Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 164-167.

1. Korrektur
Erstellt am 22.08.1998.

Karl Marx/Friedrich Engels

Armada

Geschrieben zwischen Ende Juli und 23. Oktober 1857.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band II]

<164> Armada, Spanische - die große Kriegsflotte, die von dem spanischer König Philipp II. im Jahre 1588 zur Eroberung Englands ausgesandt wurde um dadurch

"Gott zu dienen und in seine Kirche sehr viele reuige Seelen zurückzuführen, die von den Ketzern, den Feinden unseres heiligen katholischen Glaubens, unterdrückt und ihren Sekten und der Unglückseligkeit untertan gemacht werden" ("Expedit. Hispan. in Angl. Vera Description", A.D. 1588).

Der vollständigste Bericht über diese Kriegsflotte wird in einem Buch gegeben, das ungefähr zu der Zeit, als sie auf Befehl Philipps auslief, unter dem Titel veröffentlicht wurde: "La Felicissima Armada que el Rey Don Phelipe nuestro Señior mando juntar en el Puerto de Lisboa 1588. Hecha por Pedro de Pas Salas." Ein Exemplar dieses Werkes wurde für Lord Burleigh beschafft, so daß die englische Regierung von vornherein mit jeder Einzelheit der Expedition vertraut war. (Dieses Exemplar, das Aufzeichnungen bis März 1588 enthält, befindet sich jetzt im Britischen Museum.) Darin wird berichtet, daß die Flotte aus 65 Galeonen und großen Schiffen, 25 Urcas von 300-700 Tonnen, 19 Tendern von 70-100 Tonnen, 13 kleinen Fregatten, 4 Galeassen und 4 Galeeren, insgesamt 130 Schiffen mit eine Gesamttonnage von 75.868 Tonnen, bestanden hat. Sie waren mit 2.431 Geschützen, davon 1.497 aus Bronze, meist volle Kanonen (Achtundvierzigpfünder), Feldschlangen (lange Dreißig- und Zwanzigpfünder) etc. bestückt. Die Munition bestand aus 123.790 Kanonenkugeln und 5.175 cwt. Pulver, die ungefähr 50 Kugeln pro Geschütz mit einer Durchschnittsladung von 41/2 lbs. ergaben. Die Schiffe waren mit 8.052 Seeleuten bemannt; außerdem waren 19.295 Soldaten sowie 180 Priester und Mönche an Bord. Dort befanden sich auch Maulesel, Karren etc., damit die Feldartillerie nach der Landung transportiert werden konnte. Das Ganze war <165> laut obiger Quelle für 6 Monate mit Proviant versehen. Diese Flotte, die damals nicht ihresgleichen hatte, sollte zur flämischen Küste segeln, wo unter ihrem Schutz eine weitere Armee von 30.000 Fußsoldaten und 4.000 Reitern unter dem Herzog von Parma an Bord von flachen Schiffen gehen sollte, die speziell für diesen Zweck gebaut und mit aus der Ostsee kommenden Matrosen bemannt waren. Gemeinsam sollten sie dann nach England segeln.

In England hatte Königin Elisabeth ihre Flotte durch energische Bemühungen von ursprünglich 30 Schiffen auf ungefähr 180 Schiffe verschiedener Größe gebracht, die jedoch in dieser Beziehung im allgemeinen den Spaniern unterlegen waren. Sie waren allerdings mit 17.500 Matrosen bemannt und besaßen dadurch eine weit zahlreichere Besatzung als die spanische Flotte.

Die militärischen Kräfte Englands setzten sich aus zwei Armeen zusammen: eine aus 18.500 Mann unter dem Grafen von Leicester, die dem Feind sofort gegenübertreten sollte; die andere aus 45.000 Mann zum persönlichen Schutz der Königin. Nach einem Manuskript im Britischen Museum mit dem Titel "Details of the English Force Assembled to Oppose the Spanish Armada", (MS. Reg. 18th c. XXI.) wurden außerdem 2.000 Mann Infanterie aus den Niederlanden erwartet.

