Inhaltsverzeichnis Aufsätze für "The New American Cyclopædia"
Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 52-56.
1. Korrektur.
Erstellt am 22.08.1998.
Geschrieben zwischen 11. Juli und 10. August 1857.
Aus dem Englischen.
["The New American Cyclopædia", Band I]
<52> Alma - ein kleiner Fluß auf der Krim, der von den Höhen nahe Bachtschissarai in westlicher Richtung fließt und in die Kalamita-Bucht, zwischen Eupatoria und Sewastopol, mündet. Das südliche Ufer dieses Flusses, das in der Mündungsgegend sehr steil ansteigt und das gesamte gegenüberliegende Ufer beherrscht, wurde während des vergangenen russisch-türkischen Krieges von Fürst Menschikow als Verteidigungsstellung ausgewählt, in der er den Angriff der alliierten Armeen, die gerade auf der Krim gelandet waren, auffangen wollte.
Die unter seinem Kommando stehenden Kräfte umfaßten 42 Bataillone, 16 Eskadronen, 1.100 Kosaken und 96 Geschütze, insgesamt 35.000 Mann. Die Alliierten landeten am 14. September 1854 etwas nördlich der Alma 28.000 Franzosen (4 Divisionen), 28.000 Engländer (5 Infanteriedivisionen und 1 Kavalleriedivision) und 6.000 Türken. Ihre Artillerie war genau so zahlreich wie die der Russen, und zwar 72 französische und 24 englische Geschütze. Die russische Stellung war scheinbar ziemlich stark, bot aber in Wirklichkeit viele schwache Punkte. Ihre Front dehnte sich nahezu 5 Meilen aus, viel zu lang für die geringe Anzahl von Truppen, die Menschikow zur Verfügung stand. Der rechte Flügel war völlig ungedeckt, während der linke (da das Feuer der alliierten Flotten die Küste beherrschte) die Stellung nicht bis zum Meer ausdehnen konnte und deshalb unter dem gleichen Mangel litt. Der Plan der Alliierten gründete sich auf diese Tatsachen. Die russische Front sollte durch Scheinangriffe beschäftigt werden, während die Franzosen unter der Deckung der 5 Flotteneinheiten den linken Flügel der Russen umgehen und die Engländer unter dem Schutz ihrer Kavallerie den rechten Flügel umfassen sollten.
Am 20. fand der Angriff statt. Er sollte bei Morgengrauen durchgeführt werden, doch wegen der langsamen Bewegungen der Engländer konnten es die Franzosen nicht wagen, vor dieser Zeit über den Fluß vorzugehen. <55> Auf dem äußersten rechten Flügel der Franzosen passierte Bosquets Division den Fluß, der fast überall seicht war, und erstieg die steilen Anhöhen des Südufers, ohne auf den geringsten Widerstand zu stoßen. Unter großen Mühen gelang es auch, 12 Geschütze auf das Plateau hinaufzubringen. Links von Bosquet brachte Canrobert seine Division über den Fluß, und diese begann, sich auf dem Plateau zu entwickeln, während Prinz Napoleons Division die Gärten, Weinberge und Häuser des Dorfes Alma-Tamak von den russischen Tirailleuren säuberte. Allen diesen Angriffen, die mit 29 Bataillonen unternommen wurden, setzte Menschikow in seiner ersten und zweiten Linie nur 9 Bataillone entgegen, zu deren Unterstützung bald noch weitere 7 eintrafen. Diese 16 Bataillone, unterstützt von 40 Geschützen und 4 Husareneskadronen, mußten den Hauptstoß des mit weit überlegenen Kräften geführten Angriffs der Franzosen aushalten, die bald von den restlichen 9 Bataillonen der Division Foreys unterstützt wurden. So waren alle Truppen Saint-Arnauds eingesetzt, mit Ausnahme der Türken, die in Reserve blieben. Das Resultat konnte nicht lange zweifelhaft bleiben. Die Russen gaben langsam nach und zogen sich, so gut es ging, geordnet zurück.
