Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 137-140.
1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.
Geschrieben zwischen 23. und 29. September 1857.
Aus dem Englischen.
["The New American Cyclopædia", Band IV]
<137> Brune, Guillaume-Marie-Anne, Marschall des französischen Kaiserreichs, geboren am 13. März 1763 in Brives-la-Gaillarde, gestorben am 2. August 1815 in Avignon. Sein Vater sandte ihn nach Paris, damit er Jura studiere, aber nach Verlassen der Universität zwangen ihn finanzielle Schwierigkeiten, Buchdrucker zu werden. Bei Ausbruch der Revolution veröffentlichte er gemeinsam mit Gautier und Jourgniac de Saint-Méard das "Journal général de la Cour et de la Ville". Er schloß sich bald der Partei der Revolution an, trat in die Nationalgarde ein und wurde ein leidenschaftliches Mitglied des Klubs der Cordeliers. Sein hoher Wuchs, sein kriegerisches Aussehen und sein stürmischer Patriotismus machten ihn zu einem der militärischen Führer des Volkes bei der Demonstration von 1791 auf dem Marsfeld, die von Lafayettes Nationalgarde zerschlagen wurde. Als man ihn ins Gefängnis warf und sich das Gerücht verbreitete, die Anhänger des Hofes versuchten, sich seiner durch abscheuliche Mittel zu entledigen, war es Danton, der seine Befreiung erwirkte. Der Protektion des letzteren, zu dessen prominenten Parteigängern er wurde, verdankte er seine militärische Beförderung während der berühmten Septembertage 1792 sowie seine plötzliche Erhebung in den Rang eines Obersten und Generaladjutanten am 12. Oktober 1792. Er diente unter Dumouriez in Belgien, wurde gegen die Föderierten von Calvados gesandt, die unter General Puisaye auf Paris marschierten, und schlug sie ohne große Schwierigkeit. Danach wurde er zum Brigadegeneral ernannt und nahm an der Schlacht von Hondschoote teil. Der Wohlfahrtsausschuß betraute ihn mit der Mission, die aufständischen Bewegungen in der Gironde niederzuschlagen, was er mit äußerster Härte tat.
Nach Dantons Verhaftung erwartete man, daß er zur Befreiung seines Freundes und Protektors herbeieilen würde, aber er hielt sich in den ersten Augenblicken der Gefahr klug zurück und brachte es fertig, über die Zeit der <138> Schreckensherrschaft mit heiler Haut davonzukommen. Nach dem 9. Thermidor schloß er sich wiederum den damals siegreichen Dantonisten an und folgte Fréron nach Marseille und Avignon. Am 13. Vendémiaire (5. Oktober 1795) kämpfte er als einer der Bonaparte unterstellten Generale gegen die aufrührerischen Sektionen von Paris. Nachdem er das Direktorium bei der Niederschlagung der Verschwörung im Lager von Grenelle (9. Sept. 1796) unterstützt hatte, trat er in die italienische Armee, in die Division von Masséna, ein und zeichnete sich während des ganzen Feldzugs durch große Unerschrockenheit aus. Bonaparte, der die Führer der Cordeliers sich geneigt machen wollte, schrieb einen Teil seines Erfolges bei Rivoli den Anstrengungen Brunes zu, ernannte ihn auf dem Schlachtfelde zum Divisionsgeneral und veranlaßte das Direktorium, ihn als Kommandeur der zweiten Division der italienischen Armee einzusetzen, auf einen Posten, der durch Augereaus Abreise nach Paris frei geworden war.
Nach dem Frieden von Campoformio wurde er vom Direktorium mit der Mission betraut, erst die Schweizer in Sicherheit zu wiegen, dann ihre Räte zu entzweien und schließlich, als zu diesem Zweck eine Armee konzentriert worden war, über den Kanton Bern herzufallen und sich des Staatsschatzes zu bemächtigen, wobei Brune es vergaß, ein Verzeichnis des Raubes aufzustellen. Wiederum durch Manöver, die mehr diplomatischen als militärischen Charakter hatten, zwang er Karl Emanuel, den König von Sardinien und offensichtlichen Verbündeten von Frankreich, ihm die Zitadelle von Turin auszuliefern (3. Juli 1798). Der Batavische Feldzug, der etwa 2 Monate dauerte, bildet das große Ereignis in Brunes militärischer Laufbahn. In diesem Feldzug schlug er die verbündeten englischen und russischen Streitkräfte unter dem Herzog von York, der vor ihm kapitulieren und sich verpflichten mußte, alle französischen Gefangenen herauszugeben, die die Engländer seit Beginn des Anti-Jakobiner-Kriegs gemacht hatten. Nach dem Staatsstreich vom 18. Brumaire ernannte Bonaparte Brune zum Mitglied des neu geschaffenen Staatsrats und schickte ihn dann gegen die Royalisten der Bretagne.
