Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 154-163.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Karl Marx

Bernadotte

Geschrieben zwischen 17. September und 15. Oktober 1857.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band III]

<154> Bernadotte, Jean-Baptiste-Jules, Marschall des französischen Kaiserreichs, Fürst von Pontecorvo und, unter dem Namen Karl XIV. Johann, König von Schweden und Norwegen, wurde am 26. Januar 1764 zu Pau in Departement Basses Pyrénées geboren und starb am 8. März 1844 im königlichen Palast zu Stockholm. Er war der Sohn eines Advokaten und wurde für diesen Beruf ausgebildet; aber seine militärischen Neigungen veranlaßten ihn, sich 1780 heimlich bei der königlichen Marine zu melden, wo er bei Ausbruch der Französischen Revolution in den Rang eine Sergeanten aufgerückt war. Damals begann sein schneller Aufstieg. 1792 diente er bereits als Oberst in der Armee von Custine, kommandierte 1793 eine Halbbrigade, wurde noch im selben Jahre durch die Gönnerschaft Klébers zum Brigadegeneral befördert und trug als Divisionsgeneral der Sambre- und Maas-Armee unter Kléber und Jourdan zum Sieg bei Fleurus am 26. Juni 1794, zum Erfolg bei Jülich und zur Kapitulation von Maastricht bei. Er leistete ebenfalls gute Dienste im Feldzug von 1795/1796 gegen die österreichischen Generale Clerfayt und Kray sowie den Erzherzog Karl. Als er Anfang 1797 vom Direktorium den Auftrag erhielt, 20.000 Man als Verstärkung zur italienischen Armee zu führen, bestimmte sein erstes Zusammentreffen mit Napoleon in Italien ihre künftigen Beziehungen. Trotz der ihm eigenen Großmütigkeit hegte Napoleon eine kleinlich und mißtrauische Eifersucht gegenüber der Rhein-Armee und ihre Generalen. Er begriff sofort, daß Bernadotte eine unabhängige Karriere anstrebte. Der letztere war zu sehr Gascogner, um nicht seinerseits den Abstand zwischen einem Genie wie Napoleon und einem Mann von Talent wie er selbst richtig einzuschätzen. Daher ihre gegenseitige Abneigung. Während der Invasion in Istrien zeichnete sich Bernadotte beim Übergang über den Tagliamento, wo er die Vorhut befehligte, und bei der Einnahme der Festung Gradisca am 19. März 1797 aus.

<155> Nach der sogenannten Revolution des 18. Fructidor befahl Napoleon seinen Generalen, Zustimmungsadressen zu diesem coup d'état von ihren Divisionen einzufordern; aber Bernadotte protestierte zuerst, zeigte dann großen Widerwillen, dem Befehl nachzukommen, und schickte schließlich eine Adresse an das Direktorium, die aber das genaue Gegenteil von dem enthielt, worum er gebeten worden war, und ohne sie durch die Hände Bonapartes gehen zu lassen. Napoleon, der sich nach Paris begeben hatte, um dem Direktorium den Vertrag von Campoformio vorzulegen, besuchte auf seiner Reise Bernadotte in dessen Hauptquartier zu Udine, um ihm zu schmeicheln, nahm ihm jedoch am nächsten Tag durch einen Befehl aus Mailand die Hälfte seiner Division der Rhein-Armee ab und befahl ihm, die andere Hälfte nach Frankreich zurückzuführen. Nach vielen Einwendungen, Kompromissen und neuen Streitigkeiten ließ sich Bernadotte schließlich dazu bewegen, die Gesandtschaft in Wien anzutreten. Dort nahm er, nach den Anweisungen Talleyrands handelnd, eine versöhnliche Haltung ein, von der die von Bonaparte und seinen Brüdern beeinflußten Pariser Zeitungen behaupteten, daß sie voller royalistischer Tendenzen sei; und als Beweis für diese Anschuldigungen verbreiteten sie Gerüchte, Bernadotte hätte das Anbringen der Trikolore über dem Eingang seines Hotels und der republikanischen Kokarden an den Hüten seines Gefolges verboten. Als er dafür vom Direktorium getadelt wurde, hißte Bernadotte am 13. April 1798, dem Jahrestag der antijakobinischen Demonstration in Wien, die Trikolore mit der Inschrift "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", woraufhin sein Hotel von einem Wiener Pöbelhaufen gestürmt, die Fahne verbrannt und sein Leben bedroht wurde. Da die österreichische Regierung sich weigerte, die geforderte Genugtuung zu geben, zog sich Bernadotte mit seiner gesamten Gesandtschaft nach Rastatt zurück. Das Direktorium jedoch vertuschte auf Anraten Napoleons, der selbst bei der Anstiftung dieses Skandals die Hand im Spiel gehabt hatte, die Angelegenheit und ließ seinen eigenen Repräsentanten fallen.