Inzwischen hatten die Engländer ihren Angriff begonnen. Ungefähr um 4 Uhr hatte das Feuer der Geschütze Bosquets von der Höhe des Plateaus aus auf dem linken Flügel der russischen Stellung gezeigt, daß die Schlacht im vollen Gange war; etwa eine Stunde später griff die englische Tirailleurlinie die der Russen an. Die Engländer hatten den Plan aufgegeben, den rechten Flügel der Russen zu umfassen, da die russische Kavallerie, die ohne Kosaken doppelt so stark war wie die britische, diesen Flügel so gut deckte, daß sie sogar den englischen linken Flügel bedrohte. Deshalb beschloß Lord Raglan, die vor ihm stehenden Russen frontal anzugreifen. Er warf sich auf ihr Zentrum mit Browns leichter Division und Evans' Division in der ersten Linie; die beiden Divisionen des Herzogs von Cambridge und des Generals England bildeten die zweite Linie, während die Reserve (Cathcarts Division), von der Kavallerie unterstützt, hinter dem linken Flügel folgte. Die erste Linie entwickelte sich, griff zwei Dörfer vor ihrer Front an und überschritt die Alma, nachdem sie die Russen vertrieben hatte. Hier gehen die Berichte auseinander. Die Engländer behaupten entschieden, daß ihre leichte Division die Brustwehr erreicht hätte, hinter der die Russen ihre schwere Artillerie aufgestellt hatten, wären aber dann zurückgeschlagen worden. Die Russen erklären, daß die leichte Division niemals richtig über den Fluß gekommen wäre, geschweige denn den Steilhang hinauf, auf dem diese Brustwehr errichtet worden war. Auf jeden Fall folgte die zweite Linie dicht hinter der ersten, entwickelte sich, mußte <56> sich erneut in Kolonnen formieren, um die Alma zu überqueren und die Höhen zu ersteigen; sie entwickelte sich dann von neuem und griff nach einigen Salven an. Es war besonders die Division des Herzogs von Cambridge (Garde und Hochländer), die der leichten Division zu Hilfe kam. Obwohl Evans langsam vorrückte, wurde er nicht zurückgeschlagen, so daß die in seinem Rücken operierende Division Englands ihn wohl kaum unterstützen konnte. Die Brustwehr wurde von den Garden und Hochländern genommen, und die Russen gaben die Stellung nach einem kurzen, aber heftigen Kampf auf. Achtzehn russische Bataillone standen hier der gleicher Anzahl englischer Bataillone gegenüber, und wenn jedes englische Bataillon 50 Mann stärker war als ein russisches, so machten das die Russen durch ihre überlegene Artillerie und die Stärke ihrer Stellung reichlich wett. Das englische Infanteriefeuer aber, das allgemein als sehr mörderisch bekannt ist, war es bei dieser Gelegenheit ganz besonders. Die meisten eingesetzten Truppen waren mit dem Minié-Gewehr bewaffnet, und dessen Kugeln, deren Durchschlagskraft ganze Reihen auf einmal töteten, wirkten in den tiefen russischen Kolonnen äußerst vernichtend. Die Russen, die ihre gesamte Infanterie, außer 6 Bataillonen, eingesetzt und keine Hoffnung hatten, die vorrückende Flut aufzuhalten, brachen die Schlacht ab, wobei die Kavallerie und die leichte Artillerie mit der geringen Infanteriereserve gemeinsam den ungehinderten Rückzug deckten. Die Engländer kämpften in dieser Schlacht entschieden besser als alle anderen Truppen, doch sie taten es in ihrer üblichen schwerfälligen Art des Manövrierens, Deployierens, Kolonnenbildens und erneuten Deployierens, unter feindlichem Feuer, was vollkommen unnötig war und wodurch sie sowohl Zeit als auch Menschenleben einbüßten. Der Erfolg dieser Schlacht für die Alliierten war der unbestrittene Besitz des offenen Territoriums der Krim und, solange die Russen ohne Verstärkungen blieben, auch des Zugangs zur Straße nach Sewastopol. Der erste Vorteil brachte den Alliierten nichts ein, doch den zweiten machten sie sich ohne Verzögerung zunutze.