona gewesen war, fiel sie 1378 in die Hände der Mailänder. 1426 wurde sie von Carmagnola genommen; 1438 von Piccinino belagert; 1509 ergab sie sich den Franzosen; 1512 wurde sie von dem venezianischen General Gritti erbeutet, aber späterhin durch Gaston de Foix <274> befreit. Während des 16. Jahrhunderts drei weiteren Belagerungen ausgesetzt, blieb sie im Besitz Venedigs bis zum Sturz dieser Republik. Während der napoleonischen Ära war sie die Hauptstadt des Departements Mella. In der Revolution von 1849 erhoben sich die Einwohner von Brescia gegen die Herrschaft Österreichs, der sie seit 1814 unterworfen gewesen waren. Die Stadt wurde am 30. März von General Haynau bombardiert und hielt sich bis zum Mittag des 2. April, als sie gezwungen wurde, sich zu ergeben und einen Tribut in Höhe von 1.200.000 Dollar zu zahlen, um ihre völlige Zerstörung abzuwenden.