Bernadottes Verwandtschaft mit der Familie Bonaparte, die aus seiner im August 1798 erfolgten Heirat mit Fräulein Désirée Clary herrührte, der Tochter eines Marseiller Kaufmanns und Joseph Bonapartes Schwägerin, schien seine Opposition gegen Napoleon nur noch zu verstärken. Als Befehlshaber der Observationsarmee am Oberrhein im Jahre 1799 bewies er, daß er für diesen Posten ungeeignet war, wodurch schon im voraus die Richtigkeit der von Napoleon auf St. Helena getroffenen Feststellung bestätigt wurde, daß Bernadotte ein besserer Leutnant als ein Oberbefehlshaber war. An der Spitze des Kriegsministeriums nach der Emeute im Direktorium <156> vom 30. Prairial, waren weniger seine Operationspläne bemerkenswert als seine Intrigen mit den Jakobinern, durch deren erneut wachsenden Einfluß er sich eine persönliche Anhängerschaft in den Rängen der Armee zu verschaffen suchte. Doch eines Morgens, am 13. September 1799, fand er im "Moniteur" seinen Rücktritt bekanntgegeben, noch ehe er überhaupt wußte, daß er darum gebeten hatte. Diesen Streich hatten ihm die mit Bonaparte verbündeten Mitglieder des Direktoriums Sieyès und Roger Ducos gespielt.

Als er die Westarmee befehligte, löschte er die letzten Funken des Krieges in der Vendée. Nach der Proklamierung des Kaiserreichs, das ihn zum Marschall machte, wurde er mit dem Kommando der hannoverschen Armee betraut. In dieser Eigenschaft sowie später als Oberbefehlshaber der Armee in Norddeutschland war er bemüht, sich bei der Bevölkerung des Nordens den Ruf eines unabhängigen, maßvollen und in Fragen der Administration befähigten Menschen zu verschaffen. An der Spitze des in Hannover stationierten Korps, welches das erste Korps der Großen Armee bildete, nahm er am Feldzug von 1805 gegen die Österreicher und Preußen teil. Er wurde von Napoleon nach Iglau geschickt, um die Bewegungen des Erzherzogs Ferdinand in Böhmen zu beobachten; danach, nach Brünn zurückbeordert, wurde er in der Schlacht bei Austerlitz mit seinem Korps ins Zentrum zwischen Soult und Lannes gestellt und half, die Überflügelung durch den rechten alliierten Hügel zu vereiteln. Am 5. Juni 1806 wurde er zum Fürsten von Pontecorvo erhoben. Im Feldzug von 1806/1807 gegen Preußen kommandierte er das erste corps d'armée. Er erhielt von Napoleon den Befehl, von Naumburg nach Dornburg abzumarschieren, während Davout, der auch in Naumburg war, nach Apolda marschieren sollte. Der Befehl, den Davout empfangen hatte, fügte hinzu, daß, wenn Bernadotte sich schon mit ihm vereinigt hat, sie beide zusammen nach Apolda marschieren könnten. Nachdem Davout die Marschlinien der Preußen rekognosziert und sich überzeugt hatte, daß Bernadotte in der Richtung auf Dornburg keinen Feind treffen werde, schlug er Bernadotte einen gemeinsamen Marsch nach Apolda vor und bot ihm sogar an, sich unter Bernadottes Kommando stellen zu wollen. Dieser aber versteifte sich auf die wörtliche Auslegung des Befehls Napoleons und marschierte in Richtung Dornburg ab, ohne den ganzen Tag über einen Feind zu treffen, während Davout die ganze Last der Schlacht bei Auerstedt allein tragen mußte, die wegen Bernadottes Abwesenheit nicht mit einem entscheidenden Siege endete. Allein das Zusammentreffen der Fliehenden von Auerstedt mit den Fliehenden von Jena und die strategischen Kombinationen Napoleons wandten die <157> Folgen des von Bernadotte vorsätzlich gemachten groben Fehlers ab. Napoleon unterzeichnete einen Befehl, Bernadotte vor ein Kriegsgericht zu stellen, hob ihn aber nach weiteren Erwägungen wieder auf. Nach der Schlacht bei Jena schlug Bernadotte gemeinsam mit Soult und Murat die Preußen am 17. Oktober bei Halle, verfolgte den preußischen General Blücher bis nach Lübeck und trug zu dessen Kapitulation bei Ratekau am 7. November 1806 bei. Außerdem schlug er die Russen am 25. Januar 1807 in den Ebenen bei Mohrungen, unweit Thorn.

