Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 253-258.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Bidassoa

Geschrieben um den 11. Februar 1858.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band III]

<253> Bidassoa - ein kleiner Fluß der baskischen Provinzen Spaniens, bekannt wegen der an seinen Ufern geführten Schlachten zwischen den Franzosen unter Soult und den Engländern, Spaniern und Portugiesen unter Wellington. Nach der Niederlage von Vittoria im Jahre 1813 sammelte Soult seine Truppen in einer Stellung, deren rechter Flügel sich gegenüber von Fuenterrabia am Meer hinzog und die Bidassoa vor sich hatte, während das Zentrum und der linke Flügel sich über verschiedene Hügelketten nach Saint-Jean-de-Luz erstreckten. Von dieser Position aus versuchte er, der eingeschlossenen Garnison von Pamplona zu Hilfe zu kommen, wurde aber zurückgeschlagen. San Sebastian, von Wellington belagert, wurde hart bedrängt, und Soult beschloß, den Gegner zu zwingen, die Belagerung aufzuheben. Von seiner Position am Unterlauf der Bidassoa aus waren es nur neun Meilen bis Oyarzun, einem Dorf an der Straße nach San Sebastian; und wenn er dieses Dorf nehmen konnte, mußte die Belagerung aufgehoben werden. Demgemäß zog er gegen Ende August 1813 zwei Kolonnen an der Bidassoa zusammen. Die eine, am linken Flügel, unter General Clausel, die aus 20.000 Mann und 29 Kanonen bestand, bezog Stellung auf einer Hügelkette gegenüber Vera (einem Ort, hinter dem der Oberlauf des Flusses sich in der Hand der Alliierten befand), während General Reille mit 18.000 Mann und einer Reserve von 7.000 Mann unter Foy stromabwärts, nahe der Straße von Bayonne nach Irun, Aufstellung nahm. Das französische befestigte Lager im Rücken wurde von d'Erlon mit zwei Divisionen besetzt, um eine etwaige Umgehungsbewegung des rechten Flügels der Alliierten abzuwehren.

Wellington war von Soults Plan unterrichtet worden und hatte alle Vorsichtsmaßregeln getroffen. Der äußerste linke Flügel seiner Stellung, vorn durch die zum Flutgebiet gehörende Mündung der Bidassoa gedeckt, war gut verschanzt, wenn auch nur schwach besetzt; das Zentrum, das von den <254> äußerst gratigen und schroffen Bergrücken von San Marcial gebildet wurde, war mit Feldschanzen befestigt und wurde von Freires Spaniern gehalten, während die 1. britische Division als Reserve links dahinter, nächst der Straße nach Irun, stand. Der rechte Flügel auf den felsigen Abhängen des Berges Peña de Haya wurde von Longas Spaniern und der 4. englisch-portugiesischen Division gehalten, wobei Inglis' Brigade der 7. Division ihn mit der leichten Division bei Vera und mit den Truppen, die schon früher nach rechts in die Berge geschickt worden waren, verband. Soults Plan bestand darin: Reille sollte San Marcial (das er zu einem Brückenkopf für spätere Operationen machen wollte) nehmen und die Alliierten gegen ihren rechten Flügel in die Schluchten des Peña de Haya treiben, somit die Landstraße für Foy frei machend, der auf ihr geradewegs nach Oyarzun vor rücken sollte, während Clausel, nach Zurücklassung einer Division zu Beobachtung Veras, ein wenig unterhalb dieses Ortes die Bidassoa überschreiten und alle Truppen, die sich ihm in den Weg stellten, den Peña de Haya hinauftreiben sollte, auf diese Weise Reilles Angriff unterstützend und flankierend.

Am Morgen des 31. August wateten Reilles Truppen in mehreren Kolonnen durch den Fluß, nahmen den ersten Höhenzug von San Marcial im Sturm und rückten gegen die höheren, die Gegend beherrschenden Kamm dieser Berggruppe vor. Aber bei diesem schwierigen Gelände gerieten sein mangelhaft geführten Truppen in Unordnung, Plänkler und Reserven wurden miteinander verwickelt und stellenweise zu ungeordneten Haufen zusammengeballt, als die spanischen Kolonnen den Berg hinunterstürmten und sie zum Fluß zurücktrieben. Ein zweiter Angriff war zunächst erfolgreicher und brachte die Franzosen bis zur spanischen Stellung, aber dann war ihre Kraft erschöpft, und ein erneutes Vorgehen der Spanier trieb sie in großer Unordnung zurück an die Bidassoa. Nachdem Soult inzwischen erfahren hatte, daß Clausels Angriff glücklich verlaufen war, daß er langsam am Peña de Haya Boden gewann und Portugiesen, Spanier und Briten vor sich her trieb, war er gerade dabei, Kolonnen aus Reilles Reserven und Foys Truppen für einen dritten und entscheidenden Angriff zu bilden, als die Nachricht eintraf, daß d'Erlon durch starke Kräfte in seinem Lager angegriffen worden war. Wellington hatte, sobald die Konzentration der Franzosen am Unterlauf der Bidassoa keinen Zweifel mehr an dem tatsächliche Ziel des Angriffs ließ, sämtlichen Truppen seines äußersten rechten Flügels, die in den Bergen lagen, befohlen, alles anzugreifen, was vor ihnen war. Dieser Angriff, obwohl zurückgeschlagen, war sehr ernst und konnte möglicherweise wiederholt werden. Zur gleichen Zeit wurde ein Teil der <257> britischen leichten Division am linken Ufer der Bidassoa aufgestellt, um Clausels Vormarsch zu flankieren. Soult gab nun den beabsichtigten Angriff auf und zog Reilles Truppen über die Bidassoa zurück. Die Truppen Clausels waren erst spät am Abend zurückgezogen worden, und nach einem schweren Kampf um die Eroberung der Brücke bei Vera, da die Furten durch einen schweren Regenfall an diesem Tage unpassierbar geworden waren, nahmen die Alliierten San Sebastian mit Ausnahme der Zitadelle im Sturm; die letztere ergab sich am 9. September.

