Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 259-262.
1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.
Geschrieben um den 11. Februar 1858.
Aus dem Englischen.
["The New American Cyclopædia", Band IV]
<259> Buda oder Ofen - eine Stadt am westlichen Ufer der Donau, ehemals die Hauptstadt Ungarns und jetzt der Hauptort in der Umgebung von Pest. Die Stadt und ihre sieben Vorstädte, darunter Alt-Ofen, das 1850 angeschlossen wurde, zählt 45.653 Einwohner, ohne die Garnison und die Studenten. In gerader Linie ist sie von Wien 135 Meilen in südöstlicher und von Belgrad 200 Meilen in nordwestlicher Richtung entfernt. Sie war früher mit der Stadt Pest, die am anderen Flußufer liegt, durch eine Schiffsbrücke verbunden, seit 1849 ist sie es durch eine 1.250 Fuß lange Kettenbrücke; ein Tunnel zur Verbindung der Brücke mit der Festung ist seit 1852 im Bau. Buda hat einen Umfang von etwa neun Meilen und ist um den Schloßberg herum gebaut, einem alleinstehenden, steil abfallenden Felsen. Der zentrale und höchste Teil der Stadt, die sogenannte Festung, ist der regelmäßigste und enthält viele schöne Gebäude und Plätze. Diese Festung ist von Wällen umgeben, von denen aus sich die verschiedenen Vorstädte zum Fluß hin erstrecken. Die bedeutendsten Bauwerke der Stadt sind das Königliche Schloß, ein viereckiger Bau von 564 Fuß Länge mit 203 Zimmern, die Kirche Mariä Himmelfahrt und die Garnisonkirche, beides gotische Bauwerke, das Zeughaus, der Staatspalast und das Rathaus. Buda besitzt zwölf römisch-katholische Kirchen, eine griechische Kirche und eine Synagoge, mehrere Mönchs- und Nonnenklöster, ein Theater und viele bedeutende militärische, Erziehungs- und wohltätige Einrichtungen. Mehrere Verlage und drei Zeitschriften sind hier etabliert. Das Observatorium, in dem sich auch die Druckerei der Pester Universität befindet, ist auf einer Anhöhe im Süden der Stadt errichtet, 516 Fuß über dem Spiegel des Mittelmeeres, und keine Kosten wurden gescheut, um es mit den besten Instrumenten auszustatten. In verschiedenen Vorstädten gibt es heiße Schwefelquellen, und Überreste von Bädern sind erhalten, die hier von den Römern und Türken, den früheren Bewohnern des Ortes, <260> angelegt worden waren. Die wichtigste Erwerbsquelle der Stadt ist der Wein (hauptsächlich Rotweine, die den Burgunderweinen ähneln), der auf den Weinbergen der benachbarten Höhen angebaut und in einem Ausmaß von schätzungsweise 4.500.000 Gallonen jährlich gekeltert wird. Außerdem gibt es Kanonengießereien und einige Fabriken für Seide, Samt, Baumwollstoffe und Leder. Die Schiffe der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft werden hier gebaut, wodurch etwa 600 Personen Beschäftigung finden. Buda ist die herkömmliche Residenz des Gouverneurs von Ungarn und der Staatsbehörden.
Man nimmt an, daß diese Stadt die Lage des in den "Reisebeschreibungen des Antoninus" erwähnten Aquincum einnimmt. Während der ungarischen Monarchie war Buda die Residenz der Könige, durch die es besonders durch Matthias den Großen, erweitert und verschönt wurde. Unter Suleiman dem Prächtigen nahmen es 1526 die Türken ein, aber im nächsten Jahr wurde es wieder zurückerobert. 1529 fiel es wiederum den Türken in die Hände und blieb in ihrem Besitz bis 1686, als es schließlich von Karl von Lothringen zurückerobert und 1784 wieder zum Sitz der Regierung gemacht wurde. Buda ist im Laufe der Geschichte nicht weniger als 20mal belagert worden. Die letzte Belagerung fand im Mai 1849 statt, als die ungarische Armee unter Görgey die österreichischen Truppen bis zur westlichen Grenze des Königreichs zurückgetrieben hatte. Hinsichtlich der weiteren Operationen wurden zwei Pläne erörtert: erstens, die gewonnenen Vorteile durch eine heftige Verfolgung des Feindes bis auf dessen eigenen Boden auszuweiten, seine Kräfte zu zersprengen, ehe die Russen, die zu der Zeit gegen Ungarn marschierten, herangekommen sein konnten, und zu versuchen, in Wien die Revolution hervorzurufen; oder vor Komorn in der Defensive zu bleiben und ein starkes Korps zur Belagerung Budas zu detachieren, wo die Österreicher bei ihrem Rückzug eine Besatzung zurückgelassen hatten. Görgey behauptet, daß Kossuth und Klapka auf dem letzteren Plan bestanden hätten, aber Klapka beteuert nichts davon zu wissen, daß Kossuth einen solchen Befehl geschickt habe und leugnet, jemals selbst zu diesem Schritt geraten zu haben. Nach einem Vergleich der schriftlichen Äußerungen Görgeys und Klapkas müssen wir jedoch bekennen, daß es noch sehr zweifelhaft bleibt, wen die Schuld für den Marsch auf Buda trifft, und daß die von Klapka angeführten Beweise keineswegs überzeugend sind. Görgey schreibt auch, daß sein Entschluß weiterhin durch den völligen Mangel an Feldartilleriemunition und anderen Vorräten und durch seine eigene Überzeugung bestimmt war, daß die Armee sich geweigert haben würde, die Grenze zu überschreiten. Jeden- <261> falls wurden alle offensiven Bewegungen eingestellt, und Görgey marschierte mit 30.000 Mann nach Buda. Durch diesen Schritt wurde die letzte Chance zur Rettung Ungarns verpaßt. Den Österreichern wurde Gelegenheit gegeben, sich von ihren Niederlagen zu erholen, ihre Truppen zu reorganisieren, und nach sechs Wochen, als die Russen an den Grenzen Ungarns erschienen, gingen sie mit einer Stärke von 127.000 Mann wieder vor, während noch zwei Reservekorps in der Aufstellung begriffen waren. So bildet die Belagerung Budas den Wendepunkt des ungarischen Krieges von 1848/1849, und wenn es wirklich jemals verräterische Beziehungen zwischen Görgey und den Österreichern gegeben haben sollte, müssen sie um diese Zeit stattgefunden haben.