Die Armada sollte Lissabon Anfang Mai verlassen, doch durch den Tod des Admirals Santa Cruz und seines Vizeadmirals hatte sich die Abfahrt verzögert. Daraufhin wurde der Herzog von Medina Sidonia, ein Mann, dem die Seekriegführung vollständig fremd war, zum Oberbefehlshaber der Flotte ernannt; sein Vizeadmiral Martínez de Recalde jedoch war ein erfahrener Seemann. Als die Flotte am 29. Mai 1588 Lissabon verlassen hatte, um in Coruña Proviant an Bord zu nehmen, wurde sie durch einen heftigen Sturm zerstreut, und obwohl alle Schiffe bis auf vier in Coruña eintrafen, waren sie doch beträchtlich beschädigt und mußten repariert werden. Als England die Nachrichten erreichten, daß die Flotte völlig kampfunfähig sei, befahl die Regierung, die eigenen Schiffe abzutakeln; doch Admiral Lord Howard handelte gegen diese Order, segelte nach Coruña, überzeugte sich von der wirklichen Lage und setzte nach seiner Rückkehr die Vorbereitungen für den Krieg fort. Als ihm bald danach berichtet wurde, daß die Armada in Sicht gekommen war, lichtete er die Anker und folgte ihr den Kanal hinauf, wobei er die spanischen Schiffe beunruhigte, sooft sich eine Gelegenheit dazu bot. Die Spanier hatten inzwischen Kurs auf die flandrische Küste genommen und hielten sich dabei möglichst dicht beieinander. In den verschiedenen kleineren Gefechten, die stattfanden, errangen die Engländer mit ihren wendigeren und stärker bemannten Schiffen <166> sowie durch ihr besseres seemännisches Können stets den Sieg über die schwerfälligen, unterbemannten und mit Soldaten vollgestopften spanischer Galeonen. Außerdem war die Bedienung der spanischen Artillerie sehr schlecht, sie zielte fast immer zu hoch. Auf der Höhe von Calais warf die Armada Anker und wartete auf die Flotte des Herzogs von Parma aus den flämischen Häfen; doch bald traf die Nachricht ein, daß seine Schiffe gefechtsunfähig seien und die Häfen nicht verlassen könnten, bevor nicht die Armada den Kanal passiert und das englisch-holländische Blockadegeschwader vertrieben habe. Mit Rücksicht darauf lichtete die Armada wieder Anker, aber als sie in Sichtnähe Dünkirchens war, geriet sie, zwischen der englischen Flotte auf der einen und der holländischen auf der anderen Seite, in eine Flaute. Lord Howard bereitete Brander vor, und als in der Nacht des 7. August die Brise wieder aufkam, ließ er 8 davon gegen den Feind treiben. Die Brander riefen in der spanischen Flotte eine völlig Panik hervor. Einige Schiffe lichteten Anker, andre kappten ihre Taue und trieben vor dem Wind; die ganze Flotte geriet in Verwirrung, mehrere Schiffe rammten sich gegenseitig und wurden kampfuntauglich. Am Morgen war die Ordnung bei weitem noch nicht wiederhergestellt, und die verschiedenen Geschwader waren weit und breit zerstreut. Alsdann griff Lord Howard, der durch die von dem Adel und der Gentry ausgerüsteten Schiffe sowie von dem Blockadegeschwader unter Lord Byron Verstärkung erhalte hatte und von Sir Francis Drake vortrefflich unterstützt wurde, den Feind um 4 Uhr morgens an. Die Schlacht oder besser Jagd (da die Engländer offensichtlich in jeder Beziehung im Angriff überlegen waren), zog sich bis zum Einbruch der Dunkelheit hin. Die Spanier kämpften tapfer, doch ihr schwerfälligen Schiffe waren für Manöver in engen Gewässern und für einen beweglichen Kampf ungeeignet. Sie wurden vollständig geschlagen und erlitten schwere Verluste.

Da die Vereinigung mit den Transportschiffen des Herzogs von Parma so vereitelt worden war, kam eine Landung in England durch die Armada allein nicht in Frage. Es stellte sich heraus, daß der größere Teil der an Bord befindlichen Lebensmittel verbraucht worden war, und da jetzt der Zugang nach Spanisch-Flandern unmöglich war, blieb nichts anderes übrig, als nach Spanien zurückzukehren und neuen Proviant aufzunehmen. (Siehe "Certain Advertisements out of Ireland, Concerning the Losses and Distreses Happened to the Spanish Navie on the Coast of Ireland", London 1588 - Untersuchung des Emanuel Fremosa, der auf dem 1.100-Tonnen-Flaggschiff "San Juan" des Admirals Recalde diente.) Da die Durchfahrt durch den Kanal ebenfalls durch die englische Flotte gesperrt war, blieb kein <167> anderer Weg übrig, als auf dem Heimweg um Schottland herumzusegeln. Die Armada wurde von der Flotte des Lord Seymour, der sie verfolgen sollte, nur wenig bedrängt, da diese Flotte schlecht mit Munition ausgerüstet war und deshalb keinen Angriff wagen konnte. Doch nachdem die Spanier die Orkney-Inseln umsegelt hatten, erhob sich ein furchtbarer Sturm und trieb die ganze Flotte auseinander. Einige Schiffe wurden bis zur norwegischen Küste abgetrieben, wo sie auf die Felsen aufliefen; andere sanken in der Nordsee oder zerschellten an den Felsen der Küste Schottlands oder der Hebriden. Kurze Zeit später wurde die Armada an der Westküste Irlands erneut von Stürmen überrascht, und über 30 Schiffe gingen verloren. Wer sich von der Besatzung an Land retten konnte, wurde zumeist getötet, ungefähr 200 Mann wurden auf Befehl des Vizekönigs von Irland <Fitzwilliam> hingerichtet. Von der gesamten Flotte erreichten nicht mehr als 60 Schiffe und diese aufs äußerste beschädigt und mit Hungersnot an Bord Santander ungefähr Mitte September, als der Plan einer Eroberung Englands endgültig aufgegeben worden war,