Die zweite Schlacht an der Bidassoa fand am 7. Oktober statt, als Wellington den Übergang über den Fluß erzwang. Soults Position war etwa die gleiche wie zuvor; Foy hielt das befestigte Lager von Saint-Jean-de-Luz besetzt, d'Erlon hielt Urdax und das Lager von Ainhoa, Clausel war auf einem Höhenzug postiert, der Urdax mit der unteren Bidassoa verbindet, und Reille stand entlang dieses Flusses von Clausels rechtem Flügel bis hinunter zum Meer. Die gesamte Front war verschanzt, und die Franzosen waren noch mit der Befestigung ihrer Anlagen beschäftigt. Der rechte britische Flügel befand sich gegenüber Foy und d'Erlon; das Zentrum, bestehend aus Girons Spaniern und der leichten Division und mit Longas Spaniern und der 4. Division in Reserve, insgesamt 20.000 Mann, stand Clausel gegenüber, während an der unteren Bidassoa Freires Spanier, die 1. und 5. englisch-portugiesische Division und die unabhängige Brigaden Aylmer und Wilson, insgesamt 24.000 Mann, zum Angriff auf Reille bereit waren. Wellington bereitete alles für eine Überrumplung vor. Seine Truppen wurden vor dem Blick des Feindes wohlverborgen in der Nacht vor dem 7. Oktober aufgestellt, und die Zelte seines Lagers wurden nicht abgebrochen. Außerdem war er von Schmugglern über die Lage von drei Furten durch die zum Flutgebiet gehörende Mündung der Bidassoa unterrichtet worden, die bei Ebbe alle passierbar und den Franzosen unbekannt waren, welche sich von dieser Seite her für völlig sicher hielten. Am Morgen des 7., als sich die französischen Reserven weit hinten im Lager befanden und als von der einzigen französischen Division in der ersten Linie viele Soldaten zur Arbeit an den Redouten abkommandiert waren, durchschritten die 5. britische Division und Aylmers Brigade das Mündungsgebiet und marschierten gegen das verschanzte sogenannte Sansculotten-Lager. Sobald sie auf die andere Seite gelangt waren, eröffneten die Kanonen von San Marcial das Feuer, und fünf weitere Kolonnen rückten zur Überschreitung des Flusses vor. Sie hatten sich am rechten Ufer aufgestellt, ehe die Franzosen irgendeinen Widerstand leisten konnten; in der Tat gelang die Überrumpelung vollkommen; als die französischen Bataillone einzeln und <258> regellos ankamen, wurden sie vernichtet, und die gesamte Linie, einschließlich der Schlüsselposition, des Berges Croix de Bouquets, wurde genommen, bevor irgendwelche Reserven ankommen konnten. Das Lager von Biriatu und Bildox, das Reille mit Clausel verband, wurde dadurch, daß Freire den Mandale-Berg nahm, umgangen und aufgegeben. Reilles Truppen zogen sich ungeordnet zurück, bis sie bei Urogne von Soult aufgehalten wurden, der in aller Eile von Espelette mit den Reserven eintraf. Bereits dort wurde er von einem Angriff auf Urdax unterrichtet, aber er war keinen Augenblick über das wahre Ziel des Angriffs im Zweifel und marschierte zur unteren Bidassoa, wo er zu spät ankam, um die Schlacht zu wenden. Das britische Zentrum hatte inzwischen Clausel angegriffen und eroberte schrittweise sowohl durch Frontal- als auch durch Flankenangriffe seine Stellung. Gegen Abend war er auf dem höchsten Punkt des Kammes, dem Grand Rhune, zusammengedrängt und gab am nächsten Tag diesen Berg auf. Die Verluste der Franzosen betrugen etwa 1.400, die der Alliierten etwa 1.600 an Toten und Verwundeten. Die Überrumplung war so gut durchgeführt, daß die eigentliche Verteidigung der französischen Stellungen von nur 10.000 Mann erfolgen mußte, die, als 33.000 Alliierte sie heftig angriffen, aus ihren Stellungen geworfen wurden, noch ehe irgendwelche Reserven zu ihrer Unterstützung kommen konnten.