Nach dem Frieden von Tilsit sollten französische Truppen gemäß dem zwischen Napoleon und Dänemark geschlossenen Bündnis die Dänischen Inseln besetzen, um von dort aus gegen Schweden vorzugehen. In Übereinstimmung damit erhielt Bernadotte am 23. März 1808, demselben Tage, da Rußland in Finnland einfiel, den Befehl, nach Seeland vorzurücken, um zusammen mit den Dänen in Schweden einzudringen, dessen König zu entthronen und das Land zwischen Dänemark und Rußland aufzuteilen - eine seltsame Mission für einen Mann, der bald darauf in Stockholm regieren sollte. Er überquerte den Belt und traf an der Spitze von 32.000 Franzosen, Holländern und Spaniern auf Seeland ein, wobei 10.000 Spanier unter dem Kommando von General de la Romana es fertigbrachten, sich mit Hilfe der englischen Flotte davonzumachen. Bernadotte unternahm nichts und bewirkte nichts bei seinem Aufenthalt auf Seeland. Nach Deutschland zurückgerufen, um dort an dem neuen Krieg zwischen Frankreich und Österreich teilzunehmen, erhielt er das Kommando über das hauptsächlich aus Sachsen bestehende neunte Korps.

Die Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 1809 gab seinen Mißverständnissen mit Napoleon neue Nahrung. Am ersten Schlachttage wurde Eugène Beauharnais, der in der Nähe von Wagram vorgerückt und in die Mitte der feindlichen Reserven gestoßen war, nicht genügend von Bernadotte unterstützt, der mit seinen Truppen zu spät und nicht entschieden genug eingegriffen hatte. In Front und Flanke angegriffen, wurde Eugène heftig auf Napoleons Garde zurückgeworfen, und der erste Schock des französischen Angriffs wurde somit durch Bernadottes laues Benehmen abgeschwächt, der währenddessen das Dorf Adlerklaa im Zentrum der französischen Armee, aber etwas vor der französischen Linie, besetzt hatte. Am folgenden Tage, um sechs Uhr früh, als die Österreicher zu einem konzentrischen Angriff vorrückten, stand Bernadotte vor Adlerklaa, anstatt dieses Dorf zu besetzen und in seine Frontlinie einzubeziehen. Als die Öster- <158> reicher kamen, fand er diese Position zu gewagt und zog sich auf ein Plateau hinter Adlerklaa zurück, aber ließ das Dorf unbesetzt, das Bellegardes Österreicher sofort besetzten. Hierdurch wurde das französische Zentrum gefährdet, und Masséna, der es kommandierte, schickte eine Division vor, die Adlerklaa wieder nahm, aber von d'Aspres Grenadieren abermals herausgeworfen wurde. Jetzt kam Napoleon selbst und übernahm die Leitung, entwarf einen neuen Schlachtplan und vereitelte dadurch die Manöver der Österreicher. So hatte also Bernadotte wiederum, wie bei Auerstedt, den Erfolg des Tages gefährdet. Er seinerseits beklagte sich darüber, daß Napoleon unter Verletzung aller militärischen Regeln General Dupas, dessen französische Division zu Bernadottes Korps gehörte, befohlen hatte, selbständig unter Umgehung seines, nämlich Bernadottes, Kommandos zu handeln. Der von ihm eingereichte Abschied wurde angenommen, nachdem Napoleon von einem Tagesbefehl erfahren hatte, den Bernadotte an seine Sachsen gerichtet hatte und der nicht mit dem kaiserlichen Bulletin übereinstimmte.

