Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 85-86.

1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.

Friedrich Engels

Bastion

Geschrieben um den 14. September.
Aus dem Englischen.


["The New American Cyclopædia", Band II]

<85> Bastion. - In alten Festungen waren die Mauern der Städte durch runde oder quadratische Türme flankiert, von denen aus die Bogenschützen und Kriegsmaschinen ihre Geschosse auf den stürmenden Feind lenken konnten, nachdem er vor dem Graben zum Stehen gebracht worden war. Bei der Einführung der Artillerie in Europa wurden diese Türme beträchtlich vergrößert, und Anfang des 16. Jahrhunderts schließlich bauten die italienischen Ingenieure sie vieleckig, statt rund oder quadratisch, und entwickelten so die Bastion. Sie ist ein unregelmäßiges Fünfeck, dessen eine Seite so dem Innern der Festung zugewandt ist, daß der gegenüberliegende ausspringende Winkel auf das offene Feld gerichtet ist. Die zwei längeren, den ausspringenden Winkel bildenden Seiten werden Facen, die zwei kürzeren, die die Facen mit der Stadtmauer oder dem Festungswall verbinden, Flanken genannt. Die Facen sind dazu bestimmt, das Geschützfeuer aus großer Entfernung zu erwidern, während das Feuer aus den Flanken den Graben schützen soll. Die ersten italienischen Bastionen zeigten noch Spuren ihrer Herkunft von den alten Türmen. Sie schlossen eng an die Hauptwälle an; der ausspringende Winkel war sehr stumpf, die Facen kurz und die Brustwehr mit Mauerwerk bis ganz nach oben verkleidet. In solchen kleinen Bastionen war die Hauptaufgabe der Flanken die Verteidigung des Grabens vor der Kurtine, die zwei Bastionen verband. Deshalb legte man die Flanken rechtwinklig zur Kurtine an. Diese Bastionen waren entweder auf die Winkel des Vielecks, das den ganzen Enceinte des Festungswerkes bildete, verteilt, oder es wurde, wenn eine Seite des Vielecks so lang war, daß sich ein Teil nicht innerhalb des wirksamen Gewehrfeuers der beiden vorragenden Flanken befand, eine Zwischenbastion, genannt biatta forma, in ihrer Mitte angelegt. Mit der sich vervollkommnenden Belagerungsartillerie des 17. Jahrhunderts wurden größere Bastionen notwendig, und die Kurtine verlor sehr bald ihre Bedeutung, da die Bastionen jetzt die <86> Hauptangriffsobjekte waren. Die Funktion der Flanken wurde ebenfalls verändert: sie hatten jetzt hauptsächlich den Graben vor der Face der gegenüberliegenden Bastion zu bestreichen, und statt senkrecht zur Kurtine wurden sie senkrecht zur Verlängerung dieser Face angelegt, die Defenselinie genannt wurde. Die Höhe der Mauerwerkverkleidung wurde so weit verringert, daß das Glacis oder die Brustwehr der niederen Außenwerke sie vor direktem Beschuß schützten. So machten die Bastionen bei den Vertretern der alten französischen und deutschen Schule und später bei Vauban und Coehoorn viele Veränderungen in Form und Größe durch, bis ungefähr 1740 Cormontaigne eine Arbeit über das Befestigungssystem mit Bastionen veröffentlichte; sein System wurde allgemein für das Vollkommenste auf diesem Gebiet gehalten. Seine Bastionen sind so groß wie nur möglich; seine Flanken stehen fast, aber nicht ganz senkrecht zu den Defenselinien, und große Verbesserungen wurden in den Außenwerken gemacht.

Bastionen sind entweder voll oder hohl. Im ersten Falle ist die ganze Innenfläche auf die Höhe des Festigungswalles gehoben, im letzteren verläuft der Festungswall um das Innere der Bastion, breit genug, um das Bedienen der Geschütze zu ermöglichen, und hinterläßt einen Hohlraum in der Mitte des Festungswerkes. In vollen Bastionen werden manchmal Kavaliere errichtet: Befestigungen, deren Seiten parallel zu denen der Bastion verlaufen und hoch genug emporgezogen sind, damit die Kanonen über die Brustwehr feuern können. In der beherrschenden Höhe solcher Kavaliere werden im allgemeinen Geschütze mit größter Reichweite aufgestellt, um den Feind aus größerer Entfernung zu stören.

Das Befestigungssystem auf der Grundlage von Bastionen war vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts das einzig bekannte, bis Montalembert mehrere neue Systeme ohne Bastionen hervorbrachte, unter denen das polygonale oder Caponnière-System für Inlandfestungen und das System der kasemattierten Forts mit mehreren Stockwerkbatterien den meisten Anklang gefunden haben.