Im Jahre 1800 zur italienischen Armee entsandt, besetzte Brune drei feindliche Lager, die an der Volta errichtet worden waren, trieb den Feind hinter diesen Fluß und ergriff Maßnahmen, um den Fluß sofort zu überschreiten. Seinen Befehlen entsprechend sollte die Armee den Übergang an zwei Stellen vollziehen: der rechte Flügel unter General Dupont zwischen einer Mühle am Ufer der Volta und dem Dorfe Pozzolo; der linke Flügel unter Brune selbst bei Monbazon. Als der zweite Teil der Operationen auf Schwierigkeiten stieß, gab Brune Befehl, seine Durchführung um <139> 24 Stunden zu verzögern, obwohl der rechte Flügel, der an einer andern Stelle mit dem Übergang begonnen hatte, bereits mit den weit überlegenen österreichischen Streitkräften kämpfte. Nur General Duponts Anstrengungen war es zu verdanken, daß der rechte Flügel nicht vernichtet oder gefangengenommen wurde, was den Erfolg des ganzen Feldzugs gefährdet hätte. Dieser Fehler führte zu Brunes Rückberufung nach Paris.
Von 1802 bis 1804 machte er eine traurige Figur als Botschafter in Konstantinopel, wo seine diplomatischen Talente nicht, wie in der Schweiz und in Piemont, von Bajonetten unterstützt wurden. Bei seiner Rückkehr nach Paris im Dezember 1804 wurde er von Napoleon zum Marschall erhoben, wobei er ihn Generalen wie Lecourbe vorzog. Nachdem er eine Zeitlang das Lager von Boulogne befehligt hatte, wurde er 1807 nach Hamburg als Gouverneur der Hansestädte und als Befehlshaber der Reserve der Großen Armee gesandt. In dieser Eigenschaft sekundierte er tatkräftig Bourrienne in dessen Unterschleife. Um einige strittige Punkte eines Waffenstillstandsabkommens, das mit Schweden bei Schlatkow geschlossen worden war, zu regeln, hatte er eine lange persönliche Unterredung mit König Gustav, der ihm faktisch vorschlug, seinen Gönner zu verraten. Die Art und Weise, wie er dieses Anerbieten abschlug, erregte das Mißtrauen Napoleons, der sehr erzürnt war, als Brune bei der Ausfertigung einer Konvention hinsichtlich der Übergabe der Insel Rügen an die Franzosen nur die französische und die schwedische Armee als Vertragspartner nannte, ohne jeglichen Hinweis auf seine "kaiserliche und königliche Majestät". Brune wurde sofort durch einen Brief Berthiers abberufen, in dem dieser auf ausdrücklichen Befehl Napoleons konstatierte, "daß es solch einen Skandal seit Pharamonds Zeiten nicht gegeben hätte".
Nach Frankreich zurückgekehrt, zog er sich ins Privatleben zurück. 1814 erklärte er sich einverstanden mit dem Dekret des Senats und erhielt von Ludwig XVIII. das St. Louis-Kreuz. Während der Hundert Tage wurde er wieder Bonapartist und erhielt das Kommando über ein Beobachtungskorps an der Var, wo er gegen die Royalisten mit derselben brutalen Kraft vorging, wie in der Zeit, als er Jakobiner war. Nach der Schlacht bei Waterloo erklärte er sich für den König. Auf seiner Fahrt von Toulon nach Paris kam er am 2. August in Avignon zu einem Augenblick an, als diese Stadt vierzehn Tage lang einem Blutbad und Brandschatzungen durch den royalistischen Mob ausgeliefert worden war. Man erkannte ihn, und er wurde erschossen. Der Mob ergriff seinen Körper, schleppte ihn durch die Straßen und warf ihn in die Rhône. "Brune, Masséna, Augereau und viele andere", sagte Napoleon auf St. Helena, "waren unerschrockene <140> Räuber". Hinsichtlich seiner militärischen Fähigkeiten bemerkt er: "Brune war nicht ohne gewisse Verdienste, aber alles in allem war er eher ein général de tribune <General der Tribüne> als ein zu fürchtender Krieger." 1841 wurde ihm seiner Vaterstadt ein Denkmal errichtet.