Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 112-114.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Karl Marx

Blum

Geschrieben am 22. September 1857.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band III]

<112> Blum, Robert, einer der Märtyrer der deutschen Revolution, geboren am 10. November 1807 in Köln, hingerichtet am 9. November 1848 Wien. Er war der Sohn eines armen Faßbindergesellen, der 1815 starb und drei Kinder und eine notleidende Witwe hinterließ, die 1816 einen einfachen Schifferknecht heiratete. Diese zweite Heirat erwies sich als unglücklich, und das Elend der Familie erreichte während der Hungersnot von 1816/1817 einen Höhepunkt. 1819 erhielt der junge Robert, der dem katholischen Glauben angehörte, eine Anstellung als Meßdiener; dann wurde er Lehrling bei einem Goldschmied, später bei einem Gürtler, und nach deutschem Brauch schließlich Wandergeselle, konnte jedoch die Erfordernisse seines Handwerks nicht erfüllen und mußte nach kurzer Abwesenheit nach Köln zurückkehren. Hier fand er Beschäftigung in einer Laternenfabrik; sein Prinzipal fand Gefallen an ihm und ließ ihn zu einer Stellung im Kontor aufrücken. Blum mußte seinen Patron auf seinen Reisen durch die südlichen Staaten Deutschlands begleiten und wohnte in den Jahren 1829/1830 bei ihm in Berlin. In dieser Zeit war er durch emsige Anstrengungen bemüht, eine Art enzyklopädischer Bildung zu erwerben, ohne jedoch eine besondere Vorliebe oder außergewöhnliche Begabung für irgendeine bestimmte Wissenschaft zu verraten. Als er 1830 zum Militärdienst einberufen wurde, zu dem jeder preußische Untertan verpflichtet ist, brachen die Beziehungen zu seinem Gönner ab. Nach sechswöchigem Dienst aus der Armee entlassen, fand er seine Stellung besetzt und kehrte wieder in fast derselben Lage nach Köln zurück, in der er es zweimal verlassen hatte. Dort veranlaßte ihn das Elend seiner Eltern und seine eigene Hilflosigkeit, die ihm von Herrn Ringelgardt, dem Direktor des Kölner Theaters, angebotene Stellung eines Theaterdieners anzunehmen. Obwohl seine Beziehung zur Bühne untergeordneter Natur war, lenkte sie seine Aufmerksamkeit auf die dramatische Literatur, und die politische <113> Erregung, welche die französische Julirevolution in ganz Rheinpreußen hervorgerufen hatte, ermöglichte es ihm, Eingang in bestimmte politische Kreise zu finden und Gedichte in Lokalzeitungen zu veröffentlichen.

Im Jahre 1831 übertrug Ringelgardt, der inzwischen nach Leipzig übergesiedelt war, Blum den Posten eines Kassierers und Sekretärs des Stadttheaters in Leipzig; in dieser Stellung blieb er bis 1847. Von 1831 bis 1837 verfaßte er Beiträge für Leipziger Familienblätter, wie den "Komet", die "Abend-Zeitung" etc. und gab ein "Theaterlexikon", den "Verfassungsfreund", ein politisches Taschenbuch unter dem Titel "Vorwärts" etc. heraus. Seine Schriften tragen den Stempel einer gewissen hausbackenen Mittelmäßigkeit. Seine späteren Erzeugnisse waren außerdem durch ein Übermaß an schlechtem Geschmack verdorben. Seine politische Laufbahn begann 1837, wo er als Sprecher einer Abordnung Leipziger Bürger eine Ehrengabe an zwei oppositionelle Abgeordnete <Todt und von Dieskau> der Sächsischen Ständeversammlung überreichte. 1840 war er Mitstifter und 1841 Vorsitzender des Schillervereins sowie Mitvorstand des deutschen Literaturvereins. Seine Beiträge zu den "Sächsischen Vaterlands-Blättern", einer politischen Zeitschrift, machten ihn zum populärsten Journalisten Sachsens und zum besonderen Gegenstand der Verfolgung durch die Regierung. Der sogenannte Deutschkatholizismus fand in ihm einen eifrigen Parteigänger. Er gründete 1845 die deutschkatholische Gemeinde in Leipzig und wurde ihr geistiger Führer. Als sich am 13. August 1845 eine riesige Menge bewaffneter Bürger und Studenten vor der Schützenkaserne in Leipzig versammelte und diese zu stürmen drohte, um den tags zuvor erfolgten mörderischen Überfall eines Schützenbataillons zu rächen, rief Blum mit Hilfe seiner volkstümlichen Redekunst die erregten Massen auf, nicht von den gesetzlichen Mitteln des Widerstandes abzuweichen, und stellte sich an die Spitze der Verhandlungen um gesetzliche Genugtuung. Als Lohn für seine Bemühungen erneuerte die sächsische Regierung ihre Verfolgungen gegen ihn, die 1848 mit der Unterdrückung der "Vaterlands-Blätter" endeten.

Bei Ausbruch der Februarrevolution 1848 wurde er zum Haupt der liberalen Partei Sachsens, gründete den Vaterlandsverein, der bald über 40 000 Mitglieder zählte, und erwies sich überhaupt als unermüdlicher Agitator. Von der Stadt Leipzig in das Vorparlament entsandt, wirkte er dort als Vizepräsident und trug dazu bei, diese Körperschaft zu erhalten, indem er den Austritt en masse der Opposition verhinderte. Nach der Auflösung <114> des Vorparlaments wurde er Mitglied des Ausschusses, den es zurückließ, und schließlich des Frankfurter Parlaments, in welchem er der Führer der gemäßigten Opposition war. Seine politische Theorie zielte auf ein Deutschland mit einer Republik als Spitze, aber mit den verschiedenen traditionellen Königreichen, Herzogtümern etc. als Basis, da seiner Meinung nach nur die letzteren imstande waren, das unversehrt zu erhalten, was er für einen besonders anziehenden Charakterzug der deutschen Gesellschaft hielt, nämlich die unabhängige Entwicklung ihrer verschiedenen Stände. Als Redner war er gewandt, ziemlich theatralisch und sehr volkstümlich.

Als die Nachricht von dem Wiener Aufstand Frankfurt erreichte, wurde Blum zusammen mit einigen anderen Mitgliedern des deutsche Parlaments beauftragt, eine von der Parlamentsopposition verfaßte Beifallsadresse nach Wien zu überbringen. Als Sprecher der Abordnung übergab er die Adresse am 17. Oktober 1848 dem Wiener Gemeinderat. Nachdem er in die Reihen der Studentenkorps eingetreten war und während des Kampfe eine Barrikade befehligt hatte, saß er nach der Einnahme von Wien durch Windischgrätz in ruhiger Unterhaltung in einem Gasthof, als dieser von Soldaten umringt und er verhaftet wurde. Man stellte ihn vor ein Kriegsgericht, und da er sich nicht dazu herabließ, irgendeine seiner Reden oder Handlungen zu verleugnen, wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt, eine Strafe, die in den Tod durch Erschießen umgewandelt wurde. Diese Hinrichtung fand bei Tagesanbruch in der Brigittenau statt,