Die Festung von Buda war nur ein schwacher Überrest jenes alten Bollwerks der Türken, in dem sie so oft alle Angriffe der ungarischen und kaiserlichen Armeen zurückgeschlagen hatten. Die Gräben und Wälle waren eingeebnet, und nur noch die Hauptwälle waren übriggeblieben, Bauten von beträchtlicher Höhe, die mit Mauerwerk verkleidet waren. In ihren allgemeinen Umrissen bildete die Festung ein Rechteck, dessen Seiten mehr oder weniger unregelmäßig durchbrochen waren, so daß sie ein recht wirksames Flankenfeuer gestatteten. Eine neuerlich angelegte Verschanzung führte von der Ostseite zur Donau hinab und schützte das Wasserwerk, von dem die Festung mit Wasser versorgt wurde. Die Besatzung unter Generalmajor Hentzi, einem tapferen und entschlossenen Offizier, bestand aus vier Bataillonen, etwa einer Kompanie Sappeure und dem notwendigen Anteil an Kanonieren. Fünfundsiebzig Geschütze waren auf den Wällen aufgestellt. Nachdem Görgey die Einschließung der Stadt vollendet hatte und eine kurze Kanonade durch schwere Feldgeschütze erfolgt war, forderte er die Besatzung zur Kapitulation auf. Als diese abgelehnt wurde, befahl er Kmety, das Wasserwerk zu stürmen. Unter dem Schutz des Feuers aller verfügbaren Geschütze rückte seine Kolonne vor, aber die Artillerie der Verschanzung, die ihre Marschlinie bestrich, jagte sie bald wieder zurück. Es war somit bewiesen, daß ein direkter Angriff niemals zur Einnahme des Platzes führen würde, und daß ein Artillerieangriff unerläßlich war, um zuerst eine gangbare Bresche zu schießen. Es standen aber keine schwereren Geschütze als Zwölfpfünder zur Verfügung, und selbst für diese mangelte es an Munition. Nach einiger Zeit jedoch trafen vier Vierundzwanzigpfünder und ein Achtzehnpfünder und danach sechs Mörser aus Komorn ein. Eine Breschbatterie wurde auf einer Anhöhe, 500 Yard von der Nordwestecke des Walles entfernt, aufgestellt und eröffnete am 15. Mai das Feuer. Vor diesem Tage hatte Hentzi ohne jeden Anlaß und ohne jede <262> Möglichkeit, einen Vorteil aus dieser Handlungsweise zu ziehen, die Stadt Pest bombardiert. Am 16. war die Bresche geöffnet, wenn auch kaum gangbar, aber Görgey befahl dennoch den Sturm für die folgende Nacht. Eine Kolonne sollte die Bresche stürmen, zwei andere die Wälle erklettern und eine vierte unter Kmety das Wasserwerk nehmen. Der Sturm war an allen Stellen erfolglos. Der Artillerieangriff wurde wiederaufgenommen. Während die Breschbatterie ihre Arbeit vollendete, wurden die Palisaden rund um das Wasserwerk mit Zwölfpfündern zerschossen und das Innere der Festung bombardiert. In jeder Nacht wurden Scheinangriffe durchgeführt, um die Besatzung zu beunruhigen. Spät am Abend des 20. wurde ein weiterer Sturmangriff vorbereitet. Die vier Kolonnen und ihre Angriffsziele blieben dieselben, und vor Tagesanbruch des 21 rückten sie auf die Festung vor. Nach einem verzweifelten Kampf, in dessen Verlauf Hentzi selbst die Verteidigung der Bresche leitete und tödlich verwundet wurde, nahm das 47. Honved-Bataillon die Bresche ein; ihm folgte das 34., während Kmety das Wasserwerk stürmte und die Truppen des 3. Armeekorps unter Knezich die Wälle nahe dem Wiener Tor erkletterten. Es folgte ein heftiger Kampf im Inneren der Festung, aber bald ergab sich die Besatzung. Von 3.500 Mann wurden etwa 1.000 getötet, der Rest gefangengenommen. Die Ungarn verloren während der Belagerung 600 Mann.