Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 149-153.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Brücke

Geschrieben um den 14. Oktober 1857.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band III]

<149> Brücke, militärische. - Die Kunst, provisorische Brücken zum Überschreiten von großen Flüssen und schmalen Meeresarmen durch Truppen zu bauen, war schon den Alten wohlbekannt, deren Bauwerke in dieser Hinsicht manchmal von erstaunlicher Größe sind. Darius überschritt den Bosporus und die Donau und Xerxes den Hellespont auf Schiffsbrücken, deren Beschreibung wir bei Herodot finden. Die Armee des Xerxes schlug 2 Brücken über die Dardanellen, die erste aus 360 Schiffen, die an Bug und Heck längsseits verankert waren, und deren Kiele stromabwärts zeigten; die Kähne waren miteinander durch starke Taue verbunden, über welche Bohlen gelegt wurden, die an beiden Seiten durch Querhölzer befestigt und in Erde gebettet waren. Die zweite Brücke hatte 314 Schiffe und war ähnlich gebaut. Nach Arrianos war der Armee Alexanders ein regulärer Ponton-Train mit leichten Kähnen angeschlossen. Die Römer hatten mit Tierhäuten bezogene Fahrzeuge aus Flechtwerk, welche die hölzerne Plattform einer Brücke tragen sollten; sie bildeten bis zum Ende des Imperiums einen Teil des Trains ihrer Armeen. Sie verstanden es aber auch, eine festere Kriegsbrücke zu schlagen, wenn ein reißender Fluß zu überqueren war, wie die berühmten Pfahlbrücken beweisen, auf denen Cäsar den Rhein überschritt.

Wir finden keinen Hinweis, daß es im Mittelalter besondere Brückenausrüstung gegeben hat, aber im Dreißigjährigen Kriege führten die verschiedenen beteiligten Armeen Material mit sich, um Brücken über die großen Flüsse Deutschlands zu schlagen. Die dazu verwandten Schiffe waren sehr schwer und im allgemeinen aus Eichenholz. Der Bodenbelag der Brücke wurde auf Böcke gelegt, die auf den Böden dieser Schiffe standen. Die Holländer verwendeten als erste ein kleineres Fahrzeug mit flachem Boden, fast senkrechten Seiten und spitzem Bug und Heck, bei denen beide Enden in einer geneigten Fläche über die Wasseroberfläche hinausragten. Sie bestanden aus einem hölzernen Bootsgerippe, das mit Blechen bezogen war; diese Fahrzeuge nannte man Pontons. Nach Folard nehmen auch die <150> Franzosen die Erfindung von Pontons aus Kupfer für sich in Anspruch, und sie sollen um 1672 einen vollständigen Ponton-Train gehabt haben. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatten sich alle europäischen Armeen mit solchen Fahrzeugen versehen, die meistens aus hölzernen, mit Blech, Kupfer, Leder oder geteertem Segeltuch überzogenen Bootskörpern bestanden. Das letztere Material wurde von den Russen verwandt. Die Schiffe waren klein und mußten, wenn die Brücke überhaupt irgendwelche Tragfähigkeit aufweisen sollte, eng nebeneinander gesetzt werden, mit nur 4 bis 5 Fuß lichter Weite; dadurch wurde die Strömung des Wassers stark behindert, die Sicherheit der Brücke gefährdet und dem Feinde die Möglichkeit gegeben, sie zu zerstören, indem er Schwimmkörper gegen sie treiben ließ.

Die Pontons, die gegenwärtig von den Armeen des europäischen Kontinents verwendet werden, sind größerer Bauart, aber im Prinzip denen von vor hundert Jahren ähnlich. Die Franzosen benutzen seit 1829 ein Schiff mit flachem Boden und fast senkrechten Seiten, deren Breite zum Bug und auch, nur etwas weniger, nach dem Heck hin abnimmt; beide Enden erheben sich über dem Dollbord und sind gebogen wie die eines Kanus. Die Ausmaße sind: Länge 31 Fuß, Breite oben 5 Fuß 7 Zoll, Boden 4 Fuß 4 Zoll. Das Bootsgerippe besteht aus Eiche und ist mit Fichtenplanken bedeckt. Jeder Ponton wiegt 1.658 lbs. und hat eine Tragfähigkeit (Gewicht der Ladung, die das Fahrzeug bis zum Dollbord sinken lassen würde) von 18.675 lbs. Beim Bau einer Brücke werden sie in Abständen von 14 Fuß lichter Weite von Dollbord zu Dollbord verankert, und die Fahrbahn ist 11 Fuß breit. Um die Vorhut einer Armee über nicht allzutiefe Flüsse hinüberbringen zu können, wird eine kleinere Art von Pontons verwendet. Die österreichischen Pontons sind dem größeren französischen Ponton ähnlich, aber zum bequemeren Transport quer in der Mitte geteilt, und sie werden im Wasser zusammengesetzt. Ein schwimmender Brückenpfeiler wird aus zwei Kähnen gebildet, die längsseits eng aneinander gelegt und durch kurze Spanten miteinander verbunden werden, wobei ein Längsspant die Balken des Bodenbelags trägt. Diese von Birago erfundenen Pontons wurden 1823 eingeführt. Die Russen verwenden für ihre Pontons ein hölzernes Bootsgerippe, das so konstruiert ist, daß die Mittelstücke oder Duchten losgelöst werden können; über dieses Gerippe wird ein mit Teer oder einer Gummilösung bestrichenes Segeltuch gespannt. Ihre Länge beträgt jeweils 21 Fuß 9 Zoll, ihre Breite 4 Fuß 11 Zoll, die Höhe 2 Fuß 4 Zoll und ihr Gewicht 718 lbs., Breite des Brückenweges 10 Fuß, Zwischenraum von Ponton zu Ponton 8 Fuß. Die Russen haben auch Pontons mit <151> einem ähnlichen Bootsgerippe, das mit Leder überzogen ist. Die Preußen sollen die ersten gewesen sein, die ihre Pontons quer in Abschnitte geteilt haben, um zu verhindern, daß sie durch ein Leck sinken können. Ihre Pontons sind aus Holz und haben flache Böden. Die Spannweite oder lichte Entfernung zwischen den Pontons variiert beim Bau von Brücken je nach Umständen zwischen 8 und 16 Fuß. Seit 1832 haben die Holländer und die Piemontesen Ponton-Trains, die denen in der österreichischen Armee ähnlich sind. Der belgische Ponton hat einen spitzen Bug, ist aber am Heck nicht verjüngt. In allen Armeen des Kontinents führt der Ponton-Train kleine Boote zum Ausbringen der Anker mit sich.