Kurz nach seiner Ankunft in Paris, wo er mit Fouché zu intrigieren begann, veranlaßte die Walcheren-Expedition (30. Juli 1809) das französische Ministerium in Abwesenheit des Kaisers, Bernadotte mit der Verteidigung Antwerpens zu betrauen. Die groben Fehler der Engländer machten ein Vorgehen Bernadottes unnötig, aber er benutzte die Gelegenheit, in einer an seine Truppen gerichteten Proklamation die Beschuldigung gegen Napoleon einzuflechten, daß dieser es unterlassen habe, die notwendigen Maßnahmen zur Verteidigung der belgischen Küste einzuleiten. Er wurde seines Postens enthoben. Als er bei seiner Rückkehr nach Paris aufgefordert wurde, die Stadt zu verlassen und sich auf sein Fürstentum Pontecorvo zu begeben und sich weigerte, diesem Befehl nachzukommen, wurde er nach Wien bestellt. Nach mehreren heftigen Auseinandersetzungen mit Napoleon in Schönbrunn übernahm er das Generalgouvernement von Rom, eine Art Ehrenexil.

Die Umstände, die zu seiner Wahl zum Kronprinzen von Schweden führten, waren noch lange nach seinem Tode nicht völlig geklärt. Karl XIII. sandte, nachdem er Karl August, den Herzog von Augustenburg, als Sohn und Erben der schwedischen Krone adoptiert hatte, Graf Wrede nach Paris, um für den Herzog um die Hand der Prinzessin Charlotta, der Tochter von Lucien Bonaparte, anzuhalten. Nach dem plötzlichen Tode des Herzogs von Augustenburg am 18. Mai 1810 drängte Rußland Karl XIII. zur Adoption des Herzogs von Oldenburg, während Napoleon die Ansprüche Friedrichs VI., des Königs von Dänemark, unterstützte. Der alte König selbst <159> bot die Thronfolge dem Bruder des verstorbenen Herzogs von Augustenburg an und schickte Baron Mörner mit Instruktionen zu General Wrede, die diesem zur Pflicht machten, Napoleon von der Wahl des Königs zu überzeugen. Mörner jedoch, ein junger Mann, der zu der sehr großen einflußreichen Partei in Schweden gehörte, die damals die Wiedergeburt ihres Landes nur durch ein enges Bündnis mit Frankreich erhoffte, nahm es bei seiner Ankunft in Paris auf sich, im Einverständnis mit Lapie, einem jungen französischen Genieoffizier, mit Signeul, dem schwedischen Generalkonsul, und mit Graf Wrede selbst, Bernadotte als Kandidaten für den schwedischen Thron vorzuschlagen, wobei sie alle darauf bedacht waren, ihre Schritte vor Graf Lagerbjelke, dem schwedischen Minister in den Tuilerien, geheimzuhalten; außerdem waren alle durch eine Reihe von Mißverständnissen, die Bernadotte geschickt aufrechterhielt, fest davon überzeugt, daß dieser tatsächlich der Kandidat Napoleons war. Demgemäß schickten Wrede und Signeul am 29. Juni Depeschen an den schwedischen Minister für Auswärtige Angelegenheiten, worin sie ankündigten, daß Napoleon sehr erfreut wäre, wenn die königliche Thronfolge seinem Vertreter und Verwandten angeboten wurde. Trotz des Widerstandes seitens Karl XIII. wählte der Reichstag zu Oerebro am 21. August 1810 Bernadotte zum Kronprinzen von Schweden. Der König war ebenfalls gezwungen, ihn als seinen Sohn unter dem Namen Karl Johann zu adoptieren. Napoleon befahl Bernadotte widerwillig und äußerst ungnädig, die angebotene Würde anzunehmen. Bernadotte, der am 28. September 1810 Paris verlassen hatte, landete am 21. Oktober in Helsingborg, schwor dort dem katholischen Glauben ab, kam am 1. November in Stockholm an, nahm am 5. November an der Versammlung der Reichsstände teil und übernahm von diesem Moment an die Zügel des Staates. Seit dem unglücklichen Frieden zu Frederikshamm war der vorherrschende Gedanke in Schweden die Wiedereroberung Finnlands, ohne welches angeblich, wie Napoleon am 28. Februar 1811 an Alexander schrieb, "Schweden aufgehört hatte zu existieren", zumindest als eine von Rußland unabhängige Macht. Nur durch ein enges Bündnis mit Napoleon konnten die Schweden hoffen, diese Provinz wiederzuerlangen. Und dieser Überzeugung verdankte Bernadotte seine Wahl. Während der Erkrankung des Königs, die vom 17. März 1811 bis 7. Januar 1812 dauerte, wurde Karl Johann zum Regenten bestimmt; aber das war nur eine Frage der Etikette, denn er führte bereits vorn Tage seiner Ankunft an alle Geschäfte.

Napoleon, selbst zu sehr Parvenü, um die empfindlichen Stellen seines Exleutnants zu schonen, zwang ihn am 17. November 1810 - entgegen einer <160> früheren Abmachung - dem Kontinentalsystem beizutreten und England den Krieg zu erklären. Er hielt die Einkünfte, die Bernadotte als französischer Fürst zu bekommen hatte, zurück, weigerte sich, dessen direkt an ihn gerichtete Depeschen anzunehmen, da er "kein ebenbürtiger Souverän" sei, und sandte den Seraphim-Orden zurück, den Karl Johann dem neugebackenen König von Rom <Herzog von Reichstadt, Sohn Napoleons I.> verliehen hatte. Diese kleinlichen Schikanen lieferten Bernadotte nur den Vorwand zu einer Handlungsweise, zu der er sich schon längst entschlossen hatte. Kaum war er in Stockholm eingeführt, als er den russischen General Suchtelen, den die Schweden haßten, weil er den Kommandeur von Sweaborg bestochen hatte, zu einer offizielle Audienz zuließ und sogar damit einverstanden war, daß dieser als Gesandter am schwedischen Hof akkreditiert wurde. Am 18. Dezember 1810 hatte Bernadotte eine Besprechung mit Tschernyschew, in der er erklärte, er sei "bestrebt, die gute Meinung des Zaren zu gewinnen" und auf Finnland für immer zu verzichten unter der Bedingung, daß Norwegen von Dänemark abgetrennt und mit Schweden vereinigt würde. Mit demselben Tschernyschew sandte er einen höchst schmeichelhaften Brief an Zar Alexander. Während er sich auf diese Weise enger an Rußland anschloß, zogen sich die schwedischen Generale, die Gustav IV. gestürzt und seine eigene Wahl unterstützt hatten, von ihm zurück. Ihre von der Armee und dem Volk geteilte Opposition drohte schon gefährlich zu werden, als der Einmarsch einer französischen Division in Schwedisch-Pommern am 27. Januar 1812 - eine Maßnahme, die Napoleon auf Grund einer vertraulichen Information aus Stockholm durchführte - Karl Johann schließlich einen plausiblen Vorwand lieferte, offen Schwedens Neutralität zu erklären. Doch insgeheim und hinter dem Rücken des Reichstags schloß er ein Offensivbündnis mit Alexander gegen Frankreich ab, das am 27. März 1812 in St. Petersburg unterzeichnet und in dem die Angliederung von Norwegen an Schweden ebenfalls festgelegt wurde.