Die britische Armee und die der Vereinigten Staaten haben die Verwendung von Booten für die Bildung ihrer Ponton-Trains gänzlich abgeschafft und auf allen Seiten geschlossene Hohlzylinder aus leichtem Material zum Tragen ihrer Brücken eingeführt. In England wurden 1836 die zylindrischen Pontons mit konischen, hemisphärischen oder parabolischen Enden, wie sie 1828 von Oberst Blanchard konstruiert worden sind, eingeführt und alle anderen Arten abgeschafft. Der größere britische Ponton ist 241/2 Fuß lang und 2 Fuß 8 Zoll im Durchmesser. Er ist aus Weißblech hergestellt, das um eine Reihe von Blechreifen gelegt ist, die durch Speichen in Form von Hohlzylindern aus Blech gehalten werden. Ein größerer Blechzylinder von 13/4 Zoll im Durchmesser bildet ihre gemeinsame Achse und verläuft durch die ganze Länge des Pontons.

In den Vereinigten Staaten sind Experimente mit zylindrischen Pontons aus Gummi gemacht worden. 1836 baute Hauptmann (später Oberst) Lane mit solchen Pontons Brücken über einen tiefen und reißenden Fluß in Alabama, und 1839 bot Armstrong ähnliche Schwimmkörper an, die in aufgeblasenem Zustand 18 Fuß lang und 18 Zoll im Durchmesser waren und je 39 lbs. wogen und von denen drei ein Brückenglied bilden sollten. Pontons aus aufgeblasenem Gummi wurden 1846 in der Armee der Vereinigten Staaten eingeführt und im Krieg gegen Mexiko verwendet. Sie sind wegen ihres geringen Gewichts und des wenigen Raums, den sie zusammengefaltet einnehmen, sehr leicht zu tragen, teilen aber, da sie durch Reibung auf Kies usw. leicht beschädigt und unbrauchbar werden, die gewöhnlichen Mängel aller zylindrischen Pontons. Diese bestehen in folgendem: Wenn sie bis zur Hälfte ihrer Höhe im Wasser sind, wird ihr Tiefgang bei gleichbleibender Belastung immer größer, also das Gegenteil von dem, was der Fall sein sollte; in den Enden ihrer Zylinder verfangen sich außerdem leicht Schwemmstoffe, und schließlich müssen jeweils zwei durch einen Bodenbelag zu einem Floß verbunden werden, ehe man sie im Wasser <152> bewegen kann, während Pontons aus Kähnen genauso zu unabhängiger Bewegung im Wasser fähig sind wie gewöhnliche Boote und dazu dienen können, eine Truppenabteilung schnell über den Fluß zu rudern. Um die Tragkraft des zylindrischen Pontons mit der des Schiffspontons zu vergleichen, mag folgendes genügen: Der französische Ponton trägt etwa 20 Fuß der Brücke und hat eine Tragfähigkeit (ohne das Gewicht des Oberbaus) von mehr als 150 cwt. Ein britisches Floß von zwei Pontons, das etwa die gleiche Brückenlänge trägt, hat eine Tragfähigkeit, ohne den Oberbau, von nur 77 cwt., wobei nur die Hälfte dieser Belastung die Sicherheit garantiert.