Napoleons Kriegserklärung an Rußland machte Bernadotte für einige Zeit zum Schiedsrichter über das Schicksal Europas. Napoleon bot ihm unter der Bedingung, daß er Rußland mit 40.000 Schweden angriff, Finnland, Mecklenburg, Stettin und das gesamte Gebiet zwischen Stettin und Wolgast an. Bernadotte hätte den Feldzug entscheiden und St. Petersburg besetzen können, ehe Napoleon Moskau erreicht hatte. Er zog es aber vor, als der Lepidus eines mit England und Rußland gebildeten Triumvirats zu handeln. Er veranlaßte den Sultan, den Frieden von Bukarest zu <161> ratifizieren und ermöglichte dadurch dem russischen Admiral Tschitschagow, seine Truppen von den Donau-Ufern abzuziehen und an der Flanke der französischen Armee zu operieren. Er vermittelte ebenfalls beim Frieden von Örebro, der am 18. Juli 1812 zwischen England auf der einen und Rußland und Schweden auf der anderen Seite geschlossen wurde. Alexander, über die ersten Erfolge Napoleons bestürzt, lud Karl Johann zu einer Unterredung ein und bot ihm gleichzeitig den Oberbefehl über die russischen Armeen an. Karl Johann, der klug genug war, das letztere Angebot abzulehnen, nahm die Einladung an. Am 27. August traf er in Abo ein, wo er Alexander sehr niedergedrückt und zu Friedensangeboten geneigt vorfand. Da er selbst schon zu weit gegangen war, um noch zurück zu können, rüttelte er den schwankenden Zaren auf, indem er ihm nachwies, daß die scheinbaren Erfolge Napoleons zu dessen Untergang führen müßten. Die Zusammenkunft endete mit dem sogenannten Vertrag von Abo, dem ein geheimer Artikel beigefügt war, der dem Bündnis den Charakter eines Familienvertrages gab. Tatsächlich erhielt Karl Johann nichts als Versprechungen, während Rußland sich ohne das geringste Opfer das in jenem Augenblick unschätzbare Bündnis mit Schweden sicherte. Durch authentische Berichte ist es kürzlich bestätigt worden, daß es damals allein von Bernadotte abhing, Finnland an Schweden zurückzubringen; aber der Gascogner Herrscher, verführt durch Alexanders Schmeichelei, daß "eines Tages die französische Kaiserkrone, wenn sie von Napoleons Haupt falle, auf seinem ruhen könnte", betrachtete Schweden bereits als einen bloßen pis aller <Notbehelf>.

Nach dem Rückzug der Franzosen aus Moskau brach er offiziell die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich ab, und als England ihm durch den Vertrag vom 3. März 1813 Norwegen garantierte, trat er der Koalition bei. Ausgestattet mit englischen Subsidien, landete er im Mai 1813 mit 25.000 Schweden in Stralsund und rückte gegen die Elbe vor. Während des Waffenstillstands vom 4. Juni 1813 spielt er eine wichtige Rolle bei dem Zusammentreffen in Trachenberg, wo Alexander ihn dem preußischen König <Friedrich Wilhelm III.> vorstellte und wo der allgemeine Feldzugsplan festgelegt wurde. Als Oberbefehlshaber der Nordarmee, die sich aus Schweden, Russen, Preußen, Engländern, Hanseaten und norddeutschen Truppen zusammensetzte, unterhielt er sehr zweideutige Beziehungen zur französischen Armee, die von einem Individuum, das des öfteren in seinem Hauptquartier als Freund auftauchte, eingefädelt worden waren und auf seiner Annahme beruhten, die Franzosen würden freudig Napoleons Herrschaft gegen die <162> Herrschaft Bernadottes eintauschen, wenn er ihnen nur Beweise seiner Nachsicht und Milde gebe. Infolgedessen hinderte er die unter seinem Kommando stehenden Generale daran, die Offensive zu ergreifen, und als Bülow entgegen seinen Anweisungen zweimal - bei Großbeeren und bei Dennewitz - die Franzosen geschlagen hatte, ließ er die Verfolgung der besiegten Armee einstellen. Als Blücher, um ihn zum Handeln zu zwingen, an die Elbe vorrückte und sich mit ihm vereinigt hatte, konnte ihn nur die von Sir Charles Stewart, dem englischen Bevollmächtigten in seinem Lager, geäußerte Drohung, die Lieferungen einzustellen, dazu bringen, weiterzumarschieren. Die Schweden erschienen auf dem Schlachtfeld von Leipzig nur der Form halber und verloren während des gesamten Feldzuges keine 200 Mann vor dem Feind. Als die Alliierten in Frankreich einzogen, hielt er die schwedische Armee an seinen Grenzen zurück. Nach Napoleons Abdankung begab er sich persönlich nach Paris, um Alexander an die ihm in Abo gegebenen Versprechen zu erinnern. Talleyrand vernichtete seine kindischen Hoffnungen, indem er dem Rat der alliierten Könige erklärte: "Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Bonaparte oder die Bourbonen - alles andere ist reine Intrige."