Außer den Pontons umfaßt ein Ponton-Train Ruder, Bootshaken, Anker, Taue etc., die nötig sind, um die Pontons im Wasser fortzubewegen und sie an ihrem Platz zu befestigen, sowie Balken und Bohlen (Brückenbelag) für die Fahrbahn der Brücke. Bei Verwendung von Schiffspontons wird im allgemeinen jeder Ponton an seiner Stelle festgemacht und dann die Balken und Brückenbohlen darübergelegt; bei zylindrischen Pontons werden zwei zu einem Floß verbunden, das in der entsprechenden Entfernung vom Ende der Brücke verankert und mit ihm durch Balken und Brückenbohlen verbunden wird. Wo es die Umstände zulassen, werden ganze Glieder, die aus 3, 4 oder 5 überbrückten Pontons bestehen, in geschützten Plätzen oberhalb der für die Brücke vorgesehenen Stelle errichtet und nacheinander in ihre Positionen eingeschwommen. In einigen Fällen wird mit sehr erfahrenen Pontonnieren die ganze Brücke auf einem Ufer des Flusses gebaut und mit Hilfe der Strömung herumgeschwenkt, wenn der Übergang vollzogen werden soll. So verfuhr Napoleon, als er am Tag vor der Schlacht bei Wagram seine Armee über die Donau brachte. Dieser ganze Feldzug ist außerordentlich lehrreich, besonders was das Überqueren großer Flüsse mit Hilfe von Kriegsbrücken angesichts des Gegners betrifft.

Ponton-Trains sind indessen nicht immer verfügbar, und daher muß der Genieoffizier darauf vorbereitet sein, im Notfall ohne sie eine Brücke über einen Fluß zu schlagen Für diesen Zweck gibt es die verschiedensten Materialien und Bauweisen. Die größeren Schiffsarten, die sich gewöhnlich auf schiffbaren Flüssen finden, werden zum Bau von Schiffsbrücken verwendet. Wenn es keine Kähne gibt und die Tiefe des Flusses oder die Beschaffenheit des Flußbodens die Verwendung von schwimmenden Trägern notwendig machen, können Flöße aus Baumstämmen oder Fässern und andere schwimmfähige Körper benutzt werden. Wenn der Fluß seicht ist und einen festen und leidlich ebenen Grund hat, werden stehende Träger gebaut, die entweder aus Jochen bestehen, welche die haltbarste und sicherste Brückenart bilden, aber viel Zeit und Arbeit erfordern, oder aus <153> Böcken, die leicht und schnell hergestellt werden können. Manchmal bilden Wagen, die mit Faschinen usw. beladen und an den tieferen Stellen des Flusses versenkt werden, den geeigneten Untergrund für den Bodenbelag einer Brücke. Überschwemmte Gebiete, Moräste etc. werden mit Hilfe von Schanzkörben überbrückt. Für schmale Flüsse und enge Schluchten, die nur von Infanterie überquert werden müssen, werden verschiedene Arten von Hängebrücken verwendet, die gewöhnlich durch starke Taue gehalten werden.

Das Schlagen einer Kriegsbrücke unmittelbar unter dem Feuer des Feindes kommt heutzutage nur selten vor; doch darf die Möglichkeit des Widerstandes niemals außer acht gelassen werden. Aus diesem Grunde wird die Brücke im allgemeinen in einem einspringenden Bogen des Flusses geschlagen, so daß die rechts und links placierte Artillerie das Terrain des gegenüberliegenden Ufers nahe der Stelle, wo die Brücke enden soll, beherrscht und so ihren Bau deckt. Das konkave Ufer ist außerdem gewöhnlich höher als das konvexe, und somit kommt in den meisten Fällen zum Vorteil des Kreuzfeuers noch der Vorteil der beherrschenden Stellung hinzu. Die Infanterie wird in Booten oder Pontons hinübergerudert und unmittelbar vor der Brücke in Stellung gebracht. Eine schwimmende Brücke kann gebaut werden, um Kavallerie und einige leichte Geschütze überzusetzen. Ist ein Fluß durch Inseln in mehrere Arme geteilt oder eine Stelle direkt unterhalb der Einmündung eines kleineren Flusses vorhanden, so ist das ebenfalls von Vorteil. Im letzteren, manchmal aber auch im ersten Falle können die einzelnen Glieder der Brücke an einer gedeckten Stelle des Flusses zusammengesetzt und dann mit der Strömung eingeschwommen werden. Die angreifende Seite, die gewöhnlich zwischen vielen günstigen Punkten an einem langen Flußabschnitt zu wählen hat, kann ihren Gegner leicht durch Scheinangriffe täuschen und dann den wirklichen Übergang an einem entfernten Punkt durchführen. Die Gefahr der Zersplitterung der Verteidigungskräfte an solch einem langen Flußabschnitt ist so groß, daß man es gegenwärtig vorzieht, sie in einiger Entfernung vom Fluß konzentriert zu halten und sie geschlossen gegen den wirklichen Übergangspunkt zu führen, sobald er ausfindig gemacht worden ist und ehe der Feind seine gesamte Armee hinüberbringen konnte. Das sind die Gründe dafür, daß der Brückenschlag über einen der größeren Flüsse Europas in keinem der Kriege seit der Französischen Revolution auf ernsten Widerstand stieß.