Als Karl Johann nach der Schlacht bei Leipzig in die Herzogtümer von Schleswig und Holstein an der Spitze einer aus Schweden, Deutschen und Russen bestehenden Armee eingefallen war, mußte Friedrich VI., König von Dänemark, angesichts der weit überlegenen Streitkräfte am 14. Januar 1814 den Frieden von Kiel unterzeichnen, wonach Norwegen an Schweden abgetreten wurde. Doch die Norweger, die sich dagegen wandten, daß man so ohne weiteres über sie verfügte, riefen die Unabhängigkeit Norwegens unter der Schirmherrschaft von Christian Friedrich, dem Kronprinzen von Dänemark, aus. Die in Edivold versammelten Vertreter der Nation nahmen am 17. Mai 1814 eine Verfassung an, die noch heute in Kraft und die demokratischste des modernen Europas ist. Nachdem er eine schwedische Armee und Flotte in Bewegung gesetzt und sich der Festung Frederiksstadt bemächtigt hatte, die den Zugang zu Christiania beherrscht, trat Karl Johann in Unterhandlungen, willigte ein, Norwegen als selbständigen Staat anzuerkennen und die Verfassung von Edivold zu akzeptieren, und als er am 7. Oktober die Sanktion des Storting erhalten hatte, kehrte er am 10. November 1814 nach Christiania zurück, um dort in seinem und des Königs Namen den Eid auf die Verfassung abzulegen.

Als Karl XIII, am 5. Februar 1818 starb, wurde Bernadotte als Karl XIV. Johann als König von Schweden und Norwegen von Europa anerkannt. Jetzt versuchte er, die norwegische Verfassung zu ändern, den abgeschafften <163> Adel wieder einzusetzen und sich selbst ein absolutes Veto und das Recht zur Entlassung aller Zivilbeamten und Offiziere zu sichern. Dieser Versuch gab Anlaß zu ernsten Konflikten und führte sogar am 18. Mai 1828 zu einer Kavallerieattacke auf die Bevölkerung von Christiania, die den Jahrestag ihrer Verfassung feierte. Ein allgemeiner Aufstand schien unvermeidlich, als die französische Revolution von 1830 den König veranlaßte, sich zeitweilig zu versöhnlichen Schritten zu bequemen. Doch Norwegen, für dessen Einverleibung er alles geopfert hatte, blieb während seiner gesamten Regierungszeit eine ständige Quelle von Schwierigkeiten. Seit den ersten Tagen der französischen Revolution von 1830 gab es in Europa nur einen einzigen Mann, der den König von Schweden für den geeigneten Anwärter auf die französische Krone hielt, und dieser Mann war Bernadotte selbst. Immer von neuem wiederholte er vor dem diplomatischen Vertreter Frankreichs in Stockholm: "Wie konnte es geschehen, daß Laffitte nicht an mich gedacht hat?". Die veränderte Lage Europas und vor allem der polnische Aufstand ließen ihn für einen Augenblick daran denken, gegen Rußland Front zu machen. Seine in diesem Sinne an Lord Palmerston gerichteten Angebote stießen auf brüske Ablehnung, und er mußte seine zeitweiligen Gedanken an Selbständigkeit durch den Abschluß eines Bündnisses mit Zar Nikolaus am 23. Juni 1834 büßen, durch den er zu einem Vasallen Rußlands wurde. Seitdem war seine Politik in Schweden durch Eingriffe in die Pressefreiheit, durch Verfolgungen wegen lèse-majesté <Majestätsbeleidigung> und durch den Widerstand gegenüber fortschrittlichen Maßnahmen, sogar solchen wie der Emanzipation der Industrie von den alten Gesetzen der Zünfte und Korporationen, gekennzeichnet. Indem er die Eifersüchteleien der verschiedenen Stände, die im schwedischen Reichstag vertreten waren, gegeneinander ausspielte, konnte er lange Zeit mit Erfolg jegliche Bewegung ersticken; aber die liberalen Resolutionen des Reichstags von 1844, die vom Reichstag 1845 laut Verfassung zum Gesetz erhoben werden sollten, drohten seine Politik endgültig zum Scheitern zu bringen, als er plötzlich starb.

Wenn Schweden sich während der Regierungszeit Karls XIV. vom Elend und Unglück der zurückliegenden anderthalb Jahrhunderte teilweise erholen konnte, so ist das nicht Bernadotte zu verdanken, sondern ausschließlich den Energien der Nation selbst und den Auswirkungen eines langen Friedens.